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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/2015

Fallstudie aus der naturheilkundlichen Praxis: Ableitende Harnwege

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Patientin
87 Jahre Die Patientin kommt in Begleitung ihres Sohnes, da sie aktuell dazu nicht alleine in der Lage wäre. Sie gehört schon seit einigen Jahren zu unserem Patientenstamm und ist ansonsten recht vital und geistig rege, weshalb ihr eindeutig reduzierter Allgemeinzustand sofort auffällt.

Anamnese
Sie kommt mit unklaren Beschwerden, die den Besuch ihrer Hausärztin notwendig machten, die außer einem eventuellen Virusinfekt nichts diagnostizieren konnte. Die alte Dame schildert ihre Beschwerden als Schwäche- oder auch Krankheitsgefühl. Sie habe vor einigen Tagen leicht erhöhte Körpertemperatur gehabt, aber sonst kann sie keine weiteren Symptome angeben. Auf Befragen beschreibt sie eine verstärkte Schweißneigung, aber im Vordergrund stehe das enorme Erschöpfungsgefühl, das sie regelrecht zur Bettruhe zwingt.

Anamnestisch sind erhöhter Blutdruck und eine Herzinsuffizienz Stadium 2 nach NYHA bekannt. Außerdem leidet sie seit geraumer Zeit an einer starken Coxarthrose, die ihr das Laufen oftmals schwer macht. Ansonsten ist sie noch recht aktiv eingebunden in eine Familie, die sich sehr intensiv um sie kümmert. Sie macht sogar ihren Haushalt selbst und erledigt noch kleinere Aufgaben für die Familie ihres Sohnes.

Die Untersuchung erbringt folgende Ergebnisse: Kopf/Hals: keine schmerzhaften NAP, Schleimhäute unauffällig, Rachenring leicht gerötet, keine LKS. Lunge: frei, Perkussion o.B., Atemgeräusch normal, Cor: leichte Extrasystolen, keine Geräusche, Puls: 72/RR 148:68, Abdomen: keine Druckdolenzen, Geräusche normal, McBurney, Lanz ´scher Punkt und Rovsingsches Zeichen frei, Leber am Rippenbogen, Milz nicht tastbar, Blase: minimaler Druckschmerz, Nierenlager: kein Klopfschmerz. Gelenkbeschwerden sind gegenüber sonst nicht verändert. Die meisten Probleme bereiten wie immer ihre Hüftgelenke.

Die Befragung bringt auch keine weiteren Ergebnisse, die zu einer Diagnose führen könnten. Die Patientin hatte vorher keinerlei Veränderungen in ihrem Tagesablauf, es war in der Familie niemand erkrankt, ihre Medikation hatte sich seit Jahren nicht verändert. Ich schließe mich schon fast der Meinung der Hausärztin an und denke an einen nunmehr abklingenden Infekt, der sich bei alten Patienten oftmals nicht mehr so deutlich und mit den typischen akuten Symptomen zeigt. Im letzten Moment entschließe ich mich doch noch zu einer Urin-Teststreifen-Untersuchung, da sie ja in der körperlichen Untersuchung eine ganz leichte Druckdolenz der Blase zeigte. Das Ergebnis bringt einen richtigen Aha-Effekt, denn es zeigt sich eine Unmenge an Nitriten (so hoch, dass die Testplättchen nicht ausreichen!) sowie die Höchstanzahl an Leukozyten, die messbar ist. Wir sind alle erstaunt, dass diese eindeutige Entzündung kaum Symptome zeigte. Nitrite erscheinen im Urintest immer positiv, wenn sog. nitritbildenden Bakterien wie Escherichia coli, Proteus, Citrobacter etc. vorhanden sind. Die diagnostizierten Leukozyten zeigen an, dass eine Immunantwort stattfindet. Die Patientin leidet an einer starken Zystitis. Selbst nach mehrmaligem Nachfragen, ob sie beim Wasserlassen irgendwelche Symptome feststellen konnte, verneint sie dies immer wieder.

Therapie
Wir verordnen ihr Angocin Anti Infekt N Filmtabletten 5×5 Tabletten. Diese enthalten einen Mix aus Kapuzinerkresse und Meerrettichwurzel und wirken antibiotisch, vor allem im Harnwegsbereich. Außerdem Cantharis-Synergon der Firma Kattwiga (möglich wäre hier auch Cystinol-Lösung oder Solidago Similiaplex, Pascoe). Auch eine Ansäuerung des Urins mit der Aminosäure L-Methionin wäre zu erwägen, da die meisten Erreger von Harnwegsinfektionen Eschericia coli-Bakterien sind und diese in einem sauren Urin nicht lebensfähig sind. Zudem sollten Patienten mit Harnwegsinfekten viel trinken. Empfehlenswert sind Teemischungen mit Goldrute, Birkenblättern, Brennesselblättern (wirken diuretisch), indischer Nierentee (Ortosiphonis) und Bärentraubenblätter (wirken bakteriostatisch). Die Blasengegend ist schön warmzuhalten.

Bei einem weiteren Besuch der Hausärztin am gleichen Tag fragt die Schwiegertochter, die gerade anwesend ist, diese, ob es denn nicht möglich wäre, dass ihre Schwiegermutter etwas mit der Blase haben könne. Die Hausärztin, die daraufhin auch einen Urintest vornimmt, fällt aus allen Wolken, als sie den Befund sieht. Sie verordnet daraufhin Antibiotika, die die Patientin vorerst ablehnt, weil sie diese schlecht verträgt. Wir einigen uns darauf, dass sie diese einnimmt, wenn in den nächsten Tagen keine Besserung eingetreten ist. Der Urinbefund bringt jedoch schon nach 2 Tagen eine deutliche Reduzierung der pathologischen Werte, die um mehr als die Hälfte gesunken sind, sodass die Therapie weiter fortgesetzt wird.

Einige Tage darauf erhalten wir einen Anruf der Familie, die uns mitteilt, dass die Oma wieder ganz „die Alte“ sei und auch schon wieder einige ihrer Arbeiten aufgenommen hat. Zwei Urinteste, die nun gleichzeitig bei der Hausärztin und bei uns durchgeführt werden, zeigen keinerlei Nitrite und Leukozyten im Urin.

Dieser Fall macht klar, dass man manchmal auch um die Ecke denken muss. Solche Fälle, wie eben beschrieben, haben wir oft in unserer Praxis, vornehmlich bei älteren Patienten. Die Symptomlage ist dürftig und der Fall gestaltet sich förmlich wie ein Detektivspiel.

Annette Költzsch Annette Költzsch
Heilpraktikerin, Dozentin an der Paracelsus Schule Leipzig

kontakt@naturheilpraxis-koeltzsch.de

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