Übersicht dieser Ausgabe    Alle Paracelsus Magazine

aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 2/2013

ENZYME – die Hauptursache von Allergien

Cover

© 3drenderings I © Fotowerk - Fotolia.comEnzyme (altgriechisches Kunstwort énzymon), veraltet Fermente (lateinisch fermentum), sind Proteine (Eiweiße), die eine chemische Reaktion katalysieren können. Natürliche Enzyme haben eine wichtige biologische Bedeutung. Nahezu jede biochemische Reaktion wird von Enzymen bewerkstelligt oder kontrolliert. Enzyme spielen daher eine sehr zentrale Rolle im Stoffwechsel aller lebenden Organismen.

Neueste wissenschaftliche Untersuchungen zeigen aber, dass Enzyme auch bei den meisten Allergien eine sehr große Rolle spielen. Sie sind in der Lage, das natürliche Schutznetz des Körpers zu schädigen und können dadurch den Weg eines Allergie auslösenden Stoffes ins Innere des Körpers bahnen. Dabei können diese Enzyme selbst als Allergie auslösender Stoff wirken. Besonders aggressive Vertreter sind Proteasen (Eiweiß spaltende Enzyme), da sie wichtige körpereigene Strukturen und Funktionen schädigen können. Sehr viele wissenschaftliche Arbeiten zeigen dies anhand der Hausstaubmilbenallergie.

Die Hausstaubmilben-Enzyme als Allergieauslöser Nr. 1

Hausstaubmilben sind kleine Spinnentierchen, die sich mit Vorliebe in unseren Matratzen aufhalten, wo sie sich von Hautschuppen ernähren. Die Ausscheidungen der Milben kommen entweder direkt mit der Haut in Kontakt oder indirekt über das Einatmen an die Schleimhäute. Diese Ausscheidungen enthalten zu einem Großteil Proteasen, die in der Lage sind, unser Schutznetz zu schädigen und allergische Reaktionen auszulösen. Diese Proteasen sind besonders aggressiv, da sie das Immunsystem des Körpers direkt angreifen. Sie sind in der Lage, die IgE- und die IL2-Rezeptoren auf der Hautoberfläche zu spalten, wobei die gespaltenen Bruchstücke eine Allergie auslösen oder begünstigen können (1-9).

Diese Proteasen beeinträchtigen noch weitere Funktionen der Haut. Der Körper verfügt an seiner Hautoberfläche über ein Schleusensystem (sogenannte Tight Junctions) zwischen den Hautzellen, welches es erlaubt, Stoffe mit der Umwelt auszutauschen. Schleusentore (z.B. das Protein Occludin) verhindern eine unkontrollierte Aufnahme von schädlichen Stoffen oder die unbeabsichtigte Abgabe von nützlichen Stoffen. Die oben genannten Proteasen können diese Hautschleusen verletzen (10, 11). Das Schutznetz wird durchlässiger und kann seine Funktion nicht mehr vollumfänglich wahrnehmen. Verschiedenste Allergene können jetzt ungehindert in das Körperinnere gelangen und eine Allergie auslösen.

Viele natürliche Allergene von Pollen (12-14), Tierspeichel, Pilzsporen (15-18), Nahrungsmitteln und Reinigungsmitteln haben eine enzymatische Komponente, der bisher zu wenig Gewicht zugeordnet wurde.

Auch der jahrzehntelange Einsatz von Proteasen und anderen Enzymen in der Industrie sollte mit diesen wissenschaftlichen Hintergründen neu betrachtet werden.

Wie werden Enzyme industriell hergestellt?

Viele Enzyme werden heute mit Hilfe von bio- oder gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt. Bei diesem Herstellungsprozess lassen sich einige Verunreinigungen leider nicht vermeiden, dadurch können aus dem biotechnologischen Prozess Pilz- und Bakterienbestandteile in die Konsumgüter gelangen. Dies kann ein Problem für Allergiker darstellen, da solche Enzyme nicht immer deklariert werden müssen (19-21).

