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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/1994

Ayurveda

Cover

Das traditionelle Heilsystem Indiens im Dienste des modernen Menschen

1994-03-Ayurveda1Ayurveda ist eine jahrtausendealte Disziplin, deren Ziel darin besteht, dem Menschen zu einem langen Leben in Gesundheit und Selbstverwirklichung zu verhelfen.

Der Begriff Ayurveda stammt aus dem Sanskrit und bedeutet wörtlich “Die Wissenschaft vom Leben”. Die ersten schriftlichen Belege über Ayurveda finden sich in den altindischen Veden (den “Büchern der Weisheit”), genauer im Rigveda und im Atharvaveda, zwei der vier Hauptwerke, deren Alter auf 3.000 bis 5.000 Jahre geschätzt wird. Damit dürfte Ayurveda zu den ältesten medizinischen Lehren der Menschheitsgeschichte zählen. Im

Atharvaveda finden sich bereits konkrete Anweisungen für Krankheits- und Unglücksfälle. Es werden jedoch nicht nur medizinische Themen behandelt, sondern auch materielle, soziale, politische, philosophische und religiöse Aspekte des menschlichen Lebens miteinbezogen. Ayurveda ist also ein ganzheitliches medizinisches System, jedes Element und jeder Aspekt des menschlichen Lebens wird darin angesprochen und als Bestandteil der kosmischen Ordnung begriffen. Ayurveda beinhaltet die Einsicht, daß das Universum als Makrokosmos und der Mensch als Mikrokosmos in einem direkten Zusammenhang stehen, einander widerspiegeln und daß das eine jeweils im anderen vorhanden ist.

Ayurveda ist die erste systematische Sammlung des Wissens vom Menschen. Durch Erfahrung und fortwährendes Experimentieren wurde sie bis heute ständig weiterentwickelt. Dieses tiefgreifende, über Jahrtausende entwickelte Wissen um die Vorgänge im Menschen bildet die Basis für das ajurvedische Heilsystem. Die Einbeziehung äußerer Faktoren wie Klima, Jahreszeiten, Umweltbedingungen, Ernährungsweise etc., ermöglicht die Übertragung der ayurvedischen Prinzipien auf die Lebensbedingungen des Menschen in der westlich-zivilisierten Welt.

Das Prinzip von Ayurveda

1994-03-Ayurveda2Ayurveda sieht den Menschen als Ganzes in seiner Umwelt. Krankheiten werden nicht isoliert betrachtet, sondern als Ausdruck einer gestörten Harmonie zwischen Körper, Geist, Seele und äußeren Faktoren wahrgenommen. Ayurveda verfolgt also einen ganzheitlichen, interdisziplinären Ansatz. Grundprinzip der Behandlung ist: Der aus dem Gleichgewicht geratene Organismus muß wieder in Harmonie gebracht werden.

Ayurveda will zuallererst präventiv wirken, körperliche, geistige und seelische Gesundheit erhalten und vervollkommnen, die Vitalität des Organismus steigern, um einen Zustand von Glück, Harmonie und Zufriedenheit in allen Lebensbereichen zu erlangen.

Das Tri-Dosha-Prinzip

1994-03-Ayurveda3Die Lehre von den drei Doshas – Vata, Pitta und Kapha – bildet das Kernstück der ayurvedischen Wissenschaft; alle Vorgänge im menschlichen Körper werden mit ihrer Hilfe erklärt. Die drei Doshas sind eine Widerspiegelung kosmischer Kräfte im Mikrokosmos Mensch. Äther, Luft, Feuer, Wasser, Erde, die fünf Grundelemente des Kosmos, manifestieren sich im Körper als Vata, Pitta und Kapha.

Die drei Elemente Vata, Pitta und Kapha bestimmen und regeln alle biologischen und chemischen Funktionen des Körpers sowie geistige Vorgänge und das Bewußtsein. Sie halten den ganzen Körper zusammen. Ein harmonisches Zusammenspiel der drei Doshas erhält das Leben und die Gesundheit. Ihre wechselseitige Abhängigkeit erfordert eine ausgewogene Ernährung und Lebensweise.

