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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 6/2012

Demenz – Die Krankheit des Vergessens

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Kann Naturheilkunde helfen?

© Gerhard Seybert - Fotolia.comLaut aktuellen Angaben leiden in der Bundesrepublik Deutschland zurzeit etwa 1,2 Millionen Menschen an einer Form der Demenz; Tendenz steigend. Statistiken belegen, dass bei 1 bis 2 % aller 65-Jährigen in unserer Bevölkerung Demenzerkrankungen diagnostiziert werden. Bei den 80-Jährigen betrifft es schon jeden Fünften; bei den über 90-Jährigen sogar jeden Zweiten. An den Zahlen kann man deutlich erkennen, dass es sich um eine Erkrankung handelt, die mit dem Alter an Häufigkeit immer weiter zunimmt. In den meisten Fällen handelt es sich um eine „Alzheimer-Demenz“, bei der sich schädliche Eiweiße, Amyloide genannt, im Gehirn als Plaques ablagern und zum Untergang von Nervenzellen führen. Die zweithäufigste ursächliche Form ist die gefäßbedingte (vaskuläre) Demenz, bei der vor allem multiple Hirninfarkte zum Absterben von Nervengewebe führen.

Die hohen Erkrankungszahlen machen Angst. Gerade bei Morbus Alzheimer tappt die Ursachenforschung nach wie vor im Dunkeln. Eine genetische Komponente konnte bisher weder bewiesen noch wirklich ausgeschlossen werden. So reagieren gerade Menschen, die schon einen Demenzkranken in ihrem engsten Familienkreis betreut haben, besonders alarmiert auf eigene Vergesslichkeit und kognitive Ausfälle. Erkennen wir entsprechende Befürchtungen bei unseren Patienten, sollten wir sensibel darauf eingehen.

Auch wenn die letztendliche Diagnose einer Demenzerkrankung dem Neurologen obliegt, stehen auch Therapeuten in der Naturheilpraxis Möglichkeiten zur Verfügung, mit denen zumindest ein Verdacht ausgeschlossen oder aber erhärtet werden kann. Die Ergebnisse einer guten Anamnese sowie sogenannter psychometrischer Tests können beruhigen – oder im Zweifelsfall eine differenziertere fachärztliche Abklärung erforderlich machen. Dabei sind Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit zwar der ursächliche Anlass für die entsprechende Besorgnis unserer Patienten, anamnestisch fragen wir jedoch weitere Verdachtsmomente ab (die Reihenfolge habe ich willkürlich gewählt, nicht nach der Häufigkeit des Auftretens), z.B.:

  • soziale Kontakte werden vernachlässigt
  • Notwendigkeit von Erinnerungslisten und Denkzettelchen, um sich im Alltag zurechtzufinden
  • dauerndes ergebnisloses Suchen und Kramen
  • zunehmende Unselbstständigkeit bei (nicht ganz all-)täglichen Verrichtungen
  • Wahrnehmungsstörungen (veränderte Geschmacksempfindung, Verlust des Geruchsempfindens, gestörtes Kalt-Warm-Empfinden, veränderter Tag-Nacht-Rhythmus)
  • zunehmende Schwierigkeit, sich an Gesprächen zu beteiligen
  • Verirren auf bekannten Wegen
  • Verlust der Ausdrucksfähigkeit
  • Aggression und/oder Depression

Bei der Bewertung von vorliegenden Auffälligkeiten muss jedoch immer bedacht werden, dass andere Ursachen dahinter stecken können (z.B. Nebenwirkungen von verschiedenen Medikamenten). Auch müssen wir abklären, ob die beunruhigenden Erscheinungen erst in letzter Zeit aufgetreten sind oder ob sie möglicherweise als Persönlichkeitseigenschaften zu unserem Patienten gehören (z.B. ein sehr schlechter Orientierungssinn). Schließlich ist noch zu bedenken, dass alle aufgeführten Symptome auftreten können, aber nicht müssen. Daher werden wir auch bei einer optimal verlaufenden Anamnese immer nur eine Tendenz feststellen können.