Industrieller Enzymeinsatz in der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie

Das bekannteste Enzym in der Nahrungsmittelindustrie ist die Protease Chymosin aus der Käseherstellung. Chymosin ist für die Milchgerinnung verantwortlich und kommt auf natürliche Weise in Kälbermägen vor. Durch die begrenzte Verfügbarkeit entstand ein hoher Anreiz für die Forschung, nach gentechnologischen Herstellungsmöglichkeiten zu suchen. Heute ist Chymosin als Enzym aus GVO in Lebensmitteln in Deutschland und der Schweiz zugelassen (22, 23).

Bei Mehlmischungen für Backwaren werden Enzyme zugesetzt, damit das Brot industriell gleichmäßig gebacken werden kann (24, 25). Fruchtsalate (26), -säfte und Wein werden mit Pektinasen (Pektin spaltende Enzyme) gewonnen, um eine höhere Saftausbeute zu bekommen. Bieren wird häufig Amylasen (Stärke spaltende Enzyme) und/oder Proteasen zugesetzt, um kostengünstiger zu produzieren.

Industrieller Enzymeinsatz in Wasch- und Reinigungsmitteln

Wasch- und Reinigungsmitteln fügt man Proteasen (Protein spaltende Enzyme), Lipasen (Fett spaltende Enzyme) und Amylasen (Stärke spaltende Enzyme) zur Erhöhung der Reinigungsleistung hinzu, weil diese Enzyme die entsprechenden Flecken zersetzen. Im Weichspüler findet man Cellulasen (Fasern spaltende Enzyme).

Bei normalen Spülbedingungen verbleiben ca. 1 bis 10 ppm (parts per million) Waschmittelenzyme im Gewebe, darunter auch Proteasen. Dieser Wert ist um ein Vielfaches höher, wenn sich Waschmittelnester bilden. Wird das Gewebe während des Tragens feucht, können Enzyme ihre Aktivität auch auf der Haut entwickeln. Insbesondere ENZYME – die Hauptursache von Allergien bei gentechnisch modifizierten Enzymen äußern Kritiker vermehrt die Befürchtung, dass aufgrund der verbesserten Umweltstabilität und der neuen Proteinstruktur zunehmend allergische Hautreizungen und Ekzeme auftreten könnten. Diese Reaktionen können durch weitere Inhaltsstoffe wie Parfüm und Farbstoffe, Bleichmittel und Bakterien- bzw. Pilzbestandteile aus der Enzymproduktion verstärkt werden.

Kosmetika, Wasch- und Reinigungsmittel können wie die Hausstaubmilben Proteasen freisetzen oder enthalten, die bei sensibilisierten Personen zu allergischen Reaktionen führen können (27-34).

Maßnahmen für Allergiker

Da Enzyme eine der Hauptursachen von Allergien sind, basiert ein gutes Präventionskonzept im Wesentlichen auf der Vermeidung von enzymhaltigen Produkten (z.B. Wasch- und Reinigungsmittel) und auf der Verringerung der Allergenbelastung.

Sowohl Allergiker, die an Hausstaub- und/ oder Schimmelpilzallergien leiden, als auch Asthmatiker, Hautallergiker und empfindliche Personen wie z.B. Babys sollten besonders sorgfältig darauf achten, dass sie keiner Enzymbelastung ausgesetzt werden.

Vermeidung von enzymhaltigen Produkten:

  • Enzymfreie Flüssigwaschmittel mit hypoallergener Zusammensetzung verwenden.
  • Keine Waschmittel in Pulverform verwenden.
  • Keinen Weichspüler verwenden (im Wäschetrockner wird die Wäsche von selbst weich).
  • Enzymfreie Kosmetika mit hypoallergener Zusammensetzung verwenden.

Verringerung der Allergenbelastung:

  • Milbendichte Bett- und Matratzenbezüge im Schlafraum verwenden, damit kein enzymhaltiger Milbenkot in der Luft verteilt werden kann.
  • Reinigungsgeräte verwenden, die mehr als 99,9% Staub- und Allergenbindekapazität besitzen.
  • Tragen von silberhaltiger Unterwäsche (Silbertextilien binden auf natürliche Weise allergieauslösende Enzyme und machen sie unschädlich für die Haut).

