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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/2013

Panchakarma-Kur

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Reinigung bis in die tiefsten Ebenen

© Kzenon - Fotolia.comIn der Jahrtausende alten indischen Heilkunde Ayurveda ist die intensive Reinigung ein ganz zentraler Punkt. Krankheitsbeschwerden haben immer etwas mit uns und unserer Lebensgestaltung zu tun und machen uns darauf aufmerksam, etwas in unserem Leben zu verändern. Krankheiten entstehen über viele Jahre hinweg, indem sich mehr und mehr Schlacke (Ama) in verschiedenen Geweben ansammeln und so unterschiedliche Krankheiten hervorrufen können. Chronische Erkrankungen wie Rheuma, Heuschnupfen, Neurodermitis usw. entstehen über einen langen Zeitraum. Wenn wir an die Ursachen von der Ernährung (bzw. Verdauung), Psyche und unseren alltäglichen Verhaltensmustern gehen, kann sich vieles verbessern oder sogar heilen – aber das kann mitunter sehr langwierig sein. Eine Panchakarma- Kur gibt bei dem Gesundungsprozess eine sehr große Unterstützung.

Die wörtliche Übersetzung von Panchakarma im Sanskrit heißt „fünf Handlungen“. Das sind fünf Wege der Reinigung und Entgiftung: Das können Einläufe (Vasti), Abführen (Virechana), therapeutisches Erbrechen (Vamana), therapeutische Reinigung über die Nase (Nasya) oder Aderlass (Rakta Moksha) sein. Die Reinigungsart wird je nach diagnostizierter Störung gewählt.

Bevor man mit der Reinigung oder Ausleitung beginnt, muss der Körper vorbereitet werden. Man geht dabei von allen Seiten, von innen und außen heran, die Pflanzenwirkstoffe in den Körper zu bekommen.

In den alten ayurvedischen Schriften steht dazu: „Aus einer unreifen Mango kann man keinen Saft ausdrücken. Sie muss vorher erst zum Reifen gebracht werden.“

So kann man aus dem unvorbereiteten Körper keine Schlackenstoffe ausleiten. Zur „Reifung der Mango“ (Vorbereitung) sind Ölungen (Snehana) und Schwitzungen (Swedana) vorher notwendig. Dann können die krankmachenden Faktoren, Ama (Schlacke), mobilisiert und ausgeleitet werden.

Gute Vorbereitung für eine effektive Ausleitung

1. Innerliche Vorbereitung (Amapachana)

Um die Ausleitungsverfahren effektiv durchführen zu können, bedarf es einer guten Vorbereitung. Hier gilt: Je besser die Vorbereitung, umso besser ist auch die Wirkung von der eigentlichen Kur.

Die Vorbereitung kann unterschiedlich aussehen: Wichtig ist, in welcher Form die Pflanzen für welche Person gegeben werden (z.B. Öl, Kräuterabkochung, Pille, Kräuterwein, Pulver, Konfekt, …). Dafür muss die Person mit allen Symptomen, Alter, aber z.B. auch der Umgebung, in der sie lebt, betrachtet werden.

Selbst in Indien gibt es klimatische Unterschiede zwischen Nord- und Südindien, die unterschiedliche Anwendungen und Zubereitungen notwendig machen:

Ghee-Tage (Ghee ist geklärte Butter oder auch Butterschmalz) zur Vorbereitung werden mehr in Nordindien angewendet. Die Natur ist in Nordindien trocken und so haben die Menschen dort eher Probleme, die von Trockenheit herrühren. Deshalb ist es für die Mobilisierung von Ama (Schlacken, Toxine) notwendig, ein öliges Medium zu verwenden, wie es das Ghee ist. Es wird dazu dem Krankheitsbild entsprechend mit verschiedenen Kräutern zubereitet. Die Dosis wie auch die Anzahl der Tage ist unterschiedlich, je nachdem wie trocken (rooksha) die Person ist.

