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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/1996

So vertreiben Sie das Gespenst der Depressionen

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Werner Grimmer

DepressionenEs ist eine Binsenweisheit, daß das Leben Höhen und Tiefen hat und es gibt wohl kaum jemanden, der alle Schwierigkeiten des Lebens mit Bravour und nie versiegendem Optimismus meistert. Manchmal verspürt man soviel Energie, daß man auch die höchsten Hindernisse überwinden könnte, ein andermal können bereits Kleinigkeiten wie unüberbrückbare Hürden erscheinen. Einmal kann einem nichts „die gute Laune verderben”, dann wieder werden kleine, alltägliche Ärgernisse zur Belastung. Man fühlt sich müde und abgespannt, muß sich zu jeder Aktivität aufraffen und hat das Gefühl, daß die Dinge ihren Lauf nehmen, ohne daß man den geringsten Einfluß darauf hat. Solche Befindlichkeitsstörungen und Motivationsverluste können unterschiedliche Ursachen haben.

Berufliche Belastungen

Eine Ursache können berufliche Überlastungen sein. Etwa dann, wenn einem eine Aufgabe über den Kopf wächst, weil sie mit den zur Verfügung stehenden Mitteln und Fähigkeiten nicht zu lösen ist, oder weil man unter erheblichem Zeitdruck arbeiten muß. Auch Konflikte mit Vorgesetzten oder Kollegen können Ursachen für Überbelastung sein. Selbst ein so erfreuliches Erlebnis wie eine Beförderung kann – mindestens in der Anfangsphase – überfordernd sein, weil man sich in kürzester Zeit in neue Aufgaben einarbeiten muß. Ursache kann aber auch eine Unterforderung sein: die zu erfüllende Arbeit liegt weit unter den eigenen Möglichkeiten, die Fähigkeiten werden nicht gefragt und man kann niemandem beweisen, was man „drauf hat”. Auch die so erzeugte Langeweile kann kaum dazu führen, daß man Freude an seinerTätigkeit entwickelt.

Nach Aktivation, Stress und Flow-Erleben der Aktivationstheorie von Berlyne (1974) liegt das optimale Erregungsniveau bei einer mittleren Aktivation. Diese mittlere Aktivation ist verbunden mit angenehmen Gefühlen, gelöster Stimmung, hoher Leistungsbereitschaft und -stärke und einer effizienten Informationsverarbeitung. Eine Situation wird in dem Maße als unangenehm erlebt, je weiter der Aktivationsgrad von diesem Optimum (GIAL=General Incongruity Adaption Level) abweicht. Dies löst Handlungen oder Strategien aus, die zum optimalen Niveau zurückführen sollen.

Was ist nun aber ein optimales Aktivationsniveau? In der Streßtheorie von Harrison (1978) wird dieses optimale Aktivationsniveau als der Punkt bezeichnet, an dem die Anforderungen (der Umwelt) der Fähigkeiten (einer Person) entsprechen. Bei einer Überforderung (Stress) kommt es zur Überaktivation, die zu „sensation avoidance” führt. Der Betroffene versucht also, selbstgewählte bzw. auferlegte Anforderungen herunterzuschrauben bzw. abzugeben: er„tritt kürzer”! Bei einer Unterforderung (Langeweile) kommt es zu „sensation seeking” (Zuckermann 1979): Hier werden neue Herausforderungen gesucht, beispielsweise in der sportlichen Betätigung als Ausgleich zum langweiligen Bürojob. Die meisten Menschen versuchen also in einen Zustand zu kommen, in dem die Fähigkeiten den Anforderungen entsprechen. Nur hier, jenseits von Angst und Langeweile, kann „Flow” erlebt werden (Csikszentmihalyi 1987): ein entspanntes Aufgehen in der Tätigkeit, das zum allgemeinen Wohlbefinden und erhöhten Lebensgefühl entscheidend beiträgt.

