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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/2009

Allergische Rhinitis in der TCM

Cover

Das Verteidigungs Qi stärken

Dr. Andrea-Mercedes Riegel


Die saisonal bedingte allergische Rhinitis, der sog. “Heuschnupfen”, ist das Ergebnis einer Überempfindlichkeitsreaktion auf
Blüten- und Gräserpollen. Die Überreaktion des Immunsystems auf Blüten- und Gräserpollen verursacht Symptome wie Niesen,
Juckreiz in Nase, Gaumen und Augen, Schleimhautschwellungen, Tränenfluss, Konjunktivitis. In schweren Fällen kommt es gar zu
asthmoiden Reaktionen, Fieber (“Heufieber”) und der Bildung von Aknepusteln. Schuld an diesen Reaktionen vor allem der Nase
ist eine IgE-vermittelte Hyperreaktivität der Nasenschleimhaut, hauptsächlich induziert durch Inhalationsallergene. Begünstigt
wird die allergische Rhinitis durch genetische Veranlagung, Umweltgifte, falsche Ernährung und Atemwegsinfekte. Die Rolle der
Umweltgifte erklärt auch, warum die allergische Rhinitis immer häufiger auftritt und immer schwerere Verlaufsformen nimmt.

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Die Schulmedizin konzentriert sich bei
der Therapie auf die Behandlung der
Symptome und stellt hierfür Antihistaminika
und Cortison bereit. Auf der naturheilkundlichen
Ebene werden vor allem
die Desensibilisierung und Bioresonanz
eingesetzt; aber auch die Akupunktur hat
in der Praxis bereits gute Erfolge gezeigt.
Desensibilisierung und Bioresonanz sind
vor allem dann erfolgreich, wenn die
allergenen Substanzen nicht zu zahlreich
sind und der Körper konstant auf spezifische Pollenarten reagiert. In der Praxis
zeigt sich jedoch immer wieder, dass viele
Patienten nicht immer auf die gleichen
Pollenarten reagieren, sondern dass die
Allergie von einem Jahr zum anderen variiert.
Hier kann tatsächlich am ehesten die
chinesische Medizin als ganzheitlich regulative
und unspezifisch wirksame Therapie
greifen. Die TCM versucht nämlich, die
energetische Balance im Körper zu halten,
d.h. das sog. “gesunde Qi” (zhengqi), die
Abwehrkraft, in den Zustand zu versetzen,
dass äußere pathogene Einflüsse nicht
anreifen können.

Im Fall der Allergie ist die Energie Qi des
Körpers generell zu schwach, um pathogene
Faktoren abzuwehren. Auf die allergische
Rhinitis übertragen, übernehmen die
Pollen die Rolle der pathogenen Faktoren.
Aufgrund der entzündlichen Reaktionen,
die sie auslösen, sind sie – ähnlich wie die
Umweltgifte allgemein – als pathogene
“Hitze-Faktoren” zu interpretieren. Sie
werden durch das Medium “Wind” über
Poren und Schleimhäute in den Körper
eingeschleust. Es ergibt sich daraus
das, was man “Wind-Hitze” nennt. Die
verursachten Störungen konzentrieren
sich vornehmlich auf die Sinnesorgane
Nase, Rachen und Augen, also die
Öffnungen, die zu den Funktionskreisen
Lunge (Nase, Rachen) und Leber (Augen)
gehören. Die asthmoiden Reaktionen
sprechen für Schwäche im Funktionskreis
Lunge ebenso wie die Tatsache, dass
die pathogenen Faktoren über Haut und
Schleimhaut in den Körper eindringen;
denn das bedeutet nichts anderes als dass
das sog. “Verteidigungs-Qi” (weiqi), das
durch die Lunge regiert wird, zu schwach
ist, um pathogene Faktoren abzuwehren.
Schulmedizinisch kann das Verteidigungs-
Qi als das unspezifische Immunsystem
gesehen werden.

Es besteht bei der allergischen Rhinitis also
zunächst ein Zustand der dominierenden
Lungen-Qi-Schwäche mit Wind-Hitze im
Körper.

Symptome, die auf das Vorhandensein
von Wind und Hitze an der Oberfläche
deuten, sind:

Hauptsymptome: Juckreiz der Nase,
Niesen, gelbliches Sekret, verstopfte Nase
Allgemeine Symptome: Aversion gegen
Zugluft, Kopf- und Nackenschmerzen,
Juckreiz der Augen, leichter Husten
Zunge: weißlicher Belag, rote Punkte auf
der Zungenspitze
Puls: oberflächlich, saitenförmig

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Eine Schwäche des Lungen-Qi kann
entweder konstitutionell bedingt oder über
das Modell der Fünf Wandlungsphasen
betrachtet das Ergebnis aus längerfristig
bestehenden Störungen in den beiden
Funktionskreisen Milz und Leber sein; denn
die Milz ist das Mutterorgan der Lunge, die
Leber das Kontrollorgan.

Der Zusammenhang mit dem Funktionskreis
Milz wird auch aus der Tatsache
verständlich, dass beide Organkreise,
Lunge und Milz, die Hauptorgane für die
Körperenergie Qi sind und beide Organe
wie im Mutter-Sohn-Verhältnis zueinander
stehen. Aus der Tatsache, dass ein schwaches
Lungen-Qi aus der Schwäche des
Milz-Qi resultieren kann, lässt sich auch
direkt ableiten, dass für die Entstehung der
allergischen Rhinitis auch langfristige Fehl- oder
Mangelernährung verantwortlich sein
kann; denn die Milz hat aus Sicht der TCM
die Aufgabe, die guten Nährstoffe aus der
Nahrung herauszufiltern, Fehlernährung
belastet und stört sie in dieser Aufgabe.