Ein zentraler Gedanke des Ayurveda ist deshalb das Bemühen um die Erhaltung des Gleichgewichts der drei Doshas. Denn dies ist die Basis für die Gesundheit von Körper, Geist und Seele. Im Idealfall sind die drei Doshas in einem ausgewogenen Verhältnis verteilt. Menschen mit einer ausgewogenen humoralen Zusammensetzung sind in der Regel gesund und vital. Das Überwiegen eines der drei Doshas erfordert eine entsprechende Lebens- und Ernährungsweise, um das Ungleichgewicht auszubalancieren.

Durch die jeweiligen äußeren Lebensumstände kann sich das Gleichgewicht der drei Doshas ständig verändern. Die Harmonie der Doshas kann durch eine spezielle, auf den einzelnen Menschen zugeschnittene Ernährung und Lebensweise wieder hergestellt werden.

Ayurveda und die modernen Zivilisationskrankheiten

Ein ausgeglichenes Verhältnis unter den drei Körper-Doshas ist die Grundvoraussetzung für Gesundheit und allgemeines Wohlbefinden.

Wie kann ein Dosha aus dem Gleichgewicht geraten?

1994-03-Ayurveda4In der Regel deshalb, weil er über einen längeren Zeitraum hinweg schädlichen Einflüssen ausgesetzt war. Unsere westlich-zivilisierte Lebensweise bietet zwar viele Annehmlichkeiten, doch die Loslösung von natürlichen Zyklen wie den Jahreszeiten oder Tag und Nacht bleibt nicht ohne Auswirkung auf unsere Befindlichkeiten. Viele ayurvedische Mediziner sind der Ansicht, daß der Genuß von denaturierten Lebensmitteln sowie von mit Pestiziden und sonstigen chemischen Substanzen behandelter Nahrung einen enormen Anstieg von Vata im menschlichen Organismus zur Folge hat. Jede Form von Konservierung und Haltbarmachung trägt zu einem Anstieg von Vata bei. Unsere hektische, ruhelose und “unnatürliche” Lebensweise beinhaltet hunderte von Faktoren, die Vatarnehrend wirken. Die Krankheiten, die auf eine Schädigung von Vata im Körper zurückzuführen sind (Bluthochdruck, Diabetes, Herz- und Kreislauferkrankungen, Verdauungsstörungen, Probleme mit Haut und Haaren, Schlaflosigkeit, Asthma, Rheuma, Gicht, Kopfschmerzen, Migräne usw.) nehmen ständig zu. Nach neuesten Untersuchungen leidet heute in unserer westlichen Welt jeder zweite unter Magen/ Darm-Störungen, jeder dritte unter ernstzunehmenden Haut- und Haarproblemen.

Was können wir dagegen tun?

Ayurveda nutzt die Kräfte der Natur, um den Menschen wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Die Hauptrolle spielen hierbei die Ernährung und ayurvedische Heilpflanzen und Kräuter.

Die richtige Ernährung

Nach ayurvedischer Lehre ist die richtige und vollständige Emährung Basis für unsere Gesundheit. Denn die Nahrung liefert uns Bausteine und Energien für Körper, Geist und Seele. Tatsache ist jedoch, daß sich in unserer hektischen Zeit viele Menschen nicht mehr die Zeit nehmen, auf eine ausgeogene, schonend zubereitete Nahrung zu achten. Ausreichende Vitamin- und Mineralstoffzufuhr sind oft nicht mehr gewährleistet. Hinzu kommt, daß die Ruhe und Muse zum Essen oft fehlt. Fast Food feiert Hochkonjunktur.

Als Folge der industriell verfeinerten Nahrung sind Toxine im Organismus weiter verbreitet als früher, wo man noch die unverfeinerte natürliche Nahrung zu sich nahm. Industriell verfeinerte Nahrung gärt leichter und bewegt sich im Darm langsamer vorwärts als unverfälschte Nahrung. Sie hinterläßt oft Rückstände in den Darmfalten, die dann den Körper allmählich mit Giftstoffen überschwemmen.