Kräuterabkochungen (Kashaya): Der Landstrich Kerala (Südindien) ist sehr fruchtbar und feucht, die meisten Gewürze Indiens wachsen dort. In so einer feuchten Landschaft brauchen die Menschen zur Vorbereitung eher etwas, das austrocknend wirkt, wie es Kräuterabkochungen tun. Diese Dekokte werden über einen bestimmten Zeitraum getrunken, bevor mit den Massagen angefangen werden kann. Der Zeitraum ist individuell unterschiedlich zwischen einer und mehreren Wochen.

In den ayurvedischen Texten wird das Trinken von Ghee bei sämtlichen Erkrankungen beschrieben, aber in den letzten Jahrhunderten wurde das Ayurveda in Kerala, Südindien (wo Ayurveda noch heute am traditionellsten praktiziert wird) verfeinert. So werden nur bei speziellen Erkrankungen und Stadien, wie z.B. bei Magengeschwüren, Geisteskrankheiten und Myomen, Ghee-Tage zur Vorbereitung verschrieben. Meistens werden Kräuterabkochungen vorbereitend vor der Kur gegeben.

In Deutschland ist die Natur ähnlich feucht und fruchtbar wie in Kerala, deshalb wirken hier Kräuterabkochungen in der Vorbereitungszeit im Allgemeinen effektiver.

2. Äußerliche Vorbereitung (Poorvakarma: Snehana und Swedana)

Dann fängt die eigentliche Panchakarma-Kur an: Nach einer Zeit der inneren Vorbereitung folgt die äußere Vorbereitung für die Ausleitung – die Massagen. Je nachdem, welche Erkrankung vorliegt, werden die Massageöle und die Art der Ausleitung ausgewählt. Vor jeder Ausleitung müssen die dazu passenden Massagen durchgeführt werden (es gibt unterschiedliche Arten der Massagen im Ayurveda, z.B. Ölmassagen, mit Öl begießen, mit Kräuterbeuteln massieren, der Stirnguss etc.). Wichtig ist, dass das Öl immer auf die ayurvedische Art mit Pflanzen aufbereitet wurde.

Herstellung von 200 ml ayurvedischem Öl:

  • 800 ml Kräuterabkochung (dazu werden 160 g Kräuter mit 3,6 l Wasser auf 800 ml eingekocht und dann abgeseiht)
  • 200 ml Öl (z.B. Sesamöl)
  • 50 g Paste (dazu werden frische Pflanzen im Mörser zu einer feinen Paste vermahlt)

Alles zusammen wird so lange gekocht, bis alles Wasser verdampft ist und nur noch 200 ml Öl übrig bleiben. Auf diese Weise sind sowohl die wasserlöslichen als auch die fettlöslichen Wirkstoffe im Öl enthalten.

Werden die falschen Öle ausgesucht, kann es dadurch zu einer Verschlimmerung oder neuen Symptomen kommen. Wenn z.B. reines oder „gereiftes“ Sesamöl verwendet wird, kann es zu Hautproblemen führen (Ashtanga Samgraha).

Wichtig ist in dieser Vorbereitungszeit vor der Ausleitung, dass an jedem Tag die gleichen Massagen durchgeführt werden, für mindestens drei, maximal 14 Tage. Während der ganzen Zeit sollte eine Schonkost nach ayurvedischen Prinzipien befolgt werden.

Das Herz von Ayurveda: Panchakarma

Wurde der Körper gut vorbereitet, dann kann jetzt eines der fünf Ausleitungsverfahren der Diagnose entsprechend angewendet werden. Nach der Ausleitung erfolgen ein oder mehrere Tage der „Erholung und Ruhe“ mit leichtem Essen, bis wieder mit den Massagen zur Lösung weiterer Schlacke begonnen werden kann. Dann wird wieder für fünf bis neun Tage massiert bis zur nächsten Reinigung usw. Es ist also ein langer Prozess, bis alle „fünf Handlungen“ durchgeführt werden können. Die Gesamtdauer der Behandlung beträgt zwischen 50 und 100 Tagen.

