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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 4/2013

Versteckte Entzündungen

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Fotos: © iLight foto, atoss, Grafvision, PhotoSG, jeehyun, Benjamin LEFEBVRE - Fotolia.comNutritiver Einfluss von Polyphenolen

Niedriggradige Entzündungen gelten inzwischen als gemeinsame Schnittstelle für Herz-, Kreislauferkrankungen, Krebs und neurodegenerative Erkrankungen. Es ist bekannt, dass Lebensstilfaktoren (z.B. Bewegungsmangel, Übergewicht), aber auch die Nahrung (entzündungsfördernde Kost) als proinflammatorische Stimuli wirken können. Ebenso ist natürlich der Einfluss von Nahrungsfaktoren, die entzündungshemmend wirken, von Interesse. Im Zuge von Entzündungen werden gleichzeitig vermehrt freie Radikale gebildet und der Bedarf an effizienten Antioxidantien steigt. Jedoch gab es in jüngster Zeit erneut heftig geführte Diskussionen um den Sinn und Unsinn von antioxidativ wirksamen Supplementen. An dieser Stelle sollte auf natürlich vorkommende Antioxidantien aus Früchten, Gemüse und Gewürzpflanzen hingewiesen werden, die im Verbund synergistisch wirken und die Gefahr einer potenziell prooxidativen Wirkung, wie man sie von einzelnen, hochdosierten Radikalfängern kennt, mindern. Gleichzeitig wirken die in der pflanzlichen Kost vorkommenden Schutzstoffe auch entzündungshemmend, woraus die Empfehlung abgeleitet werden kann, sich zur Prävention – oder auch adjuvant bei bereits bestehenden entzündlichen Prozessen – ausreichend mit diesen bioaktiven Pflanzeninhaltsstoffen zu versorgen.

Hochdosierte Einzelgaben von Antioxidantien können von Nachteil sein

Antioxidantien galten viele Jahre als unangefochtene „Stars“ im Bereich der Krankheitsprophylaxe. Bei Entzündungen und oxidativem Stress ist ihr Bedarf tatsächlich erhöht. Jedoch fachen die negativen Ausgänge einzelner Studien (z.B. CARET-Studie mit Rauchern), die mit hochdosiertem ß-Carotin oder auch mit höher dosiertem Vitamin E durchgeführt wurden, die Diskussion um die mögliche Schädlichkeit von Antioxidantien immer wieder neu an.

Tatsächlich ist aus der Forschung inzwischen bekannt, dass Radikalfänger – wenn sie einzeln verabfolgt werden – einen prooxidativen Effekt ausüben können. Sie „verbrauchen“ sich als Antioxidans und nehmen in dieser Funktion von einem freien Radikal entweder ein Elektron auf oder sie geben eines an das aggressive Teilchen ab. Damit können sie selbst zum freien Radikal werden und den oxidativen Stress nicht drosseln, sondern ihn sogar noch erhöhen. Werden verschiedene Antioxidantien aber im natürlichen Verbund angeboten, ist davon auszugehen, dass sich die Radikalfänger gegenseitig regenerieren und sich die Problematik der prooxidativen Wirkung somit reduziert. Es ist bedauerlich, dass derlei biochemische Grundlagen in der Berichterstattung zur Sinnhaftigkeit von Antioxidantiengaben nicht erläutert werden.

Früchte (z.B. Beerenfrüchte, vor allem die Gojiund die Acaibeere), Gemüsesorten und auch Gewürzpflanzen (z.B. Ingwer, Kurkuma) sind reich an bioaktiven Pflanzeninhaltsstoffen. Vor allem bieten sie eine Vielfalt an natürlich vorkommenden Antioxidantien, die – im natürlichen Verbund – synergistisch wirken und als wesentlich „sicherer“ gelten als hochdosierte Einzelgaben.

Besonders interessant sind die in den genannten Lebensmitteln vorkommenden Polyphenole, die u.a. ausgeprägte antioxidative, aber auch antientzündliche Effekte beinhalten.

Resveratrol – kleine Dosierungen im „Konzert“ empfehlenswert

Hervorzuheben ist der bioaktive Pflanzeninhaltsstoff Resveratrol, der zu den Stilben-Derivaten zählt und im Rebstock sowie in den Schalen der Weintrauben vorkommt. Er weist ebenfalls ein hohes antioxidatives Potenzial auf und zeigt eine zell- und gefäßschützende Wirkung. Resveratrol kann den Lipidstoffwechsel günstig beeinflussen und die Insulinsensitivität erhöhen.

