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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 5/1999

Erstattung von Naturheilkunde

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Wie Privatversicherte um die Erstattung von naturheilkundlichen Behandlungen kämpfen müssen

Die Werbung der privaten Krankenversicherungen um neue Kunden zeigt nicht den Versicherungsalltag.

r9905_en1Dass die PKVen alles andere als unkompliziert sein können, zeigt sich nicht selten, wenn man unterschrieben hat und Rechnungen zur Erstattung eingereicht werden.

In der Werbung wird suggeriert, dass dem Versicherungsnehmer der Zugang zu modernen und ganzheitlichen Methoden offensteht. Wenn es dann an die Begleichung von Rechnungen oder Rezepten geht, stellt der Kunde nicht selten fest, daß die PKVen einen Notwendigkeitsbegriff haben, der dem kassenärztlichen Notwendigkeitsbegriff in vielem entspricht oder darunter liegt. Auch der Begriff der Wissenschaftlichkeit wird überstrapaziert.

Dem Versicherten werden dann nicht selten Leistungen verweigert, die ihm zustünden. Aber wer von den Patienten und von den Ärzten oder Heilpraktikern kennt ihre Rechte genau bzw. wer sieht sich in der Lage, sich mit einer übermächtigen Versicherung auseinanderzusetzen? Die Versicherung verfügt ja über eine große Rechtsabteilung!

Die PKV sagt natürlich dem Versicherten nicht, dass sie in jedem Fall dann leisten muss, wenn es vertretbar ist, eine durchgeführte Therapie von Ärzten oder Heilpraktikern als medizinisch notwendig anzusehen. Im Falle der Heilpraktikerbehandlung ist diese nicht aus dem Blickwinkel eines Schulmediziners, sondern eines Heilpraktikers zu sehen.

Nach der Rechtsprechung zu § 4 II MB/KK 76 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der PKVen ist der Versicherte berechtigt, auch die Behandlung von Heilpraktikern in Anspruch zu nehmen, wenn die Tarifbestimmungen nichts anderes sagen. Dem durchschnittlichen Versicherten ist auch als medizinischem Laien bekannt, dass die diagnostischen und therapeutischen Methoden der Heilpraktiker von der Schulmedizin als wissenschaftlich allenfalls zu einem sehr geringen Teil anerkannt sind. Es entspricht auch weitgehend dem Selbstverständnis der Heilpraktiker, außerhalb der Schulmedizin tätig zu sein. Mit dem Leistungsversprechen des Versicherers, auch Kosten der Behandlung durch Heilpraktiker zu erstatten, ist die Leistungsbeschränkung, nur wissenschaftlich allgemein anerkannte Methoden und Arzneimittel zu versichern, haltlos. Denn so nähme der Versicherer dem Versicherten, was er ihm mit §4 II MB/KK 76 (AVG) zu leisten versprochen hat.
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 10. 07. 1996 bestimmt, dass es nicht darauf ankomme, ob die gewählte Behandlungsmethode und die sie tragende medizinische Erwägung von schulmedizinischen Erkenntnissen bestimmt wird, oder ob sie auf Erkenntnissen aufbaut, die in der sogenannten alternativen Medizin entwickelt worden sind. Der Notwendigkeit einer Heilbehandlung steht auch nicht entgegen, dass eine Behandlungsmethode noch nicht in der wissenschaftlichen Literatur nach wissenschaftlichem Standard dokumentiert und bewertet worden ist. Liegen solche Veröffentlichungen vor, können sie zwar für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit von Bedeutung sein, andererseits wird auf eine bisher fehlende Veröffentlichung die Verneinung der medizinischen Notwendigkeit der Behandlung nicht gestützt werden können.
Das BSG hat in seinem Urteil am 08. 09. 1993 darüber hinaus festgestellt, daß zu den besonderen Therapierichtungen insbesondere die Naturheilkunde zu rechnen sei und dass der maßgebende Standard deshalb nur “therapie-immanent” ermittelt werden könne. Den allgemeinen Standard bestimmen also die Therapeuten, nicht die Versicherer.
Für den Fall, dass eine PKV die Klausel, “medizinisch notwendige Heilbehandlung” so auslegt, dass nur Schulmedizin versichert sei, wäre diese Klausel ungültig.

Da die PKVen mit der Rechtsunkenntnis der Versicherten zu rechnen scheinen, treten sie zunehmend forscher auf und lehnen Leistungen ab, die sie nach den Versicherungsbedingungen eigentlich übernehmen müssten. Hier gilt es, nicht vorschnell klein beizugeben. Insbesondere wer rechtsschutzversichert ist, sollte sich einen auf das Versicherungsrecht spezialisierten Anwalt nehmen und gegebenenfalls gegen die PKV klagen. Es ist bekannt, daß die Gerichte die Versicherungsbedingungen sehr häufig anders auslegen als die PKVen.

Bisher haben die privaten Versicherer eine Machtposition. Sie können Versicherte, die etwa nicht rechtsschutzversichert sind, aber berechtigte Kritik üben, über die Kosten des Streitwerts erpressen.

Deshalb sollte ein Weg gefunden werden, der diese ungleiche Machtposition ausgleicht. Nach den Erfahrungen, die Versicherte besonders in jüngster Zeit mit der einen oder anderen PKVen machten, ist es Zeit, darüber nachzudenken, eine Schutzgemeinschaft privatversicherter Patienten zu gründen. In dieser Schutzgemeinschaft sollten sich Patienten, Ärzte, Heilpraktiker, Rechtsanwälte sowie Vertreter der Pharmafirmen und der Vebraucherberatung zusammenfinden. Zusammen könnten sie auch anhand offensichtlicher Fälle im Rundfunk und Fernsehen als Verbraucherschützer auftreten und aufzeigen, wie in nicht wenigen Fällen mit Versicherten umgegangen wird. Nur durch den konsequenten Einsatz von verbrauchernaher Positionen können die Versicherer in ihrer Schranken verwiesen werden.

DR. ARMIN E. MAETZ

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