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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/1997

Neurolinguistisches Programmieren

Cover

Effektive Kommunikationsstrategien nicht nur für Therapeuten

Dr. Rainer Wallerius

„Das Was bedenke, doch mehr bedenke das Wie”, sagte schon ein deutscher Dichterfürst. Und es scheint, als habe dieser Ausspruch Pate gestanden bei der Entwicklung einer der buntesten und zugleich effektivsten therapeutischen Richtungen, die die letzten zwanzig Jahre hervorgebracht haben, dem „Neurolinguistischen Programmieren” (NLP). Geht es den Begründern des NLP, dem Informatiker und Gestaltpsychologen Richard Bandler und dem Linguisten John Grinder zu einem Gutteil doch um das „Wie” des Gelingens von therapeutischen und Kommunikationsprozessen, weniger um das „Was”, also die Theorien und Inhalte. Dabei wollten beide eigentlich keine neue psychologische Schule oder Therapie begründen, sondern nur herausfinden, warum Therapie und Kommunikation bei dem einen fast wie an ein Wunder grenzend gelingt, bei einem anderen trotz gleicher angewandter Therapien überhaupt nicht. Das gilt natürlich nicht nur für die erfolgreiche Anwendung von Therapie durch unterschiedliche Personen, sondern ebenso für Verkaufserfolge und Verhandlungsergebnisse. Die letztgenannten Punkte haben – weil direkt marktrelevant – denn auch das NLP in der Öffentlichkeit bekannter gemacht, als sein eigentlichen Anliegen; wohl auch mißbrauchsanfälliger, was man heute an der Vielzahl marktschreierisch mit dem Etikett NLP versehener Verkaufsschulungen und Managerseminare ablesen kann. Aber nichts gegen Manager; vielleicht sollten gerade sie von Kommunikationsstrategien profitieren, wenn diese ethisch vertretbar und nicht von kurzfristigem Erfolgs- und Machtstreben geprägt sind.

Bandler und Grinder ging es um etwas anderes, was sich im Untertitel ihrer ersten Bücher widerspiegelt: „Die Struktur der Magie I” (Bandler, R. u. Grinder, J.: Metasprache und Psychologie. Struktur der Magie I, Paderborn 1982 und ds.: Kommunikation ohne Veränderung. Die Struktur der Magie II, Paderborn 1984). Wie kommt es zu den fast zauberisch anmutenden Erfolgen großer Therapeuten wie Virginia Satir, Fritz Perls oder Milton H. Erickson? Später untersuchten sie auch andere große Persönlichkeiten, selbst posthum, wie Mozart oder Walt Disney. Was ist der Unterschied in deren Vorgehen gegenüber dem weniger Erfolgreichen? Im Alltag bezeichnet man diesen Unterschied gemeinhin als „Intuition”, „Feeling” oder ähnlich. Was ist aber diese Intuition? Worin besteht die Grammatik des Tuns des Erfolgreichen? Von daher – angesichts ihrer Herkunft aus Linguistik (Sprachwissenschaft) und Informatik naheliegend – nahmen sie einen Zusammenhang zwischen neurophysiologischen Zuständen und sprachlichen Programmen im Menschen an. So entstand das Wortungetüm „Neurolinguistisches Programmieren” NLP, unter dem sich (Dr.) Lieschen Müller zunächst eine neue Programmiersprache vorgestellt haben mochte. Aber weit gefehlt. Kern des NLP ist das, was im Menschen vor sich geht, auch wenn einige Begriffe an den Computer erinnern. Aber schließlich stellt dieser ja auch nur den Versuch dar, menschliche Informationsverarbeitung zu simulieren.

Für Bandler und Grinder zählte bei ihrem Vorgehen nur, was beobachtet war: Theorien und Spekulationen hatten dabei keinen Platz. So kommt es, daß sie der Wahrnehmung im NLP eine Schlüsselrolle zuweisen. Rasch erkannten die Autoren, daß sich auch die innere, vorstellungsbezogene Wahrnehmung eines Menschen in seinem Verhalten, in Haltung, Gestik und Mimik äußert. So kann man leicht feststellen, daß der Gesichtsausdruck eines Menschen sich ändert, je nach dem, ob er an etwas Angenehmes oder Unangenehmes denkt, an eine Person, die er mag oder an eine, die ihm unsympathisch ist.