Folgen von Stress/Überaktivierung

Was tun, wenn ein solcher Zustand nicht erreichbar ist, wenn also z.B. im Beruf eine Ablehnung der überfordernden Arbeit nicht ohne weiteres möglich ist? Eine leichte, kurzfristige Überforderung kann dabei noch eine positive Anregung darstellen, weil sie bewältigbar ist und die Handlungskompetenz und Streßresistenz erhöht. Ist die Überforderung jedoch langfristiger Art und/oder von hoher Intensität, so entsteht ein dauerhaftes Angespanntsein mit zahlreichen psychologischen und/oder physiologischen Folgeerscheinungen, die sich gegenseitig verstärken können bzw. eng miteinander verzahnt sind. Oft beginnt sich der berufliche Streß auf den Privatbereich auszuwirken: Innere Unruhe und Gereiztheit einerseits, Müdigkkeit und Niedergeschlagenheit andererseits, führen häufig zu Streitigkeiten in der Familie bzw. mit dem Partner und/oder zur sozialen Isolation (bezogen auf den Freundes- und Bekanntenkreis). Die Unzufriedenheit im privaten Bereich überträgt sich wiederum auf die Arbeit und so beginnt ein Teufelskreis, dem nur schwer zu entkommen ist. Streß, Nervosität und Motivationsverlust sind in den letzten Jahren typische Symptome einer Zivilisationskrankheit geworden, deren wachsende Verbreitung zu immensen Betriebs- und volkswirtschaftlichen Schäden führt. Leistungsabfall, Krankenstand bis zum Herausfallen aus dem Arbeitsleben sind Folgen, die nicht nur für den Einzelnen,sondern auch für den Betrieb erhebliche Kosten verursachen (Eckardstein u. a. 1995). Auf die Gesellschaft kommt zudem die Belastung durch wachsende Kosten im Gesundheitswesen hinzu.

Kritische Lebensereignisse

Der beschriebeneTeufelskreis kann seinen Anfang natürlich auch im privaten Bereich haben. lnsbesonders die Auswirkungen „kritischer Lebensereignisse” werden in der Wirtschaft seit den 70er Jahren erforscht. Dabei handelt es sich um plötzliche, tiefgreifende Veränderungen in der Lebenssituation eines Menschen (Filipp 1981). Hierzu zählen etwa der Tod eines Partners oder Elternteils, eine Trennung vom langjährigen Partner oder auch der Verlust des Arbeitsplatzes. Aber auch „angenehme” Ereignisse (z.B. Heirat, Geburt eines Kindes oder der Gewinn beim Glücksspiel) erfordern Anpassungsleistungen, die überfordern können. Auch hier handelt es sich um Stressoren, die aus epidemiologischer Perspektive eine nachgewiesenermaßen potentiell pathogene Wirkung haben.

Ursachensuche

Die Ursache für Befindlichkeitsstörungen, Unlustgefühle, Motivationsverluste, leichte Verstimmungen und Depressionen, aber auch vegetative Störungen leichterer Art sind den Betroffenen oft gar nicht bewußt. Teils, weil sie auf eine Häufung kleinerer Begebenheiten und Überforderungen zurückzuführen sind, teils, weil diese in unserer Leistungsgesellschaft nicht gerne nach außen oder sich selbst gegenüber eingestanden werden. Für den Therapeuten bedeutet das, durch eine sorgfältige Anamnese den genauen Ursachen nachzuspüren. Gemeinsam mit dem Patienten muß im beruflichen wie im privaten Bereich nach Auslösern gesucht werden. Stehen die Beschwerden beispielsweise in einem zeitlichen Zusammenhang mit Veränderungen der Lebens- oder Berufssituation? Welches sind primäre Ursachen und welches Folgeerscheinungen? Dabei ist folgendes zu bedenken:

  1. Wegen der Wechselwirkungen zwischen Berufs- und Privatleben (sowie auch mit somatischen Symptomen) ist die primäre Ursache oft schwer zu identifizieren.
  2. Dabei kann die primäre Ursache (zum Beispiel zeitweilige Überlastung nach einer Beförderung) bereits längst beseitigt sein,während die sekundären, psychophysiologischen Folgeprobleme bestehen beiben.
  3. Oft wäre die jetzige Situation durchaus bewältigbar, aber das Stimmungstief und die resignative Grundhaltung haben sich verselbständigt. Hier lautet die Frage: Wie komme ich (der Patient) da raus?

Von der Befindlichkeitsstörung zur Depression

Bei Depressionen läßt sich häufig folgende psychische Problemkonstellation beobachten:

  • Gefühle des Kontrollverlustes und der Hilflosigkeit (Seligman 1975): Man glaubt, daß die Dinge „an einem vorbeilaufen” und man darauf keinen Einfluß hat.
  • Nichtselbstwertdienliche Attributionen (Heckhausen 1988): Hierbei werden eigene Erfolge auf Zufall oder auf vermeintliche Einfachheit einer Aufgabe zurückgeführt, während Mißerfolge als Bestätigung für die eignen Unfähigkeit angesehen werden.
  • Geringes bis fehlendes Selbstvertrauen und Gefühle der Minderwertigkeit oder Wertlosigkeit: Andere haben ihr Leben im Griff, sich selbst traut man nichts mehr zu.
  • Passivität, die zusätzlich zum Verlust des sozialen Netzes führen kann, was wiederum der eigenen Unzulänglichkeit zugeschrieben wird.
  • Laneorientierung im Sinne Kuhls (1983): Probleme werden endlos und exzessiv analysiert, ohne daß es zu Problemlösungsversuchen kommt.

