aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/1997
Homöopathie – Eine Standortbestimmung Teil 3
Arzneimittelkommission für Biologische Medizin der Hufelandgesellschaft für Gesamtmedizin vorgelegt von Dr. Gisela King und Heidi Rostek Nutzen und Grenzen der Therapie mit homöopathischen Arzneimitteln Die Therapie mit homöopathischen Arzneimitteln stellt eine spezifische Regulationstherapie dar. Grundsätzlich gilt also, daß ein Therapieerfolg nur dann zu erwarten ist, wenn der Organismus noch zu ausreichender Reaktion fähig ist. Ist die Reaktionsfähigkeit des Organismus erschöpft, so ist die Möglichkeit der Anregung seiner Eigenregulation nicht mehr gegeben und ein Therapieerfolg wird fraglich. Dies gilt z.B. bei bereits eingetretenen irreversiblen Gewebeveränderungen. Die Homöopathie stellt also eine Hilfe zur Selbsthilfe für den Organismus dar und kann immer dann helfen, wenn grundsätzlich noch eine Möglichkeit der Anregung und Regulation der körpereigenen Reaktionen gegeben ist. Mit wenigen Ausnahmen kann man deshalb fast alle Patienten einer Allgemeinpraxis homöopathisch behandeln. Die Ausnahmen betreffen vor allem bestimmte Verletzungen sowie alle Notfälle, die chirurgisch oder intensivmedizinisch behandelt werden müssen, sowie Ersterkrankungen, die einer Substitution bedürfen. Der Schwerpunkt der Therapie liegt in folgenden Bereichen:
Viele langwierige Krankheiten wie z.B. Neurodermitis, Heuschnupfen und Asthma und viele häufig wiederkehrende Erkrankungen wie Mandelentzündungen, Nebenhöhlenentzündungen, Bronchitis und Mittelohrentzündungen, die durch konventionelle Behandlung oft nur kurzfristig gebessert werden, lassen sich durch eine sorgfältige homöopathische Behandlung in vielen Fällen dauerhaft bessern oder sogar völlig ausheilen. Erfahrene Therapeuten haben auch schon schwere akute und chronische Krankheiten bis hin zu lebensbedrohlichen Zuständen erfolgreich homöopathisch therapiert. Bei Epidemien verschiedenster Art hatte und hat die Homöopathie auch in neuester Zeit hervorragende Erfolge zu verzeichnen. Oft sieht man unter einer homöopathischen Behandlung eine allgemeine Stabilisierung: Die Patienten fühlen sich insgesamt wohler, werden psychisch ausgeglichener allgemein leistungsfähiger, weniger anfällig gegen Belastungssituationen und akute Krankheiten. Dies ist als Zeichen einer sich bessernden allgemeinen Gesundheit zu werten. Nicht zuletzt ist die Homöopathie eine sehr kostengünstige Therapie und auch aus diesem Grunde zunehmend aktuell. HERING’SCHE REGEL Eine echte und vollständige Heilung verläuft in der Regel nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten, die in der Hering’schen Regel zusammengefaßt sind. Die Heilung sollte verlaufen
Oder, wie in der Veterinärmedizin formuliert, in der Reihenfolge:
RISIKEN UND UNERWÜNSCHTE ARZNEIMITTELWIRKUNGEN 1.Therapie Richtig angewendet birgt die Homöopathie nur sehr geringe Risiken, wie sich in jahrzehntelangen Erfahrungen gezeigt hat. Grenzen hat die Anwendung von homöopathischen Arzneimitteln jedoch