Eine weitere wichtige Rolle erkannten sie im „Rapport”; das meint die tragfähige positive Beziehung zwischen Therapeut und Klient, sozusagen die Brücke zwischen beiden. Wenn sie nicht stimmt, kann die Kommunikation nicht gelingen. Verantwortlich für die Herstellung des Rapports ist der Therapeut als Kommunikationsfachmann, nicht der Klient. Deshalb gibt es keine therapiewiderständigen Klienten, sondern nur rapportunfähige Therapeuten, meinen die Autoren. Ist der Rapport in Ordnung, äußert sich dies in Körperhaltung und Sprache. Ein zunehmender Gleichklang auch des Atemrhythmus setzt ein. Diesen Gleichklang nutzt der Therapeut als Technik des „PACING” gezielt, um zu einem guten Rapport zu gelangen. Dem PACING folgt das „LEADING”, wobei der Therapeut den Klienten zu positiven Erlebnissen und Gefühlen führt. Hier fließt eine Grundannahme des NLP ein, daß nämlich jeder Mensch sein ganz persönliches eigenes Modell von Welt und was sie für ihn bedeutet, hat, das mit dem eines anderen nicht ohne weiteres übereinstimmt.

Die Entstehung dieser Weltsicht hängt mit der Art zusammen, wie der Mensch seine Welt erlebt; und dieses Erleben erfolgt über die sinnliche Wahrnehmung. So wie er die Dinge wahrnimmt, so konstruiert der Mensch seine Welt, in der alles, für sich genommen, seinen Sinn hat, auch wenn es noch so abstrus erscheinen mag. Jeder Mensch hat nun ein bevorzugtes Sinnessystem, mit dem er sich über die entsprechende Wahrnehmung die Welt erschließt, sie sich aber auch konstruiert, was sich in seiner Sprache ausdrückt. So erhellt rasch, daß ein Mensch, der sich in seinem Vokabular eher visuell artikuliert („Ich blicke nicht mehr durch”; „ich sehe keinen Ausweg”: „ich möchte Licht ins Dunkel bringen”), vornehmlich über das Auge lebt. Jemand, der auditiv, also über das Ohr lebt, wird Worte verwenden wie „das hört sich gut an”; „ich spüre die Harmonie”; „es geht mir um die Zwischentöne”. Wer vom Körpergefühl herkommt, wird entsprechende Worte bevorzugen: „begreifbar”; „ein feines Gespür”; „das kratzt mich nicht” (kinästhetische Wahrnehmung). Der auf Schmecken und Riechen (olfaktorisch) Orientierte wird sagen: „das riecht nach …”; „das ist nach meinem Geschmack”; „ich habe einen Riecher dafür”; etc. Die Menschen haben also Wahrnehmungsraster, von denen die bevorzugten Sinnessysteme die wichtigsten sind. Aber auch anderes, was uns wichtig ist, kann die Wahrnehmung steuern; sozusagen alles was uns aktuell interessiert: eine Automarke oder ähnliches – nach dem Motto, „da muß ein Wert sein” nehmen wir dies dann verstärkt wahr.

Soll Kommunikation gelingen, muß ich das sinnspezifische Repräsentationssystem in und mit dem ein Mensch Erfahrungen macht, erkennen und mich darauf einlassen. Ich muß sozusagen seine Sprache sprechen, sonst erreiche ich ihn nicht. Auch hier ist PACING das Mittel der Wahl beim NLP: Ich gleiche meine Sprache dem System des anderen an. Genauso wie die äußeren werden natürlich auch die inneren Wahrnehmungen, Vorstellungen und Bilder im jeweiligen Repräsentationssystem dargestellt.

Daß das „Aneinandervorbeireden” häufige Quelle von Mißverständnissen in Partnerschaft, Beruf und Alltag ist, ist weithin bekannt. Dabei legt das NLP den Akzent weniger auf den Inhalt der Kommunikation, sondern mehr auf das Repräsentationssystem, in dem diese erfolgt.

