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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/1996

Musiktherapie

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Die Wirkung von Rhythmus und Klang auf Körper und Geist

Rolf Schneider

“Als Musik noch Melodie und Rhythmus, als jede melodische Kombination noch ein Geschenk der Götter und jede rhythmische Kombination ein Mantra war, das die Naturkräfte zu erschließen vermochte, galt die Musik als ein Mysterium der Elemente, des Planetensystems, der sichtbaren und unsichtbaren Welten.”
Alan Hovhaness, Komponist und Dirigent

Musik ist Klang

Schwingungen und Wellen sind physikalische Erscheinungen, die in allen Bereichen der Physik und des Lebens weit über die „klassischen” Bereiche wie Akustik und Optik hinaus eine Rolle spielen. Die besondere Eigenschaft der Welle ist, Energie und damit auch Information zu übertragen. Die „mechanische” Schwingung, wie sie oft in der Natur vorkommt, finden wir bei der Kinderschaukel, oder dem Hin- und Her eines Pendels, ja sogar in Brücken und Türmen. In der Akustik spielen die Schwingungen eine wichtige Rolle. Schließlich kommen Schwingungen in jedem festen Körper vor, denn die Moleküle, aus denen er aufgebaut ist, schwingen andauernd um ihre Gleichgewichtslagen.

Wenn wir von Wellen reden, fallen uns die Wellen des Meeres ein. Schaut man sich ein Blatt auf diesen Wellen an, merkt man, daß es auf den Wellen tanzt, im wesentlichen aber nicht von der Stelle kommt. D.h. die Welle läuft weiter, ohne grobe Materie zu transportieren. Sie transportiert gleichwohl Energie. Diese Energie besteht aber auch aus Materie, nämlich aus winzigen „Energie-Quanten”, die bestimmte energetische Kräfte „Botschaften, Informationen enthalten. Die Physiker Max Planck und Albert Einstein haben auf dieser Grundlage ihre „Quanten-Theorie” entwickelt. Esoteriker wiederum bezeichnen diese energetischen Schwingungen als „feinstoffliche Materie” Physikalisch besteht ein Orchesteraus vielen Schwingungsquellen, den Instrumenten. Stoßen diese Schwingungsquellen auf das Trommelfell des Ohres, nennt man sie Schall. Der wird von unserem Gehör als „Empfindung” des Gesamtklanges erkannt.

In Anbetracht der Tonvielfalt auf den Selbstklingern unter den Instrumenten mit ihren zahlreichen Obertönen sollte man ihnen in der Musiktherapie den Vortritt gegenüber den Instrumenten mit elektronischer Tonerzeugung geben.

Die Schallempfindung ist die Antwort des Gehörorgans auf seine Reizung durch Schallwellen,welche von einer Schallquelle (Instrument) ausgehen. Der Ton entsteht aber erst im Gehirn als solcher. Alles was sich außerhalb abspielt, sind mechanische bzw. physikalische Vorgänge. Wenn also von „Tonerzeugern” gesprochen wird, ist es nur insofern richtig, als daß sie „Schwingungserzeuger” sind. Es ist also streng zwischen der subjektiven Tonempfindung und den objektiv-physikalischen Erscheinungen zu unterscheiden. Der physikalisch-physiologische Vorgang ist mit Meßmethoden aufzeigbar, nicht aber die Subjektivität der Hörempfindung. Die Hörgrenzen des Ohres schließen einen Einfluß auf das Gehirn oberhalb und unterhalb dieser Grenzen nicht aus. Da dieser Einflußjedoch nicht physiologisch meßbar ist, da es an physiologischem Korrelat mangelt, gehören Überlegungen dieser Art nicht in den Bereich der heutigen Physiologie, welche auf meßbaren Parametern basiert.

Selbst wenn die Anfänge der Musik unklar sind, ist die Frage nach dem Anfang wohl eher eine Frage nach dem Zeitpunkt, wann unsere Vorfahren begannen, Handbewegungen und Tätigkeiten nicht mehr um der Arbeitsverrichtung, sondern um der Geräusche willen zu machen.

Bald müssen sie herausgefunden haben, daß das Schlagen auf einen hohlen Knochen oder einen hohlen Baumstumpf anders klingt als auf einen Stein. Die ersten Musikinstrumente und deren Benutzung waren abhängig von den ihnen innewohnenden Kräften und basierten auf den beiden Grundmöglichkeiten der Bewegung und Atmung. Bewegung verlieh die Möglichkeit zu schlagen, während die Atmung ermöglichte, Töne zu produzieren. Die immaterielle Anwesenheit des Tones aber, welche dennoch in der Lage war zu „verzaubern”, gab der Musik seit jeher etwas magisches, das sie bis heute behalten hat.