Im ayurvedischen Text Ashtangha Hrdayam werden die Folgen der Ausleitung beschrieben:

Die Auswirkungen von Virechana und Vamana sind

  • klarer Verstand
  • Kraft aller Sinnesorgane
  • stabile Körpergewebe (Blut, Muskel, Knochen, …)
  • verbesserte Verdauungskraft
  • regulierter Alterungsprozess (Verjüngung)

Diese Zeichen treten auf, wenn die Reinigungsbehandlung richtig und ordnungsgemäß durchgeführt wurde.

Verjüngung und Wiederaufbau = Nachbehandlung (Paschatkarma)

© Pixelshop - Fotolia.comNach diesen intensiven Reinigungen folgt nun die Phase des Aufbaus. Die Schwachstellen gilt es zu kräftigen, sodass sie nicht geschwächt bleiben, sondern in gesundes und starkes Gewebe umgewandelt werden, denn nur so kann die Erkrankung nicht wieder kommen. Wenn nun weniger Schlacke vorhanden sind, wird der Körper gesünder. Mit der Nachbehandlung werden der Körper und der Geist gekräftigt und daher auch verjüngt.

Nach einer Reinigungskur sollte sich für die gleiche Anzahl an Tagen ausgeruht werden, um wieder zu Kräften zu kommen. Das gilt immer, auch bei kurzen Kuren! Der Wiederaufbau ist genauso wichtig wie die Reinigung selbst (wie das Fastenbrechen nach dem Fasten).

Ein geregelter, gesunder Lebensstil nach der Kur spielt eine wesentliche Rolle, um die maximale Wirkung des Panchakarmas zu erhalten. Für eine gewisse Zeitspanne (mindestens für die gleiche Anzahl an Tagen wie die Kur) sollte eine strenge Lebensweise befolgt werden. Dazu gehört auch die tägliche Selbstmassage.

In dieser Zeit sollte erst langsam zum normalen Essen wieder zurückgekehrt werden. Peyadikrama ist die Bezeichnung für eine leichte Kost, die während und nach der Kur empfohlen wird. Das Essen kann erst langsam wieder schwerer werden, bis „normales“ Essen wieder verdaut werden kann.

Aufbauende und „verjüngende“ Präparate (Rasayanas) werden gegeben, sobald das Verdauungsfeuer wieder gut brennt.

„Wie eine Glut langsam mehr erleuchtet und sich in Flammen verwandelt, wenn Gras oder Kuhdung rein gegeben wird, so wird das Verdauungsfeuer in dem Körper gestärkt und es wird stabil und kräftig, wenn Peyadikrama durchgeführt wird.“ (Ashtangha Hrdayam)

Verhaltensregeln während und nach der Kur

  • Sich nur mit warmem Wasser duschen bzw. waschen. Kaltes Wasser während der Behandlung ganz vermeiden. Nicht schwimmen gehen.
  • Sexuelle Aktivitäten sollten vermieden werden.
  • Nicht länger als 23 Uhr wach bleiben.
  • Körperliche Anstrengungen vermeiden.
  • Gefühlsausbrüche, Ärger und Streitgespräche sollten während der Kur vermieden werden.
  • Sich nicht direkter Sonneneinstrahlung aussetzen. Kontakt mit Staub, Regen, Nebel und Wind meiden.
  • Lange Reisen direkt nach den Behandlungen sollten vermieden werden.
  • Nicht übermäßig viel grübeln, reden oder lesen.
  • Keine ausgedehnten Spaziergänge machen und nicht zu viel sitzen.
  • Tagsüber nicht schlafen.
  • Das Essen sollte täglich zu den gleichen Zeiten in der vorgeschriebenen Menge aufgenommen werden.
  • Die Zeiten der Medizineinnahme sollten strikt eingehalten werden.
  • Der Rest des Tages sollte in angenehmer Atmosphäre in Ruhe und mit netten Menschen verbracht werden.

