Tiere in der Medizin

Organspender Tier
Das Risiko, dass mit einem Tierorgan auch gefährliche Viren die Artengrenze überspringen, ist ungelöst.

Tierversuche: Wieviel Leid ist vertretbar?
Jeder kennt grauenhafte Bilder aus Versuchslabors. Aber Experten sagen: Ohne Tierexperimente gibt es keinen medizinischen Fortschritt.

Gute Blutsauger
Blutegel haben ein schlechtes Image – aber durchaus ihre medizinischen Qualitäten. Auf den Spuren einer verkannten Spezies.

Haustiere schützen vor Allergien
Babys sind durch Haustiere nicht allergiegefährdet. Im Gegenteil: Das erste Lebensjahr mit vierbeinigen Freunden zu verbringen, schützt sogar.

Maden lassen Wunden heilen
Fliegenmaden sind die neue Waffe im Kampf gegen Bakterien in Wunden. Sie halten die offenen Hautstellen sauber und werden mit den Bakterien fertig.

Tiere als Therapeuten
Tiere tun der Seele wohl, und damit auch dem Körper. Die Wissenschaft ist zwar noch zurückhaltend, doch in die therapeutische Praxis haben Vierbeiner längst erfolgreich Einzug gehalten.

Von Spinnengift und Krötenschleim
Das Gift von Schlangen, Skorpionen, Spinnen oder Fröschen soll töten oder abschrecken. Immer häufiger entdecken Wissenschaftler aber, dass sie damit auch Krankheiten heilen können.


Organspender Tier
Der Rückzug der Dolly-Schöpfer aus der Transplantations-Forschung hat für Verwirrung gesorgt. Das Risiko, dass mit dem Tierorgan auch gefährliche Viren die Artengrenze überspringen, ist ungelöst.

Umstritten: Transplantate von Tieren. (MedCommunications)

Organspender dringend gesucht! Modernste Medizintechnik läßt immer mehr Patienten mit schadhaften Organen auf eine Verbesserung ihrer Lebensqualität hoffen. Herz, Leber, Nieren, Lungen und Pankreas (Bauchspeicheldrüse) werden routinemäßig transplantiert.

In den Ländern der europäischen Union wurden im vergangenen Jahr insgesamt über 20.000 der genannten Organe verpflanzt. Jeder Vierte stirbt auf der Warteliste. Der wahre Bedarf wäre noch um einiges höher. Aufgrund des Mangels an Spenderorganen stirbt jährlich ein Viertel der Patienten, die auf diversen Wartelisten zur Organtransplantation eingetragen sind.

Während mechanische Körperfunktionen für eine bestimmte Zeit von einer Maschine übernommen werden können, kommt zunehmend Fremdgewebe zum Einsatz, um geschädigte Organe zu reparieren. Die Experten nennen dies Xenotransplantation: die Verpflanzung von lebendem Gewebe und Zellen von einer biologischen Art zur anderen.

Die Verpflanzung von Organen eines Tieres in den menschlichen Körper ist ein Spezialfall, den zu beherrschen trotz vieler Experimente noch nicht gelungen ist.

Ersatzteillager Tier

Das Herz eines Schweins beispielsweise ist dem des Menschen sehr ähnlich. So hat in der Herzchirurgie der biologische Klappenersatz vom Schwein die mechanischen Herzklappen fast schon ersetzt.

Die Erfolgsmeldungen überschlagen sich: immer öfter greift die Transplantations-Medizin auf biologische Organ-Ersatzteile von Tieren zurück.

Als nächster entscheidender Schritt war vorgesehen, Schweine in der Züchtung gentechnologisch so zu manipulieren, dass der menschliche Körper ein eingepflanztes Organ nicht mehr abstösst. Doch nach ersten Ansätzen und euphorischen Hoffnungen auf ein “Ersatzteillager Tier” mahnen die beteiligten Experten schon wieder zur Vorsicht: es besteht eine hohe Gefahr, dass es bei der Transplantation von tierischem Gewebe auf den Menschen zur Übertragung teils noch unbekannter Viren, Pilze und anderer Parasiten kommen könnte.

Ein Stall voll “menschlicher Schweine”

Wie das Roslin-Institut in Schottland mit dem spektakulären Klon-Schaf “Dolly” bewiesen hat, ist das Klonen eines Tiers kein Problem mehr.

Als nächstes setzten die Forscher sich zum Ziel, nach dem erprobten Verfahren gentechnologisch manipulierte Schweine zu züchten, deren Organe dann vom menschlichen Körper nicht mehr abgestoßen werden.

Im März dieses Jahres präsentierte eine japanische Forschergruppe der Presse “Xena”, das Klon-Schwein. Die Hoffnung auf das Ersatzteillager Tier schien in greifbare Nähe gerückt.

“Vielleicht wird eines Tages jedes größere städtische Krankenhaus einen Stall mit genetisch modifizierten Schweinen haben, um so der Nachfrage für Ersatzorgane zu entsprechen”, hieß es seitens der Forscher.

Dolly-Schöpfer satteln bereits um

Da schrillten aber auch schon die Alarmglocken, und nicht nur bei den Tierversuchsgegnern, die dagegen mobil gemacht hatten. Daniel Salomon vom amerikanischen Scripps-Institut für molekulare Medizin hatte festgestellt, dass in Mäuse transplantierte Schweinezellen eine schwere Infektion mit Schweineviren (PERV-Retroviren) nach sich zogen.

Es wurde klar, dass damit ein Tor für künftige, noch unbekannte Epidemien geöffnet werden könnte – das Immunsystem, das bei Transplantationen ohnehin künstlich geschwächt werden muss, würde mit unbekannten Viren konfrontiert. Tierische Viren könnten in den menschlichen Körperzellen unvermutet aktiv werden, niemand kennt hier die tatsächlichen Gefahren.

Das Roslin-Institut hat in diesem Sommer die Forschung zur Xenotransplantation dramatisch zurückgeschraubt. Mit dem Kooperationspartner, der Biopharma-Firma Geron, konzentrieren sich die Forscher jetzt mehr auf Stammzellenforschung und regenerative Medizin.

