Übersicht dieser Ausgabe    Alle Paracelsus Magazine

aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 2/2015

Umsatzsteuerpflicht für Kinesiologie?

Cover

Das Urteil des FG Münster vom 21.10.2008 differenziert nicht zwischen Kinesiologie innerhalb und außerhalb der Heilbehandlung.

Immer wieder wird auch von Steuerberatern gegenüber Heilpraktikern für Psychotherapie unter Bezugnahme auf das FG-Urteil angenommen, Kinesiologie sei in toto eine mehrwertsteuerpflichtige Dienstleistung nach dem Umsatzsteuergesetz. Dieser Aufsatz analysiert das Urteil und klärt die Rechtslage.

Der Kläger hatte überhaupt keine Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde

Der vor dem FG Münster (Urteil vom 21.10.2008, Az.: 15 K 3848/04 U) klagende Steuerpflichtige hatte keine Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde (ohne oder mit Beschränkung). In Rdnr. 23 des Urteils ist festgehalten: „Zudem hat der Kläger nicht nachgewiesen, dass er in den Streitjahren über eine berufliche Qualifikation zur Ausführung einer Heilbehandlung im Sinne des § 4 Nr. 14 UStG verfügte.“ Auch die Schilderung des beruflichen Werdegangs (Rdnr. 4) belegt, dass er keine Erlaubnis besitzt.

Die Schilderung seiner Tätigkeit (Rdnr. 4, 5, 21) belegt hingegen völlig eindeutig, dass er teilweise (und gerade in Bezug auf die Kinesiologie) klar Heilbehandlungen ausgeübt hat. An sich wäre das FG gehalten gewesen, die Sache an die Staatsanwaltschaft wegen möglichen Verstoßes gegen § 1 Heilpraktikergesetz und Strafbarkeit nach § 5 Heilpraktikergesetz weiterzugeben. Vielleicht ist dies auch geschehen.

Ambivalente Kinesiologie: Positionierung innerhalb und außerhalb der Heilbehandlung

Das Urteil jedenfalls differenziert nicht zwischen der Finalität einer Anwendung (Methode) innerhalb und außerhalb der Heilbehandlung. Bedenklich sind die Ausführungen unter Rdnr. 21: Die Kinesiologie sei nicht dem heilkundlichen Bereich zuzuordnen; ihr fehle die spezifische Prägung einer heilberuflichen Tätigkeit. Das Berufsbild des Kinesiologen sei bisher nicht hinreichend gefestigt und es handele sich bei der Kinesiologie nicht um eine wissenschaftlich anerkannte Heilmethode (Bezugnahme auf VG München vom 24.04.2007, Rdnr. 21). Die Kinesiologie weise ihrem Kern nach mit der Vermittlung von Entspannungstechniken und des damit verbundenen Angebotes von Lebens- und Lernhilfe mehr den Charakter einer Kommunikationsform denn einer Heilmethode auf.

Berufsbild des Kinesiologen

Die Kammer des FG Münster referiert auch ohne zu hinterfragen die Entscheidung des VG München. Ein „Berufsbild des Kinesiologen“ gibt es selbstverständlich nicht. Wahrscheinlich wird der Kläger auf diese Berufsbezeichnung gepocht haben. Sollte, wie offensichtlich das FG Münster meint, nur eine „wissenschaftlich anerkannte Heilmethode“ umsatzsteuerbefreit sein (Rdnr. 21), würde selbstredend gerade im Bereich der besonderen Therapierichtungen sehr vieles (durchgeführt von Ärzten und Heilpraktikern) der Umsatzsteuerpflicht unterfallen. Dies ist alltagsfern und wird in der Praxis der Finanzverwaltung so auch nicht gehandhabt.

Unzutreffende Begründung des FG Münster könnte Probleme bereiten

Das Urteil des FG Münster ist in mancherlei Hinsicht unzutreffend und gefährlich. Es könnte sein, dass bei einer Betriebsprüfung die klar der Heilbehandlung unterfallenden kinesiologischen Behandlungen durch Heilpraktiker oder Heilpraktiker für Psychotherapie der Umsatzsteuerpflicht unter Bezugnahme auf das FG-Urteil zugeordnet werden. Das Problem haben dann die Heilpraktiker, die sich dagegen wehren müssen, wobei möglicherweise sogar der eigene Steuerberater auf das Urteil des FG Münster pocht und dem Mandanten eine Anerkennung empfiehlt.

Die Rechtslage nach § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz (UStG)

Heilpraktiker (auszulegen als mit oder ohne Beschränkung) ist ein Katalogberuf nach § 4 Nr. 14 a) UStG. „Steuerbefreit sind nur Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, der Diagnose, der Behandlung, und soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen beim Menschen vorgenommen werden. Dabei muss das Hauptziel der Behandlung der Schutz der Gesundheit sein. Diese Vorschrift entspricht der im Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe c Mehrwertsteuersystemrichtlinie geregelten Steuerbefreiung; Anmerkung der Verfasser: Leistungen, die keinen unmittelbaren Krankheitsbezug aufweisen, weil sie lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern sollen, sind dagegen grundsätzlich steuerpflichtig“ (Bunjes, Umsatzsteuergesetz, 13. Auflage München 2014, Rdnr. 8 zu § 4 Nr. 14 mit Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofes, Az.: BFH V R 54/05, BStBl II 08, 263).