Dr. sc. nat. ETH Thomas Bohner Dr. sc. nat. ETH Thomas Bohner
Pharmazeut

bohner@bilsa.ch

Literaturhinweise

1) Purified Der p1 and p2 patch tests in patients with atopic dermatitis: evidence for both allergenicity and proteolytic irritancy. Deleuran, M., A. R. Ellingsen, et al. (1998). Acta Derm Venereol 78(4): 241-3.

2) Recombinant Der p 1 and Der f 1 with in vitro enzymatic activity to cleave human CD23, CD25 and alpha1-antitrypsin, and in vivo IgE-eliciting activity in mice. Takai, T., T. Kato, et al. (2005). Int Arch Allegy Immunol 137(3): 194-200.

3) Proteolytic Cleavage of CD25 the alfa Subunit of the Human T Cell Interleukin 2 Receptor by Der p 1 a Major Mite Allergen with Cysteine Protease Activity. Oliver Schulz, Herb F. Sewell, and Farouk Shakib (1998). J. Exp. Med., Volume 187, Number 2, January 19, 271-275.

4) Der p I, a major allergen of the house dust mite, proteolytically cleaves the low-affinity receptor for human IgE (CD23). Schulz, O., P. Laing, H.F. Sewell, and F. Shakib. 1995. Eur. J. Immunol. 25: 3191-3194.

5) Cleavage of the low affinity receptor for human IgE (CD23) by a mite cysteine protease: nature of the cleaved fragment in relation to the structure and function of CD23. Schulz, O., B.J. Sutton, R.L. Beavil, J. Shi, H.F. Sewell, H.J. Gould, P. Laing, and F. Shakib. 1997. Eur. J. Immunol. 27: 584-588

6) A major house dust mite allergen disrupts the immunoglobulin E network by selectively cleaving CD23: innate protection by antiproteases. Hewitt, C.R.A., A.P. Brown, B.J. Hart, and D.I. Pritchard. 1995. J. Exp. Med. 182: 1537-1544.

7) Der p I, a major allergen of the house dust mite, proteolytically cleaves the low-affinity receptor for human IgE (CD23). Schulz, O., Laing, P., Sewell, H., and Shakib, F. 1995. Eur. J. Immunol. 25:3191-3194.

8) Proteolytic cleavage of CD25, the subunit of the human T cell interleukin 2 receptor, by Der p 1, a major mite allergen with cysteine protease activity. Schulz, O., Sewell, H., and Shakib, F. 1998. J. Exp. Med. 187:271-275.

9) The house dust mite allergen Der p 1 catalytically inactivates 1-antitrypsin by specific reactive centre loop cleavage: a mechanism that promotes airway inflammation and asthma. Kalsheker, N.A. et al.1996. Biochem. Biophys. Res. Commun. 221:59-61.

10) Der p 1 facilitates transepithelial allergen delivery by disruption of tight junctions. Hong Wan, Helen L. Winton, Christian Soeller, Euan R. Tovey, Dieter C. Gruenert, Philip J. Thompson, Geoffrey A. Stewart, Graham W. Taylor, David R. Garrod, Mark B. Cannell and Clive Robinson. 1999. J Clin Invest, July, Volume 104, Number 1, 123-133

11) Der p 1 facilitates transepithelial allergen delivery by disruption of tight junctions. Wan, H., H. L. Winton, et al. (1999). J Clin Invest 104(1): 123-33.

12) Pollen proteolytic enzymes degrade tight junctions. Runswick S, Mitchell T, Davies P, Robinson C, Garrod DR. 2007. Respirology. Nov;12(6):834-42.

13) Protease Activity of Allergenic Pollen of Cedar, Cypress, Juniper, Birch, and Ragweed. Gunawan H, Takai T, Ikeda S, Okumura K, Ogawa H. Allergol Int. 2008 Mar 1;57(1):83-91

14) Grass group I allergens (beta-expansins) are novel, papain-related proteinases. Grobe K, Becker WM, Schlaak M, Petersen A. 1999. Eur J Biochem. 1999 Jul;263(1):33-40.