Herzklappen direkt vom Schlachthof

Im Normalfall kommen die Schweine für die Herzklappen-Chirurgie direkt vom Schlachthof: Spezialisierte Firmen entnehmen den Herzen des Schlachtviehs geeignete Klappen und nähen sie auf Stents, einer Ringstruktur, die als Gefäßstütze dient.

Bis zu ihrem Einsatz wird die Klappe dann konserviert und künstlich der menschlichen Gewebsstruktur angenähert. Damit soll die Abstossungs-Reaktion vermindert werden. In Österreich werden jährlich etwa 1300 reine Herzklappenoperationen durchgeführt.

Rainald Seitelberger von der Abteilung Herz-Thorax-Chirurgie am Wiener AKH sieht in der Übertragung artfremder Viren nur eines der viele Probleme mit der Xenotransplantation: “Auch wenn die meisten dieser Viren wahrscheinlich nicht gefährlich für den Menschen sind, so ist dieses Problem zweifelsohne noch nicht gelöst.” Was aber die Xenotransplantation nicht aufhalten werde.

Zumindest für den Bereich der biologischen Herzklappen vom Schwein, die Seitelberger bei seinen Operationen erfolgreich verwendet, sieht der Spezialist kein Problem, “da durch die Fixierung der Klappen ein erwiesenermaßen keimfreies und virenfreies Klappenmaterial gewonnen wird. Auch klinisch gibt es keinen einzigen Hinweis, dass eingeschleppte Viren zu Problemen geführt hätten.”

Alternative Stammzellen-Zucht

Die Optimierung von biologischem Organersatz erfordert noch viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit.
Der Lainzer Herzspezialist Ferdinand Waldenberger glaubt an eine Lösung des Problems durch die Beschichtung der Schweineherzklappen mit patienteneigenen Zellen. Auch er hält die Virenproblematik für überbewertet, zudem exakte klinische Studien noch rar sind.

“Aber schließlich”, so Waldenberger, “ist die Xenotransplantation nicht die einzige Lösung bei geschädigten Organen.” Demnächst soll es möglich sein, körpereigene Herzklappen wachsen zu lassen, wie das bei Haut und Knorpelgewebe bereits Realität ist.

“Ich glaube, dass der Weg über die Besiedlung von Gerüsten mit eigenen menschlichen Zellen ein vielversprechender Weg für die Zukunft ist. Das würde das Problem der Abstossung lösen.”

Bei künstlichen Gefässen sei dies schon weit gediehen. Auch die Anzucht von Stammzellen aus Nabelschnurblut läuft laut Waldenberger vielversprechend.

“Eine dieser Varianten wird uns in zehn Jahren sicher zur Verfügung stehen – wenn nicht sogar alle.”

Quelle: surfmed



Tierversuche: Wieviel Leid ist vertretbar?
Jeder kennt sie, die grauenhaften Bilder aus den Versuchslabors. Experten sagen: Tierexperimente sind nötig, um die Medizin ans Licht zu führen – ohne sie gibt es keinen medizinischen Fortschritt.

Zahl der Tierversuche wieder im Steigen begriffen. (surfmed)

Im gleichen Atemzug sagen viele dieser Experten: Der Umfang der Tierexperimente kann verringert, die Bedingungen für die Tiere deutlich verbessert werden. In der Praxis kann davon allerdings keine Rede sein. Die Zahlen des Bundeslandwirtschaftsministeriums zu Tierversuchen in Deutschland sprechen eine deutliche Sprache: Nach Jahren des kontinuierlichen Rückgangs ist die Zahl der Tiere, die bei verschiedenen Versuchen ihr Leben lassen müssen, wieder im Steigen begriffen – um 60.000 im Vergleich zum Jahr davor auf insgesamt rund 1,6 Millionen.

Das ist freilich ein Bruchteil des weltweiten Bedarfs. Zwar können Zahlen nur geschätzt werden, da es in vielen Staaten keine offiziellen Zählungen gibt, doch Experten halten einen “Verbrauch” von 250 bis 300 Millionen Tieren jährlich für durchaus realistisch.

“In den USA etwa wurden erst vor wenigen Monaten Nager überhaupt als Tiere anerkannt”, erzählt Helmut Appl, stellvertretender Geschäftsführer am österreichischen Zentrum für Ersatz- und Ergänzungsmethoden zu Tierversuchen (zet).

Mäuse und Ratten galten bis dahin als Labormaterial – und über Eprouvetten und Pinzetten muss keine Rechenschaft abgelegt werden.

Tests mit allem, was kreucht und fleucht

Tierarten, an denen neue Medikamente und Behandlungsverfahren, Lebensmittel-Zusatzstoffe und Chemikalien, Salben im Versuchs- und Shampoos im Endstadium ausprobiert werden, umfassen die ganze Palette an Vierbeinern aus dem Streichel-Zoo: von Ratte und Maus bis zu Hund und Katz‘, von Schwein und Ziege bis zu Pferd und Affe.

Den Großteil – rund 85 Prozent – machen Nagetiere aus. Darüber hinaus steigen die Zahlen für so genannte “niedrigere” Tierarten wie Fische, Vögel, Amphibien, Krebse und dergleichen.

“Es gibt kaum Produkte des täglichen Bedarfs, die nicht über den Tierversuch laufen”, meint Appl. Doch damit ist die Zunahme nicht zu erklären.

Auch die deutlich merkbare Steigerung bei der Substanzsuche hat die Tierversuchszahlen nicht hinauf geschraubt. Gleichzeitig läuft die Suche nach Alternativmethoden auf Hochtouren – und weist durchaus Erfolge auf.

“Wir konnten die Gesamtzahl an Tierversuchen seit den achtziger Jahren halbieren”, sagt Horst Spielmann, Leiter der “Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zu Tierversuchen” (ZEBET), einer Abteilung des deutschen Bundesgesundheitsamts.