© bilderstoeckchen - Fotolia.comEtwas aussagekräftiger sind da schon die psychometrischen Tests, wie sie auch von Neurologen eingesetzt werden. Wahrscheinlich am häufigsten wird der Mini-Mental-Status-Test (MMST) angewandt. Mit ihm können nicht nur kognitive Störungen älterer Patienten erfasst werden, sondern es kann auch eine Verlaufskontrolle durchgeführt werden. Der Test beginnt mit alltagsnahen Fragen zur zeitlichen und örtlichen Orientierung und überprüft dann die Merk- und Erinnerungsfähigkeit sowie die Aufmerksamkeit. Weiter geht es mit dem Benennen von Gegenständen, dem Umsetzen gelesener Aufforderungen und sinnvollem Schreiben. Schließlich sollen noch visuellkonstruktive Fähigkeiten gezeigt werden, indem zwei sich überschneidende Fünfecke abgezeichnet werden. Ergänzt wird dieser Test gern mit dem bekannten „Uhrentest“, bei dem der Patient eine Uhr zeichnen soll, die 11:15 Uhr anzeigt.

Für die richtige Erledigung der einzelnen Aufgaben gibt es Punkte, die am Ende addiert werden. Je geringer die Gesamtpunktzahl, umso größer der Verdacht auf eine vorliegende Störung. In diesem Fall sollten wir dem Patienten eine umfassende Abklärung beim Neurologen nahe legen.

Wenn unsere Patienten eine entsprechende Ahnung nicht für sich selbst, sondern bezüglich eines Angehörigen absichern wollen, gehen wir ähnlich vor, nur dass die Anamnese über den Angehörigen durchgeführt wird. Zur Durchführung des MMST wird dann der möglicherweise Erkrankte in die Praxis bestellt. Die endgültige Diagnosestellung hat jedoch in jedem Fall über den Facharzt zu erfolgen.

Gar nicht so selten fragen uns Patienten, die einen dementen Angehörigen betreuen oder betreut haben oder die über eigene Vergesslichkeit klagen, nach Möglichkeiten der Demenz-Prävention. Zu diesem Thema findet sich in den Medien eine Vielzahl an Informationen, die bei genauerer Betrachtung jedoch mehrheitlich eher sehr kritisch zu sehen sind. Das „Deutsche Ärzteblatt“ zitierte im Juli 2011 eine Pressemitteilung der University of California, San Francisco, nach der anhand von Beobachtungsstudien sieben Lebenssünden als Risikofaktoren für Demenzerkrankungen festgestellt wurden. Konkret handelte es sich um:

  • Rauchen
  • Diabetes
  • erhöhte Blutdruckwerte
  • Übergewicht
  • Bewegungsmangel
  • Depressionen
  • Bildungsmangel

Natürlich kann man sich vorstellen, dass z.B. das Rauchen oder ein erhöhter Blutdruck Einfluss auf die Entstehung einer vaskulär bedingte Demenz haben. Inwieweit jedoch Depressionen oder gar eine mangelnde Schulbildung Indikatoren für eine drohende Demenzerkrankung sein sollen, wagt auch das Deutsche Ärzteblatt zu bezweifeln. Hier ergeben statistische Erhebungen schlichtweg absurde Werte. Dazu das Beispiel der mangelhaften Bildung: Weltweit ist der Anteil der Menschen ohne Ausbildung ausgesprochen hoch. Daher entfallen 19% aller Demenzerkrankungen auf diese Bevölkerungsgruppe. Zu glauben, dass ihre Zahl mit Ansteigen des Bildungsniveaus abnehmen würde, dürfte dann aber wohl doch eher eine „Milchmädchenrechnung“ sein.

Wie jedoch verhält es sich mit den zahlreichen Hinweisen zur Ernährung, die sich selbst in renommierten Ärzte-Fachzeitschriften wiederfinden und die für den Laien natürlich besonders interessant sind, da sie prinzipiell in der heimischen Küche umgesetzt werden können? So titelte die „Ärzte Zeitung“: „Anti-Alzheimer-Diät: Fisch, Nüsse, Obst, Salat.“ Die Auswertung groß angelegter Studien scheint tatsächlich den Schluss nahe zu legen, dass eine weitgehend mediterrane Ernährungsweise mit viel Fisch, Obst und Gemüse das Erkrankungsrisiko reduzieren kann. Dieser Meinung schloss sich auch die „Medical Tribune Deutschland“ mit ihren „Ernährungstipps für das Gehirn“ an. In ihrem Bericht betonte sie die Bedeutung der Omega-3-Fettsäuren im Fisch sowie die der mehrfach ungesättigten Fettsäuren aus dem Olivenöl. Fleisch (vor allem rotes), Milchprodukte und stark zuckerhaltige Getränke und Speisen (Süßigkeiten) sollten gemieden oder zumindest sehr stark eingeschränkt werden.

