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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/1998

Ätherische Öle

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Jeder kennt die folgende Situation: Man nimmt, häufig in der Weihnachtszeit, einen ganz bestimmten Geruch wahr und befindet sich in Bruchteilen einer Sekunde in der Wiedererkennung einer Situation aus der Kindheit. Sobald man schnuppernd die auftauchenden Bilder halten möchte, verschwinden sie. In den wenigsten Fällen können sie abgespeichert werden – sie sind ganz einfach weg. Es hat den Anschein, als ob ein Vorhang zu einem alten Bühnenstück mal eben gelüftet worden sei, um auch sofort wieder zu fallen und zu verschwinden.
Dieses Beispiel zeigt, was für einen Zugriff Düfte auf unser Unterbewußtsein haben. Aus diesen Gründen wurden sie auch in allen Kulturen für Rituale, Einweihungen oder zu religiösen Zwecken benutzt.
So finden wir viele Hinweise bei den Ägyptern, den Hebräern, den Kulturen des Zwischenstromlandes, beim Islam, im Alten China und Japan. Aber auch in unserer Kultur wie in der Antike, bei den Griechen und Römern, im Mittelalter und von der Renaissance bis in unser jetziges Jahrhundert. Unzählige Hinweise gibt es in der Bibel und im Talmud. So beispielsweise im alten Testament, 2. Mose 30, 34-35:
“Und der Herr sprach zu Mose: Nimm dir Spezereien: Balsam, Stakte, Galbanum und reinen Weihrauch, von einem soviel wie vom anderen, und mache Räucherwerk daraus, gemengt nach der Kunst des Salbenbereitens, gesalzen, rein, zum heiligen Gebrauch.”

Was sind “Ätherische Öle”?
Ätherische Öle bestehen aus flüchtigen und nichtflüchtigen Bestandteilen. Letztere treten, wie bei Phytotherapeutica, in der Kombination von Precursoren auf. Darunter versteht man inaktive Substanzen, welche erst zu enzymatischen Prozessen aktiviert werden durch die Weiterverarbeitung der Pflanze, beispielsweise durch Trocknung oder Quetschung.
Der Pharmakologe Dr. Roger Kalbermatten nannte die Wirkung der ätherischen Öle eine “psychoneuro-endokrine Stimulation”.

Die Duftstoffe der Pflanzen sind chemische Verbindungen, die als Endprodukte des pflanzlichen Stoffwechsels abgegeben werden. Nach menschlichem Empfinden werden sie in “angenehm” und “unangenehm” unterschieden, aus naturwissenschaftlicher Sicht gibt es diese Einteilung nicht. Auch sind je nach menschlichen Charakteren oder negativen Wiedererkennungswerten die beiden Begriffe verschieden belegt.
Weiter verbreitet als Duftstoffe sind im Pflanzenreich ätherische Öle, Balsame und Harze.
Diese Stoffe werden in Vakuolen abgeschieden, so daß letztlich der ganze Zellhohlraum ausgefüllt ist. Die Ölzellen finden wir beispielsweise in der Rinde des Zimtbaumes, im Rhizom des Ingwers und in den Blättern des Lorbeers. Ätherische Öle können aber auch in anderen Zellgruppen abgelagert werden.
Einige Duftstoffe, wie beispielsweise die Cumarine des Waldmeisters, werden erst beim Welken des Krautes riechbar. Weiterhin können spezielle Drüsenzellen aktiv ihre Sekrete durch die Membranen abgeben; entweder nach innen in Öl- und Harzgänge, oder nach außen über Drüsenhaare. Die Abgabe über Gänge haben wir beispielsweise bei Eukalyptusarten und Nadelhölzern, über Drüsenhaare unter anderem beim Storchenschnabel und bei Primelarten.
Besondere Bedeutung kommt dem Blütenduft zu. Hier werden die blütenduftsuchenden Tiere und Insekten gezielt an den Teil gelenkt, der für die Bestäubung wichtig ist. Je nach Gattung, welche angesprochen werden soll, sind verschiedene Duftformen charakteristisch. So verfügen Blüten, die von Vögeln bestäubt werden, nur über wenig Duft. Hier ist das Hauptmerkmal die optische Steuerung. Dagegen haben Blüten, die von Fledermäusen bestäubt werden, einen unangenehm säuerlich-gärenden Geruch.