Transgene Tiere – Basis für neue Entwicklungen?

Schuld am Steigen der Tierversuche in den letzten beiden Jahren ist die Genforschung, und hier vor allem die “Herstellung” transgener Tiere, also von Lebewesen, denen ein artfremdes, meist menschliches Gen implantiert wurde; das erklärt übrigens zum Teil, weshalb im nahezu genforschungsfreien Österreich nach wie vor ein Rückgang bei Tierversuchen zu verzeichnen ist.

Eigens “designte” Tiere sollen die Grundlagenforschung über Entstehung und Ursachen von Krankheiten, aber auch über die Wirkweisen von Medikamenten und Therapieverfahren erleichtern.

Die in den USA patentierte “Onko-Maus” etwa, über deren Zulassung in Europa nach wie vor gestritten wird, wurde so manipuliert, dass sie besonders schnell an jeder Form von Krebs erkrankt.

Weitere Patente folgten: Fettsucht-, Alzheimer- und Mukoviszidose-Mäuse sollen dabei helfen, der Krankheiten Herr zu werden. Bisher freilich mit mäßigem Erfolg. “Bisher wurde kein einziges Medikament auf Basis transgener Tiere entwickelt”, meint Spielmann. Gene, soviel wird selbst streitbaren Befürwortern immer klarer, wirken auf deutlich komplexere Weise aufeinander ein als zu Beginn der Gentech-Euphorie vermutet.

“Bis heute ist nicht bekannt”, so Spielmann, “ob mit menschlichen Genen manipulierte Mäuse nach denselben Mustern funktionieren wie Menschen.” Womit der Streit, so alt wie der Tierversuch selbst, neue Nahrung erhält: Sind Ergebnisse und Beobachtungen aus Tierversuchen überhaupt auf den Menschen übertragbar?

Zweifel aus Wissenschaftskreisen

“Wenig Übertragbarkeit besteht da, wo sich der Mensch eindeutig von anderen Säugern unterscheidet”, sagt Franz Gruber, wissenschaftlicher Leiter des Fonds für versuchtstierfreie Forschung (FFVFF) aus Zürich. Im Tierversuch beispielsweise wird oft versucht, antidepressiv wirkende Substanzen durch den so genannten ‚forced swimming test‘ zu finden.

Ratten werden dabei in einen mit Wasser gefüllten Behälter gesetzt, aus dem sie nicht entkommen können. Die Beobachter stoppen nun, nach welcher Zeit die Ratten aufhören, sich durch Schwimmen über Wasser zu halten. Zögert eine Substanz diesen Zeitpunkt hinaus, gilt sie als potenziell antidepressiv.

In Wirklichkeit gibt es für eine Ratte jedoch viele Gründe, mit dem Schwimmen aufzuhören, etwa um Kraft zu sparen. Menschen wiederum werden aus vielfältigen Gründen depressiv…

Vereinfachungen schaffen nicht immer Klärung

Die Forschung vernachlässigt hier Verhaltensaspekte und schließt aus stark vereinfachten Modellen auf komplizierte Mechanismen. Selbst Beispiele für Tierversuchs-Erfolge hinken manchmal. So wurden viele Chemotherapie-Kombinationen an Nacktmäusen auf ihre Wirsamkeit getestet. In die Mäuse hatte man menschliche Tumoren transplantiert. Auf die Chemotherapie reagierten sie sehr ähnlich wie Menschen – also durchaus ein Erfolg des Tierversuchs.

“Was jedoch an diesem Modell nicht vorausgesagt werden kann, sind die Langzeitfolgen einer Therapie”, meint Gruber. Also ob und nach wievielen Jahren die behandelten Menschen wieder einen Tumor bekommen.

Ähnlich gelagert sind Zweifel über Ergebnisse aus der Genforschung. So genannte Knock-out-Mäuse zum Beispiel, bei denen die Funktion bestimmter Gene ausgeschaltet wurde, sind zwar brauchbar, um herauszufinden, was dieses Gen in der Maus steuert. Ob jedoch die Steuerung beim Menschen genauso abläuft, ist nicht gesagt.

Tierschützer protestieren heftig

Aus diesem Grund gehen Tierschützer seit Jahren auf die Barrikaden.
Neben dem moralischen Aspekt – dem prinzipiellen Recht des Tiers darauf, nicht gequält zu werden – argumentieren die kühleren Köpfe unter ihnen mit Forschungsbehinderung durch die unterschiedlichen Ergebnisse, die bei Tier und Mensch erzielt werden. So wurden die Warnungen von Ärzten, Raucher hätten ein höheres Lungenkrebsrisiko, jahrelang in den Wind geschlagen, weil die Versuchstiere, die unfreiwillig zum Rauchen gezwungen worden waren, keinen Krebs entwickelten.

Auch die dramatischen Auswirkungen von Contergan hatte trotz umfangreicher Tests niemand voraus gesehen. Für Norbert Bornatowicz, Bereichsleiter der Toxikologie im Forschungszentrum Seibersdorf, ein schwaches Argument. “Die haben damals zwar Tests gemacht, aber nicht auf Fruchtschädigung. Seit Contergan wissen wir, dass das eben auch nötig ist.”

Keine unnötigen Belastungen

“Es kursieren viele veraltete Ansichten in der Bevölkerung”, sagt Annemarie Treiber, Präsidentin der Gesellschaft für Versuchstierkunde und Tierschutz-Beauftragte an der Uni Düsseldorf. Sie musste schon Leute durch ihr Labor führen, weil sich in der Stadt das Gerücht hielt, die Universität hätte einen eigenen Hundefänger angestellt.

Treibers Meinung nach werden Tierversuche immer so schonend wie möglich durchgeführt. “Natürlich gibt es auch Experimente, die schmerzhaft sind. Doch niemals werden sinnlose Versuche gemacht.”