Es dürfte Einigkeit darüber bestehen, dass eine vernünftige Lebensführung mit einer vollwertigen Ernährung, Nikotinverzicht, mäßigem Alkoholkonsum, ausreichend Bewegung, dem Abbau von Übergewicht und der Behandlung von chronischen Erkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes die allgemeine Basis darstellt für unsere körperliche und geistige Gesundheit. Aber es ist nun einmal leider nicht möglich, allein durch die Befolgung der angegebenen Faktoren sowie regelmäßiger geistiger Forderung ein demenzfreies Alter zu garantieren. Da aber der Wunsch nach vorbeugenden Schutzmöglichkeiten verständlicherweise sehr groß ist, forscht die Wissenschaft kontinuierlich weiter. Immer wieder tauchen in den Medien Berichte über Studien auf, die außerordentlich erfolgversprechend erscheinen, von denen man dann aber irgendwann nichts Weiteres hört. So habe ich 2005/2006 selbst interessiert mitverfolgt, wie die Substitution von Kupfer als Maßnahme zur Demenz-Prävention sowie zur Behandlung von beginnendem Alzheimer angepriesen wurde. Über den endgültigen Ausgang der zu dem Zeitpunkt begonnenen Studie habe ich nichts mehr vernommen. Ein in dem Zusammenhang damals viel beworbenes Kupferpräparat wurde zwischenzeitlich vom Markt genommen, „aus wirtschaftlichen Erwägungen“, wie mir die Firma auf telefonische Nachfrage mitteilte.

Auch die Pharmaindustrie hat inzwischen die verschiedensten Wirkstoffe getestet. Immer wieder wurde ein Hoffnungsstreifen am Horizont verkündet, immer wieder aber stellte sich im Endeffekt heraus, dass sich durch ein neues Medikament vielleicht tatsächlich diverse Laborwerte besserten – aber ganz praktisch, im alltäglichen Erleben, erhöhte sich weder die Lebensqualität der Dementen selbst, noch konnten die Angehörigen eine Verbesserung ihres Zustands feststellen.

Nichtsdestotrotz möchte ich behaupten, dass es naturheilkundliche Möglichkeiten gibt, eine beginnende Demenzerkrankung zu beeinflussen und den Verlauf hinauszuzögern. Unbestritten dürfte das bei den vaskulär bedingten Demenzen sein. Hier kommen durchblutungsfördernde Medikamente wie z.B. Ginkgo-Präparate zum Einsatz. Ich persönlich empfehle außerdem noch tägliche Ohrmassagen nach Günter Lange, in die ich die Angehörigen einweise – die gesamte Ohrmuschel wird dabei mit festem Druck systematisch durchmassiert, was eine ausgesprochen durchblutungsfördernde Wirkung auf den ganzen Körper hat. Verstärkt werden kann dieser Effekt noch durch die Verwendung von kreislaufanregenden Salben, z.B. die „Lomazell-Salbe“ (Lohmann). Allerdings sollte man den Patienten vorwarnen, damit er sich bei einem Blick in den Spiegel nicht über seine leuchtend roten Ohren erschrickt.

Für alle Formen der Demenz, gerade auch Alzheimer, hat sich bei mir im Laufe der Zeit durch Erfahrung ein spezielles Konzept entwickelt: Im Mittelpunkt steht eine sogenannte Revitalisierung mit Organzubereitungen (es gibt verschiedene Anbieter, ich selbst arbeite in meiner Praxis mit vitOrgan-Injektionspräparaten). Die Grundidee hinter dieser Behandlungsform ist, dass bei erkrankten Organen und Geweben speziell aufbereitete Faktoren aus gleichartigen gesunden Organen eine heilende Wirkung haben können. Der Hersteller selbst bietet konkrete Behandlungsvorschläge für Demenz bzw. Alzheimer an. Ich selbst würde anraten, diese als Ansatzpunkt zu nutzen und Bausteine je nach persönlichen Schwierigkeiten zu ergänzen oder auszutauschen. Die Basis bilden jedoch in allen Fällen Injektionspräparate mit Faktoren aus unterschiedlichen Hirnarealen, ergänzt durch eine Vielzahl von Organbestandteilen (Leber, Pankreas, Milz, Herz, Schilddrüse, Thymusdrüse etc.), die den gesamten Stoffwechsel aktivieren sollen. Die Mittel sind untereinander mischbar. Für mich hat es sich bewährt, die Präparate so zusammenzustellen, dass eine Kur mit zehn Injektionen durchgeführt werden kann, für die der Patient zwei- bis dreimal pro Woche in die Praxis bestellt wird.

