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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/2013

Der Tierheilpraktiker – Gewerbetreibender oder Freiberufler?

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© Igor Tarasov I © styleuneed - Fotolia.comEndlich, der Weg ist frei – die Prüfung zum Tierheilpraktiker ist bestanden! Nun kann es losgehen: Mein erster Weg führt mich zum Finanzamt, zur Anmeldung der Selbstständigkeit. Doch schon ab hier wurden mir Steine in den Weg gelegt.

Die große Frage, die sich nun auftat, war: „Bin ich als Tierheilpraktiker freiberuflich tätig oder muss ich ein Gewerbe anmelden?“ Eine Frage, die sehr oft für große Verwirrung sorgt und selbst der Mann vom Finanzamt konnte mir bei dieser Frage nicht weiterhelfen.

Also habe ich auf eigene Faust recherchiert und Folgendes herausgefunden: Es gibt bedeutende wirtschaftliche Unterschiede zwischen einer freiberuflichen Tätigkeit und einer gewerblichen.

Die Vorzüge einer freiberuflichen Tätigkeit liegen auf der Hand:

  • Sie zahlen keine Gewerbesteuer, da sie nicht gewerblich tätig sind.
  • Gewinnermittlung durch Einnahmeüberschussrechnung (doppelte Buchführung entfällt).
  • Möglichkeit einer Partnergesellschaft u.a.

Dies sind die Fakten! Die Frage ist nun, woran erkenne ich, ob ich eine freiberufliche Tätigkeit ausübe? Dazu müssen wir uns zwei Gesetze anschauen: Partnergesellschaftsgesetz (PartGG) § 1, Abs. 2 und § 18, Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Im Partnergesellschaftsgesetz steht: „Die freien Berufe haben im Allgemeinen auf der Grundlage besondere berufliche Qualifikation oder schöpferische Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachliche unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt hat.“

Was heißt das nun für mich? Eine berufliche Qualifikation durch schulinterne Weiterbildung zum THP mit bestandener Prüfung habe ich erworben (nicht staatlich anerkannt, nur geduldet). Der Auftraggeber für meine Arbeit wäre der Tierbesitzer. Die Arbeit als Tierheilpraktiker ist eine eigenverantwortliche und selbstständige Tätigkeit. Der Tierheilpraktiker sollte über eine fundamentierte fachliche Ausbildung in seinem naturheilkundlichen Bereich verfügen. Somit könnte man meinen, die Grundvoraussetzungen für die freiberufliche Tätigkeit sind gegeben.

Nun müssen wir noch das Einkommensteuerrecht § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG beachten, das besagt: „Freiberufler ist, wer selbstständig und eigenverantwortlich tätig ist und eine wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit ausübt.“

Im § 18 Abs. 1 des EStG werden drei Gruppen von Freiberuflern unterschieden:

  • Katalogberufe
  • Katalogähnliche Berufe
  • Tätigkeitsberufe

Die Katalogberufe beziehen Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, unterliegen aber weder der Gewerbeordnung noch der Gewerbesteuer. Dazu zählen:

  • Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Krankengymnasten, Heilpraktiker, Hebammen
  • Notare, Rechtsanwälte, Patentanwälte
  • Architekten, Ingenieure, Handelschemiker
  • Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, vereidigte Buchprüfer, Betriebswirte, Steuerbevollmächtigte
  • Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer
  • Lotsen, hauptberufliche Sachverständige
  • Wissenschaftlicher, Künstler, Schriftsteller, Lehrer und Erzieher

Der Tierheilpraktiker fehlt in dieser Auszählung.

Springen wir erst mal zu Punkt 3

Tätigkeitsberufe

Der Arbeitsmarkt steht nicht still, neue Berufsgruppen kommen dazu, deshalb ist der Freiberufler auch in dieser Berufsgruppe zu finden.

  • Wissenschaftliche Tätigkeit: Forschung, Lehrtätigkeit, Erstellen von Gutachten
  • Künstlerische Tätigkeit: bildende Künste, Showstars, Entertainer, Regisseure
  • Schriftstellerische Tätigkeit: Online-Journalisten, Publizisten, Autoren
  • Erzieherische Tätigkeit: Betreiber eines Kinderheims
  • Unterrichtende Tätigkeit: Reitlehrer, Trainer

Auch hier findet sich kein Hinweis auf den Tierheilpraktiker.

Zu Punkt 2: Ähnliche Berufe – was versteht der Gesetzgeber darunter? Was steckt hinter dem Begriff „ähnliche Berufe“? Der ähnliche Beruf muss dem Katalogberuf in allen Punkten entsprechen. Als ähnlicher Beruf wird sehr oft der Heilpraktiker angeführt (s. Tabelle).

2013-03-Tierheilpraktiker2

Ist für den vergleichbaren Katalogberuf keine bestimmte Ausbildung vorgeschrieben, ist allein die vergleichbare Berufstätigkeit das Maß der Dinge (BFH vom 29.11.01 – BStBl II 02, 149).