Bei Versuchen, die starke Schmerzen verursachen könnten, müssen Tiere sachgerecht narkotisiert und später mit Schmerzmitteln behandelt werden. Auch Stress und Angst würden nach Möglichkeit vermieden. “Die Tiere haben oft jahrelang dieselben Pfleger, die ihnen dann auch beim Experiment wieder begegnen.”

Hier hätten, so die Biologin, die Tierschützer unrecht. “Es ist natürlich einfacher, mit alten, plakativen Beispielen zu arbeiten als sich mit dem Thema ausführlich zu beschäftigen.” Umfragen scheinen ihr recht zu geben. Auf die Frage, wie sie zu Tierversuchen stehen, sprachen sich aus dem Bauch heraus achtzig Prozent der deutschen und 64 Prozent der in England Befragten dagegen aus. Nach einem Hinweis auf “Fortschritte in der Medizin” waren sich die Leute jedoch nicht mehr so sicher. Eine deutliche Mehrheit der Deutschen und eine knappe Mehrheit der Engländer stimmten den Versuchen nun doch zu.

Keine Tierversuche für Kosmetika

“Es ist nach derzeitigem Forschungsstand einfach nicht möglich, auf alle Tests zu verzichten”, bestätigt Spielmann. “Die Unbedenklichkeit neuer Substanzen kann nicht am Menschen ausprobiert werden – in wessen Augen sollte man wohl neue Augentropfen träufeln?” Doch ans tierische Auge kämen heutzutage erst Substanzen, die bereits vielfach vorgetestet und als relativ unbedenklich eingestuft wurden.

Norbert Bornatowicz, an dessen Institut Industriechemikalien vor der Zulassung geprüft werden, stimmt zu: “Erst wenn in den Ersatz-Verfahren, zum Beispiel im Reagenzglas, keine Reaktionen mehr nachweisbar sind, geht man aufs Tier.”

Diese letzte Prüfung ist gesetzlich vorgeschrieben.

Nicht mehr so bei Kosmetika: Seit heuer dürfen Kosmetik-Endprodukte EU-weit nicht mehr an Tieren getestet werden. Statt dessen arbeitet man an Zellkulturen und – relativ neu und bereits weithin verwendet – isolierten Kuh-Eutern: Schlachthof-Überbleibseln, die ähnlich reagieren wie die menschliche Haut. Mit einer Übergangsfrist gilt die Verordnung ab 2003 auch für Einzelsubstanzen, die in Kosmetika Verwendung finden sollen.

Kleiner Schritt – großer Erfolg

Dies ist ein großer Erfolg im Kampf um Alternativen, der inzwischen von vielen Seiten – auch von den großen Pharmafirmen – unterstützt wird: Denn weniger Tierversuche reduzieren die Kosten für die Firmen. Außerdem erzielen manche der neuen Verfahren bessere Ergebnisse als Tests an Tieren. Ein Beispiel dafür ist der Phototoxizitäts-Test, ein Zellkultur-Test, an dem mit hundertprozentiger Übereinstimmung zur menschlichen Haut die Lichtempfindlichkeits-Wirkung von Substanzen untersucht werden kann.

“Die Zulassung dieses Tests auf EU-Ebene war ein wirklicher Durchbruch”, freut sich Horst Spielmann, der entscheidend zur Entwicklung beigetragen hat. Doch auch ohne gesetzliche Vorschriften ist das Verfahren weltweit auf dem Vormarsch: Denn es ist billiger und aussagekräftiger als die Haut von Kaninchen.

<
Und trotzdem: kein Ende in Sicht

Radikalen Gegnern geht das alles zu langsam. Sie sind bereit, für ihre Sache zu kämpfen – im wahrsten Sinn des Wortes: In Extremfällen wurden auch schon mal Labors verwüstet, Autos angezündet, Wissenschaftler bedroht. Ihrem Ziel kommen sie damit sicher nicht näher – zum Glück, wie auch besonnene Kritiker von Tierexperimenten einräumen. Denn es wird noch Jahre bis Jahrzehnte dauern, bis Tierversuche einigermaßen ersetzt werden können. Würde man diese Versuche von heute auf morgen verbieten, würde die gesamte Medizin zum Erliegen kommen – das ist der Tenor aller Experten.

“Wir sind im Moment auch pessimistisch, dass das besser wird”, bedauert Spielmann. Denn die Genforschung, Hoffnungsträger von Medizin und Wissenschaft, hat die Hoffnung auf weniger Tierleid bis auf Weiteres zunichte gemacht. Tierversuche, sie bleiben die Erbsünde der Medizin.

Quelle: surfmed



Gute Blutsauger
Blutegel haben ein schlechtes Image – aber durchaus ihre medizinischen Qualitäten. Das wußten schon die alten Griechen. Auf den Spuren einer verkannten Spezies. Blutegel besser als ihr Ruf. (Leeches Usa Ltd.)

Die am Menschen parasitierenden Blutsauger haben wahrlich keinen guten Ruf. Spätestens seit Vampirfilme in den Kinos laufen und die Gefahren von Zeckenkrankheiten auch der breiten Bevölkerung bekannt sind, hängt ihnen ein schlechter Ruf nach.Es stimmt zwar, dass gewisse Infektionskrankheiten durch die kleinen Biester übertragen werden können – die direkten Folgen ihres Blutkonsums sind in der Regel aber eher harmlos. Und manchmal kann ihr Verlangen nach Blut sogar zum Vorteil des Menschen genutzt werden. Medizinische Blutegel wurden schon vor über 2000 Jahren vom griechischen Arzt und Dichter Nikanadros erwähnt und geschätzt.

Jobbeschreibung: Saugen was das Zeug hält
Egel sind Zwitter und zählen zu der Gattung der Ringelwürmer (Annelida), sie gelten als höherentwickelte Verwandte der Regenwürmer. Bei völliger Streckung misst der adulte medizinische Blutegel (Hirudo medicinalis) 25 bis 30 cm bei einer Breite von ein bis zwei Zentimeter. Ihr Rücken, der mit zehn schwarzen Augen gespickt ist, hat olivgrüne Färbung und der Bauch ist grüngelb. Wenn die Dreistern-förmige Mundöffnung mit ihren gesägten Kiefern zur Genüge mit Blut versorgt wird und der Blutegel reinstes Wasser als Lebensraum vorfindet, kann er bis zu 20 Jahren alt werden.

