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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 2/2009

Gentechnologie gefährdet Honig und Heilpflanzen

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Wird sich die Menschheit demnächst wie der berühmte Zauberlehrling verzweifelt auf der Suche nach der Formel befinden, mit der er die wildgewordenen Besen wieder stoppen kann?

Fleiß der Biene wird ihr Verhängnis 2009-02-Gentechnologie1

Honigbienen und solitär lebende Wildbienen decken ihren eigenen Eiweiß-Bedarf ebenso wie den ihrer Brut ausschließlich mit Blütenpollen. In vielen Regionen Deutschlands bilden landwirtschaftliche Kulturpflanzen wie Raps, Mais und Sonnenblume die Haupt-Pollenquelle für diese Insekten. Wildpflanzen, die diese Versorgung leisten könnten, werden durch intensive Landwirtschaft verdrängt. Mit dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen im Freiland werden sich die Insekten zu einem mehr oder weniger großen Anteil mit gentechnisch veränderten Pollen ernähren.

Die Bestäubungsleistung der Honigbiene ist so effektiv, weil sie „blütenstet“ ist. Sie besucht auf einem Flug jeweils nur eine bestimmte Pflanzenart. Dabei unterscheidet sie aber nicht zwischen gentechnisch veränderten Pflanzen und gentechnisch nicht veränderten Pflanzen. Bei einem Flug radius von mehr als 3 km sorgt ein Bienenvolk also auf einer Fläche von 30 bis 50 Quadratkilometer für Auskreuzung und somit für die Kontamination gentechnikfreier Pflanzenbestände. Landwirte, die gentechnikfrei anbauen, müssen nicht nur den Wind fürchten, sondern den Fleiß der Honigbienen. Gentechnik-Landwirte hingegen müssen aufgrund der Auskreuzung durch die Honigbiene vermehrt mit Schadensersatzforderungen rechnen. Das macht die Honigbiene für die Agro-Gentechnik höchst unerwünscht.

Bienenhonig etwa wird zwangsläufig kontaminiert, er enthält immer auch gewisse Mengen an Blütenpollen. Jedoch erhalten weder Imker noch Verbraucher Schutz seitens der Behörden.

Die in die Nutzpflanzen eingeschleusten Gene produzieren in allen Pflanzenzellen Toxine gegen Schadinsekten. Es ist abwegig anzunehmen, dass Schäden an sogenannten Nichtzielorganismen ausbleiben. Unterschwellige, subletale Effekte sind sehr schwer nachzuweisen und die komplexeren Wechselwirkungen im Naturhaushalt sind unüberschaubar. Sie entziehen sich selbst einer seriösen Sicherheitsforschung. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass die für die Zulassung der Pflanzen erforderlichen Studien von den Saatgutkonzernen selbst betrieben werden. Es bestehen keine allgemein verbindlichen Vorschriften über den Aufbau derartiger Untersuchungen, deren Ergebnisse nur den Zulassungsbehörden vorgelegt werden. Sie gelten als Betriebsgeheimnis und sind der öffentlichen Kontrolle nicht zugänglich.

2009-02-Gentechnologie3Bündnis zum Schutz der Bienen

Die Agro-Gentechnik hat zu einer erfreulich großen und wirksamen Aktivität der Zivilgesellschaft geführt. Eine der wesentlichen Initiativen dabei ist das „Bündnis zum Schutz der Bienen vor Agro-Gentechnik“. Es wurde von dem Pionier ökologischer Bienenhaltung, dem Verein Mellifera e.V., ins Leben gerufen. Ihm gehören neben einer Vielzahl von Einzelpersonen einige Verbände des Ökolandbaus und der Lebensmittelwirtschaft an. Gemeinsam werden Imker unterstützt, welche als Betroffene auf dem Rechtswege Schutz vor dem Anbau einfordern. Anlässlich der Klagen gegen den Anbau des gentechnisch veränderten Mais MON 810 ist unter www.bienen-gentechnik.de eine spezielle Internetplattform entstanden.

Kontaminierter Honig in Müllverbrennung entsorgt

So ist der Imker Karl Heinz Bablok mit der Unterstützung des Bündnisses dabei eine Aufsehen erregende Klärung zu erwirken. Das Verwaltungsgericht Augsburg stellte im letzten Urteil wiederum fest, dass Honig durch die geringste Verunreinigung mit Pollen des Mais MON 810 seine Verkehrsfähigkeit verliert; er darf also weder verkauft noch verschenkt werden. Der Grund dafür ist, dass es sich um GVO-Mais handelt, der keine Lebensmittelsicherheits prüfung nach aktuellem Gentechnikrecht durchgemacht hat. Skandalös ist die Güterabwägung des Gerichtes, welche vom Imker verlangt hat, seine Bienen ab zutransportieren und dem GVO Anbau auszuweichen. Der Imker betreut seine Bienen seit vielen Jahren in einem stationären Bienenhaus. Aus unvorhersehbaren Gründen wurde die gesamte Jahresernte des Imkers aber trotz des vom Gericht verlangten Abtransportes verunreinigt. So blieb dem Imker nichts anderes, als den Honig fachgerecht in der Müllverbrennung zu entsorgen. Gegen das Urteil ist von al len Prozessbeteiligten Revision eingelegt worden. Auch die Frage nach Schadensersatz soll geklärt werden.