Wie gewinnt man “Ätherische Öle”?
Je nach Pflanzenart variieren die Ölanteile zwischen 0,01% bis 10%; bei einigen wenigen auch mehr. So haben die Rosenblüten einen sehr geringen Ölanteil, sodaß für 1/2 Liter Rosenöl ca. 2000 Pfund Rosenblüten benötigt werden. Dies ist ein Grund mit für die verschiedenen Preisklassen.
Ein weiterer Punkt ist die Art der Ölgewinnung:Je nach Sitz der jeweiligen gefüllten Vakuolen kommen die Wasserdampfdestillation, die Extraktion und die Expression in Frage. Öle tierischen Ursprungs werden in der Therapie auf Grund des Artenschutzes nicht mehr verwendent. Hierzu gehörten Ambra vom Pottwal, Moschus vom Moschushirsch, Zibet von der äthiopischen Zibetkatze und das vom Biber produzierte Geschlechtssekret “Bibergeil”. All diese Düfte könnte man als “brünftig” einstufen und ihnen wurden in früheren Zeiten magische Kräfte nachgesagt. Für die Parfümindustrie werden diese Duftrichtungen seit den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts synthetisch hergestellt.

Öle und Phytotherapeutica
Es ist wichtig festzustellen, daß die ätherischen Öle in der Regel nicht die gleiche Wirkung haben wie das identische Phytotherapeuticum. So ist in mancher Literatur einfach diese Indikation übernommen worden. Das gleiche gilt für die Neben- und Wechselwirkungen sowie für die toxischen Prozesse. Auch hier sind “wüste” Hinweise auf dem literarischen Markt! So wird beispielsweise Orangenöl als sehr positiv gegen Erkältungskrankenheiten angegeben, weil die Orange einen so hohen Anteil an Vitamin C hat. Allerdings befindet sich dies in der Frucht selbst und nicht in dem in der Schale befindlichen Öl!
Weiterhin können Öle der gleichen Pflanzenfamilie die unterschiedlichsten Wirkungen haben. Wenn unter den verschiedenen Nadelhölzern wie Douglasfichte, Weißtanne, Riesentanne, Latschenkiefer, Meerkiefer und Fichte unterschieden wird, dann haben wir, mal von einer recht hohen Konzentration an Monoterpenen abgesehen, die verschiedensten Zusammensetzungen. Nimmt man jetzt noch die Zeder dazu, dann wird die chemische Kombination vollkommen anders. Aus diesem Grund können verwandte Arten, wenn sie schwer auf dem Markt zu bekommen sind, nicht willkürlich ausgetauscht werden.

Genau wie in der klassischen Pflanzenheilkunde gibt es auch bei den Ölen momentan durch Werbung hochgepuschte Arten, die dann, durch unzählige Veröffentlichungen unterstützt, in aller Munde sind. Diesen wird dann nahezu alles zugeschrieben! Zu diesen Ölen gehört immer noch das”Tea Tree”, welches mit seiner Wirkung in den Bereichen”antibakteriell, antiviral, antimykotisch, entzündungshemmend, juckreiz- und schmerzlindernd, abschwellend und hautschonend” sicherlich gut ist. Aber wir haben etliche Öle auf dem Markt, die genauso gut oder besser sind! Ich bin bei diesen “non plus ultra”- Pflanzen immer recht vorsichtig und skeptisch.

Was wirkt wie?
r9801_ao1 Bei den unzähligen Inhaltsstoffen der ätherischen Öle seien hier die wichtigsten und deren Wirkrichtung aufgezählt. Wir haben die antiinfektiösen, keimtötenden und cortisonähnlich wirkenden Monoterpene, die vor allem bei Massagen auch eine belebende und muskelstärkende Wirkung zeigen. Diese sind vor allem in den Zitrusfrüchten zu finden.
Weiterhin die entspannenden Säuren und ausgleichenden und entkrampfenden Ester und Ether. Methylether wirkt krampflösend, wie beispielsweise das Estragon und die Oxide schleimlösend, antiinfektiös und antispasmodisch. Mit terpenhaltigen Ölen (diese kommen vor allem in Nadelhölzern vor) sollte man in den Abendstunden vorsichtig sein, da sie eine anregende Wirkung zeigen. Sesquiterpene wirken stark entzündungshemmend und aufhellend-beruhigend, sodaß sie auch als “Seelenschmeichler” bezeichnet werden können. Allerdings sind sie auch durchblutungsfördernd, schmerzstillend und antiallergen. Mit den Phenolen, beispielsweise im Bergbohnenkraut, haben wir eine Wirkung wie ein Antibiotikum. Aldehyde sind unter anderem antiinfektiös und verdauungsfördernd und Cumarine, z.B. in der Angelikawurzel, blutverdünnend. Eine entgiftende Wirkung auf Leber und Niere zeigen die Phtalide, und Ketone sind wundheilend und schleimlösend, aber auch fettabbauend und leberentstauend.Sie haben auch eine starke Wirkung auf Sporen und Viren. Ketone zeigen in hoher Konzentration eine neurotoxische Wirkung, da sie in der Lage sind, die Myelinschicht der Nerven zu durchdringen. So können ketonhaltige Öle, wie beispielsweise Salbei, in der oralen Verabreichung schon mit 10 ml tödlich sein.