Nach getaner Arbeit: Tod

Die Möglichkeit, den Blutegel auch zu therapeutischen Zwecken einzusetzen, ist in den 80er-Jahren und da vor allem in der rekonstruktiven Chirurgie wieder entdeckt worden. Maria Deutinger, plastische Chirurgin im Krankenhaus Lainz, schätzt die Helferlein, vor allem bei “mikrochirurgischen Einsätzen”, nach Replantation von Ohren, Fingern, Zehen und Hautlappen, um den venösen Abfluss von gestautem Blut sicher zu stellen.

Ohne die Hilfe deser altbewährten medizinischen Nützlinge kann es infolge der Blutstauung zu Unterversorgung der Kappillargefäße kommen, wodurch eine Gewebsnekrose eintreten kann. Dass das umliegende Gewebe gerettet werden kann, ist auf den Blutentzug und das Hirudin zurückzuführen, das in die Wunde abgegeben wird.

Seine Wirkung wird aufgrund gerinnungshemmender, lymphstrombeschleunigender, antithrombotischer und gefäßkrampflösender Eigenschaften hoch geschätzt. Der Biss des Egels selbst ist wenig schmerzhaft. Danach saugt er ca. 10 ml Blut in seine 20 Vorratsmägen; als “blutgierig” kann man ihn dabei wahrlich nicht bezeichnen: Eine Blutmahlzeit sättigt ihn bis zu zwei Jahre lang.

Nachdem der “medizinisch gezüchtete” und erregerfreie Egel einmal den menschlichen Lebenssaft gekostet hat, kann er für andere Patienten eine mögliche Infektionsquelle darstellen und wird deshalb nach erledigter Pflicht getötet.

Quelle: surfmed



Haustiere schützen vor Allergien
Nach einer amerikanischen Studie sind Babys durch Haustiere nicht allergiegefährdet. Im Gegenteil: Das erste Lebensjahr mit zwei oder mehr vierbeinigen Freunden zu verbringen, schützt sogar.

Katzen: Machen sie immun gegen Allergien? (surfmed)

Bei insgesamt 473 Kindern überprüften die Forscher vom Medical College in Georgia und vom Henry Ford Health System in Detroit die Neigung zu allergischen Erkrankungen. Die Ergebnisse dürften viele werdende Eltern beruhigen, die sich wegen der vermuteten Gesundheitsgefahr für das Baby von ihren Haustieren trennen wollten.

Haustiere härten ab

Bei den Kindern, die das erste Lebensjahr mit Hund oder Katze verbracht hatten, waren die von den Wissenschaftlern durchgeführten Allergietests auf Katzen, Hunde, aber auch Hausstaubmilben nur halb so oft positiv wie bei Babys ohne Haustierkontakt. Die Studie, über die sich eine Sprecherin der englischen Katzenschutzliga ganz besonders freute, wurde in Frühjahr von der American Thoracic Society vorgestellt.

Unterschied zwischen Jungen und Mädchen

Die amerikanischen Forscher betonten, dass die Ergebnisse auch dann noch eindeutig waren, wenn Risikofaktoren wie Eltern mit Asthma, Raucher im Haushalt oder die Konzentration an Hausstaubmilben mit einberechnet wurden. Zwischen den Geschlechtern gab es allerdings Unterschiede – Jungs scheinen von den haarigen Hausgenossen mehr zu profitieren als Mädchen. Bei ihnen war der Immunglobulin-E-Spiegel – ein Indikator für die Neigung zu allergischen Reaktionen – deutlich niedriger. Auch bei den Lungenfunktionstests schnitten sie besser ab. Für diesen positiven Effekt – das sei Eltern vor dem Tierkauf zur Allergieprophylaxe noch gesagt – waren aber mindestens zwei Stubentiger nötig.

Auch Kühe schützen

Eine in österreichisch-deutsch-schweizer Koproduktion entstandene Studie, die auf dem Allergologenkongress in Berlin für Aufsehen sorgte, spricht ebenfalls für die schützenden Effekte von Tieren, in diesem Fall allerdings weniger wohnungstauglichen. Das Ergebnis der Untersuchung: Bauernkinder, die im ersten Lebensjahr häufig Kontakt mit dem Viehstall hatten, zeigten ein gegenüber dem Durchschnitt um 75 Prozent reduziertes Allergierisiko.

Der Kontakt zu Kuh und Schwein spielt dabei eine ganz wichtige Rolle. Allerdings muss dieser regelmäßig erfolgen. Ein Urlaub auf dem Bauernhof genügt laut Erika von Mutius, der deutschen Projektleiterin aus München, nicht.

Quelle: surfmed



Maden lassen Wunden heilen
Fliegenmaden sind die neue Waffe im Kampf gegen multiresistente Bakterien in Wunden. Sie halten die offenen Hautstellen sauber und werden – gänzlich ohne Nebenwirkung – mit den Bakterien fertig.

Maden der Stubenfliege wirken wundreinigend. (ARS, J. Kucharski)

Vor allem in Kriegs-Lazaretten war die Methode schon lange bekannt: Wunden, die von Fliegenmaden befallen wurden, heilen schneller als herkömmlich versorgte. Erst in den 40er Jahren verdrängte der Siegeszug der Antibiotika diese unappetitliche, aber wirksame Therapie. Nun erleben die Tierchen wegen der immer häufiger beobachteten Resistenzen gegen Antibiotika bei chronischen Wund-Infekten ein Comeback. Der englische Mediziner Steve Thomas züchtet die “lebenden Chemiefabriken” in großem Stil und beliefert mittlerweile schon 800 medizinische Zentren in ganz Europa.