Die Koexistenzlüge

Aufgrund massiven Drucks seitens der Welt handelsorganisation WTO hat die EU vor einigen Jahren ihr Moratorium aufgegeben, mit dem sie bis dahin den Anbau von GVO-Pflanzen verhindert hatte. Den Bürgern und Landwirten sollte dies mit dem Versprechen schmackhaft gemacht werden, dass Koexistenz-Regeln geschaffen werden, welche für Anbauer und Verbraucher eine Wahlfreiheit zwischen Gentechnik und gentechnikfreiem Anbau gewährleisten. An einer Vielzahl von Umständen zeigt sich, dass dies nie wirklich so gemeint war – und auch nie realisierbar sein wird. Die offenkundigen Probleme werden durch raffinierte juristische Gestaltungen ausgeblendet. Das kommt auch in dem im November 2007 verabschiedeten Gentechnikgesetz zum Ausdruck. Darin kommt weder das Wort Bienen, Honig noch Imker vor.

2009-02-Gentechnologie2Verbot des Gen-Mais?

Im April hat Ministerin Aigner das Ruhen der Genehmigung von MON 810 angeordnet: „Ich komme zu dem Schluss, dass es berechtigten Grund zu der Annahme gibt, dass der gentechnisch veränderte Mais MON 810 eine Gefahr für die Umwelt darstellt.“ Aus demselben Grund hatte sich im März auch Luxemburg den EU-Ländern Österreich, Ungarn, Frankreich und Griechenland angeschlossen, die sich angesichts der Risiken schon länger dem GVO-Anbau widersetzen. Anbau und Verkauf des Saatgutes von MON 810 sollen nun auch in Deutschland unzulässig sein. Das ist ein wichtiger Etappensieg der Umweltschützer. Die Entscheidung erfolgte im letzten Moment und war überfällig.

Ob hinter dem Verbot wirklich die Absicht einer nachhaltigen Wirkung steht oder ob wieder ein Schlupfloch geschaffen wird, um den Anbau doch zu ermöglichen, wird sich nach den Wahlen zeigen. Der Saatgutproduzent Monsanto hat jedenfalls umgehend gegen das Verbot geklagt. In den Rechtsstreit wird sich Mellifera e.V. als Prozessbeteiligter laden lassen, um die Interessen der Imker zu vertreten.

Ilse Aigner hat erläutert, dass ihre Entscheidung keine Grundsatzentscheidung zur Zukunft der Gentechnik auf dem Acker sei. Deshalb wird sich Mellifera e.V. weiter mit dem Bündnis zum Schutz der Bienen vor Agro-Gentechnik für die rechtsverbindliche Klärung der speziellen Situation der Imker einsetzen.

Selbst wenn das Verbot bestehen bleibt, es sind neue GVO-Maissorten (Bt11 von Syngenta und Bt1507 von Pioneer) im EU Zulassungsverfahren. Es ist davon auszugehen, dass diese nicht wie bei MON 810 mit den oben genannten Zulassungsmängeln behaftet sind und deshalb keine juristische Handhabe gegen den Anbau bestehen wird.

2009-02-Gentechnologie4Heilmittel oder Pharma-Crops?

Der heute übliche Sprachgebrauch von tierischer und pflanzlicher Produktion entlarvt ein seelenloses Verhältnis zur Mitwelt. Durch die Gentechnik erfährt dieses eine Steigerung. Gentechnik manipuliert nicht nur Lebensmittel und gefährdet Wild- sowie Kulturpflanzen durch Auskreuzung. Auf Dauer werden von der Manipulation oder Auskreuzung auch Pflanzen betroffen sein, die als Heilmittel oder in der Hausapotheke verwendet werden. Zudem gibt es heute schon sogenannte Pharma-Crops, pflanzliche Gentechnik-Konstrukte, die Arzneimittelwirkstoffe für die Pharmaindustrie liefern. Anders als die Antibiotika produzierende Kartoffel Amflora werden sie noch nicht im Freiland angebaut. Pharma-Crops sind ein Gegenbild von Pflanzen, die Ausdruck, Träger und Vermittler eines heilkräftigen Pflanzenwesens sind.

Aktuelle politische Forderungen

Vielerlei Pflanzen und nahezu alle wichtigen landwirtschaftlichen Nutztiere wer den heute in Laboren gentechnisch manipuliert. Erklärtes Ziel ist die Marktbeherrschung mit patentiertem Saatgut und Tieren. Skrupellos wird das Ziel verfolgt mit wenigen, im Labor geschaffenen Arten, die Vielfalt weltweit zu verdrängen. So hat es auch für die gesamte europäische Situation einen hohen Stellenwert, die diesjährige politische Konstellation in Deutschland zu nutzen. Die CSU hat als erste bürgerliche Partei einen anfänglichen Richtungswechsel eingeschlagen. Bis zu den Wahlen geht es nun darum, möglichst viel für die Rechtssicherheit von gentechnikfreien Regionen zu erreichen und eine offizielle GVO-Frei-Kennzeichnung auf den Weg zu bringen. Nur so kann der Verbraucher an der Ladentheke entscheiden, wozu unsere Politiker nicht mehr frei oder willig sind.

Aus der persönlichen Erfahrung in der Arbeit mit Imkern, Verbandsvertretern, lokalen Initiativen für gentechnikfreie Regionen und anderen Zusammenhängen möchte ich das in diesem Beitrag gezeichnete Bild ergänzen. Ich erlebe eine große Dynamik, einen Aufwachprozess in breiten Teilen der Bevölkerung. Es ist wunderbar zu erleben, wie auch eine kleine Gruppe von Imkern dazu beitragen kann. Wir alle, sei es als Imker, Landwirt, Verbraucher oder Therapeut, wirken in einem gemeinsamen Prozess und wachsen in unserem Bewusstsein. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sich verantwortliches Handeln aus Liebe zur Schöpfung auf Dauer durchsetzen wird.

Thomas Radetzki
Imkermeister, Vorstand von Mellifera e.V.
Kontakt: www.mellifera.de

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