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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 2/2016

Der Muskelpanzer in der Körperpsychotherapie

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© decade3d - fotolia.comIn der Körperpsychotherapie kennen wir das Phänomen des Muskelpanzers, aus der Kinesiologie den Sehnenkontrollreflex. Beide Konzepte besagen, dass konstanter Stress, Angst und Abwehr zu dauerhaften muskulären Verspannungen führen können. Außerdem verkürzen sich auf der Körperrückseite die Sehnen, unser Fluchtinstinkt wird aktiviert. Diese Reaktion wird auf der Hirnstammebene ausgelöst und ist nicht durch unseren Willen beeinflussbar. Auf körperlicher Ebene kommt es, ausgelöst durch das autonome Nervensystem, zu vegetativen Reaktionen: beschleunigter Herzschlag, Schweißausbrüche, flache Atmung, Angst. Eine Möglichkeit, diese Angstreaktion zu ersetzen, stellt die muskuläre Starre dar: Es kommt zur Schrecklähmung, die Muskulatur verhärtet. Sowohl Muskulatur als auch die Haut verschließen sich, es kommt zur Ausbildung einer peripheren Panzerung. Körper und Seele schützen sich so gegenüber einströmenden Sinnesreizen von außen. Sinn und Zweck dieser Reaktion ist, zu verhindern, dass die Angst uns überwältigt. Diese Affektsperre ist ein Bewältigungsversuch, um das psychische Erleben ins Körperliche zu verlagern.

Diese Verdrängung verursacht Kontraktionen verschiedener Muskelgruppen, wie Schließmuskel und Mund, Becken und Kiefer, Nacken und Lendenmuskeln. Dieser Prozess des Sichverschließens vor dem Erleben von Gefühlen wie Angst, Lust, Wut und anderen führt zur muskulären Verkrampfung. Besonders die Gesichts-, Rücken-, Bauch- und Beinmuskeln sind involviert. In unserer Arbeit sollte uns bewusst sein, dass jede Verspannung ihre individuelle Geschichte und ihr Vorhandensein für die betreffende Person einen Sinn hat. Der Muskelpanzer konserviert Verdrängung; durch ihn wird die emotionale Verdrängung dauerhaft in unserem Energiesystem festgehalten. Merkmale sind hochgezogene Schultern, geblähter Brustkorb, zurückgezogenes Kinn, flacher Atem, nach hinten gekipptes Becken, durchgedrückte Knie, verspannte Gesäßmuskeln, verspannte Kiefermuskeln, starres, ausdrucksloses Gesicht. Die ausgeprägte Hypertonie drückt das zurückweichende, erstarrte Verhalten aus. Aktives Handeln ist in diesem Zustand unmöglich.

Patienten mit derart starker „Panzerung“ sind nicht in der Lage, diese selbstständig aufzulösen, da sie sozusagen „betriebsblind“ im Bezug auf ihren Zustand sind. Sie leiden an körperlichen Symptomen wie Nervosität, Verstopfung, Übelkeit, Rheuma, Arthrose, Angina pectoris und Verdauungsproblemen. Ihre Beschwerden sind Teil eines massiven Verdrängungsprozesses. Durch die Abspaltung von schmerzhaften Gefühlen wird verhindert, dass sie sich mit den ursächlichen Konflikten auseinander setzen. Durch die Massagetechniken der Gesichtreflexzonentherapie lösen wir solche Muskelpanzer sanft auf. Indem wir die Faszien und Myotonien befreien, werden alte Leiberinnerungen reaktiviert und können abgelöst werden.

Im Gesicht differenzieren wir folgende Bereiche, die einen muskulären Panzer aufweisen können:

  • Ringmuskeln der Augen: Durch Schreck oder Angst reißen wir die Augen auf. Der Blick wirkt maskenhaft und starr.
  • Muskeln um Mund, Kinn und Nacken: Hypertonie in diesem Bereich unterdrückt die kindlichen Impulse des Saugens, Brüllens und Weinens.
  • Muskulatur der Zunge und des Zungenbeins: Sie wird hyperton, wenn Tränen unterdrückt und Wut einfach heruntergeschluckt wird.

Die Muskelfaszie als Schlüssel in der Behandlung zur Lösung des Muskelpanzers

2016 02 Muskel2Faszien sind faszinierende Strukturen in unserem Körper und bis dato in ihrer Bedeutung sowohl für die Behandlung muskulärer als auch innerer Erkrankungen nicht genügend erkannt. Als Faszie bezeichnet man die bindegewebige Hülle, die einen Muskel umgibt. Diese Hülle verbindet alle Muskeln im Körper miteinander und breitet sich wie ein Netz übers gesamte Muskelsystem aus. Es entstehen muskuläre Zuglinien oder, anders ausgedrückt, ein Kommunikationsnetz für den gesamten Körper.

In Balance weisen der Muskel und seine ihn umgebene Faszie die gleiche Länge auf. Der Muskel gleitet während einer Dehnung synchron in seiner Faszie. Dadurch wird die flüssige, schmerzfreie, harmonische Bewegung ermöglicht. Der Muskel kann seinen gesamten Bewegungsspielraum ausschöpfen.

Durch einseitige Bewegungsmuster, wie etwa mangelnde Bewegung, Traumata, Organprobleme oder Nährstoffmangel, wird eine Verkürzung der Fazien begünstigt. Dies kann zu einer erhöhten Faszienspannung oder einer Verklebung von Muskel und Faszie führen. Das eingespielte Team Muskel und Faszie funktioniert dadurch nicht mehr als Einheit. Als Folge hiervon entstehen Muskelschmerzen, unkoordinierte Bewegungen, das Frozen-Shoulder-Syndrom, Kiefergelenksprobleme und chronische lymphatische Störungen.

Behandlungsgrundlagen zur Lösung der Muskelfaszie

  • Arbeiten Sie immer in Faserrichtung des Bindegewebes/Muskels.
  • Setzten Sie Daumen, Zeige- oder Mittelfinger auf das zu behandelnde Gebiet auf. Dehnen Sie dieses nun sanft in Faserrichtung. Am maximalen Dehnungspunkt gehen Sie in die Tiefe. Halten Sie diesen Punkt nun, bis das Gewebe unter Ihren Händen schmilzt. Mit einer rollenden Bewegung ziehen Sie Ihren Finger wieder über das zu behandelnde Gebiet zurück.
  • Behandeln Sie immer nur in einer Richtung.
  • Reflektieren Sie immer, welchen Muskel und welche Faszie Sie behandeln und welche Bewegungen der Muskel ermöglicht. Die Behandlung sollte in allen Funktions- und Bewegungsmöglichkeiten des Muskels durchgeführt werden (z.B. Mund auf, Mund zu, Kaubewegungen).

Fazit

Die sanften, entspannenden Techniken der Gesichtsreflexzonentherapie lösen Blockaden auf, verhelfen den Patienten zu einem neuen Körpergefühl und steigern die Selbstwahrnehmung und -akzeptanz.

Stephan Heinz Stephan Heinz
Heilpraktiker für Psychotherapie und Ergotherapeut mit Praxis in Fulda, Experte für Massage, Körperarbeit und Kinesiologie

StephanHeinz@gmx.de

Literatur

Heinz, Stephan: Lehrbuch Gesichtsreflexzonentherapie. BOD Verlag, 2010

2016 02 Muskel3

2016 02 Muskel4

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