“Nur ein leichtes Kitzeln”

Die Maden werden vor allem bei chronischen Wunden und Geschwüren eingesetzt, wo herkömmliche Therapie versagt hat. Unter einem dünnen Nylonnetz, das ihre Flucht verhindern soll, leben die Tiere für einige Tage in der Wunde. Dabei ernähren sie sich von abgestorbenen Hautteilen, die von ihren Sekreten aufgelöst werden. Wie Staubsauger fahren die Maden das Wundbett ab und reinigen es von allem toten Gewebe. “Abgestorbene Zellen verhindern, dass Antibiotika, die von außen an die Wunde gebracht werden, wirken können” erklärt Thomas. “Zusätzlich geben sie Stoffe ab, die das Bakterienwachstum hemmen.” Patienten, die erst einmal ihren Ekel vor der neuen Methode überwinden, sind danach sehr zufrieden: “Bis auf ein leichtes Kitzeln gab es keine Probleme.”

Wirksam gegen resistente Bakterien

Neben dem Gewebe werden auch Bakterien verspeist. Besonders wichtig ist diese Beobachtung im Bezug auf die steigende Zahl multiresistenter Bakterienstämme, gegen die schon kein Mittel mehr wirkt. Der massive Einsatz von Antibiotika bei chronisch infizierten Wunden führt immer häufiger zum Auftreten von multiresistentem Staphylococcus aureus (MRSA). Für die Maden kein Problem: In einer kleinen Studie mit fünf Fällen von MRSA, die über Wochen erfolglos mit Antibiotika behandelt worden waren, brachten die Maden schon nach 48 Stunden deutliche Besserung. Die Bakterien verschwanden völlig.

Nicht alle Maden sind geeignet

Thomas gegenüber der Fachzeitschrift Lancet: “Viele Ärzte halten die Therapie noch immer für antiquiert. Dabei können Maden die Behandlungskosten um die Hälfte senken und Krankenhauseinweisungen zur chirurgischen Sanierung der Geschwüre verhindern.” Weil einige Vertreter der Madenzunft keinen Unterschied zwischen totem und gesundem Gewebe machen und dadurch die Situation verschlimmern, kommen nur bestimmte Maden für die Zucht in Betracht. Verwendet werden Nachkommen der gemeinen Stubenfliege Lucilia sericata. Sie werden unter sterilen Bedingungen auf frischer Schweineleber herangezogen.

Quelle: surfmed



Tiere als Therapeuten
Tiere tun der Seele wohl, und damit auch dem Körper. Die Wissenschaft ist zwar noch zurückhaltend, doch in die therapeutische Praxis haben Vierbeiner längst erfolgreich Einzug gehalten. Hund als Haustier streichelt die Seele, wirkt Stress entgegen. (Delta Society)

Tiere können als Therapeuten behinderter, chronisch kranker, aber auch depressiver oder einsamer Menschen oft mehr ausrichten als Doktoren. Unter Medizinern hat sich diese Erkenntnis bisher noch nicht in gebührendem Ausmaß herumgesprochen, und auch Wissenschaftler haben noch keinen großen Aufwand betrieben, um zu erforschen, auf welche Weise Tiere ihre offensichtlich heilsame Wirkung entfalten. Tiere dienen der Wissenschaft bisher meist nur als Versuchsobjekte, als Akteure im therapeutischen Prozess werden sie erst in den letzten Jahren stärker wahrgenommen. Die “pet therapy”, wie sie in den USA zum Begriff geworden ist, steht erst am Anfang.

Ein Haustier weckt die Lebensgeister

Das Zusammensein mit einem Haustier, zu dem eine liebevolle Beziehung besteht, verschafft viele Glücksmomente im Alltag, verleitet zum spontanen Spiel und fördert eine positive Lebenseinstellung. Ein tierischer Gefährte kann zum Lachen bringen, Kummer und Sorgen dämpfen, Verkrampfungen und Stress abbauen. All dies stimuliert die “Lebensgeister” und damit das Immunsystem und die Gesundheit.

Die beruhigende Wirkung, die von einem Haustier ausgeht, senkt den Blutdruck und verbessert die Atemfunktion. Die Produktion des Stresshormons Cortisol wird gedrosselt, körpereigene Endorphine (“Glückshormone”) werden freigesetzt. Dass eine positive Lebenseinstellung, Humor und Spontaneität Herzerkrankungen und Schlaganfall vorbeugen können, haben inzwischen viele wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt. Stress, Einsamkeit und Verbitterung dagegen wirken eindeutig negativ auf die Blutgefäße und den Kreislauf.

Gefährten im Alter

Alte Menschen profitieren besonders von den vielfältigen positiven Einflüssen vierbeiniger oder gefiederter Mitbewohner. Wer allein lebt, hat in Hund oder Katze einen ständigen Begleiter und lebendigen Gefährten. Verschiedene Studien ergaben, dass ältere Haustierhalter weniger anfällig sind für Krankheiten und depressive Verstimmungen. Sie gehen seltener zum Arzt, nehmen weniger Medikamente und erholen sich nach einer Krankheit schneller als ältere Menschen ohne tierischen Ansprechpartner.

Ein Haustier hat besonders auf Herz-Kreislauf-Patienten eine positive Wirkung. Dies gilt übrigens nicht nur für Hundehalter, kann also nicht allein mit der regelmäßigen Bewegung durchs Gassi gehen erklärt werden. Aus all diesen Gründen sind Haustiere mittlerweile auch in vielen Alten- und Pflegeheimen hoch willkommen. Dort sorgen sie nicht nur für die Aktivierung der Bewohner, sondern bieten nebenbei auch dem Pflegepersonal Trost gegen Stress und Überlastung.