Auch bei allen Krankheiten und Unfallfolgen mit zwingender Operationsindikation oder der Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Behandlung dürfen die notwendigen chirurgischen oder allopathischen Maßnahmen nicht durch homöopathische Heilversuche verzögert werden. Bei schwerem Diabetes wird die Homöopathie in der Regel die Insulinbehandlung nicht ersetzen können und bei Ausfall der Nierenfunktion nicht die Dialyse. Als unterstützende Behandlung kann die Homöopathie in diesen Fällen jedoch sehr wohl geeignet sein. Die Entscheidung muß im Einzelfall mit therapeutischem Sachverstand getroffen werden. 2. Herstellung Homöopathische Arzneimittel werden umweltfreundlich hergestellt. In erster Linie ist die ökologisch unbedenkliche Gewinnung der Arzneigrundstoffe pflanzlicher, tierischer und mineralischer Herkunft zu nennen. Weitere bedeutende Vorteile sind die äußerst geringe Umweltkontamination durch Anwendung und Ausscheidung homöopathischer Arzneimittel und die völlig unproblematische Entsorgung abgelaufener Präparate. WIRKSAMKEITSNACHWEIS Immer wieder wird insbesondere von klinisch-pharmakologischer Seite vorgetragen, daß die Homöopathie in ihrer zweihundertjährigen Geschichte noch keinen einwandfreien Nachweis der Wirksamkeit erbracht habe, ja offensichtlich an einem derartigen Nachweis – in schulmedizinischem Sinne – nicht interessiert sei. 1. Unizismus Die Problematik eines solchen Wirksamkeitsnachweises liegt jedoch insbesondere im Falle der homöopathischen Einzelmittel im Methodischen. Ursache hierfür ist die in der klassischen Einzelmittelhomöopathie zu fordernde Indivudualisierung, d. h. die Therapie eines definierten Einzelfalles, der nicht reproduzierbar ist. Randomisierte Doppelblindstudien ohne individuelle Mittelwahl widersprechen den Grundsätzen des Unizismus. Die übliche, schulmedizinische Studie beschäftigt sich mit einer definierten, klinischen Indikation. Infolgedessen muß nur bei Randparametern (z.B. Alter, Geschlecht, Beruf, Gewicht, sportliche Aktivität etc.) auf zusätzliche Homogenität der Gruppen geachtet werden. Es ist jedoch bisher unklar, was man unter dem Begriff”Homogenität der Gruppen” im Falle der Therapie mit homöopathischen Einzelmitteln zu verstehen hat. Statt einer definierten Indikation geht es hier, nach Hahnemann, um eine Ansammlung von Befindlichkeiten, die in weitem Rahmen variieren können. Das Ziel einer konventionellen klinischen Studie ist, festzustellen, mit welcher Wahrscheinlichkeit diese definierte Indikation durch die Therapie a) therapeutisch besser beeinflußt werden kann als durch die Therapie b). Diese statistische Wahrscheinlichkeit trifft jedoch nur für bestimmte, ebenfalls definierte Studienbedingungen und Umstände zu. Derartige Bedingungen sind für klinische Studien mit homöopathischen Einzelmitteln derzeit a priori nicht definierbar. Machbar und bereits mehrmals mit Erfolg durchgeführt sind dagegen solche Studien, in denen versucht wurde, einer definierten klinischen Indikation bestimmte Arzneimittel zuzuordnen, von denen aufgrund des Vergleiches der pathognomonischen Symptome der Erkrankung und der Arzneimittelbilder angenommen werden konnte, daß sie erfolgreich eingesetzt werden können. Auch mit dieser Methode läßt sich jedoch ein repräsentatives Kollektiv zum Nachweis der Wirksamkeit der homöopathischen Therapie nicht ermitteln (Weingärtner 1992; Kleijnen, Knipschild, ter Riet 1991). 2. Pluralismus Ähnlich gelagert sind die Probleme der pluralistisch ausgerichteten homöopathischen Therapie, da es sich auch hier um Einzelfälle handelt, die in individueller, also nicht reproduzierbarer Weise behandelt werden. Auch für diese Therapieform ist ein Wirksamkeitsnachweis in schulmedizinischem Sinne derzeit nicht ohne weiteres zu erbringen. 