Darüber hinaus empfehle ich die Durchführung der Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie nach Ardenne; eine weitere Methode, um die Vitalität des Patienten spürbar zu erhöhen. Unter Schritt 1 versteht man hierbei die Verabreichung von Vitalstoffen, einem Cocktail aus hochwertigen Vitaminen und Mineralstoffen. In Schritt 2 atmet der Kranke eine halbe Stunde lang über eine Atemmaske ionisierten Sauerstoff ein. Schließlich, im 3. Schritt, soll sich der Patient in für ihn angemessener Weise bewegen. Diese aufeinander abgestimmten Schritte sollen gewährleisten, dass hochwertiger Sauerstoff in alle Körperzellen eingeschleust wird. Ich denke, es ist überflüssig zu erwähnen, dass diese Therapie natürlich nur möglich ist, wenn der Erkrankte noch ein gewisses Verständnis für diese Behandlungsform aufweist und keine Angst vor dem Aufsetzen der Maske hat.

Ansonsten bleibt uns noch, die Angehörigen zu beraten, die Ressourcen der Erkrankten zu erkennen und zu fördern. Alltägliche Verrichtungen sollten ritualisiert werden, sodass sie in ihrer Ausübung noch möglichst lange abrufbar sind. Darüber hinaus sollte man prüfen, welche individuellen Möglichkeiten infrage kommen, verbliebene Hirnfunktionen zu stärken und möglichst lange zu erhalten. Erkrankte, die immer sehr gern Kreuzworträtsel, Sudokus oder Ähnliches gelöst haben, sollten unterstützt werden, dies fortzuführen. Eventuell muss ihnen bei diesen Aufgaben zunehmend behutsam geholfen werden, damit Erfolgserlebnisse gewährleistet bleiben. Das Gleiche gilt bei Spielen, die üblicherweise zu zweit oder mit noch mehr Personen gespielt werden. Bei Schach, Backgammon oder auch einfacheren Brettspielen sollten die Angehörigen durch leichtes, angemessenes „Schummeln“ dafür Sorge tragen, dass der Erkrankte den Spaß an der Sache nicht verliert und seinen persönlichen „Denksport“ möglichst lange fortführt.

Eine Patientin von mir berichtete von ihrem demenzkranken Vater, der keinerlei Alltagsverrichtungen mehr zustande bekam, auch zu keinem Dialog mehr in der Lage war und seit einiger Zeit notgedrungen im Seniorenheim lebte. Wenn er jedoch mit Familienangehörigen oder auch anderen Bewohnern „Menschärgere- dich-nicht“ spielen durfte, merkte man nichts mehr von seiner Demenz. Immer noch beherrschte er die Regeln des oft gespielten Brettspiels perfekt und freute sich verschmitzt, wenn er durch geschicktes Setzen der eigenen Figuren seinen Gegner vom Spielbrett fegte.

Bei der Behandlung und Begleitung von demenzkranken Patienten geht es uns darum, kognitive Fähigkeiten möglichst lange zu erhalten; aber nicht nur: Wichtig muss uns außerdem immer sein, die Lebensqualität des Patienten zu erhalten oder sogar zu verbessern. Denn wir müssen bedenken, dass eine fortschreitende Demenzerkrankung für den Betroffenen im Allgemeinen sehr beängstigend wirkt. Depressionen gehen daher mit diesem Krankheitsbild häufig fast schon zwangsläufig einher. Wir müssen abschätzen, inwieweit noch mit naturheilkundlichen Mitteln eine Intervention möglich ist oder ob das unsere Kompetenzen überschreitet und eine fachärztliche Behandlung erforderlich ist.