Frauchen, die makellose Königin

Besonders das Rudelwesen Hund akzeptiert “seinen” Menschen bedingungslos – ob jung oder alt, gesund oder krank, hübsch oder häßlich, umgänglich oder kontaktscheu. Ein Hund sucht Herrchens oder Frauchens Nähe, freut sich über Zuwendung und vermittelt dafür Wärme und Trost. Er ist treu, verlässlich, dankbar und kann die besten Eigenschaften seines Halters hervorlocken. Doch auch andere tierische Gefährten bieten dem Menschen eine sehr direkte, non-verbale und komplikationslose Art der Beziehung und Verständigung. Die Liebe zum Tier ist einfach, bedingungslos und wird nie enttäuscht – wesentliche Gründe für die vielfachen positiven Effekte der Haustierhaltung, vermuten Psychologen. Und: Ein Tier zu umsorgen, vermittelt Sinn und das Gefühl, gebraucht zu werden.

Gefühlstherapeuten

Von Tieren können Kinder mit Entwicklungs- oder Beziehungsstörungen auf spielerische Art viel lernen – ohne mahnende Worte, die auf ihre Schwächen hinweisen. Sie lernen zum Beispiel, dass liebevolles und fürsorgliches Verhalte auf Gegenliebe stößt, und entwickeln ein Gefühl für ihre Stärken. Ein putziges Tierbaby weckt Zärtlichkeit und Beschützerinstinkt auch bei Kindern, die ihren Hunger nach Liebe und Anerkennung normalerweise hinter einem Panzer aus Aggression, Unnahbarkeit und Selbstbezogenheit verstecken. Selbst autistische Kinder können im Kontakt mit Tieren manchmal aus ihrer Reserve gelockt werden. Bei kleinen Patienten beschleunigt das Spielen mit einem Haustier oder der “Streichelzoo” in der Klinik die Genesung. Ähnlich wie das Lachen als therapeutisches Mittel bringt der Umgang mit Tieren Freude, positive Gedanken und Gefühle und lenkt ab von Schmerz und Leid.

Von Pferden und Delphinen

Die so genannte Hippotherapie – reiten oder voltigieren, Turnübungen auf dem Pferd unter gezielter Anleitung – beschleunigt die Rehabilitation nach Schlaganfällen und Kopfverletzungen und kann Patienten mit multipler Sklerose helfen. Selbst Spastiker profitieren vom Gleichgewichts-Training auf dem warmen Pferderücken. Reiten und voltigieren fördern das Körpergefühl und das Selbstvertrauen und hilft deshalb z.B. auch hyperaktiven Kindern oder Kindern mit Sprachstörungen. So lässt sich auch zumindest ein Teil der erstaunlichen Erfolge der “Delphintherapie” erklären, wie sie z. B. in Key Largo, Florida, im “Dolphin Cove” durchgeführt wird: Ein Team aus Neuropsychologen, Physio-, Sprach- und Beschäftigungstherapeuten kümmert sich dort um Kinder mit teils schwersten körperlichen oder psychischen Handikaps. Im Behandlungsprogramm aus Wasser- und Lernspielen im Delphinbecken erweisen sich die intelligenten und feinfühligen Meeressäuger jedoch als die eigentlichen Therapeuten. Heilen durch Intuition scheint ihre Methode, die Wissenschaftlern bisher ein Rätsel geblieben ist. Sei’s drum: Bei den kleinen Patienten kommt die Botschaft der Delphine bestens an.

Quelle: surfmed



Von Spinnengift und Krötenschleim
Das Gift von Schlangen, Skorpionen, Spinnen oder Fröschen soll töten oder abschrecken. Immer häufiger entdecken Wissenschaftler aber, dass sie damit auch Krankheiten heilen können.

Tarantelgift gegen Herzflimmern (surfmed)

Das, was Tiergifte so begehrenswert für Wissenschaftler macht, ist ihre außerordentliche Präzision. Das Ziel eines Giftangriffs einer Königs-Kobra oder eines Dickschwanz-Skorpions ist immer das Nervensystem des Gegners, entweder um ihn abzuschrecken, oder um ihn zu töten. Bei den “erfolgreichsten” Giften wirken die Komponenten wie die Neurotoxine ganz gezielt auf die Reizleitung der Nervenfasern oder die Übertragung an den Nervenenden, den Synapsen. Andere Gewebe oder Organe bleiben verschont.

Sehr interessant für die Neuro-Forschung

“Neurotoxine wirken so spezifisch, dass sie nach ihrem Wirkort, sogar nach ganz bestimmten Bindungsstellen an einem Ionenkanal klassifiziert werden”, sagt Dietrich Mebs vom Zentrum für Rechtsmedizin der Uniklinik Frankfurt. Er ist Autor eines Handbuchs über Gifttiere, das in Fachkreisen als “Bibel” gehandelt wird. Die spezifische Wirkung der Toxine macht sie zunächst einmal für die Forschung interessant. Mit ihrer Hilfe wurden schon Natrium-Kanäle charakterisiert und Rezeptormoleküle “sichtbar” gemacht, wie Mebs in seinem Buch schreibt. Die große Giftigkeit habe Pharmaforscher aber immer wieder abgehalten, sich näher mit Toxinen als möglichem Arzneimittel zu beschäftigen.

Das Peptid der Rosen-Tarantel

Es ist auch nicht das Gift an sich, das Forscher interessiert, sondern immer nur einzelne seiner Komponenten. Etwa das kleine Eiweißmolekül GsMtx-4 aus dem Gift der behaarten und Handteller großen chilenischen Rosen-Tarantel Grammostola spatulaeta. Das Peptid blockiert Ionenkanäle bestimmter Zellen. Der Herzspezialist Frank Bode von der Uniklinik Lübeck und seine Kollegen von der Georgetown University entdeckten, dass dies genau die Zellen eines Lebewesens betrifft, die auch für krankhafte Veränderungen des Herzschlages verantwortlich sind.

Noch viel Forschungsarbeit

Die Forscher kamen auf die Idee, die blockierende Wirkung des Spinnenpeptids gegen Vorhofflimmern des Herzens einzusetzen. Bei Versuchen an Laborkaninchen rhythmisierten sie erfolgreich die vorher zum rasenden Flimmern gebrachten Nagerherzen. Ihre Ergebnisse veröffentlichte das renommierte Fachmagazin Nature im vergangenen Januar. “Bis das neue Präparat als Medikament auf den Markt kommt, ist aber noch viel Forschungsarbeit zu leisten”, dämpft Bode die Hoffnung.