3. Komplexismus Beim Einsatz von überwiegend nach klinischen Indikationen verordneten homöopathischen Kombinationsarzneimitteln sind die üblichen klinischen Studien dagegen durchaus erfolgreich durchführbar; gleiches gilt für standardisierte Anwendungsbeobachtungen. Solche Untersuchungen wurden bereits an großen Fallzahlen durchgeführt und sind umfassend dokumentiert (Zenner und Metelmann, 1989). AUSBLICKE 1. Entwicklung Schon im 19. Jahrhundert entwickelten sich in der deutschen Homöopathie zwei große Hauptströmungen: 2.Verbreitung In der Bundesrepublik bestehen an den meisten Hochschulen mit medizinischem oder tiermedizinischem Studiengang studentische Arbeitsgruppen, die sich intensiv mit der Homöopathie auseinandersetzen. Das Interesse der angehenden und bereits praktizierenden Therapeuten an der Homöopathie hat in den letzten Jahren sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin stark zugenommen. Gleiches gilt für die Wünsche der Patienten bzw. der Tierbesitzer nach homöopathischer Behandlung. Das Angebot an Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene wurde dementsprechend ebenfalls erweitert. Die Homöopathie ist heute in Europa hauptsächlich im deutschen und französischen Sprachraum, in Großbritannien, den Niederlanden sowie in Italien verbreitet, außerhalb Europas in Lateinamerika, in regionalen Zentren der englischsprechenden Staaten und in Sri Lanka, Pakistan und Indien, wo sie wegen ihrer Therapieerfolge bei großen Epidemien staatlich gefördert und an eigenen Colleges gelehrt wird. 3. Forschung Es zeichnet sich ab, daß die bereits vorliegenden Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in der Homöopathie langfristig zu einem Umdenkprozeß und zu einer Erweiterung des Weltbildes in der Naturwissenschaft führen werden. Eine Fortsetzung bzw. Intensivierung dieser Forschung ist daher dringend notwendig und geboten. Die Bundesregierung hat beträchtliche Finanzmittel für die Forschung im Bereich der Naturheilverfahren bereitgestellt. Dies belegt, daß das steigende Interesse an Naturheilverfahren generell und der Homöopathie im Speziellen durchaus bekannt ist, und daß diesem Interesse Rechnung getragen werden soll. VETERINÄRHOMÖOPATHIE Die Veterinärhomöopathie existiert bereits seit Hahnemanns Zeit und hat sich insbesondere in den letzten Jahren und Jahrzehnten stetig weiterentwickelt. In den Praxen ist eine kontinuierliche Zunahme der Nachfrage nach dieser Therapieform seitens der Patientenbesitzer zu verzeichnen. Sie hat sich einen festen Platz in der tiertherapeutischen Praxis nicht nur in Deutschland erobert. So existieren aktive Gruppen in den meisten europäischen Staaten, aber auch in vielen außereuropäischen Ländern. 1. Grundprinzipien Homöopathische Arzneimittel für Tiere werden nach den allgemeinen Grundsätzen der Homöopathie angewendet. Das Konzept der Veterinarhomöopathie ist jedoch angepaßt an die besonderen Gegebenheiten der tiertherapeutischen Praxis und umfaßt Homöopathische Arzneimittelbilder Für die Veterinärhomöopathie mußte also ein anderer Weg zur Sammlung der Symptome des jeweiligen Arzneimittelbildes gefunden werden. Veterinärhomöopathische Arzneimittelbilder, wie sie sich für die einzelnen Tierarten darstellen, setzen sich aus folgenden Komponenten zusammen:
Zusätzlich fließen auch Erkenntnisse aus der veterinärmedizinischen Physiologie und Pathophysiologie und der homöopathischen Grundlagenforschung in die veterinärhomöopathischen Arzneimittelbilder ein. Vor allem jedoch der klinischen Verifikation kommt in diesem Zusammenhang eine erhebliche Bedeutung zu, da nur tatsächlich in der Praxis bestätigte Angaben eine tragfähige Grundlage für eine rationale Therapie bilden können. Da Tiertherapeuten homöopathische Arzneimittel schon seit langer Zeit einsetzen, können sie inzwischen auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Die Anwendung der oben genannten Prinzipien zur Erstellung der veterinärhomöopathischen Arzneimittelbilder hat sich seit Jahrzehnten in der Praxis bewährt und zu positiven Therapieerfolgen geführt. 