Rhythmus – Puls der Musik und des Lebens

Die ersten musikalischen Vorführungen, davon kann ausgegangen werden, waren mit Sicherheit das Schlagen auf Gegenstände, die verschiedene Geräusche machten. Wenn wir Dokumentarfilme über heutige Naturvölker anschauen, dann stellen wir fest, daß der Rhythmus, erst das Stampfen mit dem Fuß, später mit Trommel und Schlegel, eben das Schlagen in bestimmten Zeitabständen, ein wesentliches, wenn nicht das einzige musikalische Element der frühen Kulturen und deren musikalische Ausdruck war. Verschiedene Schlagfolger und Tempi dienten bald als Erkennung dei verschiedenen Stämme; auch unterstricher sie Freude und Trauer.
Jahrhunderte lang haben Menschen auder ganzen Welt Kinder mit Wiegenliedern in den Schlaf gesungen. Jahrhundertelang sangen die Menschen bei der Ernte oder bei schwerer Arbeit, um sie leichter zu Ende zu bringen. Viele Menschen verwenden heute noch Musik, um sich in außergewöhnliche Bewußtseinszustände zu versetzen. Das Geheimnis besteht darin, die richtige Musikfür die erwünschte Wirkung zu finden. Während von uns ein ruhiger Rhythmus mit ca. 60-70 Schlägen in der Minute als beruhigend und friedlich empfunden wird, werden Rhythmen mit über 100 Schlägen meist als schnell und unruhig charakterisiert. Interessant ist nun, daß ein gesundes Herz in Ruhe mit ca. 60-70 Schlägen in der Minute schlägt, während ein Ruhepuls über 80 schon pathologisch ist. Es ist nicht schwer, hier eine, wenn auch noch nicht bis alle Details erforschte, Kasuistik zu vermuten.

Historisches

Die alten musikalischen Schulen glaubten, daß die Musik die Brücke sei, die alle Dinge miteinander verbindet. In der Nachfolge des Pythagoreischen Denkens stellten sie einen „heiligen Kanon” dieser spezifischen Harmonien, Intervalle und Proportionen zusammen, die sogenannten Bindetöne: wenn die Menschen bestimmte Tonfolgen hören, dann synchronisieren sich angeblich auch die Rhythmen ihres Körpers und Geistes mit den Rhythmen der Planeten und Pflanzen, der Erde und des Meeres. Disharmonien, Unstimmigkeiten zwischen Körper und Geist verschwinden.
Durch die Musik, die Brücke zum Kosmos, würden Körper und Geist sich höheren Kräften und einem gesteigerten Bewußtsein öffnen, da die Musik Mikrokosmos und Makrokosmos miteinander verbinden könne. Die Musik, so Pythagoras, ist durch ihr Zahlenprinzip ein Abbild der Weltordnung, nimmt aber umgekehrt auch Einfluß auf das Gemüt und den Charakter des Menschen: sie wird zu einem moralischen und gesellschaftlichen Faktor, der in der Erziehung und im öffentlichen Leben beachtet werden muß.
In Zeiten, in denen allerdings einige Musikformen als schädlich für Körper und Geist erkannt werden, und sei es nur ob der Lautstärke, mit der sie abgespielt werden, sollte man, im wahrsten Sinne des Wortes, hören können, wie Musik auf den Körper wirkt; und man sollte sich im pythagoreischen Sinne darauf besinnen, als Teil des Kosmos auch seinen Gesetzen unterworfen zu sein und sich nicht wundern, wenn Makrokosmos und Mikrokosmos bei unharmonischer Schwingung revoltieren.

Grundlagen der Klangtherapie

Der Ohrenarzt Prof. Tomati aus Paris installierte einen Lautsprecher und ein Mikrofon in einem mit Wasser gefüllten Gefäß und stellte fest, daß das Mikrofon die aus dem Lautsprecher aufgenommene Musik ohne die Bässe und Tiefen wiedergab.
Dies läßt die Annahme zu, daß auch der Fetus bis zur Geburt Geräusche in einer bestimmten Klangfarbe hört, in welcher wenig Tiefen vorkommen, und erst nach der Geburt auch die Tiefen der Klänge wahrnimmt.
Jeder hat schon einmal unter Wasser gehört und erinnert sich an helle klirrende Geräusche seiner Schulkollegen im Schwimmbad. D.h. nur die hochfrequenten Töne werden noch von unserem Ohr vernommen, da sie im Medium Wasser besser übertragen werden.

