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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 5/1995

Psychologische Kinesiologie

Cover

Eine ganzheitliche Kurztherapie

Vor acht Jahren kam ich zum ersten Mal mit der Kinesiologie in Berührung. Dr. John Diamonds Buch „Der Körper lügt nicht” machte mich mehr als skeptisch, ob wirklich mit Hilfe eines einfachen Muskeltestverfahrens die Wirkung bestimmter Gedanken und Gefühle, Umgebungsreize und Nahrungsmittel auf den Organismus festzustellen sind. Die ganze Sache schien mir „typisch amerikanisch”, viel zu simpel, als daß sie zuverlässig funktionieren könnte. Inzwischen ist die Kinesiologie – nach entsprechender Ausbildung – zu meinem Hauptarbeitsinstrument in der Psychologischen Beratung geworden. Und mittlerweile habe ich gelernt, daß wir offenbar vieles in der Psychologie und Psychotherapie viel zu kompliziert betrachtet und gemacht haben. Ebenso wie andere kurz- und lösungsorientierten Methoden beweist auch die Psychologische Kinesiologie, daß langandauernde Problemzustände keineswegs eine langwierige Behandlung erfordern, und daß es nicht nötig ist, zur Überwindung von Symptomen die alten Schmerzen und Ängste noch einmal neu zu durchleben. Die angewandte Kinesiologie ergänzt und ersetzt teilweise herkömmliche psychologische Testund Therapieverfahren und ist dabei einfach und schnell, präzise und effektiv.

Das wurde mir besonders deutlich bei einer jungen Frau, die wegen verschiedener Ängste, Minderwertigkeitsgefühle und depressiver Verstimmungszustände in meine Praxis kam. Diese Beschwerden hatten vor etwa zwei Jahren begonnen, nachdem sie in ihrem Betrieb einen verantwortungsvolleren Posten übernommen hatte. Seitdem plagte sie sich immer wieder mit Unzulänglichkeitsgefühlen und Selbstzweifeln herum. Sie berichtete weiter, daß sie seit eineinhalb Jahren eine Gesprächstherapie bei einer Kollegin gemacht habe, die aber „unterm Strich” eigentlich nichts gebracht habe: ihre Beschwerden seien heute eher stärker geworden. Ich demonstrierte ihr zunächst den kinesiologischen Muskeltest und führte die üblichen Vorkorrekturen durch, die in aller Regel nötig sind, um wirklich zuverlässige Testergebnisse zu bekommen. Dann hatten wir die Erlaubnis, ihr Unbewußtes direkt zu befragen und über die unterschiedlichen Muskelreaktionen auf den stets gleichbleibenden Testdruck Antworten von diesem Teil ihrer Persönlichkeit zu bekommen. Dieser Befragungsprozeß ist durchaus vergleichbar den hypnotherapeutischen Techniken, bei denen man durch unwillkürliche ideomotorische Bewegungen des Hypnotisierten Signale für „Ja” und „Nein” bekommt, nur daß der Klient bei der Kinesiologie hellwach ist und alle Antworten seines Körpers direkt erlebt und gleich darauf auch bewußt reagieren und die so gefundenen neuen Informationen integrieren kann. Bei der jungen Frau bekam ich nun auf diese Art und Weise den Hinweis, daß wir vor allen weiteren Schritten ihre Motivation zur Veränderung durch eine Reihe von „Statements” überprüfen sollten.

Ich ließ sie also u.a. folgende Affirmationen aussprechen:

  • “Ich will so bleiben, wie ich bin.”
  • “Niemand kann mir irgendetwas beibringen.”
  • “Ich blockiere alle meine Lernerfahrungen.”