Neun Tipps, die helfen, einen Ort mit authentischen Panchakarma-Kuren zu finden

  • Es muss Vertrauen zu den Therapeuten aufgebaut werden können und man muss sich an dem Ort insgesamt wohlfühlen können. Wenn auf der körperlichen Ebene etwas in Bewegung kommt, dann tut es das auch auf der psychischen Ebene. Daher ist es wichtig, sich dort gut aufgehoben zu fühlen.
  • Ein in Ayurveda erfahrener Arzt oder Heilpraktiker ist vor Ort.
  • Es wird eine individuelle Vorbereitung vor der Kur (Ernährungsrichtlinien, Kräuterabkochungen oder Ghee-Zubereitungen) durchgeführt.
  • Es werden nur reine ayurvedische Kräuteröle (für die innere und äußere Anwendung) verwendet. Mindestens genauso wichtig wie die Art der Massagen ist die Auswahl der Öle. Anwendungen mit reinem Sesamöl oder verdünnt reduzieren die Effizienz der Kur.
  • Es werden genaue Anweisungen gegeben, was man während dieser Zeit machen darf und was nicht (z.B. nicht im Meer baden).
  • Es wird kein Touristenprogramm in Form von Ausflügen während der Kur angeboten – wichtig ist, sich während der Kurzeit und der gleichen Anzahl der Tage danach zu schonen.
  • Es wird eine leichte ayurvedische Kost angeboten. Während der Panchakarma-Kur und die Tage danach darf kein Fisch, Fleisch und mit Käse Überbackenes verzehrt werden. Auch Eis und in Fett Gebackenes muss vom Speiseplan gestrichen werden, ebenso Rohkost. Alkohol ist Tabu. Keine zu scharfen, bitteren, herben und sauren Geschmäcker.
  • Intensive Reinigung: Entsprechend der Dauer der Kur können entweder eine, zwei oder sogar alle fünf Ausleitungen durchgeführt werden. Einläufe kommen aber immer erst ganz zum Schluss der Behandlungsabfolge.
  • Vor allem wichtig bei chronischen oder schwereren Erkrankungen ist eine gute Nachbetreuung nach der Kur, mit spezifischen Anweisungen und regelmäßigen Terminen zur Begleitung.

Wenn der Kurort im Ausland ist, dann suchen Sie sich am besten einen Ayurveda-Arzt oder Therapeuten vor Ort, der mit den Ärzten dort zusammenarbeitet und die Vorbereitung und die Nachbehandlung durchführen kann. Dadurch kann Ihre Kur viel effektiver werden!

Abschließende Kommentare

Bei schweren oder chronischen Erkrankungen sollte die Kur, eingeschlossen der Vorbereitung und Nachbehandlung, mindestens viermal im Abstand von einem Jahr durchgeführt werden.

Auch in Indien oder Sri Lanka werden heute nur noch in den seltensten Fällen 50- bis 100-tägige Panchakarma-Kuren durchgeführt. Wenn ein oder zwei der intensiven Ausleitungen durchgeführt werden, mit der notwendigen Vorbereitung und Nachbehandlung, werden die Reinigungskuren aber heute trotzdem Panchakarma-Kuren genannt und sind sehr effektiv.

Eine fünftägige Kur kann effektiver sein als eine dreiwöchige Kur und kann, wenn sie nach oben genannten Prinzipien durchgeführt wurde, als Panchakarma-Kur bezeichnet werden. Bei schwereren Erkrankungen ist es bei einer kurzen Kur notwendig, die Kur bereits nach sechs Monaten zu wiederholen.

Manchmal werden Kuren im Namen von Panchakarma ohne Ausleitungen angeboten. Eine dreiwöchige Kur ohne Ausleitung ist keine Panchakarma-Kur! Dabei würden die Schlackenstoffe nur mobilisiert, von den Schwachstellen, an denen sie vorher saßen, gelöst und zum Verdauungstrakt befördert werden. Wenn sie dort angekommen sind, ist es notwendig, sie auszuleiten. Ein normaler Stuhlgang reicht hierfür nicht aus, auch nicht kleine Einläufe mit 60 ml Öl. Es wäre so eine Frage der Zeit, bis die Schlackenstoffe wieder an ihre Schwachstellen zurückkehren und wieder Krankheiten hervorrufen können – manchmal mit einer noch größeren Intensität als vorher.

Heike SeegebarthHeike Seegebarth
Heilpraktikerin und Ayurveda-Therapeutin

info@traditionelles-ayurveda.de

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