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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/2013

Entspannt lebt (und lernt) es sich leichter

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Foto aus: Yoga mit Kindern ©Daniel WetzelTim und Sophia liegen auf dem Bauch, ganz langsam richten sie den Oberkörper auf. Konzentriert schauen sie nach vorne, als gäbe es da etwas zu beobachten, strecken die Zunge heraus und zischen leise wie die Schlangen. Völlig vertieft in ein Spiel? Ja, die Kinder „spielen“ Yoga.

Immer mehr Menschen entdecken in dieser schnelllebigen Zeit Yoga und andere Entspannungstechniken, um sich nicht übermäßigem Stress ausgeliefert zu fühlen. Auch für Kinder gibt es dieses Angebot, welches nichts mit abgehobenem Hokuspokus zu tun hat. Es gibt inzwischen einige wissenschaftliche Studien in Bezug auf die positive Wirkung von Yoga allgemein und Stressreduktion und Entspannung in Bezug auf den Schulalltag. Die Schulkinder von heute erfahren massiven Stress, besonders ab Klasse 4, wenn sich der Weg auf eine weiterführende Schule abzeichnet.

Konzentrationsstörungen, Unruhe, Spannungskopfschmerzen und Schulangst sind nur einige Beispiele, die mir in meinem Kinderyogaunterricht sehr häufig begegnen. Die Kinder berichten mir immer wieder, wie gestresst sie sich fühlen und wie groß ihre Sorge sei, die Schulanforderungen nicht zu schaffen und zu versagen. Manchmal lösen sich solche Beschwerden schon nach ein paar Entspannungsstunden auf. Aus diesem Grund liegt es mir sehr am Herzen, Kinderyoga und Entspannung zu unterrichten.

Foto aus: Yoga mit Kindern ©Daniel WetzelDer Schulstress ist heutzutage enorm groß und es ist gut, dass sich auch die Medien einfühlsam diesem Thema widmen. So wurde z.B. in dem ARD-Beitrag „Deutschland unter Druck – die überforderten Kinder“ (2011) berichtet, dass bereits jedes zweite Schulkind von psychosomatischen Beschwerden, ausgelöst durch Schulstress, betroffen sein soll. Genau aus diesem Grund ist es mir sehr wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass unter langfristigem Stress kein effektives Lernen möglich ist. Erfahren die Kinder ständig Druck, sich mehr anzustrengen oder bessere Noten zu schreiben, kann der Körper darauf mit Ängsten und einer erhöhten Ausschüttung von Stresshormonen reagieren – so, als würde der Körper auf alte Überlebensmechanismen zurückgreifen, in denen es ums reine Überleben geht. Hier blockiert Stress das Gehirn und die Lernfähigkeit. Reflektorisch spannt sich die Muskulatur an und die Schultern werden hochgezogen. Kommt es nach so einer Anspannungsphase nicht zur Entspannung, erfährt ein Kind Dauerstress. Der Körper kommt aus dem inneren Gleichgewicht und das Immunsystem wird gedrosselt. Es ist längst bekannt, dass Dauerstress langfristig krankmachen kann.

Stress und Angst machen eng und blockieren jegliches Lernen. „Angst führt im Gehirn zu einer Reaktionskette, die das Erlernen von Neuem verhindert, bereits Erlerntes destabilisiert und das Kind auf sehr früh entwickelte und daher recht einfache Verhaltensstrategien zurückwirft (eine Regression)“, schreibt Prof. Dr. Hüther in seinem Beitrag „Sich bewegen“.