Ätherische Öle sind sehr hoch konzentriert und damit die akut toxische Schwelle recht niedrig. Dies sollte man sich stets bei der Anwendung klar machen. Bleibe ich auch momentan unter der Vergiftungsschwelle, so kann ein zu langes Anwenden eine chronische Toxizität hervorrufen. Die allergischen Reaktionen können natürlich bei den geringsten Mengen auftreten und sollten vorher mit unseren diagnostischen Möglichkeiten weitest gehend ausgeschlossen werden. Es sei aber auch zu bedenken, daß sich eine Allergiebereitschaft in einer Therapie aufbauen kann.

Wie geht man damit um?
r9801_ao2 Die Anwendungen von ätherischen Ölen sind vielfältig. Die bekannteste ist die Duftlampe. Die ätherischen Öle wirken auf unsere Emotionen, Stimmungen, Kreativität und Lebensfreude. Über die Duftlampe wird auch die Raumluft gereinigt und ionisiert und somit ein wohltuendes Raumklima aufgebaut. Bei diesem Verfahren sollen die Öle immer in der Kombination mit Wasser verwendet werden.
Zur Inhalation werden einige Tropfen Öl in eine Schüssel mit heißem Wasser gegeben. Das Gesicht muß dann über die dampfende Schale gehalten und der Kopf mit einem Tuch abgedeckt werden. Vorsicht geboten ist wegen der Augen, eventuell sollte der Patient dabei eine Chlorbrille wie im Schwimmbad tragen. Man kann allerdings auch Inhalatoren in der Apotheke kaufen, die das Mund-Nasenfeld genau abschließen.
Bei den Kompressen werden einige Tropfen Öl in eine Schüssel mit heißem Wasser gegeben, ein kleines Tuch eingetaucht, ausgewrungen und gut warm aufgelegt.
Für die Massage werden die ätherischen Öle mit Basisölen gemischt. Hier kommen unter anderem Haselnuß-, Jojoba-, Mandel- und Weizenkeimöle in Frage. Das direkte Anwenden von reinem Öl auf der Haut kann je nach Zusammensetzung und Hauttypus zu Reizungen führen.
Für die Badanwendung sollten die Öle mit Emulgatoren wie Honig, Sahne oder neutralen Seifengrundlagen gemischt werden, da sie selbst mit dem Wasser keine Verbindung eingehen. Für ein Vollbad kommt man in der Regel mit 10 bis 15 Tropfen Öl aus, bei manchen auch mit weniger (Japanisches Minzzöl).
Die hohe Schule der Aromatherapie ist die orale Anwendung. Hier sind tägliche Dosen zu verabreichen, die an die Einnahme von homöopathischen LM-Potenzen erinnern. Dabei werden in der Regel ein, maximal aber drei verschiedene ätherische Öle eingenommen.
Diese Form der Therapie sollte auf Grund ihrer Aggressivität bei Kindern nicht angewendet werden. Da wäre ein schwacher Infus aus der jeweiligen Pflanze anzuraten.
Weiterhin sind Außenseitermethoden wie Stimulationen auf Reflexzonen und Reflexpunkten sowie Akupunkturpunkten möglich.

Laut Statistik werden nur 2% der hergestellten ätherischen Öle für die Aromatherapie genutzt. Der Hauptanteil mit 50% wird von der Nahrungsmittelindustrie verarbeitet, 25% gehen in die Parfümverarbeitung, 20% verwendet die Pharmaindustrie und die restlichen 3% werden für “andere Zwecke” gebraucht.

