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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 6/2012

Osteopathie bei Asthma bronchiale

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Auch osteopathische Techniken können Asthmatikern spürbar helfen

© Robert Kneschke - Fotolia.comFür die Behandlung bei Asthma bronchiale existieren verschiedene Ansätze in der Naturheilkunde, die von TCM über Homöopathie, Orthomolekulare Medizin und humoraltherapeutische Verfahren bis hin zur Atemgymnastik reichen – um nur einige zu nennen. Weniger bekannt ist, dass man mithilfe der Osteopathie bei den Betroffenen oft schnelle und für den Patienten deutlich spürbare Verbesserungen erzielen kann. Selbstverständlich ist es nicht möglich, mit einigen osteopathischen Handgriffen ein Bronchialasthma zu heilen – dennoch ist es sehr lohnenswert, sich mit diesem Thema näher zu beschäftigen. Im vorliegenden Artikel möchte ich die verschiedenen Techniken, die zur Anwendung kommen können, detailliert vorstellen.

Osteopathie ist sehr gut mit anderen Methoden kombinierbar, und ich werde in diesem Artikel auch auf bewährte Behandlungskombinationen eingehen. Der Schwerpunkt liegt aber auf der osteopathischen Arbeit.

Atmung

Die Einatmung erfolgt durch aktive Muskelarbeit. Bei der Ruheatmung wird der Thorax mit Hilfe der Mm. intercostales externi und Mm. intercostales interni aktiv erweitert. Zusätzlich dehnt sich das Diaphragma abdominalis nach unten aus und erweitert so den thorakalen Raum nach ventro-kaudal. Die Ausatmung erfolgt über das elastische Lungengewebe, das während der Einatmung quasi wie ein Gummiband gedehnt wird. Entspannen sich die Atemmuskeln, dann zieht das elastische Gewebe den Thorax zusammen und die Luft strömt aus. Physiologisch geschieht das Ausatmen also passiv, man muss dafür im Grunde nichts tun.

Zahlreiche Muskeln und Muskelgruppen dienen als Atemhilfsmuskulatur, wenn die physiologische Atmung forciert werden muss (z.B. bei Asthma bronchiale, körperlicher Anstrengung, beim Sport usw.). Bei der Inspiration sind das u.a. der M. sternocleidomastoideus, die Scalenusgruppe (M. scalenus anterior, M. scalenus medius, M. scalenus posterior) und der M. serratus posterior bzw. inferior.

Wenn wir den „Autopiloten“ eingeschaltet haben, dann ist auch die Reklination der Wirbelsäule, die durch die autochthone Rückenmuskulatur aufrechterhalten wird, indirekt als Haltepunkt an der Einatmung mitbeteiligt. Bei verstärkter Ausatmung, und die Ausatmung ist bei Asthmatikern oft das entscheidende Problem, werden dafür die Mm. intercostales interni, die Mm. subcostales, der M. transversus throacis, der M. latissimus dorsi, der M. rectus abdominis, der M. obliquus externus bzw. internus abdominis und der M. transversus abdominis genutzt.

Warum jedoch finden wir bei funktionellen Einschränkungen von Atemmuskulatur bzw. knöchernen Restriktionen nur selten eine Veränderung der Vitalkapazität? Die Antwort ist ganz simpel: Bei der Untersuchung der Vitalkapazität benutzt der Patient seinen gesamten Atemapparat ganz bewusst, bläht ihn – soweit möglich – vollständig auf und presst die Atemluft durch ein Spirometer. Aber welcher Mensch atmet in seinem Alltag auf diese Weise?

So stellt die Messung der Vitalkapazität das maximal Machbare der Atemleistung dar. Die physiologische Wirklichkeit des alltäglichen unbewussten Atemaktes hingegen wird von vielfältigen Faktoren beeinflusst, vor allem von der Frage der Atemtechnik, aber auch von der Gesamtzahl der Einschränkungen der Atemmechanik und den mit ihr korrespondierenden anatomischen Strukturen.

2012-06-Asthma2M. levator scapulae und Schulterblatt

Oft hyperton und verkürzt zeigt sich der Schulterblattheber M. levator scapulae bei Patienten mit Asthma bronchiale. Er gehört zur sekundären Schultermuskulatur. Seine eigentliche Funktion ist die Anhebung des Schulterblattes nach kranial und die Unterstützung bei der Rückführung des Armes bzw. bei der homolateralen Seitneigung der HWS.

