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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 4/2012

Leserbriefe

Cover

Editorial 03/2012

In seinem Editorial trifft Herr Schirmohammadi den Nagel auf den Kopf. Die Zahlen sprechen für sich. Die Überschüsse, die die GKVen erwirtschaftet zu haben scheinen, sind letztlich nichts anderes als das Ergebnis der teilweise extrem restriktiven Leistungskürzungen. Selbstständiges Unternehmertum, Praxisgründungen u.ä. werden mit einem monatlichen Beitrag von fast 300 Euro nicht gefördert, im Gegenteil: Innovation und neues Denken werden zur Kasse gebeten. Die Gehälter der Kassen-Bosse sind übrigens nicht fiktiv, sondern sehr real!
Mit besten Grüßen, Götz Egloff

„Von der Brutalität der Opfer“, 03/2012

Zu meinem Artikel „Von der Brutalität der Opfer“ im letzten Magazin habe ich eine Menge positives Feedback von Kolleginnen und Kollegen erhalten, die wissen, wie sich ein unbewusstes Skript und systemische Zusammenhänge auf den Verlauf menschlichen Schicksals auswirken können.
Meist anonym erreichten mich jedoch auch einige negative, gar hasserfüllte Botschaften von Menschen, die ganz offensichtlich die Möglichkeiten ihres Unterbewusstseins nicht kennen und Pflege und Psychotherapie miteinander verwechseln.
Die Aufgabe der Psychotherapie ist es, zu ermächtigen, zu befähigen, zu ermutigen, zu bestärken und dabei zu unterstützen, die eigene Kraft (wieder) zu aktivieren. Die Aufgabe der Psychotherapie ist NICHT, den Klienten in seinem Opferdasein zu bestätigen, ihn in seiner Ohnmacht zu unterstützen, Mitleid zu haben, ihm seine Frustrationen zu ersparen oder seine Probleme zu lösen.
Ermutigung zur Angstüberwindung unterliegt anderen Gesetzen als die Pflegearbeit. Damit Psychotherapie gelingen kann, ist es unerlässlich, dass der Klient die volle Verantwortung für sein/ihr Schicksal übernimmt. Sekundärer Krankheitsgewinn äußert sich oft durch ärgerliches Einfordern einer Komfortzone, und wenn Angehörige sich weigern, Verantwortung für das Leben von Härtefällen zu übernehmen, werden sie fälschlicherweise als hartherzig und lieblos dargestellt.
Tatsächlich ist es eine in systemischen Fachkreisen anerkannte Tatsache, dass Angehörige sich oft nicht adäquat abgrenzen und so mit in ein Krankheit erhaltendes Spiel gezogen werden können. Ob z.B. ein Alkoholiker sich helfen lässt oder auf der Straße landet, hängt u.a. auch davon ab, ob das co-abhängige Umfeld rechtzeitig aus dem gefährlichen Spiel aussteigen kann, anstatt die Sucht zu decken und immer wieder die Verantwortung für den Trinker zu übernehmen. Das mag hartherzig klingen, ist aber die einzige (50:50) Heilungschance. Viele vermeintlich hilfreiche Helfer verhindern die Heilung, ohne es zu wissen, weil sie diese Hintergründe nicht kennen.
Die Psychotherapie ist da am wirksamsten, wo die hohe Kunst der Konfrontation und der Umgang mit der Gegenwehr beherrscht wird. Dazu muss der Behandler Ablehnung ertragen können. Wer im Leiden eine Lernchance sehen und diese nutzen kann, hat die größten Chancen, sein Leben gut zu bewältigen. Jeder Mensch verfügt über innere Kräfte. Aber der Mensch muss diese Kraft auch bewusst entwickeln und nutzen wollen, und das will nicht jeder.
In die Opfersituation gerät man meist unschuldig. Aber heraus kommt man nur über die Leiter der Eigenverantwortung. Schicksal lässt sich nicht verhindern, nur bewältigen. Das Leben ist, wie es ist, mit all seinen Geschenken und Härten. Im Umgang mit Härten gibt es mehrere Möglichkeiten: Man kann einen vermeintlich Schuldigen suchen und ihn bestrafen, soziale Zuwendung einfordern oder an den Härten zerbrechen. Man kann verzweifeln und verbittern oder man kann durch die Härten lernen, an ihnen wachsen und sich weiterentwickeln. Letzteres ist der Weg in die Zufriedenheit. Aber diesen anstrengenden Weg gehen leider die wenigsten.
Ich berufe mich aus eigener und aus jahrlanger psychotherapeutischer Erfahrung darauf, dass Krankheit, Armut und Schicksal am besten bewältigt werden, wenn die Möglichkeiten der Selbststeuerung durch Aktivierung der unbewussten Fähigkeiten genutzt werden. Das kann jeder lernen, der es lernen will.
Bildungsangebote und bekannte Literatur zu diesem Thema gibt es heute an jeder Ecke, u.a.:
– Wie man Lebenspläne verändert/Claude Steiner
– Krankheit als Weg/Rüdiger Dahlke
– Schicksal als Chance/Thorwald Detlevsen
– Der Wille zum Sinn/Viktor Frankl
Wenn ich heute Artikel schreibe, beziehe ich mein Wissen nicht nur aus dem Lehrbuch. Ich habe den Grenzbereich zwischen Leben und Tod selbst erfahren und die dort geltenden Gesetzmäßigkeiten erlebt. Neben der Entscheidung, das Leben als zu anstrengend zu bewerten, ist die Stagnation, die aus Selbstgerechtigkeit entsteht, am gefährlichsten für Leib und Leben. Daher werde ich weiterhin Artikel zum Anfassen schreiben, anstatt mich hinter einer sterilen Wand aus Fachbegriffen zu verbergen. Dabei will ich die Welt aus verschiedenen Perspektiven beleuchten und auch Abgewehrtes in verständliche, manchmal auch provokative Worte fassen. Die Artikel sollen bewegen, zur Diskussion anregen und vielleicht die ein oder andere heilige Kuh schlachten. Ich weiß, dass viele davon profitieren. Es ist mein Beitrag zur lebendigen Entwicklung unserer Profession, die noch lange nicht fertig ist.
Mein Plädoyer für die Eigenverantwortung der Klienten hat weder mit einem reaktionären, noch einem inhumanen Weltbild zu tun, empfiehlt jedoch, den eigenen Beruf nicht auf einen idealisierten Sockel zu stellen. Mutige und ehrliche Aktivität, um tödlicher Stagnation zu begegnen, ist meine Vorstellung von Liebe – Liebe hat viele Gesichter. Dass ich damit Eitelkeiten erschüttere, liegt in der Natur der Sache, und so werde ich die Schelte in Kauf nehmen.
Ihre Tina Wiegand

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