Deshalb ist es wichtig, den Kindern kindgerechte Yogaübungen sowie Entspannungsmöglichkeiten mit auf ihren Weg zu geben, aber auch jede andere Art von Bewegung sind für die Kinder sehr wichtig. „Sich zu bewegen lernen, heißt für das Leben lernen!“ (Prof. Dr. Hüther)

Foto aus: Yoga mit Kindern ©Daniel WetzelLeider bewegen sich die Kinder von heute oftmals sehr wenig und haben durch das lange Sitzen eine ständig nach vorn gebeugte Haltung. Kinder tragen sehr häufig einen viel zu schweren Schulranzen, man kann beobachten, wie die Kinder sich nach vorne neigen, um das Gewicht auszubalancieren. Dies kann langfristig zu einer Veränderung der Muskulatur führen. Kinderyoga kann hier ein guter Ausgleich sein. Durch entsprechende Übungen wird auch die seitliche Zwischenrippenmuskulatur gedehnt, der Brustkorb geweitet und die Kinder können leichter und befreiter atmen. Andere Übungen stärken die Bauchoder Rückenmuskulatur, dies unterstützt eine Aufrichtung des Rückens.

Kinderyogaübungen machen nicht nur Spaß, sondern stärken die gesamte Körpermuskulatur. Durch Üben der einzelnen Yogahaltungen wird die Muskulatur bewegt, gestreckt, gedehnt und angespannt. Dadurch wird die Durchblutung angeregt. Die Organe werden durch Streck- und Dehnübungen massiert, der Stoffwechsel wird angeregt und fördert somit die Ausscheidungs- und Entgiftungsprozesse. Durch das aktive Tun werden ganz nebenbei noch innere Spannungen abgebaut, die Kinder lassen den Stress einfach spielerisch los. Das Nervensystem kann wieder in Balance kommen und die Kinder fühlen sich ausgeglichener. Yoga fördert die Konzentrationsfähigkeit, denn die Kinder erfahren z.B., wie wichtig die Konzentration bei Balanceübungen ist. Sie lernen sich wirklich nur auf eine Sache zu konzentrieren – eine wichtige Erfahrung, auch für die eher „hibbeligen“ Kinder. Durch spezielle Ausdrucksübungen werden die Kinder sicherer und können so ein neues Selbstbewusstsein entwickeln. Manche werden auch in der Schule mutiger, denn einige Kinder sind oftmals regelrecht in ihrem Ausdruck blockiert. Durch das Auslachen in der Schule haben sie Hemmungen aufgebaut. Überwinden die Kinder diese (z.B. durch die Übung „Brüllen wie ein Löwe“), kann es ihnen wieder leichter fallen, sich mündlich im Unterricht freudig und ohne Angst zu beteiligen.

Manchmal werde ich gefragt, warum sich bei den Kindern nach ein paar Yogastunden ihr Verhalten so schnell verändert. Eine wissenschaftlich begründete Erklärung kann ich nicht geben, aber es mag daran liegen, dass die Kinder sich wohlfühlen und sie ihre innere Spannung abbauen können. Ich gebe den Kindern Raum, sich selbst zu erfahren und sich auszuprobieren. Ganz ohne Leistungsdruck und Wertung durch meine Person. Eine der festen Regeln in meinem Unterricht ist, dass kein Kind über ein anderes Kind lachen darf. Die Kinder fühlen sich wohl und sicher. Für sie ist es manchmal eine neue Erfahrung, dass es kein besser oder schlechter gibt, jedes Kind macht die Übungen so gut, wie es geht. Das fühlt sich einfach gut an und nimmt den Kindern den Druck.

Foto aus: Yoga mit Kindern ©Daniel WetzelDie Kinder lernen, auf die Signale ihres Körpers zu hören, sie werden achtsamer und sensibler, um dem eigenen Körper zuzuhören. Jede Kinderyogastunde beinhaltet verschiedene Übungsaspekte. Ziel soll hier sein, über die Anspannung zur Entspannung zu kommen. Nach jeder Übungseinheit folgt eine Körperentspannung, manchmal mit einer Phantasiegeschichte kombiniert. Anschließend sieht man ganz deutlich an den Gesichtern der Kinder, wie entspannt sie ausschauen. Spätestens dann wird einem klar: Kinderyoga wirkt!