Die Folgen falscher Ernährung sind zunächst in der Regel Störungen im Magen/Darm-Bereich. Diese verlaufen in der ersten Zeit oft symptomlos. Treten die ersten Anzeichen auf, meistens beginnende Fettpolster, Völlegefühl, Aufstoßen, Magenbrennen, Verstopfung, Durchfall, fahle Haut, auch Kopfschmerzen, dann sind das spürbare Anzeichen für mögliche, später oft folgenschwere und kompliziert heilbare Krankheiten. Nach ayurvedischer Sicht ist der Magen/Darm-Bereich Ausgangspunkt für die Entstehung der allermeisten Krankheiten.

Ayurveda im Einsatz bei Magen/Darm-Problemen

Bei Magen/Darm-Störungen (wie etwa der Magenschleimhautentzündung, einer typischen Krankheit unserer modernen Zivilisation) ist das Gleichgewicht der drei Doshas durch schädliche Einflüsse von außen empfindlich gestört. Die ayurvedische Therapie beinhaltet eine spezielle Diät und die Gabe von entsprechenden ayurvedischen Heilkräutern. Beides soll die in Unordnung geratenen Doshas wieder in Harmonie bringen, dem Menschen wieder Gesundheit und Wohlergehen bringen.

Speziell für die Gesundheit des Magen/Darm-Traktes gibt es im Ayurveda ganz bestimmte ayurvedische Pflanzen- und Kräuter-Kombinationen. Sie bringen das Gleichgewicht im Magen/Darm-Bereich wieder in Ordnung bzw. erhalten es. Diese ganz speziellen Pflanzenkombinationen können unsere Verdauungskraft stärken, indem sie ihr AGNI, ihre Verdauungskraft, auf uns übertragen. AGNI ist im ayurwedischen Sinn Symbol für die Verdauungskraft, zugleich bedeutet AGNI die kreative Flamme, die allem Leben zugrunde liegt. Wenn AGNI schwach ist, wird die Nahrung nicht richtig verdaut, und es entstehen infolgedessen Toxine verschiedener Art, hauptsächlich solche, die von unverdauten Nahrungsbestandteilen herrühren. Die Toxine sammeln sich im Körper an und können Krankheiten hervorrufen.

Der AGNI der ayurvedischen Heilpflanzen wird durch seine gegensätzliche Natur von der negativen Lebenskraft der verschiedenen toxischen Ansammlungen im Körper magnetisch angezogen. Es kommt dadurch zur Neutralisierung der Toxine und zur Wiederherstellung der Harmonie. Dadurch wird unser Immunsystem wieder gestärkt, unser Körper wird widerstandsfähiger.

Ayurveda im Einsatz gegen Hautkrankheiten, insbesondere Psoriasis und Dermatitis

Die Psoriasis oder Schuppenflechte ist die am häufigsten vorkommende Hautkrankheit. Über drei Millionen Bundesbürger leiden daran. Was passiert bei der Schuppenflechte? Die Haut produziert viel zu schnell neue Zellen. Normalerweise dauert es bis zu 28 Tage, bis eine Hautzelle von der untersten zur obersten Hautschicht gewandert ist und abschilfert. Bei Psoriatikern geschieht dies in drei bis vier Tagen. In Folge blättert die Haut ab. Die Krankheit ist zwar noch nicht heilbar, aber es gibt doch Möglichkeiten, die Leiden zu lindern.

Ayurvedische Ölbäder bei Psoriasis

Die Wirkstoffe ayurvedischer Kräuteröle wirken wie Balsam auf die Haut.
Eine der wichtigsten Regeln der Behandlung der Schuppenflechte ist, die Haut durch Ölbäder geschmeidig zu halten. Ayurveda kennt hier spezielle Öle aus ayurvedischen Kräutern und Heilpflanzen, die den lokalen Selbstheilungsprozeß unterstützen bzw. in Gang setzen können. Damit sind die Voraussetzungen für ein rasches Abheilen der akuten und störenden Herde geschaffen.

Ayurveda bei Dermatitis und Ekzemen

Dermatitis und Ekzeme sind beides Hautentzündungen. Beide sind erkennbar an Rötungen, Schwellung, Schuppung, Nässung, Schmerz, Juckreiz und dergleiche.
Aus ayurvedischer Sicht ist falsche Ernährung die Hauptursache. Man sagt in Ayurveda: “Ernährt man sich richtig, wird man keine Gicht, keinen Rheumatismus, kein Leber- oder Nierenleiden, keine Fettsucht, also auch keinen Hautausschlag als Selbstheilungsvorgang bekommen.”