Diese Gefühle des „Nicht-wert-seins” und des „Nichts-ändern-könnens” gehen einher mit vegetativen Störungen. Alle diese Symptome finden sich in Ansätzen auch bei leichten Verstimmungen, Befindlichkeitsstörungen und Motivationsverlusten. Gerät der Betroffene dann in den beschriebenen Teufelskreis, kann dies der Beginn einer Depression sein. In den meisten Fällen findet der Betroffene allein wieder aus einem solchen Tief heraus. Grundlegende therapeutische Maßnahmen psychologischer und medizinischer Art können aber hier – auch prophylaktisch – durchaus von Nutzen sein.

Was kann man tun?

Entsprechend der leichten Symptomatik sollten die therapeutischen Eingriffe jedweder Art von nur geringer Intensität sein. Auf psychologischer Ebene sollten zunächst die Ursachen identifiziert werden. Wir sprachen bereits davon, daß das eigene Fähigkeitspotential und die Veränderungsmöglichkeiten realistisch eingeschätzt werden und zur Aktivität animiert werden. Nach zahlreichen empirischen Untersuchungen hebt bereits leichte körperliche – z. B. sportliche Aktivität – die Befindlichkeit (Otto 1991). Neben der verbesserten körperlichen Fitness scheint hier vor allen Dingen das Gefühl, etwas geleistet zu haben, den Aufbau eines höheren Selbstwertgefühls zu fördern. Dies wird dann auf andere Bereiche generalisiert und erhöht somit das Kontrollgefühl und verringert die empfundene Hilflosigkeit. Auf medizinischer Ebene können solche psychologischen Maßnahmen durch die Einnahme spannungslösender, stimmungsaufhellender Medikamente unterstützt werden. Entsprechend der Forderung nach geringer Eingriffsintensität kommen hier Phytopharmaka in Frage, z. B. Remotiv®, Dragees aus Johanniskraut-Trockenextrakt. Im Gegensatz zu vielen chemischen Psychopharmaka hat Remotiv® keine Nebenwirkungen und ruft auch keine Abhängigkeit hervor. Es kann daher auch schon bei Befindlichkeitsstörungen und Motivationsverlusten – gleichsam als Depressionsprophylaxe – über einen längeren Zeitraum, etwa 6 – 8 Wochen, eingesetzt werden. Die oft zitierte „photosensibilisierende” Eigenschaft von Johanniskraut wird dabei in höchstens 1 % aller Patienten beobachtet, und dies auch nur bei exzessivem Sonnenbad oder ausgeprägter genetischer Disposition.

Motivationale Wirkung:

Das Johanniskraut-Präparat ist kein reiner Leistungssteigerer. Es wirkt auf den aktivierenden Anteil der Motivation, nicht jedoch auf den richtungsgebenden Anteil. Der Patient wird also in die Lage versetzt:

  • aus entspannter Grundstimmung heraus aktiv zu werden
  • seine Gedanken und Wünsche klarer und realistischer zu reflektieren
  • sich aus seinem „Tief’ selbst zu befreien und neues Selbstbewußtsein zu „tanken”
  • die aus seiner Sicht richtige Veränderung in die Wege zu leiten, die die Ursache der Symptome beseitigen soll.

Das kann beispielsweise bedeuten, daß er nicht unbedingt leistungswilliger zur Arbeit geht, sondern die belastende Arbeitssituation bewußt reflektiert, sie als Ursache der Niedergeschlagenheit identifizieren kann und notfalls kündigt, wenn keine andere Möglichkeit der Streßreduktion gegeben Ist.

Ein derartiges Präparat wirkt also “nicht richtungsweisend” in der Art, daß z. B. eine unbefriedigende Arbeitssituation eher hingenommen wird und nur effektiver bewältigt werden kann – vielmehr bestimmt der Patient selbst die Richtung der Aktivität und wird dazu motiviert, etwas zu verändern. Liegt die Ursache im privaten Bereich, können auch hier Schlußfolgerungen gezogen und Handlungskonsequenzen getroffen werden, die dann wiederum die Leistungsfähigkeit im Beruf steigern bzw. stabilisieren können.

Die Einnahme von Remotiv® ist also sowohl bei Ursachen im beruflichen wie auch im privaten Bereich sinnvoll, darf jedoch nie ohne notwendige Ursachenforschung und gezielte psychologische „Lebensberatung” eingesetzt werden. Gemeinsam mit diesen Maßnahmen kann jedoch der Einsatz von Johanniskraut Anstoß zu einem Neuanfang in Richtung eines ausgeglicheneren Lebens sein und damit zur langfristigen seelischen und körperlichen Gesundheit (Becker 1982) beitragen.

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