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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 5/2014

Streit in der Partnerschaft

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Wie wir eine konstruktive Streitkultur schaffen können

© WavebreakMediaMicro - Fotolia.comSind wir frisch verliebt, sehen wir den Partner durch die rosarote Brille. Er oder sie scheint perfekt: Dinge, die uns bei Kollegen, engen Freunden oder Familienangehörigen auf die Palme bringen würden, sehen wir beim neuen Partner erst gar nicht.

Gleichzeitig versucht das neue Glück, sich von seiner besten Seite zu zeigen: Er sitzt nicht bis nachts um eins vor der Playstation, sie hält sich mit ihrem Putzfimmel erst einmal zurück. Das „Ich zeige mich von meiner Schokoladenseite“- Marketing ist in vollem Gange.

Mit der Zeit ändert sich das. Der Partner ist nicht mehr die perfekte Ergänzung, sondern – wie alle Menschen – ein einzigartiges Individuum mit Stärken und Schwächen, Ecken und Kanten. Zwei unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Erwartungen werden zwangsweise auch einmal aneinander geraten. Das ist nur menschlich. Konflikte und Unstimmigkeiten in einer Partnerschaft sind also so üblich, normal und sicher wie das Amen in der Kirche.

In einer Beziehung justiert Streit Nähe und Distanz: Wir streiten mit dem Partner, wenn dieser uns zu nahe kommt, und genau dieses, durch den Streit hervorgerufene, unbehagliche Gefühl distanziert uns wieder vom Partner.

Wichtig ist nun, wie man als Paar mit seinen Konflikten umgeht. Der Umgang mit Konflikten ist ausschlaggebend dafür, ob ein Streit die Beziehung konstruktiv entwickelt oder blockiert – oder, schlimmer noch, gar zerrüttet.

Wir kennen alle folgende Szenarien: Wir werden laut, bestehen schreiend auf unser Recht, führen endlose Diskussionen, reden hoffnungslos aneinander vorbei, manipulieren, rechnen auf, erziehen, stochern in der Vergangenheit herum, weinen, knallen Türen, schweigen, resignieren, eröffnen Nebenkriegsschauplätze, werfen Omas Porzellan an die Wand, flüchten oder trotzen … Da viele Paare mit der Zeit sehr genau wissen, wo sich die wunden Punkte des anderen befinden, streuen wir gezielt immer wieder Salz in die Wunde. Das Repertoire an Möglichkeiten, wie der andere verletzt werden kann, ist schier endlos.

Demnach genießt Streiten also keinen guten Ruf. Wir alle haben Angst vor Streit. Doch sehen wir dies positiv: Streiten hilft uns dabei, uns selbst und unseren Partner besser kennenzulernen. Streit bringt uns mit unseren Bedürfnissen, Wünschen, Gefühlen, Interessen und Grenzen in Kontakt. Es geht also darum, einen konstruktiven Umgang zu finden.

Hier einige Methoden, wie Sie eine positive Streitkultur erlernen können:

Bleiben Sie in Kontakt und hören Sie gut zu!

Finden Sie heraus, was den anderen aktuell beschäftigt. Setzen Sie es sich zum Ziel, den anderen so gut wie nur möglich kennenzulernen. Sprechen Sie über Ihre Wünsche, Ziele, Hoffnungen, Ängste und Abgründe. Denken Sie daran, dass diese sich auch im Laufe einer Beziehung verändern können. Bleiben Sie also dran und überprüfen Sie regelmäßig, ob das, was der Partner einmal gesagt hat, noch Gültigkeit hat. Je zwangloser und ehrlicher Ihre tägliche Kommunikation abläuft, desto entspannter können Sie auch schwierige Gespräche führen.

Hören Sie gut zu: Ein konstruktiver Streit zeichnet sich dadurch aus, dass beide Beteiligten als Sieger aus dem Gespräch hervorgehen. Dazu gehört es, ehrlich und emphatisch zu sein, versuchen zu verstehen, woher der andere kommt, die Meinung des anderen zu hören und stehen lassen zu können, auch wenn man sie nicht teilt, und den eigenen Standpunkt zu artikulieren. Teilen Sie Ihren eignen Standpunkt mit und verdeutlichen Sie Ihre Sicht auf die Dinge. Wer sich gehört fühlt, wird auch mehr Bereitschaft dazu haben, dem anderen zuzuhören. Das macht es einfacher, Kompromisse und auch auf die Wünsche des Partners einzugehen.