Kinderyoga hat einen wunderbaren Wandel erfahren und hat sich als etwas ganz Normales in unserer Gesellschaft etabliert, egal ob beispielsweise im Sportverein, in Kitas, in Kurkliniken oder Schulen. In einer Grundschule in Niederlausitz wird Kinderyoga seit 1990 unterrichtet und seit dem Jahr 2005 ist Yoga für Kinder für Klasse 1 bis 3 ein Unterrichtsfach geworden. Die Nachfrage ist hoch und hoffentlich wird Yoga und Entspannung in Zukunft in weiteren Schulen angeboten.

Entspannungstipps

Foto Mudra ©PilgujLegt Fingerspitzen locker aneinander (Foto re.) – die Position halten, dabei bewusst ganz entspannt atmen.

Seit der Bundestagswahl 2009 kennt wohl fast jeder diese Handhaltung: Frau Merkel war damit auf Wahlplakaten groß zu sehen. Ebenso wird diese Handhaltung nicht nur von Politikern und TV-Moderatoren, sondern auch von Managern angewendet.

„Hakini Mudra“

Diese Handhaltung fördert die Konzentration, das Erinnerungsvermögen und Aufnahmefähigkeit, vertieft die Atmung, gleichzeitig werden die linken und rechten Körperenergien in Balance gebracht und „zentriert“, was das Wohlbefinden unterstützt. Es soll auch den Redefluss fördern.

„Baum“

Verwandelt euch in Gedanken jetzt in einen uralten mächtigen Baum. Steht ganz sicher mit den Füßen auf dem Boden und lasst (in Gedanken) sehr lange, tiefe Wurzeln aus euren Füßen in den Erdboden wachsen. Spürt eure Standfestigkeit und Sicherheit, die euch die Wurzeln geben. Die Füße stehen ganz sicher, fast wie angeklebt. Euer Körper bildet nun den dicken Baumstamm, mit den hochgehobenen Armen formt ihr die Baumkrone. Könnt ihr den sicheren Stand spüren, dann beginnt euch ein wenig hin und her zu wiegen – wie ein Baum im Wind. Bewegt euch in alle Richtungen, der Wind darf auch stürmisch werden – aber bitte fester Stand, die Füße bewegen sich nicht!

Für Geübte: Die Baumübung auf einem Bein durchführen. Das andere Bein wird angewinkelt und der Fuß ans Standbein gelegt. Standbein bitte abwechseln.

Wirkung: Die Baumübung ist eine ruhige meditative Übung, vermittelt Sicherheit und Standfestigkeit, verbindet mit Mutter Erde. Die Erdung ist besonders wichtig für „Zappelphilippe“ und Kinder, die sehr „luftig“ wirken. Wird die Baumübung auf einem Bein ausgeführt, ist es eine sehr stark konzentrationsfördernde Übung.

Quellenangaben

  • www.gerald-huether.de/populaer/veroeffentlichungen-von-gerald-huether/texte/sich-bewegen-gerald-huether/index.php 
  • Institut für Freizeitwissenschaft und Kulturarbeit e.V. zu Kinderyoga an der Grundschule: Pilotstudie zur Evaluation von Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung/ Projektbericht von Dr. Dieter Brinkmann; Bremen 2008
  • Gesundheitserziehung durch Yoga – Eine Untersuchung gegenwärtiger Konzepte von Yoga mit Kindern und deren Beitrag zur Gesundheitserziehung Diplomarbeit von Sabine Martin, Universität Bielefeld, Fakultät für Pädagogik, 2007

Literaturempfehlungen

  • 2013-03-Yoga6Yoga mit Kindern, Sabina Pilguj, Urania Verlag 2002, ISBN 978-3- 3320-1349-8
  • Kinder fördern mit täglichen Denkanstößen, Sabina Pilguj, Via Nova Verlag, 2009, ISBN 978-3-9881-6147-4
  • Ganz entspannt im Traumland, CD für Kinder, Sabina Pilguj, Eigenverlag, ISBN 3-0000-4738-7

Sabina Pilguj Sabina Pilguj
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Autorin, Kinderyogalehrerin, Referentin zum Thema „Stressreduktion und Entspannung“, Dozentin an den Paracelsus Schulen

sabiza@t-online.de

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