Auf alle 3 Statements bekamen wir „Ja”-Antworten durch einen stark testenden Muskel. Kein Wunder also, daß die vorangegangene Gesprächstherapie keinerlei Erfolg hatte, wenn diese Glaubenssätze so tief in ihr verankert waren! Die Psychologische Kinesiologie nutzt nun eine wirklich simple, aber höchst wirkungsvolle Technik, um eine solche „Haltungsumkehr” aufzulösen. Diese Technik wurde von Dr. Roger Callahan entwickelt und in seinem Buch „Leben ohne Phobie” beschrieben. Dabei wird ein bestimmter Punkt auf dem Dünndarmmeridian mehrfach rhythmisch geklopft und gleichzeitig die Affirmation ausgesprochen: „Trotz dieses inneren Widerspruchs vertraue ich mir voll und ganz!” Das ist nämlich normalerweise gerade nicht der Fall, wenn wir einen solchen Widerspruch zwischen bewußtem Wollen und unbewußten Hemmungen entdecken. Es ist gar nicht selten, daß die Angst vor jedweder Veränderung so groß ist, daß wir auch vor einer Veränderung zurückschrecken, deren Ziel in der Befreiung von Ängsten liegt. Bekannte Höllen erscheinen uns dann sicherer als unbekannte Himmel!

Nach diesem Korrekturschritt testete die Klientin auf die oben genannten Statements mit einem schwachen Indikatormuskel (,Nein”-Signal) und mit „Ja” auf folgende Sätze:

  • “Ich begrüße wachstumsfördernde Veränderungen in meinem Leben.”
  • “Ich bin tolerant und offen für die Wunder des Lebens.”
  • “Ich lerne aus jedem Erlebnis.”

Damit war der Weg frei für eine konstruktive Zusammenarbeit, die in weiteren 7 Sitzungen zur vollständigen Auflösung ihrer Ängste und Zweifel führte.

Möglicherweise ist auch durch diese kleine Fallskizze noch nicht verständlich geworden, wie wir in der Kinesiologie arbeiten. Das liegt in der Natur der Sache: es ist außerordentlich schwer, diese Arbeitsform nur mit Worten zu beschreiben – wohl deshalb, weil sie den Menschen ganzheitlich erfaßt und nur so auch erlebt werden kann. Die übliche Trennung von Körper, Seele und Geist erweist sich dabei als eine rein künstliche. Definieren kann man die Kinesiologie als „Lehre von der Bewegungsenergie im menschlichen Organismus”. Leben ist Bewegung, und wo wir erstarrt sind – körperlich unbeweglich, geistig

fixiert oder seelisch festgefahren – helfen kinesiologische Methoden, uns wieder in Fluß zu bringen. Dabei werden sämtliche Leiden von einem Grundproblem aus betrachtet: der Blockade des Energiesystems. Die Verbindungen zwischen unserem Meridian- und Energiesystem und den Muskeln, zwischen Muskelschwächen und Organanfälligkeiten, zwischen Allergien und Meridianblockaden, zwischen Gefühlsstaus und Energiestaus im Körper wurden vor rund 30 Jahren von Dr. George Goodheart und anderen Gründervätern und -müttern der Kinesiologie entdeckt. Dabei griffen sie auf Entdeckungen der traditionellen chinesischen Medizin ebenso zurück wie auf neue Erkenntnisse der Gehirn- und Streßforschung und natürlich ihre eigenen langjährigen Beobachtungen aus der Chiropraktik und anderen Disziplinen. In Europa wird seit ca. 20 Jahren mit den Techniken der angewandten Kinesiologie in den unterschiedlichsten Bereichen mit großem Erfolg gearbeitet. Glücklicherweise ist die Kinesiologie ein offenes System, d.h. die verschiedenen Anwender – Ärzte und Zahnmediziner, Physio- und Ergotherapeuten, Pädagogen und Psychologen – bringen jeweils ihr Fachwissen und ihre spezifischen Fähigkeiten in die Testung mit hinein und bereichern dadurch das Spektrum der Kinesiologie. Im Kern geht es aber jeweils um zwei Dinge: Erstens wird der Muskeltest als körpereigener „Diagnoseschlüssel” benutzt, um „Stressoren” unterschiedlichster Art zu identifizieren, seien es nun Fehlhaltungen, Zahnmetalle, Emotionen, Farben, Nahrungsmittel, Musik, Erinnerungen usw. Und zweitens dient er dazu, das herauszufinden, was unser Energiesystem wieder harmonisiert, z. B. das Klopfen bestimmter Akupunkte, gezielte Atem- oder Bewegungsübungen, das Aussprechen bestimmter Affirmationen, das Anschauen bestimmter Farben. Die Möglichkeiten sind mannigfaltig. Entscheidend ist, was der jeweils getesteten Person hilft, Blockaden aufzulösen. Und feststellen läßt sich der freie Energiefluß auch wieder über das Muskelfeedback: der Muskel rastet wieder! Die Muskelantwort sagt uns auch, ob wir das Problem korrekt gelöst haben oder ob noch etwas zu tun bleibt – und ggf. in welcher Reihenfolge. In dieser Arbeit verlassen wir uns ganz auf den Körper, unser „tiefstes Unbewußtes”. Und weil jeder Mensch ein einzigartiges Individuum ist, liegt die einzig verläßliche Quelle für die Information, die wir zur Harmonisierung brauchen, in uns selbst.