Ist er nur eingeschränkt funktionsfähig, dann behindert er die Bewegung des Schulterblattes nach kranial. Bei Patienten mit normaler Atmung wirkt sich solch eine Dysfunktion symptomatisch eher im Sinne von Muskelverspannungen, Cephalgien oder Gesichtsneuralgien aus. Asthmatiker aber nutzen viel häufiger zusätzlich zu ihrer 2012-06-Asthma3physiologischen Atemmechanik kompensatorisch verschiedene Muskelketten und knöcherne Anteile des Bewegungsapparates wie z.B. das Schulterblatt. Deswegen führen Restriktionen in diesem Bereich bei Asthmatikern zu Einschränkungen der Atemleistung.

Mithilfe struktureller osteopathischer Techniken kann man das Schulterblatt in seiner Mobilität oft deutlich verbessern. Dazu gehört die Behandlung des M. levator scapulae, die zweckmäßigerweise im Sitzen durchgeführt wird. Der Behandler fixiert mit dem Daumen einer Hand die Muskelsehne und führt mit der anderen Hand den Arm des Patienten nach oben (s. Bild 1 + 2). Diese Technik ist für einen kurzen Moment schmerzhaft und verlangt daher sowohl vom Behandler als auch vom Patienten gleichermaßen ein wenig Überwindung.

2012-06-Asthma4Im Gebiet des Trapeziusrandes befindet sich auch das „Tor des Windes“, der Akupunkturpunkt Blase 12 (Feng Meng). Prinzipiell ist es sinnvoll, diesen Punkt bilateral blutig (!) zu schröpfen, wenn Sie in diesem Gebiet Zeichen einer Plethora finden, vor allem gestaute Kapillarvenen. Auch bei pulmonaler Hypertonie wirkt sich das blutige Schröpfen an diesem Punkt oft mit einer spontanen und sehr deutlichen Erleichterung der Atmung aus.

Zusätzlich zur Behandlung des M. levator scapulae sollten Sie überprüfen, ob das Schulterblatt durch die dorsale thorakale Muskulatur fixiert ist bzw. ob Adhäsionen der thoracoscapulären Gleitflächen vorliegen.

Diese lassen sich mithilfe eines „Scapular Lifts“ (s. Bild 3 + 4) in wenigen Sitzungen 2012-06-Asthma5verbessern bzw. beseitigen. Der Behandler hält das Schulterblatt im Bereich Margo medialis bzw. Margo lateralis, wobei er darauf achten sollte, an der Vorderseite des Schultergelenks nur einen sanften breitbasigen Kontakt zu haben. Ich selbst habe am Anfang meiner Ausbildung oft den Fehler gemacht, mit meiner gegenüberliegenden Hand den Kontakt im Bereich Bizepssehne und Processus coracoideus zu direkt und mit zu viel Druck zu halten, was beim Patienten nur unnötige Schmerzen verursachte und für eine korrekte Technik auch gar nicht dienlich war.

Brustwirbelsäule/costo-sternale Gelenkverbindungen

Natürlich können sich Segmentblockaden der Brustwirbelsäule (BWS) auf die Effizienz der thorakalen Atembewegung auswirken. Symptomatisch kann es 2012-06-Asthma6zu Schmerzen im Bereich des jeweiligen BWS-Segments kommen, die sowohl durch Kompression des Nervenaustritts, costovertebrale Blockaden als auch durch muskulären Hartspann verursacht werden. Speziell die Einschränkung einzelner oder auch mehrerer costo-verterbraler bzw. costo-sternaler Gelenkverbindungen können die Atembewegung des Thorax und damit auch die Atmung beeinflussen.

Brustwirbel können sowohl seitlich subluxieren als auch nach posterior oder anterior, was unterschiedliche Behandlungstechniken erfordert (s. Bild 5-7).

Rückenstrecker

Die Rückenstrecker werden in der Literatur immer wieder als M. erector spinae bezeichnet.2012-06-Asthma7 Tatsächlich aber handelt es sich um eine Gruppe verschiedener Muskeln, u.a. die autochthone Rückenmuskulatur, welche sich in der Faszia thoracolumbalis befindet und durch die Rami dorsales der Spinalnerven innerviert wird.