Für die Praxis ist daher wichtig: Die Zusammenstellung der Tonfolgen der verschiedenen Kassetten erfolgt nach den Ergebnissen der ohrenärztlichen Untersuchung, die alle drei bis sechs Wochen stattfinden sollte.

Eine andere Form der Klangtherapie besteht in sogenannten Resonatorsitzungen, in denen der Patient auf einem Resonanzboden sitzt und ihm die Schwingungen über den Körper zugeführt werden. Der dänische Arzt Christian Wolf wandte seine Methode erfolgreich bei Legasthenikern an, da er bei den meisten Fällen eine Fehlhörigkeit bzw. Dislateralisation beider Ohren feststellte. Vor Beginn der Klangtherapie muß jedoch eine Innenohr- bzw. Schalleitungsstörung stets ausgeschlossen werden.

Der Musiktherapeut Joachim Berend drückt in seinem Buch „Ich höre, also bin ich” seine Erfahrungen mit dem Satz aus: „Das Auge ist der Spiegel zur Seele, das Ohr aber ist das Tor dazu.”
Berend versucht, durch bewußte Hörübungen der ruinösen Einseitigkeit in unserer Gesellschaft, die sich vorrangig in visuell argumentierenden und interpretierenden Aktivitäten manifestiert, Einhalt zu gebieten.
Er führt Descartes’ „Cogito ergo sum” („Ich denke, also bin ich”) ad absurdum durch die Tatsache, daß der Mensch gerade dann Mensch ist, wenn er nicht denkt, sondern wenn er fühlt, was zumindest in Bezug auf die Sinnlichkeit leicht zu beweisen ist. Berend führt aus, daß ca. 4 Monate nach der Befruchtung die Ausbildung der Cochlea, der Gehörgangsschnecke, als eigentliches Hörorgan vollendet ist. Dies führt seiner Meinung nach zu einem frühen Hören des Fetus. Überhaupt spricht Berend dem Hören weit mehr Bedeutung zu als dem Sehen, schon allein deshalb, weil das Ohr dreimal soviele Nervenverbindungen zum Gehirn hat wie das Auge. Seine Übungen zeigen, daß es noch etwas anderes als ein „kopfreduziertes” Leben gibt.

Auch die akademische Musikwissenschaft ist sich längst im klaren, daß bestimmte Klänge das Bewußtsein positiv beeinflussen können. Ein Beispiel sind die GoldbergVariationen, welche Bach eigens für einen Grafen schrieb, der unter Schlaflosigkeit und Unruhe litt.
Robert Palmer schreibt in der NewYorkTimes, die Verwendung von Musik zur Veränderung des Bewußtseinszustandes ist zu einem der wichtigsten musikalischen Trends der 70er Jahre geworden. Aber nicht erst die Musiker der 70er Jahre entdeckten und experimentierten mit diesem Phänomen. Die Schamanen Zentralasiens, die JajoukaMusiker in Nordmarokko und bestimmte indische und orientalische Musiker kennen musikalische Methoden, die zu bewußtseinsverändernden Phänomenen führen wieTrance, Schmerzkontrolle und die Fähigkeit, ohne Verletzung auf glühenden Kohlen zu gehen. In der Dritten Welt ist diese Art von Musik der älteste Weg zu Satori, das heißt zur Erleuchtung.

Ob nun Schall-, Klang-, Resonanz- oder Musiktherapie genannt, grundsätzlich sind sich alle Autoren einig, daß Musik einen wesentlichen Einfluß auf die körperliche und geistige Gesundheit des Menschen haben kann. Sie schlagen Komponisten und Werke vor, welche sie für therapeutische Zwecke für besonders geeignet halten.

Wichtig ist, den Einsatz desTherapeutikums Musik auf profund eruierte Basis (Anamnese) zu stellen, und durch Erfahrung und Gespür, unter Berücksichtigung des individuellen Beschwerdebildes, die richtige Klang-, Resonanz oder Schallwellenmedizin zu verabreichen. Dabei sollte durchaus auch der Patient die Möglichkeit haben, „seine Musik” auszusuchen. Bedeutsam ist und bleibt, ähnlich wie das homöopathische Wissen eines Homöopathen, die Sensibilität des Klangtherapeuten für sein Medium. Dazu gehören das Ausprobieren und Hören, wobei er seine Ohren, und besonders das rechte Ohr, schon durch bewußtes Hinhören mit rechts konditionieren kann.

Musik kann also eine Medizin sein, die richtig und bewußt angewandt ohne bitteren Nachgeschmack und Nebenwirkungen hilft.