Weiterhin werden Polyphenole wie z.B. Resveratrol, aber auch Kurkumin oder OPC (oligomere Proanthocyanidine) derzeit hinsichtlich ihrer antikanzerogenen Eigenschaften intensiv untersucht. Im Zuge von Krebserkrankungen spielen Entzündungsvorgänge eine erhebliche Rolle. Diese werden u.a. durch Transkriptionsfaktoren wie NF-kappa B oder STAT-3 getriggert. Die Aktivität dieser Proteine ist von Einfluss auf die Apoptose und die Angiogenese von Tumorzellen. In-vitro-Tests mit kultivierten Darm-, Prostata-, Brust-, Pankreas-, Gebärmutter- und Melanomzellen haben gezeigt, dass das Stilben-Derivat antiproliferativ wirkt. Die proapoptotische Wirkung des Polyphenols basiert auf seinem Einfluss auf TRAIL (= Tumor necrosis factor-related apoptosis- inducing ligand). Weiterhin entfaltet Resveratrol eine Wirkung auf die Aktivität der Sirtuine, die ihrerseits den Zellzyklus und die Reparaturfähigkeit der DNA positiv beeinflussen. Ebenso ist ein Effekt dieses bioaktiven Pflanzeninhaltsstoffes auf ligandenabhängige Transkriptionsfaktoren, die zur Nuklearrezeptor- Familie (PPARs) gehören und die Zellproliferation aktivieren, bekannt. Im Tierversuch wurde gezeigt, dass die „Antiaging-Substanz“ eine lebensverlängernde Wirkung besitzt, die jener der Kalorienrestriktion (CR-Mimetikum) vergleichbar ist. Tatsächlich wird durch Resveratrol die Aktivität von Sirtuinen (Histon- Deacetylasen) erhöht, wodurch es zu einer Beeinflussung der Signaltransduktionswege und Regulation der Genexpression kommt. Solche epigenetischen Kontrollmechanismen haben, wie inzwischen seitens der Molekularbiologie bekannt ist, erheblichen Einfluss auf die Gesunderhaltung der Gewebe und der allgemeinen Alterungsprozesse. Die antikanzerogenen Mechanismen der Polyphenole, insbesondere die Hemmung der tumorinduzierten Neovaskularisation, wird inzwischen auch in Humanstudien weiter untersucht, wobei grundlegend auch die Pharmakologie und die Dosisfindung des Resveratrols von zentraler Bedeutung sind. Resveratrol wird im menschlichen Organismus rasch metabolisiert und in Sulfat- und Glucuronidkonjugate überführt. Untersucht wurden in diesem Zusammenhang Dosierungen von Resveratrol zwischen 0,1 und 2,5 mg/Tag, die bei mehrwöchiger bzw. längerfristiger Anwendung als probat gelten. Höher dosierte Zufuhren von 20 bis 25 mg werden in aktuellen Fachpublikationen seitens der Forschungsgruppen allenfalls als Einmalgabe, keinesfalls aber als mehrtägige oder gar längerfristige Dosierung empfohlen. Unter hochdosierten Einzelgaben sind mögliche negative Effekte (z.B. prooxidative Wirkung) nicht auszuschließen. Daher ist auch die Anwendung von Resveratrol im natürlichen Verband mit anderen antioxidantienreichen Pflanzenextrakten (z.B. Beeren-, Gemüse-, Gewürzpflanzenextrakten) zu bevorzugen.

Entzündungshemmendes Potenzial von Gewürzpflanzen erforscht

Auch Gewürzpflanzen wie z.B. die Gelbwurz mit ihrem Polyphenol Kurkumin oder die Ingwerwurzel mit ihrem Inhaltsstoff Gingerol (ebenfalls ein Polyphenol) sind in diesem Zusammenhang interessant.