Meines Erachtens kann die Naturheilpraxis verschiedentlich auf depressive Verstimmungen eingehen. Allerdings stellt uns die Behandlung von dementen Patienten vor besondere Herausforderungen. Ich persönlich setze sehr gern die Bach-Blütentherapie ein oder auch oral einzunehmende Johanniskrautpräparate. In der Praxis scheitert es bei Demenzkranken jedoch häufig daran, dass sie eine regelmäßige Einnahme nicht bewältigen. Hier ist die Zusammenarbeit mit den Angehörigen unerlässlich. Allerdings sind auch diese mit der mehrmals täglichen Medikamentengabe häufig überfordert – zumal sie dem Patienten ja neben unseren auch noch die oft sehr zahlreichen fachärztlich verschriebenen Arzneimittel verabreichen müssen. Daher bin ich dazu übergegangen, meine Behandlungen gleich direkt an die Person zu bringen. Ich bestelle die Dementen (mit ihren Angehörigen) in die Praxis, um ihnen die ausgewählten Medikamente einfach zu injizieren. Johanniskraut findet so als „Hyperforat“-Injektion (Klein) den sicheren Weg in den Körper des Patienten. Auch Injektionen mit „Infidys“ bei Unruhe, Erregungs- und Angstzuständen oder mit „Infi-Damia“ bei Depressionen, Schlaflosigkeit und nervöser Erschöpfung (beide Infirmarius) haben sich bewährt. All diese Injektionen sind mindestens zweimal, besser dreimal pro Woche (bestenfalls natürlich täglich) erforderlich, damit sie eine Wirkung zeigen können.

Erfahrungsgemäß sind die Angehörigen jedoch gern bereit, auch häufiger mit „ihrem Kranken“ in die Praxis zu kommen – schließlich können auch sie während der Behandlung des Patienten immer mal wieder mit dem Therapeuten ein paar entlastende Worte über ihre eigene schwierige Situation wechseln.

Fallbeispiel

Abschließend möchte ich einen Fall aus den Anfangsjahren meiner Praxistätigkeit darstellen, der mein späteres Vorgehen in der Behandlung von Demenzerkrankungen sehr geprägt hat:

Der damals 74-jährige Werner D. suchte mich auf, weil er sich insgesamt nicht wohlfühlte. Er klagte über verschiedenste Befindlichkeitsstörungen, die von den Ärzten angeblich entweder „nicht ernstgenommen“ oder von diesen einfach nicht „in den Griff bekommen“ wurden. Dazu gehörten wiederkehrende Magenschleimhautreizungen, Wechsel zwischen Diarrhö und Obstipation, schwer einstellbarer Altersdiabetes, Beschwerden an Wirbelsäule und Schultergelenken, Schwindelgefühle, Sehprobleme, unspezifischer Juckreiz, Kreislaufprobleme, Erschöpfungssyndrom und vieles mehr. Einen ganzen Aktenordner voller Befunde hatte er mitgebracht. Herr D. war aufgrund seiner vielschichtigen Symptomatik in großer Sorge und litt an einer regelrechten Todesangst.

Ich muss zugeben, dass ich damals nicht an eine beginnende Demenzerkrankung gedacht habe (zu meiner Ehrenrettung: Auch nicht einer der vielen konsultierten Ärzte hat das getan!). Meines Erachtens saß ein hochgradiger Hypochonder in meiner Praxis, der sich von mir „Errettung“ erhoffte. Daher erhielt er eingangs eine homöopathische Gabe (D200) von Arsenicum album wegen seiner selbstzerfleischenden Ängste und wegen seines pedantischen Wesens, welches sich anamnestisch gezeigt hatte. Mit der wöchentlichen Akupunktur der drei Omega-Punkte im Ohr erreichten wir recht bald, dass er sich nicht mehr als „Opfer seines Körpers“ ohne Einfluss auf all die angstmachenden Symptome fühlte, sondern seine Befindlichkeiten sachlicher betrachten konnte. Wegen der großen Erschöpfung riet ich ihm eine Revitalisierungs-Injektionskur mit Organpräparaten an, die wir nach Vorschlag des Herstellers durchführten. Innerhalb von vier Wochen erhielt er zehn Injektionen – mit durchschlagendem Erfolg: Aus meinem Praxisfenster heraus hatte ich einen guten Blick auf die Straße, die mein Patient üblicherweise zu Fuß auf dem Weg zu mir nutzte. Anfangs ging er immer sehr gemächlich, gebückt, den Blick auf den Boden gerichtet. Aber im Laufe der Behandlung ergab sich ein Wandel: Zu den letzten Injektionen eilte er regelrecht in die Praxis, mit aufrechtem Blick und in jeder Beziehung sehr vital. Er war jedenfalls dermaßen von dem Ergebnis begeistert, dass er ein halbes Jahr später um eine Wiederholung der Behandlung gebeten hat. In den folgenden drei Jahren gehörten die Injektionskuren zweimal im Jahr zu seinem festen Programm.

