Der Hund als Spiegelbild

Nicht der Hund, sondern vor allem der Besitzer muss sein Verhalten überdenken, fordert Marlies Bergmann. Das Problem der falschen Kommunikation zwischen Mensch und Tier löst sie mit positiver Verstärkung für den Hund und Theoriestunden für den Halter.

Wie erfolgreiche Hundeerziehung funktioniert, weiß jeder: mit Konsequenz, Fairness, Geduld und Liebe – dann wird aus dem Hund ein partnerschaftlicher Begleiter. Doch der Alltag in Deutschland sieht anders aus: “Wenn der Hundebesitzer kommt, um sich seine Position gegenüber dem Hund zu erarbeiten, ist schon etwas schief gelaufen”, weiß Marlies Bergmann.
Sie betreibt seit nunmehr 20 Jahren vor den Toren Münchens erfolgreich eine Hundeschule. Zum Programmangebot gehören Welpen-, Junghund- und Erziehungskurse, Agility und Einzelstunden. Die Philosophie des Hauses: “In unserer Hundeschule soll sich jeder wohl fühlen und das Gefühl haben, angekommen zu sein”, sagt Bergmann. Ihre Unterrichtsmethode bezeichnet sie als Mensch-Hund-Erziehung, denn nur selten liege die Problematik am Hund. Wenn es beispielsweise mit der Rangordnung nicht klappe, habe der Halter den Hund meist durch Inkonsequenz und viele faule Kompromisse in eine Position gedrängt, die das Tier eigentlich nicht will.

Ein komplett anderes Wesen

“Deswegen erziehe ich zu 80 Prozent den Halter und nur zu 20 Prozent den Hund.” Wer seinen Hund bei Marlies Bergmann trainieren will, muss deshalb zunächst drei Stunden Theorie pauken. Vermittelt werden hier vor allem Erkenntnisse des renommierten Verhaltensforschers Eberhard Trumler. So manchem Hundehalter geht dabei ein Licht auf: Das wuschelige “Baby” neben ihm ist eben doch ein kleines Raubtier, das so manche menschliche Höflichkeit als Rangaufwertung betrachtet – und sie irgendwann auch verteidigt. “Der Hund ist keineswegs unglücklich, wenn er geführt wird, im Gegenteil. Doch wenn ich am Verhalten des Tieres etwas andern möchte, muss ich erst mein eigenes andern”, so Bergmann.

Die Hundetrainerin spricht aus Erfahrung: In ihren Anfangszeiten trainierte sie die Vierbeiner ohne ihre Besitzer. Die Hunde waren im Unterricht vorbildlich – bis sie über die eigene Türschwelle traten. Dort fielen sie sofort in ihren alten Trott zurück. Denn an der Einstellung der Hundehalter und den Lebensumständen der Tiere hatte sich ja nichts verändert. Seitdem versucht Bergmann eine Botschaft zu vermitteln: “Ein Hund ist genauso zeitaufwendig wie ein Kind – nur schwieriger: schließlich muss man sich auf ein komplett anderes Lebewesen einstellen.” Leider seien sich dessen nur die Wenigsten bewusst: “Erst wenn man den Hund fordert und sich intensiv mit ihm beschäftigt, nimmt er einen ernst.” Schmusen und spazieren gehen, das reiche nicht aus: “Wenn ich einen Hund habe, habe ich auch die Pflicht, ihn zu beschäftigen.” Von der weit verbreiteten Meinung, man sollte seinen Hund erst mit einem Jahr in die Hundeschule bringen, hält sie wenig.


Eine solide Basis

“Das erste Jahr ist das schwierigste und zeitintensivste. Wer hier die richtige Basis legt, ist aus dem Gröbsten raus.” Spielerisch werden die Welpen in Bergmanns Vorschule an Grundkommandos wie Sitz, Steh, Platz und Komm herangeführt. Sie lernen an der Leine zu gehen, ohne zu ziehen, und absolvieren leichte Verkehrsübungen. Der Ablauf ist flexibel, herumtollen auf dem Abenteuerspielplatz gehört dazu: “Wenn sich ein Hund beim Training verweigert, stelle ich nicht das Tier in Frage, sondern die Situation, in der es sich befindet.” Einzelstunden für Welpen verweigert die Hundetrainerin aus Überzeugung: “Für einen Welpen ist Einzelunterricht verheerend. Man kann dem Kleinen nicht zumuten, sich eine Stunde lang ununterbrochen zu konzentrieren. Der Gruppenunterricht ist außerdem Teil der Sozialisierung.”
Als “hervorragendes Hilfsmittel” für alle Kurse bezeichnet Bergmann die Clicker-Methode, die sie in einem Seminar des Wolfsforschers Günther Bloch kennen gelernt hat: “Das ist schnelle und gewaltfreie Erziehung, die sich auch bei Problemhunden bewährt.” Der Clicker wird allerdings nur für die erste Lernphase eingesetzt: “Es geht darum, die erwünschte Handlung anfänglich zu verstärken.” Große Stücke setzt sie auch auf die Fünf-Meter-Leine: Werde sie zwischen dem vierten und dem achten Lebensmonat eingesetzt, lerne der Hund, dass er sich dem Besitzer nicht entziehen kann.

Die korrekte Strafe

Auch bei der Umerziehung tue sie gute Dienste. Trotz der sanften Methoden sei ihre Erziehung nicht antiautoritär: “Natürlich muss ich meinen Hund zurechtweisen, wenn es die Situation erfordert.” Deshalb lernen die Hundebesitzer in den ersten Stunde unter anderem die korrekte Anwendung des Schnauzengriffs.
Ansonsten setzt Marlies Bergmann sowohl beim eigenen Team wie auch bei den Schülern auf Weiterbildung: “Man muss neuen Erkenntnissen und Anforderungen gegenüber aufgeschlossen bleiben.” So können Hundehalter in der Hundeschule Bergmann stets an aktuellen und lehrreichen Wochenend-Seminaren über Verhalten und Erziehungsmethoden, an Ernährungskursen oder an Hundesport-Unterricht teilnehmen. Bergmanns Partnerin Claudia Raab bietet als gelernte Homöopathin ihre alternativen Heilmethoden an. Und sie selbst bildet sich gern bei der Gesellschaft für Haustierforschung und anderen namhaften Ethologen und Wissenschaftlern fort. Ihre “Mensch-Hund-Erziehung”, sagt sie, trägt überraschend viele Früchte. “Drei meiner Schüler haben inzwischen selbst eine Hundeschule eröffnet.”