Die Ausübung des Berufsbildes Tierheilpraktiker kann ohne Prüfung erfolgen, bedarf keiner Zulassung durch die Tierärztekammer oder einer ähnlichen Einrichtung und unterliegt auch keiner behördlichen Aufsicht – somit weist die Tätigkeit des Tierheilpraktikers keine Ähnlichkeit mit dem Heilpraktiker auf. Deshalb ist ein Tierheilpraktiker nach § 15 EStG Gewerbetreibender.

Was kennzeichnet einen Gewerbetreibenden?

  • Selbstständigkeit
  • Nachhaltigkeit
  • Gewinnerzielungsabsicht
  • Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr
  • keine Ausübung von Land- und Forstwirtschaft
  • keine Ausübung einer selbstständigen Arbeit (im Sinne des § 18 EStG)
  • keine reine Vermögensverwaltung

Welche Möglichkeiten habe ich nun als gewerbetreibender Existenzgründer? Nach Gesprächen mit dem Finanzamt habe ich mir § 19 im Umsatzsteuergesetz Kleinunternehmerregelung näher angeschaut. Dieser Paragraph kann in der Existenzgründung vieles erleichtern.

  • keine Umsatzsteuer fällig
  • einfache Buchführung: Einnahmeüberschuss
  • Wettbewerbsvorteil – Verkauf von Waren ohne MwSt. (Das bedeutet: Wenn Sie als Tierheilpraktiker zusätzlich Futtermittel an Privatkunden verkaufen, könnten Sie die Ersparnis der MwSt. an Ihre Kunden weitergeben und sind damit preisgünstiger als die Konkurrenz.)
  • keine Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen nötig, dadurch Einsparung von Verwaltungskosten, weil die Ermittlung und Abführung der USt. entfällt

Nachteile des Kleinunternehmers

  • kein Vorsteuerabzug möglich
  • Umsatzsteuer aus europäischem Erwerb muss gezahlt werden
  • anhand der Rechnung ersichtlich, dass die Umsätze gering sind

Um als Kleinunternehmer zu gelten, muss ich folgende Bedingungen erfüllen:

  • Ich darf im ersten Jahr meiner Selbstständigkeit nur einen Umsatz von max. 17.500 € erwirtschaften
  • Im zweiten Jahr darf der voraussichtliche Umsatz 50.000 € nicht überschreiten.

Unmittelbar nach der Gewerbeanmeldung habe ich vom Finanzamt einen Fragebogen erhalten. Dieser Fragebogen dient der Information, wie der Gewerbetreibende mit der Umsatzsteuer verfahren möchte. Werden keine Angaben gemacht, gilt der Unternehmer als Kleinunternehmer.

Ganz wichtig

Gilt man als Kleinunternehmer, darf auf den Rechnungsbetrag keine 19% MwSt. erhoben werden. Auf der Rechnung muss auf Folgendes hingewiesen werden:

  • Als Kleinunternehmer im Sinne § 19 (1) UStG wird keine Umsatzsteuer berechnet.
  • Auf die Anwendung der Regelbesteuerung wird verzichtet.

Wenn der Gewerbetreibende hohe Investitionen hat (z.B. ein neues Auto, Praxiseinrichtung, Geräte), lohnt sich eine eingehende Prüfung, ob nicht auf die Kleinunternehmerregelung verzichtet werden sollte. Die Umsatzsteuer, die er auf die gekauften Waren entrichtet hat, kann sich der Unternehmer über die Vorsteuer vom Finanzamt zurückerstatten lassen.

Ein kleines Beispiel: Um mobil erreichbar zu sein, entscheidet sich der Tierheilpraktiker für ein Smartphone. Kosten: 789,00 €, in dem Preis sind 149,91 € MwSt. enthalten.

Ein Unternehmer interessiert sich nur für die Netto-Preise, da er sich die MwSt. vom Finanzamt über die Vorsteuer zurückholen kann.

789,00 € – 149,91 € = 639,09 €

Für den Kleinunternehmer kostet das Handy aber 789,00 €, denn er kann sich die MwSt. nicht vom Finanzamt zurückholen.

Nun muss jeder für sich abwägen und ausrechnen, welches Modell er für seinen Praxisstart wählen möchte.

Ich hoffe, ich konnte mit diesem Artikel die Verwirrung über den Status des Tierheilpraktikers aufklären und wünsche allen gute Behandlungen und Erfolg.

Frauke Struck-Haas Frauke Struck-Haas
Heilpraktikerin

info@frauke-struck-haas.de

Literaturhinweise

  • FinMin Schleswig-Holstein, 11.8.11, VI 302 – S. 2246-223
  • 18 EStG Gesetze im Internet
  • Merkblatt IHK, Abgrenzung Gewerbebetrieb – freie Berufe
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