2.Therapie mit homöopathischen Arzneimitteln Arzneimittelwahl 3. Art der Arzneimittel-Verordnung Unizismus Pluralismus Komplexismus Nutzen und Grenzen der Therapie mit homöopathischen Arzneimitteln Die Gegebenheiten in der veterinärmedizinischen Praxis bieten außerdem bestimmte Besonderheiten, vor allem bei der Untersuchung und Behandlung von Kollektiven. So kann beispielsweise in Massenbeständen von einem einheitlichen Umfeld sowie von relativ einheitlichen Reaktionsformen des Gesamtbestandes ausgegangen werden. Dies beeinflußt auch die Art der Therapie in derartigen Massenbeständen, d.h. das Kollektiv wird bei der Arzneimittelfindung wie ein Einzeltier behandelt. Hier können auch Studien an größeren Patientenzahlen relativ problemlos durchgeführt werden. Homöopathische Arzneimittel bei lebensmittelliefernden Tieren Betriebe des ökologischen Landbaus müssen bestimmte Bedingungen erfüllen, um ihre Produkte unter einem bestimmten Warenzeichen vermarkten zu können. Im Bereich der Tierhaltung besteht die Vorgabe, bei erkrankten Tieren auf Naturheilverfahren zurückzugreifen, um so das Risiko der Belastung für Lebensmittel und Umwelt so weit als möglich zu reduzieren. Die Zahl der ökologisch wirtschaftenden Betriebe ist in den letzten Jahren stark angestiegen. So hat innerhalb eines Jahres (von 1992 bis 1993) die Zahl der Betriebe um 30 % zugenommen, die ökologisch bewirtschaftete Fläche wuchs sogar um 41 %. Hauptgrund hierfür ist das sich wandelnde Umweltbewußtsein bei Verbrauchern und Landwirten. Insbesondere in den neuen Bundesländern stellt die Spezialisierung auf biologische Anbaumethoden eine der wenigen Möglichkeiten zur Erhaltung der wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit dar. Die flächendeckende und therapiegerechte Versorgung mit homöopathischen Arzneimitteln für lebensmittelliefernde Tiere stellt eine der Voraussetzungen für weitere positive Entwicklungen in dieser Richtung dar. Risiken und unerwünschte Arzneimittelwirkungen Im Bereich der Veterinärmedizin spielt außer den möglichen Nebenwirkungen auch die potentielle Rückstandsproblematik eine Rolle. Derzeit liegen zwar noch keine experimentellen Untersuchungen zu dieser Problematik vor; die langjährige Erfahrung mit dem Einsatz dieser Arzneimittel auch bei lebensmittelliefernden Tieren zeigt jedoch, daß die Rückstandsproblematik in der Homöopathie keine Rolle spielt. Belegt wird dies auch durch die Tatsache, daß sich homöopathische Tierarzneimittel seit Jahren im Handel befinden und bisher
Man kann also durchaus von einer rückstands- und nebenwirkungsarmen Therapie sprechen, was insbesondere im landwirtschaftlichen Bereich, also in der Großtierpraxis, und hier speziell bei lebensmittelliefernden Tieren, eine große Rolle spielt. ZUSAMMENFASSENDE BEURTEILUNG Die Homöopathie fußt auf empirischen Beobachtungen Hahnemanns. Sie ist eine rationale, lehr- und erlernbare Therapie mit konkreten, nachvollziehbaren Grundlagen. Die Homöopathie stellt eine tiefwirkende, spezifische Regulationstherapiedar,diezu den ganzheitlichen Therapieformen gerechnet wird. Innerhalb der Homöopathie lassen sich verschiedene Richtungen unterscheiden,deren Bedeutung in der Praxis unterschiedlich ist. Bei korrekter Anwendung von homöopathischen Arzneimitteln und unter Berücksichtigung der Therapiegrundsätze zeigt die Nutzen-Risiko-Beurteilung eine positive Bilanz. (Nachdruckerlaubnis: Aurelia Verlag Baden-Baden) |