Neben dem Aufrichten und Bewegen der Wirbelsäule haben diese Muskeln zahlreiche Aufgaben, u.a. als Teil neuromuskulärer Kompensationsketten, die bei der Bewältigung eingetretener Bewegungseinschränkungen z.B. an Gelenken essenzielle Bedeutung haben.

Der M. latissimus dorsi gehört als Teil der Rückenmuskulatur u.a. zur Atemhilfsmuskulatur und er spielt eine Rolle beim forcierten Ausatmen. Da dies – ich erwähnte es bereits – bei vielen Asthmatikern problematisch ist, hat es oft Sinn, bei Asthma bronchiale die Rückenstrecker zu mobilisieren, zumal der Behandler hier häufiger mit „Brustpanzern“, also sehr stark hypertoner und verkürzter Muskulatur, 2012-06-Asthma8onfrontiert wird.

Beim „Börteln“, ein alter Begriff aus der Zeit der Schäfer und „Knochenbrecher“, werden die Sehnen der Rückenstrecker mit einigem Kraftaufwand in Richtung Wirbelsäule – und damit in Richtung Zentrum – geschoben (s. Bild 8). Diese Technik ist bei den Patienten aufgrund ihrer Schmerzhaftigkeit nicht beliebt, zeigt aber sehr oft eine schnelle Wirkung bei Atemeinschränkungen und Rückenschmerzen.

Eine zweite wichtige Technik, die Sie im Gegensatz zu der gerade genannten sehr sanft anwenden sollten, ist die diagonale Streckung der Muskeln bzw. deren 2012-06-Asthma9Faszien (s. Bild 9).

Hierbei nehmen Sie mit Ihren Händen kontralateral Kontakt zwischen Spina iliaca posterior superior und Scapula bzw. oberem Schulterrand auf. Beide Hände sollten sich diagonal voneinander wegbewegen. Der Druck variiert – je nach Patient und individueller Situation – zwischen wenigen Gramm (= fasziale Ebene) bis hin zu einer deutlich spürbaren ruhigen Bewegung (= muskuläre Ebene).

Orthomolekulare Medizin als Ergänzung zur Osteopathie bei Asthma bronchiale

Verschiedene Mikronährstoffe haben sich gemäß der aktuellen Studienlage bei Asthma bronchiale bewährt. Die Orthomolekulare Medizin stellt eine gute Ergänzung zur Osteopathie dar, weil hier Substanzen verwendet werden, die der Körper 2012-06-Asthma10ohnehin essenziell benötigt, um optimal funktionieren zu können. Insofern bedeutet die Orthomolekulare Medizin vom Grundgedanken her – ähnlich wie die Osteopathie – für den Körper eine „Hilfe zur Selbsthilfe“.

Vitamin C

Ascorbinsäure in einer Tagesdosis von 1500 mg bessert die Bronchokonstriktion bei Patienten mit Extrinsic Asthma signifikant (1).

Vitamin-C-Infusionen können bei Asthmatikern hilfreich sein, speziell um entgleiste Histaminspiegel wieder zu senken. Zusätzlich wirkt Vitamin C durch Beeinflussung des Cyclooxygenase-Signalwegs bronchospasmolytisch. Statt des bronchokonstriktorischen PGF2 wird vermehrt das dilatierende PGE2 gebildet, außerdem schützt Vitamin C die Schleimhäute vor Oxidation. Nach Behandlung mit Vitamin C verbessert sich die Vitalkapazität, der exspiratorische Spitzenfluss und das forcierte exspiratorische Volumen in der ersten Sekunde (FEV1). Nach Belastung nimmt das Exspirationsvolumen weniger stark ab, und der maximale exspiratorische Luftstrom bei FCV1 (MEF50) kehrt schnell wieder zum Ausgangspunkt zurück. Die Reaktionsschwelle auf Histamin erhöht sich, und nach Provokation mit Histamin nimmt die Vitalkapazität weniger stark ab.