Fünf Schritte zum Erfolg

  • Der Patient von heute ist aufgeklärter und informierter als die Patientengeneration vor ihm, und auf die Schnelligkeit der Wirkung einer Therapie oder einer Arznei fixiert. Als akuter Schmerzpatient z.B. hat er auch das Recht dazu. Ein solcher Patient wird allerdings kaum eine Klangtherapie anstreben. Im Falle langer Krankheitsgenese oder Chronizität hingegen ist der Patient sicher eher bereit, eine längere alternative Behandlung im Sinne der ganzheitlichen Gesundheit zu akzeptieren.
  • Musiktherapie sollte, nicht zuletzt auch im Sinne einer guten Compliance, Hand in Hand mit medikamentöser Unterstützung vor sich gehen. Sie kann aber auch ganz allgemein integrativ-stärkend und vorbeugend angewendet werden. Mit anderen Worten: man soll sich in der Hauptanwendung der Therapie zuerst auf Probleme wie Legasthenie, Müdigkeit, unklare Schmerzzustände, Depressionen usw. beschränken.
  • Zur seriösen Behandlung mit Musiktherapie gehört ein Ausschluß von Erkrankungen des Ohres bzw. deren Diagnose. Die Fähigkeit einer Hörkurvenerstellung mittels Audiometer und/oder ein Testprogramm zur Austestung der Legasthenie sind für den Therapeuten unumgänglich, um auch therapeutische Erfolge dokumentieren zu können. Die Bereitwilligkeit des Patienten, aktiv mitzumachen und täglich einige Zeit mit dem Hörtraining zu verbringen, ist aber obligatorisch. Suchen Sie als Therapeut daher die Patienten sorgfältig aus, denn die Therapie, aber auch Sie haben einen Ruf zu verlieren.
  • Intensive Zuhörer können Wellen und Vibrationen, die Musik im Körper auslöst, nicht nur akustisch, sondern auch über den Körper aufgreifen. Diese Möglichkeit des „sich Einschwingenkönnens” in etwas, welches die Welt im Mikro- wie im Makrokosmos umspannt, gibt ungeahnte Kraftpotentiale frei.
    Der Komponist Karl Heinz Stockhausen sagt dazu sehr treffend: ,,Alles musikalische Denken dient, wenn man intuitive Musik spielt, dem Überrationalen … Musikalische Meditation ist keine Gefühlsduselei, sondern Überwachheit und – in den lichtesten Momenten – schöpferische Ekstase.” In seinen Anweisungen verlangt er: ,,Warte, bis es absolut still in dir ist. Wenn du das erreicht hast, beginne zu spielen. Sobald du zu denken anfängst, versuche den Zustand des Nichtdenkens wieder zu erreichen – dann spiele weiter”, und „Spiele einen Ton mit der Gewißheit, daß du beliebig viel Zeit und Raum hast!”
    Dabei ist es aus meiner Sicht nicht egal, mit welcher Musik man arbeitet, denn aus der Sicht der physikalischen harmonischen Schwingung gibt es zwar keine „schlechte” oder ungesunde Schwingung, von schädlichen kurzwelligen Frequenzen einmal abgesehen, aber sehr wohl unterschiedliche Qualitäten des Musizierens und Hörens.
  • Die Sensibilisierung für die richtigen Schwingungen wird durch selbständiges Musizieren schneller noch als durch das Hören erleichtert und beschleunigt, wobei im Sinne der Klangtherapie die Musik die Integration der Hirnhemisphären verstärkt.

Ich akzeptiere weder im engeren noch im weiteren Sinne die Meinung, es gäbe unmusikalische Menschen. lch habe noch nie von einem Menschen gehört, geschweige denn bin ich einem begegnet, der auf Musik oder zumindest auf Schallwellen, und, noch restriktiver gesagt, auf Wellen wie z.B. Sonnenstrahlen nicht reagierte. Tatsache ist allerdings, daß viele Menschen schon versucht haben, das Phänomen der menschlichen Reaktion auf Töne zu erklären. Diese Reaktion kann von animalischer Erregung bis hin zu geistiger Erhebung reichen. Wie sehr wir auch an den menschlichen Verstand appellieren, er muß an den Grenzen des Physikalisch-Physiologischen kapitulieren und sich der Mystik hingeben. Wenn man also überall auf Schwingung trifft, angefangen vom Urknall im Makrokosmos bis hin zum Elektronenspin und Quantensprung im Mikrokosmos, kann man mit Fug und Recht behaupten, „die Welt ist Klang”, selbst wenn wir nicht alles hören können.

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