Intensität und Individualität
Nicht alle ätherischen Öle haben in der gleichen Menge die gleiche Intensität oder Flüchtigkeit. So gibt es Einteilungen über die Meßwerte der Duftintensität. Hierbei befinden sich die meisten Öle in der Kategorie 4 bis 9. Die Flüchtigkeit wird als Evaporationswert gemessen, z.B. nach Poucher. Hier ergibt sich eine Skala von 1 bis 100, wobei z. B. Eukalyptus mit 5 recht schnell verflüchtigt und als einziges Öl mit dem Flüchtigkeitswert 100 Patschuli angegeben wird, welches sich somit sehr lange vom Duft her hält.
Einteilungen in YIN und YANG sollten nicht einfach nach einer Tabelle übernommen werden. Sie sind von verschiedenen individuellen Faktoren abhängig und damit bis zu einem gewissen Grad austauschbar. Der Englische Alchimist Thomas Norton schrieb 1447 in seinem Buch “Ordinall of Alkminy”: “Alle Dinge, die einen kräftigen Geruch haben, besitzen eine natürliche Wärme, so wie Kampfer oder Rose; und alles Kalte hat einen süßen Duft, so wie anderes eine Seele besitzt … auch durch den Geruch, dies sollt ihr erfahren, ist Feines vom Groben zu unterscheiden. Mehr Reinheit hat das Süßduftende und ist dem Geist näher als das Übelriechende. So wie sich die Farben durch dein Auge verändern, so liegt es in deiner Macht, die Art des Geruchs zu ändern…”

Nach ihren therapeutischen Anwendungen können die ätherischen Öle in psychische und physische Wirkungsweisen unterschieden werden. So stehen die Angaben beispielsweise bei der Zitrone als “fiebersenkend und entzündungshemmend” nicht konträr zu “anregend und konzentrationsfördernd”. Wir haben ja auch keine Schwierigkeit, dasselbe Homöopathicum sowohl bei “Ischiasbeschwerden” als auch bei einem entzündeten Auge” oder einer “depressiven Stimmungslage” zu verabreichen. Allerdings ist die Homöopathie durch das Gesetz der “negativen Toxikologie” besser nachzuvollziehen.

Kauftips
Da das Angebot an ätherischen Ölen beinahe unüberschaubar geworden ist und es auch enorme Preisunterschiede gibt, die selten Rückschlüsse auf die Qualität ziehen lassen, ist es nicht einfach, ein gutes ätherisches Öl zu finden. Denn bei der Anwendung von ätherischen Ölen in der Pflege und vor allem der Therapie ist eine hochwertige Qualität von entscheidender Bedeutung.

Folgende Tips sollten den Kauf erleichtern:

  • Es sollte sich um ein 100% reines natürliches Öl handeln. Die Bezeichnungen “Parfümöl” oder “naturidentisch” lassen auf eine synthetische Herstellung schließen.
  • Weiterhin sollte die lateinische botanische Bezeichnung der Herkunftspflanze mit aufgeführt sein sowie das Herkunftsland.
  • Wichtig ist auch die Angabe des Pflanzenteils, aus dem das Öl gewonnen wurde sowie das Gewinnungsverfahren.
  • Auch die Angaben über den Anbau, kontrolliert-biologisch oder Wildsammlung, ist von Bedeutung.
  • Zähflüssige Öle, wie beispielsweise Tonka, sind oft mit Weingeist vermischt. Hier sollte das Mischungsverhältnis erkennbar sein. Sehr teure Öle werden auch verdünnt angeboten, gegebenenfalls sollte das Trägeröl in Prozent angegeben sein.
  • Letztlich sollte eine exakte Füllmenge in ml oder g, sowie eine Chargennummer ersichtlich sein.

Fazit: Der Umgang mit ätherischen Ölen ist ein Teil der Phytotherapie, obwohl informative Faktoren sicherlich eine beträchtliche Rolle spielen. Somit schlagen sie eine Brücke vom Grob- zum Feinstofflichen. Trotz aller bisherigen Bemühungen, Klärung in die Wirkungsweise zu bekommen, wird der mystische Aspekt bleiben – und das soll er auch, das Geheimnisvolle und das Erklärbare stehen nicht als Gegensätze, sondern ergänzen sich zum Ganzen. Auch wenn wir die Wirkungsweisen nicht bis ins Allerletzte erkennen können, so sind wir doch in der Lage, mit ihnen gut zu arbeiten.
Albert Einstein sagte: “Wir müssen diese Welt nicht verstehen, wir müssen uns in ihr zurecht finden.”

Literatur:

  • Monika Werner: Ätherische Öle
  • Monika Werner: Aromatherapie in der naturheilkundlichen Praxis Teil 1 (Fachfortbildung mit der Firma CESRA)
  • Martin Henglein: Die heilende Kraft der Wohlgerüche und Essenzen
  • Robert Tisserand: Aromatherapie – Heilung durch Duftstoffe
  • Peter Germann: Die Ganzheit der Pflanze (Paracelsus-Report 6/96)
  • Primavera: Produktkatalog

Hp Peter Germann

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