Zu dem in der Gelbwurz (Kurkuma) vorherrschenden Polyphenol – dem Kurkumin – gibt es inzwischen weit mehr als 2500 veröffentlichte wissenschaftliche Studien, was das große Interesse seitens der Forschung an diesem bioaktiven Pflanzeninhaltsstoff signalisiert. In Indien wird Kurkuma in der traditionellen Volksheilkunde seit mehr als 4000 Jahren u.a. bei Verdauungsproblemen, entzündlichen Prozessen jeglicher Art (z.B. auch bei entzündlichen Hauterkrankungen, Entzündungen im Mund- und Rachenraum und im Verdauungstrakt) und zur Stärkung der Abwehrkraft angewendet. Kurkumin wurde bereits im 19. Jahrhundert als aktive Komponente aus der Gelbwurz isoliert und in den vergangenen Jahrzehnten intensiv auf seine krebspräventive Wirkung hin untersucht. So konnte u.a. belegt werden, dass das Polyphenol Transkriptionsfaktoren, die bei der Tumorüberwachung und bei inflammatorischen Prozessen eine Rolle spielen, günstig beeinflusst. Weiterhin wurde gezeigt, dass Kurkumin die Expression diverser Cyclooxygenasen (COX-2) und Lipopoxygenasen (LOX), Metallomatrixproteasen (MMP-9), TNF und Rezeptoren von Wachstumsfaktoren (EGFR = epidermal growth factor receptor) hemmen kann. Das Gelbwurzpolyphenol zeigt zudem ausgeprägte neuroprotektive Wirkungen. An der National University in Singapur hat man festgestellt, dass Kurkumin der Entwicklung der Amyloid-Plaques, die zur Alzheimer- Erkrankung führen, entgegenwirkt und somit möglicherweise einen Beitrag zur Erhaltung der mentalen Leistungsfähigkeit im Alter leisten kann. Bei der Untersuchung von mehr als 1000 Asiaten (Alter: 60 bis 93 Jahre) hat sich gezeigt, dass Probanden, die regelmäßig Kurkumin (in Form von Gewürzpulver) zu sich nahmen, eine bessere Gedächtnisleistung hatten als jene, die das Polyphenol (als Gewürz) seltener konsumierten. Aber auch beim Kurkumin zeichnet sich bei höheren Dosierungen (im Grammbereich) eine limitierte Absorption ab, und es werden bei diesen hohen Zufuhrmengen auch toxische Effekte diskutiert.

Von besonderem Interesse ist die kombinierte Anwendung des Duos Resveratrol und Kurkumin. In einer Studie hat man (in vitro) die tumorpräventive Wirkung der beiden Stoffen einzeln und getrennt an Darmkrebszellen untersucht und festgestellt, dass die Kombination aus beiden Stoffen effizienter wirkt als jede der beiden Substanzen für sich allein. Erklärt wird die synergistische Wirkung über den effizienteren Einfluss der Kombination auf die Apoptose von Tumorzellen und die verstärkte antientzündliche Wirkung bei der gleichzeitigen Anwendung beider Substanzen. Synergistische Wirkeffekte von Resveratrol und Kurkumin zeigten sich auch in einer Untersuchung, die an Chondrozyten durchgeführt wurde. Unter dem Einfluss der beiden Stoffe wurde ein ausgeprägter antientzündlicher Effekt u.a. auf die Transkription des Entzündungsmarkers NF-kappaB gezeigt. Auch die Aktivität der Metallomatrixproteasen, die bei der Arthrose von Bedeutung ist, konnte durch die Naturstoffkombination gedrosselt werden.

Fazit

Einer polyphenolreichen Kost wird ein hohes gesundheitsförderndes Potenzial eingeräumt, daher ist der Verzehr polyphenolreicher Obst- und Gemüsesorten empfehlenswert, wobei die Vielfalt vor der verzehrten Menge Priorität besitzt. Die Beeren und andere Früchte, die hier vorrangig im Sinne des „Superfoods“ (allen voran Goji- und Acaibeeren) zu nennen wären, sind kaum verfügbar, sodass die Zufuhr über geeignete Nahrungsergänzungsmittel durchaus in Erwägung zu ziehen ist. Diese sollten allerdings, nach Möglichkeit, auch polyphenolhaltige Gemüsesorten – in Form der gesamten Lebensmittelmatrix – enthalten. Da man bei der gleichzeitigen Aufnahme der diversen Polyphenole von einem synergistischen Effekt ausgehen kann, sollten in einem solchen Produkt idealerweise auch die erwähnten Gewürzextrakte (Ingwer, Kurkuma) und die Polyphenole aus den Weintrauben bzw. den Weinreben (Resveratrol, OPC) vorhanden sein (z.B. „plantazym®“, Fa. JUVENTA Healthcare oder „Antioxidant“, Fa. Bodymed). Des Weiteren wäre eine Standardisierung auf den vorhandenen Polyphenolgehalt sinnvoll und wünschenswert. Geeignet ist ein solches Präparat für all jene, die der Empfehlung „5 am Tag“ nicht Folge leisten bzw. einen erhöhten Bedarf an hocheffizienten Antioxidantien und/oder entzündungshemmenden bioaktiven Pflanzeninhaltsstoffen haben.

Prof. Dr. rer. nat. Michaela Döll

Prof. Dr. rer. nat. Michaela Döll
Expertin für Ernährungsmedizin und Gesundheitsvorsorge, Autorin

dr.doell@fitness-gesundheit-antiaging.de


Literaturempfehlung

  • Michaela Döll, Warum Papaya kühlt und Zucker heiß macht, Herbig Verlag

Literaturhinweise bei der Autorin

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