Worum geht es wirklich?

Hin und wieder passiert es uns, dass wir einen Streit mit unserem Liebsten anzetteln, der eigentlich gar nichts mit unserem Partner zu tun hat. Wir suchen dann förmlich nach einem Grund, um unsere Wut beim Partner entladen zu können. In Wahrheit hatten wir aber einfach einen stressigen Arbeitstag, die Kinder waren besonders quengelig oder Sie haben 20 Minuten nach einem freien Parkplatz gesucht. In anderen Situationen nörgeln wir, weil die Zahnpastatube mal wieder offen im Bad stand und die Klamotten am Boden herumliegen. Halten Sie bewusst einen Moment inne: Worum geht es hier eigentlich? Geht es um den Deckel der Zahnpasta? Die Kleidung am Boden? Oder aber darum, dass Sie Ordnung brauchen, um sich wohlzufühlen?

Fühlen Sie sich in Ihrer Partnerschaft zu wenig wertgeschätzt, unmündig, oder eingeengt? Dann sind das die Themen, über die Sie sprechen sollten, und nicht darüber, wer den Müll rausbringt.

Lohnt es sich zu streiten?

Auch ein konstruktiver Streit kostet uns Kraft. Bevor Sie ein Thema ansprechen, überlegen Sie sich, ob es sich lohnen wird. Handelt es sich um eine Kleinigkeit, über die Sie liebevoll hinwegsehen können? Oder sind Sie schon des Längeren wegen eines Themas frustriert? Überlegen Sie sich, was genau Sie Ihrem Partner kommunizieren möchten und wie Sie ein Gespräch Ihrem Ziel einen Schritt näher bringt. Wenn Sie der Meinung sind, dass es sich lohnt, dann suchen Sie den Austausch. Stehen Sie für das ein, was Ihnen wichtig ist. Verhandeln Sie Kompromisse. Wenn Sie merken, Sie werden dabei zu emotional, schlafen Sie noch einmal drüber.

Entschuldigen Sie sich!

Im Eifer des Gefechts sagen oder tun wir oft Dinge, die uns hinterher leidtun. Wir agieren aus unserer Wut heraus, unsere Gedanken sind nicht klar und wir möchten keinesfalls als Verlierer dastehen. Die Frage nach Recht und Unrecht steht dann im Vordergrund. Machen Sie sich bewusst, dass es in der Liebe nicht um gewinnen oder verlieren geht, sondern darum, einen gemeinsamen Weg zu finden, bei dem beide Partner sich respektiert fühlen. Springen Sie über Ihren Schatten, suchen Sie keine Rechtfertigung für Ihr Verhalten, sondern zeigen Sie Größe, indem Sie auch einmal sagen: „Ja, ich habe übertrieben. Es tut mir leid.“ Sie werden merken, wie schnell eine Entschuldigung einen Konflikt entschärfen kann.

Bei Bedarf: Stürmen!

Die Liebe ist auch deswegen so schön, weil wir Sie vor allem fühlen. Wir sind nicht immer rational, vernünftig und perfekt. Es gibt Momente im Leben, in denen das Fass einfach überläuft – auch wenn wir es uns selbst anders wünschen würden. Manchmal tut es gut, den aufgestauten Emotionen freien Lauf zu lassen: Schreien und schimpfen Sie und tun Sie, was Sie brauchen, um sich in Ihrem Ärger zu spüren. Wenn der Sturm vorübergezogen ist, wird es Ihnen besser gehen. Dem Partner ist in so einer Situation zu empfehlen, nicht mit Maßregelungen oder Gegenbeschimpfungen einzugreifen. Lassen Sie die Befindlichkeit Ihres Gegenübers über sich ergehen. Nehmen Sie Ihren Partner danach liebevoll in den Arm und signalisieren Sie damit: „Ich mag Dich auch, wenn Du Deine weniger liebenswerten Seiten zeigst.“

Denken Sie daran: Konstruktives Streiten bietet Ihnen eine tolle Entwicklungschance für Ihre Beziehung!

Juliette Boisson Juliette Boisson
Heilpraktikerin für Psychotherapie mit den Schwerpunkten Paartherapie, Liebeskummer, Single Coaching und alle Themen, die Beziehungen bewegen
jboisson@praxis-fuer-beziehungsthemen.de

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