Ausgehend von der optimistischen Vorgabe, daß jeder Mensch von Haus aus über die notwendigen Kräfte (RESSOURCEN) verfügt, mit kritischen Situationen fertig zu werden, daß lediglich die Zugänge hierzu verstellt und die Ressourcen dadurch blockiert sind, versucht das NLP diese Zugänge zu öffnen und den Menschen erleben zu lassen, daß es mehr Möglichkeiten des Umgangs mit der Welt gibt, als die, auf die er durch die Blockierungen festgelegt ist: „Wahlfreiheit ist besser als keine Wahlfreiheit”, lautet ein NLP-Kernsatz. Letztlich wird hier eine Erweiterung des subjektiven Weltbildes und ein Stück Persönlichkeitsentwicklung angestrebt. Die Techniken hierzu sind einmal PACING und LEADING, also das Sich-auf-den-anderen-einstellen und Hinführen zu anderen Erlebnismöglichkeiten sowie im weiteren das Setzen von „Ankern”.

Ein Anker meint jedes äußere oder innere Bild, jede Berührung, jedes Geräusch, das automatisch eine bestimmte innere Reaktion auslöst: Ein Urlaubsfoto wird eine freudige, der Abschiedsbrief des Geliebten eine eher traurige Reaktion hervorrufen. Im NLP kann nun auch therapeutisch gezielt geankert werden, indem nach Herstellung des entsprechenden Gefühls durch Erinnerungsbilder dieses Gefühl durch z.B. eine Berührung des Klienten durch den Therapeuten mit dieser neuen Berührungswahrnehmung gekoppelt wird. So kann der Klient durch „Setzen” dieses Ankers auch das damit gekoppelte und im Gehirn gespeicherte weitere Gefühl abrufen.

Dies ist für negative ebenso wie für positive Erlebnisse, also solche, in denen der Klient die sonst vermißten Ressourcen zur Verfügung hatte, möglich. Im Verlauf der Therapie werden nun beide Gefühlszustände, der negative wie der positive, durch Setzen und Aktivieren entsprechender Anker miteinander vermischt, was zu einer Lösung der blockierten Ressourcen führt. Im Verständnis anderer Therapieschulen wäre dies die Herstellung eines realistischen Zugangs zum Leben und zu den eigenen Fähigkeiten. Im übrigen betont das NLP, daß die Herstellung des negativen Gefühlszustandes, im klassischen Sinne das Wiederdurchleben von Leid und Schmerz, allein keinen therapeutischen Wert hat. Wird nicht der Gesamtkontext im Erleben und Bewerten geändert, bliebe dies sinnlose Quälerei.

Der Kontakt zu den eigenen Ressourcen zeigt sich auch in der Körperhaltung („Wie ich mich halte, so fühle ich mich”). Statt nur zu versuchen, zuerst die innere Zuständlichkeit zu ändern, setzt das NLP gleichberechtigt auch an der äußeren Haltung an. Ändert sich der äußere Zustand nicht, wird schwerlich eine innere Änderung erfolgen. Übrigens etwas, was die kognitiven Therapien ebenfalls vertreten, wie wir z.B. aus der kognitiven Depressionsforschung wissen.

Das NLP verfolgt jede noch so kleine Spur von Positivem und von gesunden Anteilen im Menschen und arbeitet damit. Dabei wird dem Zusammenhang von innerer und äußerlicher Zuständlichkeit ein vergleichsweise hoher Stellenwert beigemessen.

Grundlage hierfür ist wieder die Wahrnehmung und die Sensibilisierung dafür: Gelingt es mir, eine auch noch so kleine positive Änderung an mir festzustellen, wenn ich mich auf eine ressourcenorientierte Erinnerung einlasse, so habe ich vielleicht umgekehrt die Möglichkeit, an meine Ressourcen heranzukommen, durch Herstellung des entsprechenden Zustandes. Den Weg dahin kann das „Ankern” bahnen, also die Kopplung ressourcenbezogener Gefühle an äußere Reize (Wahrnehmungen).