Die Leber ist verantwortlich für den
gesamten Energiefluss, den Qi-Mechanismus,
im Körper. Ist Leber-Qi gestaut,
gerät dieser Mechanismus ins Stocken, es
entwickelt sich zudem “Hitze” im Leber-
Funktionskreis; diese wiederum kann auf
die beiden mit der Leber im Kontrollverhältnis
stehenden Organe Milz und Lunge
weitergeleitet werden im Sinne eines
“Übergriffs” oder einer “Demütigung”.
Es ergibt sich aus der Mitbeteiligung des
Leber-Funktionskreises, dass die allergische
Rhinitis durchaus auch eine emotionale
psychische Komponente haben kann; denn
depressive Verstimmungen sind in der
Lage, das Funktionieren der Leber – sowohl
im Sinne der TCM als auch im Sinne der
Schulmedizin – empfindlich zu stören.

Für die ganzheitliche Therapie der allergischen
Rhinitis nach dem Muster der
TCM ist demnach die Einbeziehung einer
typengerechten möglichst natürlichen
Ernährung ebenso von Bedeutung wie die
Eliminierung emotionaler Störungen
(-> Stressfaktoren).

Für die Therapie über die Akupunktur
gilt folgendes Schema:

• ausführliche Anamnese mit Puls- und
Zungendiagnose zur Bestimmung der
Organbeteiligung
• Die Regulation von Qi: evtl. Befreien
des Qi-Mechanismus, Stärken von Qi
(Milz- und Lungen-Qi) und Regulation
des Verhältnisses von Blut und Qi,
beruhigen der Leber
• Befreien der Sinnesorgane
• Ausleiten von Wind und Hitze

Therapeutisches Prinzip und
Vorgehen:

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Grundsätzlich sollte man mit der Behandlung
in der beschwerdefreien, also in der
Remissionszeit, beginnen, dies vor allem
aus zweierlei Gründen:

Zum einen kann so vermieden werden,
dass die pathogenen Faktoren ungewollt
“gefüttert” werden, zum anderen können
die geschwächten Funktionskreise auf
diese Weise gestärkt und entsprechend
auf die kommenden Angriffe vorbereitet
werden.

Auch der Einsatz der lokalen Punkte lohnt
sich bereits in dieser Zeit, um eine gewisse
“Desensibilisierung” der Sinnesorgane zu
bewirken. Eine Möglichkeit, die sich in der
Praxis bewährt hat, ist die, dass 3 Monate
vor dem Beginn der kritischen Zeit mit
der Akupunktur-Behandlung begonnen
wird, zwei Zyklen à 10 Sitzungen, zweimal
wöchentlich. In der kritischen Zeit kann
mit der Behandlung einmal wöchentlich
fortgefahren werden. Mit dieser Vorgehensweise
kann in den meisten Fällen ein
Rezidiv über einen Zeitraum von drei bis
vier Jahren vermieden werden, d.h. der
Patient wird in den drei Folgejahren quasi
beschwerdefrei bleiben. Im Idealfall kann
auf diese Weise eine dauerhafte Immunregulation
erreicht werden.

Die Akupunktur-Rezeptur:
Die Akupunktur-Rezeptur für die Therapie
der allergischen Rhinitis setzt sich
zusammen aus Zustimmungspunkten für
die entsprechenden beteiligten Organe,
Hauptpunkten für die Stärkung von Milz- und
Lungen-Qi und lokalen Punkten.

Wichtige Punkte für die Behandlung der
allergischen Rhinitis sind daher:

Bl 18, Bl 13 und Bl 20 Zustimmungspunkte
für Leber, Lunge und Milz), Ma 36, Di 4,
Di 10, Di 11, (Qi stärkend), Le 3, Mi 6 (Blut
und Qi regulierend)

Ma 2, Di 19/Di 20, Ex 3 bitong, Bl 2 (lokal)

Bl 18 wird dann eingesetzt, wenn sich
aus Anamnese sowie Puls- und Zungendiagnose
eine Leberbeteiligung ergeben
hat. In diesem Fall ist grundsätzlich auch
Le 3 zu kombinieren als Quellpunkt der
Leberleitbahn und speziell das Leber-Qi
befreiender Punkt.

Di 4 ist Qi stärkend und wirkt ausleitend
auf pathogene Faktoren. Das bedeutet, Di
4 kann sowohl in der Remissionsphase als
auch im Akutfall verwendet werden. In der
Remissionsphase wird Di 4 zuführend stimuliert,
um Qi zu stärken, in der Akutphase
ableitend, um die pathogenen Faktoren
auszuleiten.

Di 10 und Di 11: beide Punkte haben
Qi-stärkende Wirkung, Di 11 hat zusätzlich
ausleitende Wirkung auf die pathogenen
Faktoren Wind, Hitze und Feuchtigkeit. Das
bedeutet, in der Remissionsphase wird
vornehmlich Di 10 gewählt (zuführend
stimuliert), während in der Akutphase Di
11 der Vorzug gilt (ableitend stimuliert).

Zur Regulation von Qi und Blut empfiehlt
sich die Kombination Le 3 und Di 4
(siguan xue, “Vier-Tor-Punkte”)
Als immunregulierende Standardkombination
hat sich in China die Kombination Ma
36 (+), Mi 6 (+-) und Di 10 (+) durchgesetzt.

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