Ayurveda kann hier die natürlichen Selbstheilungskräfte wirksam unterstützen, indem durch spezielle pflanzlichen Wirkstoffe das Gleichgewicht der drei Doshas wieder hergestellt und somit der ausschlaggebende Anreiz zum Gesundwerden gegeben wird. Ayurvedische Mediziner setzen hier besondere Öle und Tinkturen ein.

Ayurveda im Einsatz bei Kopfschmerzen und Migräne

Immer mehr Menschen in der westlichen Welt leiden unter Kopfschmerzen. Die Ursachen sind vielfältig: Überbelastung und Streß, schlechte Luft, wenig körperliche Bewegung in frischer Luft, Sauerstoffarmut, ungünstige räumliche Bedingungen am Arbeitsplatz wie schlechte Luft, künstliches Licht, etc., keine Zeit für Phasen der Ruhe und Entspannung, und besonders mangelhafte Ernährung, um nur einige wichtige zu nennen.
Die echte Migräne kann schon der Kindheit oder in der Jugend auftreten. Sie besteht in Anfällen von äußerst heftigen, stechenden, gewöhnlich einseitigen Kopfschmerzen, die durch Blutgefäßkrämpfe im Gehirn oder in den Gehirnhäuten bedingt sind. Häufig sind die Anfälle mit Schwindel, Übelkeit und Erbrechen verbunden.
Aus ayurvedischer Sicht liegt die Ursache der Migräne vor allem in falscher Ernährung. Hinzu kommt mangelhafte Tätigkeit der ausscheidenden Organe, so daß Nahrungsbestandteile schlecht verdaut werden und sich Toxine im Körper sammeln.
Die ayurvedische Medizin behandelt Migräne erfolgreich durch eine salzlose, vegetarische Kost. Alle Genußgifte wie Alkohol, Tabak, Bohnenkaffee, Schwarztee, Kakao sind sehr streng zu meiden. Eine genaue konstilutionsbezogene Kost (nach Vata, Pitta, Kapha- Merkmalen) unterstützt die Behandlung.

Wichtig ist auch genügende Zufuhr von Wasser oder am besten Drei-Doshas-harmonisierende-Tees, weil diese gleichzeitig eine reinigende Funktion des Körpers übernehmen. Gleichzeitig wird in Ayurveda eine Steigerung der Ausscheidung durch einfache und harmlose ayurvedische Mittel angestrebt, um die Toxine im Körper abzubauen.

Ayurveda zur Harmonisierung von Körper, Geist und Seele

Seit Tausenden von Jahren schon werden in der ayurvedisehen Heilkunde bestimmte Mischungen von Rflanzen und Kräutern bei körperlichen, geistigen und seelischen Unstimmigkeiten eingesetzt. Ihre fördernde Wirkung auf das Bewußtsein und auf den Geist, aber auch auf die Vorgänge im Körper, machten sie zu einem unentbehrlichen Bestandteil der ayurvedischen Heilkunst. So haben bestimmte Aufgüsse eine kühlende und beruhigende Wirkung, während andere wieder das Erwachen des Geistes und der Intelligenz fördern.
Die Wirkstoffe der Tees entfalten sich nicht nur beim Trinken, vielmehr wird oft bereits durch den Duft beim Aufbrühen der Geist angesprochen.

Die Tee-Mischungen zeigen ihre Wirkung aber nicht nur bei geistigen und seelischen Unstimmigkeiten, sondern auch bei körperlichen Leiden und Unpäßlichkeiten. Bestimmte Tee-Mischungen können die Sehkraft, das Herz, die Nieren, die Verdauung, die Lunge, das Blut, die Knochen, die Geschlechtsorgane, die Haut, die Muskulatur und den Kreislauf stärken. Sie wirken insgesamt harmonisierend auf die drei Doshas.

Rupinder S. Sidhu Der Autor dieses Beitrages, Rupinder S. Sidhu studierte Ayurveda an der Universität für Alternative Medizin in Kalkutta und lernte in Indien Ayurveda vor Ort.

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