Beschäftigt man sich intensiver mit NLP, so wird der Bezug zur neueren Hypnotherapie nach Milton H. Erickson deutlich. Insofern das NLP dem Unbewußten, das auch und vor allem Repräsentant des Körpers ist, hohe Bedeutung beimißt, fließen NLP und Hypnotherapie nahezu ineinander über. Über tranceähnliche Zustände, eine Art „Alltagstrance”, die ohne ausdrückliche Tranceinduktion herbeigeführt werden kann, ebenso wie über direkt induzierte Trance, versucht das NLP dem Klienten zu helfen, an seine Ressourcen zu kommen. Dabei geht es bei diesen hypnotherapeutischen Interventionen nie um das Einsuggerieren bestimmter Verhaltensweisen, die sozusagen als posthypnotischer Auftrag auszuführen sind, sondern um das Heranführen an sich selbst. Im Sinne der Grundannahme, daß auch negatives, vom Klienten unerwünschtes, aber nicht ohne weiteres aufgebbares Verhalten einen Sinn hat, wird versucht, dem Klienten diesen ursprünglich positiven Sinn, etwa eines Symptoms, zu vermitteln; sich sozusagen mit einem Teil von sich selbst auszusöhnen. Gleichzeitig soll er erleben, daß es andere Möglichkeiten gibt, mit Dingen umzugehen als die, die er im Symptom anwendet: Diese Möglichkeiten sind in seinen inneren Ressourcen verborgen, er muß sie wieder entdecken. Das „Reframing” ist eine klassische NLP-Übung hierzu, bei der der bisherigen Sicht des Problems, des Symptoms der unerwünschten Verhaltensweise eine neuer Rahmen gegeben wird, in welchem auch die positiven Seiten des Problems zu sehen sind. So kann z.B. eine Schüchternheit, die als negativ vom Klienten beurteilt wird, durchaus Schutzfunktion haben, indem sie vor zu vielen sozialen Kontakten schützt, die den Klienten womöglich überfordern würden.

NLP geht im Verfahren konkret vor und stellt entsprechende, z.T. penetrante Fragen. Ist das angestrebte Ziel der Veränderung konkret beschrieben, wird gefragt, wie das Leben des Klienten, seine Umwelt, er selbst aussehen werden, wenn das Ziel erreicht ist. Und zwar ganz konkret beschreibbar mit allen Wahrnehmungsmodalitäten; keineswegs philosophisch. Im Sinne der generell angestrebten höheren Wahlfreiheit des Klienten für verschiedene Handlungsalternativen, muß er sich auch die Frage stellen, welches der Preis ist, den er für die angestrebte Veränderung zahlen muß, was er dafür aufgeben muß und ob er das überhaupt will. Letzteres kann bei Partnerschaftsproblemen zum Beispiel relevant sein: häufig wird eine Partnerschaft durch ein eingespieltes Ritual aufrechterhalten; ändert ein Partner seinen dabei gespielten Part, können die Voraussetzungen für das Weiterbestehen der Partnerschaft entfallen.

NLP ist immer auch ein Beitrag zur Verbesserung der Kommunikation mit sich selbst, nicht nur der mit anderen. Oft ist es notwendig, das eigene Wahrnehmungssystem zu erkennen, um sich selbst und seine Probleme mit anderen zu verstehen, die blockierten Ressourcen freizulegen und zu nutzen und die abgelehnten Teile seiner selbst in ihrer zumindest ursprünglich positiven Funktion zu erkennen. Dies gilt natürlich in besonderem Maße für die therapeutischen Hilfen des NLP.

Jenseitig von aller Therapie-, Veränderungs- oder gar Manipulationsabsicht, die der eine oder andere damit verbinden mag, ist das Faszinierende am NLP wohl die Entdeckung der ganz persönlichen Welt- und Wahrnehmungssysteme des Menschen und der Zugänge dazu. Das mag neugierig machen auf die Welt des anderen und helfen, ihn besser zu verstehen, wenn ich einen Zugang dazu habe. Es öffnet aber auch meine eigene enge Welt und erweitert nicht nur meinen Horizont, sondern ist auch eine Möglichkeit, mit dem Leben umzugehen. Das Leben wird bunter, reicher und melodiöser, es erhält Farbigkeit und Klang, und läßt sich sinnlich intensiver wahrnehmen. Kurz: es wird runder und vollständiger. Das allein kann schon ein Grund sein, seine eigene Weltsicht mit Hilfe des NLP zu erweitern und zu bereichern.

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