Kupferkopf-Protein gegen Brustkrebs

Ganz ähnlich sieht es auch bei anderen tödlichen Heilsbringern aus. Forscher der University of South California in Los Angeles isolierten ein Protein aus dem Gift des Kupferkopfes, einer gefürchtete Grubenotter der südlichen USA. Das Gift dieser Schlangen hat weniger neurotoxische Wirkung, sondern führt zu starken Blutungen und verhindert die Blutgerinnung. Das isolierte Protein Contortrostatin, eine der unzähligen Komponenten, entfaltete im Laborversuch an Mäusen gezielte Wirkung gegen Brustkrebs, Eierstockkarzinom und Hirntumoren. “Es zerstört die Zellen und verhindert die Bildung von Metastasen”, wie die Forscher auf einer Tagung berichteten. Klinische Versuche an Krebspatienten seien aber frühestens 2002 möglich.

Blutverdünner und Fibrinkleber

Bereits im täglichen klinischen Einsatz sind dagegen die gerinnungshemmenden Komponenten mancher Schlangengifte wie das Gerinnungsenzym der malayischen Lanzenotter Calloselasma rhodostoma. Was bei ihren Opfern zu offenen Wunden führt, wird in der Medizin zur Behandlung von Durchblutungsstörungen und Thromboseneigung eingesetzt. Eine Komponente aus dem tödlichen Mix macht das Blut dünner. Das Enzym Batroxobin der brasilianischen Verwandten Bothrops moojeni, verbessert ebenfalls die Fließeigenschaften des Blutes, wird gleichzeitig aber auch als “Fibrinkleber” bei Operationen verwendet. Chrirugen dämmen damit den Blutstrom aus so genannten diffusen Quellen der Leber oder der Lunge ein, indem sie es einfach auf die blutende Stelle sprühen.

Frosch-Gift gegen Schmerzen

Ein weiteres Beispiel für in der Medizin einsetzbares Tiergift ist das Gift im Hautsekret der “Pfeilgiftfrösche”, die eigentlich Baumsteigerfrösche oder Färberfrösche heißen. Die Indianer Kolumbiens und Panamas verwenden ihre Sekrete als Pfeilgifte auf der Jagd nach Vögeln und kleinen Affen. Tiergift-Experte Mebs beschreibt: “Die Frösche werden auf Holzstäbchen aufgespießt und über dem Feuer leicht erwärmt, wobei Pfeilspitzen mit dem austretenden Sekret bestrichen werden.” Eine der wirksamen Stoffgruppen dieser Hautsekrete sind Alkaloide. Eines von ihnen ist das Epibatidin der kleinen bunten Epipedobates-Frösche. Es führt zu Krämpfen, Lähmungen und Blutdruckabfall. In Tierversuchen zeigte es aber auch eine schmerzlindernde Wirkung, 260mal wirksamer als Morphin.

Beim Naturstoff ist die giftige von der schmerzstillenden Wirkung nicht zu trennen. Erst nachdem amerikanische Pharmazeuten den Stoff abänderten, verlor er seine schädliche Wirkung. Dafür wurden die Forscher mit einer weiteren Eigenschaft belohnt, die sonst jedes gängige Opiat problematisch macht: Das veränderte Epibatidin scheint nicht abhängig zu machen.

Mebs: “Das liegt daran, weil das Molekül nicht auf Opiat-Rezeptoren, sondern auf nikotinische Acetylcholin-Rezeptoren im Gehirn wirkt.”

Skorpion-Protein mit Vorliebe für Krebszellen

Die Hoffnung auf solch heilsame Wandlungen durch Giftkomponenten haben auch andere Wissenschaftler. Harold Sontheimer glaubt, im Gift des Großen Israel-Skorpions Leiurus quinquestratum mit dem Peptid Chlorotoxin einen Stoff gefunden zu haben, der Gliome, eine Form von Hirnkrebs und eine der am häufigsten tödlich verlaufenden Krebsarten, erfolgreich bekämpfen kann. Das Protein scheint nur die Krebszellen aufzustöbern und zu zerstören: “Das Entscheidende daran ist”, so Sontheimer, “dass dieses Peptid an kein anderes Protein irgendeiner gesunden Zelle bindet.” Aber auch er sagt: “Es gibt noch eine Menge zu tun, bis daraus ein Medikament wird.”

Bienengift für die Eigentherapie

Die Beispiele für die pharmazeutische Wirkung bestimmter Komponenten von Tiergiften werden immer zahlreicher. Toxine der Kegelschnecken als mögliche Schmerzkiller, Kobra-Gift-Toxine gegen Scrapie, Skorpiongift gegen den Malariaerreger Plasmodium. Ideen scheinen die Wissenschaftler viele zu haben. Aber einen Stoff zu finden und zu isolieren, ist eine Sache; ihn zur Marktreife zu führen, ist eine andere. So lange können und wollen manche Menschen aber nicht warten, wie der Fall von Kelly Ames zeigt. Sie lebt in Schottland und leidet an Multipler Sklerose. Schottland hat die weltweit höchste Zahl an MS Kranken, aber die niedrigsten Verschreibungszahlen für das teure Beta-Interferon. Gerade mal 1,5 Prozent erhalten es. Das brachte einige dazu, sich selbst zu helfen, und zwar in drastischer Form: Betroffene wie Kelly Ames bringen Bienen dazu, sie bis zu dreißig mal am Tag zu stechen. Sie macht es schon seit Jahren. Das Bienengift soll eine ähnlich lindernde Wirkung wie Beta-Interferon haben. Bevor sie mit der Eigentherapie begann, verschlechterten sich ihre Augen und sie hatte Probleme beim Gehen. Inzwischen sehe sie wieder gut und fahre regelmäßig Fahrrad.

Quelle: surfmed