Obwohl es manchmal so aussieht, daß der Testende in einer kinesiologischen Sitzung sehr viel tut, ist das Verfahren absolut klientenzentriert. Wir versuchen lediglich gemeinsam nachzubuchstabieren, was im unbewußten Speicher unseres Körpers codiert ist. Ausgehend von dem Grundsatz, daß der Organismus über sich selbst am besten Bescheid weiß, über das, was ihm zu- und abträglich ist, was ihm schadet und was ihm hilft, bieten wir dann verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten an und bekommen über das Muskelfeedback die Antwort, welche der angebotenen Maßnahmen, psychologischen Techniken usw. die bestmögliche Hilfestellung für die Selbstregulation und Selbstheilung darstellt.

Für den Bereich der Psychologischen Kinesiologie gibt es inzwischen eine Fülle von bewährten Routinen, die in entsprechenden Kursen erlernt und auf der Grundlage eines soliden psychotherapeutischen Wissens erfolgreich genutzt werden können. Andererseits würde der ganzheitliche Ansatz wieder verlorengehen, wenn man sich nur auf „psychische” Ursachen für ein Problem einengt. Dies will ich am Beispiel von sog. „hyperaktiven” Kindern verdeutlichen.

Leider werden in letzter Zeit viele aufgeweckte und kreative Kinder, die sich in unser leistungsorientiertes und „linkshirniges” Schulsystem nicht glatt einfügen, schnell mit dem Etikett „hyperaktiv” belegt, wobei man den Eltern mitunter gleich eine gewisse Erziehungsunfähigkeit attestiert. Ich bin daher stets sehr vorsichtig, wenn mir Kinder mit der Diagnose „hyperaktiv” vorgestellt werden. Der kinesiologische Test zeigt dann aber ziemlich schnell und genau, welche Ursache(n) es im konkreten Einzelfall dafür gibt, wenn ein Kind sich auch beim besten Willen nicht konzentrieren kann und stattdessen in Zappeligkeit, Clownerien oder aggressive Ausbrüche ausweicht. Bei dem 6jährigen Fabian z.B. gab es (zum Glück) keine minimale zerebrale Dysfunktion, wie bereits die UniKlinik festgestellt hatte. Aber er hatte während der vorgeburtlichen Lebensphase wohl intensiv die Ängste seiner Mutter aufgenommen, die nach einer vorangegangenen Totgeburt mit besonderer Anspannung die Schwangerschaft mit Fabian durchlebte. Auch nach der Geburt dieses gesunden Kindes zeigte sie sich – verständlicherweise – besonders besorgt und tendenziell überbehütend. Diese Gefühle, die eigentlich gar nicht seine waren, mußte Fabian einfach „wegzappeln”, was zugleich dazu diente, sich von der mütterlichen Einengung „freizustrampeln”. Daß hier nur eine gleichzeitige Behandlung von Mutter und Kind zum Erfolg führen konnte, versteht sich von selbst.