15) Aspergillus and Penicillium allergens: focus on proteases. Shen HD, Tam MF, Tang RB, Chou H. 2007. Curr Allergy Asthma Rep. 2007 Sep;7(5):351-6.

16) Epi p 1, an allergenic glycoprotein of Epicoccum purpurascens is a serine protease. Bisht V, Arora N, Singh BP, Pasha S, Gaur SN, Sridhara S. 2004. FEMS Immunol Med Microbiol. 2004 Oct 1;42(2):205-11.

17) Allergens as proteases: an Aspergillus fumigatus proteinase directly induces human epithelial cell detachment. Robinson BW, Venaille TJ, Mendis AH, McAleer R. 1990. J Allergy Clin Immunol. 1990 Nov;86(5):726-31.

18) Pen ch 13 allergen induces secretion of mediators and degradation of occludin protein of human lung epithelial cells. Tai HY, Tam MF, Chou H, Peng HJ, Su SN, Perng DW, Shen HD. 2006. Allergy. Mar;61(3):382-8.

19) Potential roles in rhinitis for protease and other enzymatic activities of allergens. Sehgal N, Custovic A, Woodcock A. 2005. Curr Allergy Asthma Rep. 2005 May;5(3):221-6.

20) Inflammatory effect of environmental proteases on airway mucosa. Reed CE. 2007. Curr Allergy Asthma Rep. 2007 Sep;7(5):368-74.

21) The importance of serine proteinases as aeroallergens associated with asthma. Shen HD, Tam MF, Chou H, Han SH. 1999. Int Arch Allergy Immunol. 1999 Aug;119(4):259-64.

22) Occupational asthma in a cheese worker. Anibarro, B., Bausela, J., Fontela L. (1996). Allergy 51(12): 960-1

23) Dermatological and allergic hazards of cheesemakers. Niinimaki, A. and S. Saari (1978). Scand J Work Environ Health 4(3): 262-3.

24) Baking ingredients, especially alpha-amylase, as occupational inhalation allergens in the baking industry. Wüthrich, B. and X. Baur (1990). Schweiz Med Wochenschr 120(13): 446-50.

25) Enzymes: potent inhalant and ingestive allergens– obligation of declaration lacking in bakery products and fl our. Wüthrich, B. (1994). Schweiz Med Wochenschr 124(31-32): 1361-3.

26) Occupational asthma in fruit salad processing. Sen, D., K. Wiley, et al. (1998). Clin Exp Allergy 28(3): 363-7.

27) Allergic respiratory diseases due to enzymatic laundry detergents (comprehensive review). Atanackovic, D. (1972). Plucne Bolesti Tuberk 24(3): 240-3.

28) Enzyme allergy in populations exposed to longterm, low-level concentrations of household laundry products. Bernstein, I. L. (1972). J Allergy Clin Immunol 49(4): 219-37.

29) An outbreak of asthma in a modern detergent factory. Cullinan, P., J. M. Harris, et al. (2000). Lancet 356(9245): 1899-900.

30) Immediate hypersensitivity to enzyme detergents. Falleroni, A. E. and D. P. Schwartz (1971). Lancet 1(7698): 548.

31) Occupational allergic contact urticaria and rhinoconjunctivitis from a detergent protease. Kanerva, L. and M. Vanhanen (2001). Contact Dermatitis 45(1): 49-51.

32) Occupational asthma due to proteases in the detergent industry. Wüthrich, B. and F. Ott (1969). Schweiz Med Wochenschr 99(44): 1584-6.

33) Occupational asthma caused by bacillary amylase used in the detergent industry. Hole, A. M., A. Draper, et al. (2000). Occup Environ Med 57(12): 840-2.

34) Cleaning-Products-Related Asthma, Obstructive Airway Disease. Rosenman, K.:(2006): Clinical
Pulmonary Medicine. 13(3):221-228.

zurück zur Übersicht dieser Ausgabe
Paracelsus SchulenWir beraten Sie gerne
Hier geht's zur Paracelsus Schule Ihrer Wahl.
Menü