Carotinoide

Generell scheint der oxidative Stress eine wichtige Rolle für die Lungenfunktion bei Asthma und COPD zu spielen, da bei Menschen mit diesen Erkrankungen und gleichzeitiger eingeschränkter Atmung auch die Belastung mit freien Radikalen steigt. Speziell die früher gescholtenen Carotinoide (z.B. CARET-Study) zeigen dosisabhängig eine positive Wirkung (2). Auch die deutliche Verschlechterung bei der Atmung und der Lungenfunktion unter Ozonbelastung bessert sich durch Supplementation von Carotinoiden signifikant (3).

Wohlgemerkt: Es geht hier um den therapeutischen Einsatz von gemischten Carotinoiden, die untereinander verschiedene Redoxeffekte auslösen können, nicht um eine Monotherapie mit synthetisch hergestelltem und unnötig hoch dosiertem Betacarotin.

Magnesium

Über die Anwendung von Magnesium bei Asthma bronchiale liegen unterschiedliche Ergebnisse vor. Einige positive Erfahrungen gibt es bei Kindern mit Asthma bronchiale, denen 40 mg elementares Magnesium pro Kilogramm Körpergewicht infundiert wurden (4). Bedenken Sie jedoch gerade bei Kindern die gleichzeitige pulssenkende Wirkung mit dieser Dosierung, die nicht immer erwünscht ist.

Bei Asthmatikern erscheint die Messung des Vollblut-Magnesiumspiegels sinnvoller als die Bestimmung im Serum. Er zeigt die Höhe des intrazellulären Magnesiumspiegels und eine eventuelle Substitutionsnotwendigkeit. Magnesium wirkt bei diesen Patienten entkrampfend, was sich nicht selten senkend auf die Schubrate akuter Asthmaanfälle auswirkt. Auch bei Extrinsic Asthma konnte ich in der Praxis positive Effekte beobachten – die Betroffenen waren hinsichtlich ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit wesentlich belastbarer.

Omega-3-Fettsäuren

Fischöl verbessert bei Extrinsic Asthma signifikant die Lungenfunktion (5). Außerdem zeigen Omega-3- Fettsäuren eine antiallergische Wirkung bei Asthma bronchiale (6). Diese Effekte rühren sehr wahrscheinlich von der positiven Wirkung von EPA auf die Synthese der anti-inflammatorischen Serie-III-Eicosanoide bzw. der hemmenden Wirkung der Alpha-Linolsäure auf die Synthese der Arachidonsäure, die als wichtigste Vorstufe der pro-inflammatorischen Serie-II-Eicosanoiden gilt.

Probiotika

Bei Atopikern besteht ein Zusammenhang zwischen Asthma bronchiale und einer erhöhten Mukosapermeabilität der Darmschleimhaut. Ein Defekt des gesamten Mukosasystems kann Ursache oder Folge von Asthma bronchiale sein (7).

Dirk-Rüdiger Noschinski
Dirk-Rüdiger Noschinski
Heilpraktiker in eigener Praxis in Bad Soden am Taunus, Autor
praxis@der-naturheilpraktiker.de


Literaturhinweise

(1) Sandra L et al.: Ascorbic acid supplementation attenuates exercise-induced bronchoconstricton in patients with asthma. Respiratory Medicine 2007;101:1770-1778

(2) Ochs-Balcom HM et al. Antioxidants, oxidative stress, and pulmonary function in individuals diagnosed with asthma or COPD. Eur. J. of Clinical Nutr. 2006;60:991- 999

(3) Steck-Scott S. et al. Plasma and lung macrophage responsiveness to carorenoid supplementation and ozone exposure in humans. Eur. J. of Clinical Nutr. 2004;58:1571- 1579

(4) Ciarello L et al. Higher-dose intravenous Magnesium therapy for children with moderate to severe acute asthma. Arch. Ped. 2000;154(10):979-983

(5) Mickleborough TD et al. Protective effect of fish oil supllementation on exercise-induced broncho-constriction in asthma. Chest 2006; 129:39-49

(6) Koch, K.: Internationaler Prävalenzvergleich: Ein Weltatlas der Allergien. Deutsches Ärzteblatt 1998;95:935-936

(7) Bernard, M.D. et al.: Increased intestinal permeability in bronchial asthma. J. Allerg. Immunol 1996;.97(6):1173-1178

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