Ganz anders lag der Fall für Manuel, 9 Jahre, weil hier als alleinige Ursache für ganz ähnliche Verhaltensmuster wie bei Fabian eine Schokoladen-Allergie ausgetestet werden konnte. Wie nicht selten bei solcher Art maskierter Allergien hatte Manuel eine regelrechte Schokoladensucht vom Nougataufstrich auf dem Frühstücksbrötchen bis zum Schoko-Betthupferl ernährte er sich fast ausschließlich von Süßigkeiten. Hier half das kinesiologische Ausgleichsverfahren, wie es in dem Buch von Dr. Jimmy Scott “Allergien – und wie Sie sich in wenigen Minuten davon befreien” beschrieben ist, in Verbindung mit Ernährungs- und Erziehungsberatung, um aus einem “Hypie” ein psychisch und sozial unauffälliges Kind zu machen.

Spannungen in der Familie – zwischen ihrer Mutter einerseits und ihrem Vater und dessen Mutter andererseits – ließen die 11jährige Melanie „hyperaktiv” reagieren. Hin- und hergerissen zwischen den Fronten und um Liebe von beiden Seiten besorgt, entwickelte sie eine „Nervosität”, die sich nicht nur in Schlafstörungen äußerte, sondern auch in einer ständigen Unruhe tagsüber. Sie spiegelte mit diesem Verhalten die Probleme in der Familie, über die schon lange nicht mehr gesprochen wurde, weil sie chronisch geworden waren und niemand mehr an eine Änderung glaubte. Zugleich erfüllte sie als „Sorgenkind” eine gewisse Ablenkungs- und Stabilisierungsfunktion im System. Da die Familie zu einem gemeinsamen Beratungsprozeß nicht zu bewegen war, konnte ich nur versuchen, das Mädchen seelisch so zu stabilisieren, daß es sich auch in dieser Lebenssituation zu entspannen lernte. Neben Autogenem Training und Gesprächen waren es in erster Linie spezifische kinesiologische „Zielbalancen”, die ihm halfen, sich von eigenen Ängsten und fremden Aufträgen zu befreien. Das Bemerkenswerte und für mich Faszinierende bei diesen Fällen ist, daß wir durch die Nutzung des kinesiologischen Muskeltests, dessen Zuverlässigkeit inzwischen auch durch verschiedene Studien belegt ist, nicht mehr auf vage Vermutungen und Deutungen angewiesen sind, sondern die Informationen über die Ursachen z. B. „hyperaktiven” Verhaltens von den getesteten Kindern selbst bekommen. Das gilt in gleicher Weise für die spezifischen Stressoren, die zu psychosomatischen und funktionellen Störungen führen, wie z.B. essentieller Bluthochdruck, Tinnitus und Hörsturz, Verdauungsprobleme u.a.m. Wir brauchen es nicht länger bei der allgemeinen und die Klienten oft eher ratlos machenden Aussage „streßbedingt” bewenden lassen, sondern können die individuell entscheidenden Belastungen und Zusammenhänge genau herausfinden. Zur Vereinfachung der Testserien nutzen wir verschiedene Listen und Übersichten wie etwa das „Gefühlsbarometer”, eine Zusammenstellung von 130 Emotionen, die nicht nur erlaubt, das spezifische Gefühl einer Testperson in einer bestimmten Situation zu identifizieren, sondern auch die sog. „Fließrichtung”, d.h. herauszufinden, wer wem welches Gefühl vermittelt hat. Dabei geht es nie – wie generell in der Psychotherapie – um irgendwelche Schuldzuweisungen! Vielmehr dienen diese Informationen ebenso wie z.B. die Beschreibungen der jeweils ausgetesteten Bach-Blütenessenzen einer vertieften Selbsterkenntnis als Voraussetzung für persönliche Veränderungen. Wenn der Klient die Verantwortung dafür übernimmt, hilft uns die Psychologische Kinesiologie auch, die einzelnen therapeutischen Schritte präzise zu bestimmen und so effektiv wie möglich zu begleiten.

Dr. paed. Werner Weishaupt Dr. paed. Werner Weishaupt

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