Dann kam er eines Tages sehr aufgelöst in meine Praxis: Wenige Tage zuvor war er in der Stadt gewesen und fand nach Erledigung seiner Einkäufe plötzlich sein Auto nicht wieder. Er war sich sicher, es auf dem Marktplatz geparkt zu haben – und wandte sich voller Verzweiflung schließlich an die Polizei, in der Überzeugung, bestohlen worden zu sein. Im Endeffekt stellte sich jedoch heraus, dass er seinen Wagen vor dem Rathaus abgestellt hatte, wo es immer noch unversehrt stand, allerdings inzwischen mit einem „Knöllchen“ versehen, da die erlaubte Parkzeit überschritten worden war. Die Angelegenheit war Herrn D. verständlicherweise sehr peinlich und löste große Ängste aus. Irgendwie mochte er sich selber nicht so recht glauben, dass er einen Blackout durch seinen entgleisten Zuckerspiegel gehabt haben könnte. Mit gemischten Gefühlen ließ er sich auf einen Mini-Mental- Status-Test ein („Ich weiß nicht, ob ich das wirklich gut finde, was Sie hier mit mir machen!“). Wie er schon selbst befürchtete, war das Ergebnis sehr grenzwertig und er unterzog sich schließlich doch einer neurologischen Abklärung. Die Diagnose „Verdacht auf Alzheimer-Demenz“ zog ihm erst einmal den Boden unter den Füßen weg. Über zwei Monate hinweg kam er daraufhin an fünf Tagen der Woche zur Johanniskraut-Injektion. Dabei waren die begleitenden Gespräche sicherlich nicht der unwichtigste Beweggrund für die Konsultation.

Im Folgejahr führten wir noch zweimal eine dem Demenz-Befund angepasste Revitalisierungskur durch; dann allerdings hatte seine Erkrankung bereits ein Stadium erreicht, in dem er nicht mehr selbst in der Lage war, sich um eine sinnvolle naturheilkundliche Behandlung zu kümmern. Nichtsdestotrotz konnte er mit Unterstützung durch einen Pflegedienst noch weitere zwei Jahre im Familienkreis verbleiben. Erst als er Weglauftendenzen entwickelte und selbst- und fremdgefährdendes Verhalten nicht mehr kontrollierbar war, musste seine Familie ihn schweren Herzens in ein Pflegeheim mit beschütztem Wohnbereich geben.

Im Rückblick bin ich mir sicher, dass Herr D. schon an den anfänglichen Symptomen seiner Demenz litt, als er erstmalig in meiner Praxis erschien. Ebenfalls bin ich davon überzeugt, dass die Revitalisierungskuren seine Vitalität und sein Lebensgefühl immer wieder deutlich verbessert haben. Leider gehörte die Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie zum damaligen Zeitpunkt noch nicht zu meinem Behandlungs-Repertoire. Aber auch so konnte meiner Meinung nach die Demenzerkrankung von Herrn D. im Verlauf monate-, wenn nicht sogar jahrelang hinausgezögert werden – und er gewann wertvolle, lebenswerte Zeit.

Nina Schubert
Nina Schubert
Heilpraktikerin, Psychotherapeutin und Sozialpädagogin
nina_schubert@arcor.de

Literaturhinweise

  • Folstein MF, Folstein SE, McHugh PR: Mini- Mental-State: a practical method for grading the cognitive state of patiens for the clinician. J Psychiat Res 1975; 12:189-98
  • Deutsches Ärzteblatt: Blogs „Gesundheit: Die sieben Lebenssünden der Alzheimererkrankung“, Juli 2011
  • Ärzte Zeitung 31.05.2010: Anti-Alzheimer- Diät: Fisch, Nüsse, Obst, Salat
  • Medical Tribune Deutschland (MTD), Ausgabe 8/2010, S. 23, Anke Zens
  • Thilo-Körner DGS, Inderst R: Die klinische Bedeutung des Spurenelementes Kupfer. Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 46; 12 (2005)
  • Lange, Günter: Akupunktur der Ohrmuschel (Kapitel „Die Ohrmassage“). WBV Biologisch-Medizinische Verlags GMBH & CO.KG, Schorndorf
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