Auf die Finalität kommt es an

Das Hauptziel der Leistung muss im Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit bestehen (Bunjes, a. a. O., Rdnr. 24 unter Hinweis auf EuGH und BFH). Fehlt es an der Diagnostik und Behandlung von Krankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen, so sind die Leistungen selbst dann nicht von der Umsatzsteuer befreit, wenn der Unternehmer Angehöriger eines Katalogberufes ist oder die von ihm ausgeführten Leistungen von den Sozialversicherungsträgern finanziert werden (Bunjes, a. a. O., Rdnr. 44).

Die regelmäßige Übernahme der Kosten durch die Krankenversicherung kann grundsätzlich nicht mehr als Indiz gewertet werden (vgl. EuGH vom 06.11.2003 – C-45/01).

Wissenschaftliche Anerkennung der Heilbehandlung ist unerheblich

Nach der ermittelten Rechtsprechung und Kommentierung kommt es auf „wissenschaftliche Anerkennung“ usw. (s. oben) nicht an. Entscheidend ist die Finalität der Tätigkeit eines Angehörigen der Heilberufe im Sinne von § 4 Nr. 14 a) UStG für Diagnostik und Behandlung von Krankheiten. Die Methodik erscheint danach untergeordnet zu sein.

Klarstellung des BMF gegen das FG Münster

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) weist in seinem Rundschreiben vom 19.06.2012 zutreffend auf Seite 1 die Definition der Heilbehandlung und die Abgrenzungen hin. Klarstellend wird festgehalten: „Heilberufliche Leistungen sind daher nur steuerfrei, wenn bei der Tätigkeit ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht.“ Im vorbezeichneten Schreiben wird der Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 01.10.2010 ergänzt. In Abschnitt 4.14.1 Abs. 4 werden u.a. die Sätze 5-7 zur Klarstellung aufgenommen: „Nicht unter die Befreiung fallen Tätigkeiten, die nicht Teil eines konkreten, individuellen, der Diagnose, Behandlung, Vorbeugung und Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienenden Leistungskonzeptes sind. Neben Zahnärzten, Ärzten und Psychotherapeuten dürfen lediglich Heilpraktiker als Angehörige der Heilberufe eigenverantwortlich körperliche oder seelische Leiden behandeln. Das gilt auch für die auf das Gebiet der Physiotherapie beschränkten Heilpraktiker.“ Ergänzt wird in Abschnitt 4.14.4 der Abs. 12 a Satz 1: „Medizinisch indizierte osteopathische Leistungen stellen Heilbehandlungen im Sinne des § 4 Nr. 14 a UStG dar, wenn sie von einem Arzt oder Heilpraktiker mit entsprechender Zusatzausbildung erbracht werden.“ Daraus lässt sich schließen, dass osteopathische Leistungen auch keine Heilbehandlungen sein können. Wir haben somit hier dieselbe Situation wie bei der Kinesiologie.

Im Ergebnis bedeutet dies: Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchstabe a Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer (Heilpraktiker) eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt und die dafür erforderliche Qualifikation besitzt. Konkrete auf den Gesundheitszustand des Patienten abgestimmte Heilbehandlungen und Vorsorgeleistungen sind somit umsatzsteuerfrei, Leistungen außerhalb der Heilbehandlung, z.B. zur allgemeinen Steigerung des Wohlbefindens, sind aus den o. g. Gründen umsatzsteuerpflichtig.

Isoliertes Urteil des FG Münster

In der Rechtsprechung des BFH und auch in der rechtlichen Beurteilung des BMF wird eine Auslegung von § 4 Nr. 14 a UStG, wie vom FG Münster vorgenommen, nicht geteilt. Das Urteil des FG Münster steht offensichtlich isoliert da. Soweit sich das Finanzgericht auf Entscheidungen eines Verwaltungsgerichtes beruft, ist dies schon fraglich, da es dabei offensichtlich um die Abgrenzung zwischen erlaubnispflichtiger und erlaubnisfreier Tätigkeiten im Gesundheitswesen ging. Es kommt entscheidend auf die Finalität der Anwendung an.

2015-02-Mwst1Dipl.-Kfm. Carsten Rullmann
Steuerberater, Fachberater für den Heilberufebereich (IFU/ISM gGmbH)

stb@fessel.net

 
Dr. jur. Frank A. Stebner
Fachanwalt für Medizinrecht

info@drstebner.de

zurück zur Übersicht dieser Ausgabe
Paracelsus SchulenWir beraten Sie gerne
Hier geht's zur Paracelsus Schule Ihrer Wahl.
Menü