Mit Hunden in der Klasse kommen Schüler viel besser untereinander klar: Eine Studie aus Wien beweist, dass Vierbeiner das Gruppenverhalten von Abc-Schützen verbessern.

Wenn die Lehrerin Veronika Poszvek an der Europaschule in Wien morgens fragt, ob alle da sind, ertönt auch ein kurzes “Wuff” im Klassenzimmer. Ein Husky, ein Mischling und ein Jagdhund liegen ruhig mitten zwischen den Schülern. Das ist kein Szenario aus der “Feuerzangenbowle”: Semiramis, Herold und Datura sind die ersten Hunde in Europa, die “in die Schule” gehen dürfen: Im Sommer 2000 hatte das Experiment “Hund in der Schule” in der 1. Grundschulklasse begonnen. Dass Tiere für Kinder gut sind, haben mehrere Studien bewiesen. Jetzt wollte man beim Institut für interdisziplinäre Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung (IEMT) herausfinden, ob Hunde das Zusammenleben in einer Schulklasse positiv beeinflussen. Dafür war die Testklasse eine echte Herausforderung: Keines der 24 Kinder hat Deutsch als Muttersprache, keines einen Hund zu Hause.

Aggressives Verhalten nahm deutlich ab

“Es dauerte lange, bis wir alle Genehmigungen hatten”, erzählt IEMT-Generalsekretärin Renate Simon. Dabei galt es auch, islamische Eltern zu gewinnen, für die Hunde “unreine” Tiere sind.

Doch die Direktorin der Europaschule war begeistert von der Idee, und die Lehrerin brachte ihre Vierbeiner mit, drei kinderfreundliche Rettungs- und Therapiehunde. Parallel zu einer Kontroll-Klasse ohne Hunde begann die Sammlung der Daten: Psychologen der Universität Wien befragten die Kinder, Verhaltensforscher der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau werteten Video-Aufzeichnungen aus.

Die Ergebnisse der Studie “Auswirkung von Hunden auf die soziale Integration von Kindern in Schulklassen” zeigen die samtohrigen Hilfslehrer mit Schnauze als geniale Pädagogen. Sie haben es tatsächlich geschafft, den sozialen Zusammenhalt der Klasse zu verbessern. Wie die Videoaufzeichnungen zeigten, hielten sich die Kinder weniger auf ihrem Sitzplatz und mehr in Gruppen auf, um die Hunde zu beobachten und zu streicheln. Dadurch nahmen sie auch mehr Kontakt untereinander auf. Doch eine Ablenkung durch die Hunde fand nicht statt – im Gegenteil: Die zehn Mädchen und 14 Buben verfolgten den Unterricht zusehends aufmerksamer und verhielten sich ruhiger. Auffälliges und aggressives Verhalten nahm deutlich ab.

“Wenn die Kinder streiten, kommt ein Hund und legt seinen Kopf auf den Schoß eines Kindes – dann ist Ruhe”, erzählt Renate Simon. Die Kinder schonten offenbar auch das empfindliche Gehör des Hundes und verhielten sich deshalb ruhiger. Die Zahl der Kinder, die schlichtend in Streitigkeiten eingreifen, stieg. Schüchterne gingen mehr aus sich heraus. Bei einem verhaltensauffälligen Kind beobachtete die Lehrerin, dass ihr Hund dem zornigen kleinen Buben die Tränen abschleckte. Das Kind sagte später: “Datura versteht mich.”

Durch die Hunde entwickelten die Kinder auch die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen – ein Schlüsselfaktor für erfolgreiches Zusammenleben. Am Ende der Studie waren die Kinder traurig, dass die Hunde sie verlassen sollten.

Doch dank einer Extragenehmigung begleiten sie “ihre Kinder” bis zum Ende der vierten Klasse.

Quelle: Ein Herz für Tiere 8/2002