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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 2/2009

Fallen und Probleme in der Ernährungsberatung

Cover

Konstanze Moos gibt mit bildhaften Metaphern Einblick in psychologische Dimensionen der Ernährungsberatung, die an bekannte Phänomene in der Heilpraktiker – und psychologischen oder ärztlichen Praxis erinnern

Hier werde ich davon berichten, dass der rosa Elefant gern auch mal durch die Hintertür kommt, dass Rückfälle ins Reich der Science Fiction und der innere Schweinehund in den Streichelzoo gehören. Hierzu einige Gedanken, zur Diskussion, zum Nachdenken.

ErnährungsberatungEine erfolgreiche Ernährungsumstellung kommt unweigerlich mit diesen drei Mechanismen in Kontakt. Neben Aufklärung und Informationen über Nahrungsmittel und Nährstoffe, neben Ernährungsprotokollen, Tagesplänen und Bewegungskonzepten muss auch an diesen Verhaltensmustern gearbeitet werden. Sie müssen thematisiert und mit praktischen Übungen besetzt werden. Nichts ist schwerer, als jahrzehntelang geprägte Verhaltens- und Denkmuster aufzulösen. Das darf uns aber nicht da von abhalten, daran zu arbeiten und es überall dort zum festen Bestandteil unserer Beratungen und Kurse werden zu lassen, wo dauerhafte Veränderung und Umstellung angestrebt wird. Deshalb habe ich mir im Folgenden diese drei, teilweise recht inflationär gebrauchten Begriffe einmal etwas näher angeschaut.

Der (innere) Schweinehund

Ein ungeliebtes Tier, den Teufel selbst gar, den wir da mit uns herumtragen! Recht bildhaft ist es uns da gelungen, unsere Willensschwäche zu benennen. Die therapeutischen Ratschläge im Umgang mit diesem Tierreichen vom Kampf bis zum Schmusekurs. Anfangs ein treffender Begriff für rational unerklärlich auftretende Willensschwäche, ist er heute, durch Kommerz und inflationsartigen Gebrauch, zu einer augenzwinkernden, sozial anerkannten Entschuldigung für Willensschwäche, für emotionales Handeln wider besseren Wissens degradiert worden. Kurz, wir haben uns schon ganz gut mit ihm arrangiert: die einen kämpfen, die anderen schmusen mit ihm, und oft bleibt leider letztendlich alles beim Alten. Voller inbrünstigem, kollektivem Verständnis für uns selbst und die anderen schieben wir fehlende Willensstärke augenzwinkernd auf unseren kleinen Freund. Besessen von diesem Schweinehund, was will man machen? Von Verschiebung bis hin zur Schizophrenie reichen die Umgangsformen. Stand bei Faust noch Mephisto mit diabolischem Blick und listigem Grinsen plötzlich im Raum, haben wir heute unseren kleinen schmuddeligen Gesellen auf dem Schoß. Doch will ich nicht nur auf ihm herumhacken, natürlich kann er uns auch hilfreich sein, indem er benennt und visualisiert. Auch sollte man ihn lieber gern haben, als ihn zu bekämpfen. Ist er nicht schließlich ein Teil von uns?

ErnährungsberatungDoch dann fängt die Arbeit erst an. Die therapeutische Arbeit. Hier sprechen wir wieder von Emotionalität und von Rationalität; von Motivation und Einsicht; von bewusstem Willen und unbewusster Beeinflussung unseres Willens. Denn, so schön es ist, einen griffigen Begriff parat zu haben, so gefährlich ist es auch, wenn damit das eigentliche Thema, besonders ein so facettenreiches, verwässert. Für die Ernährungsberatung ist es wichtig, die Botschaften und Übungen, wann immer es möglich ist, emotional an den Mann, die Frau zu bringen.

Statt rationaler Appelle lieber vermitteln, dass es Spaß macht, dass es Freude bereitet, natürliche Nahrung zu sich zu nehmen, sich zu bewegen.

Nicht: irgendwann zahlt es sich aus, nur: Durchhalten! Sondern, genau hier und jetzt bereitet mir das großes Vergnügen! Es hat sich längst gezeigt, dass jede Drohung mit zukünftigen Krankheiten, ja sogar mit vorzeitigem Ableben oft wirkungslos verhallt. Auch mit Freude in ferner Zukunft zu winken, ist nur ein fader Anreiz, will unser Schweinehund doch immer sofort seinen Spaß haben. Es ist ein hoher Anspruch an Gestaltung und Vermittlung in Kursen und Beratungen: Freude und Begeisterung an einfachen Dingen zu entfachen. Zu lehren, den Willen, die Aufmerksamkeit bewusst einzusetzen und damit gewissermaßen den inneren Schweinehund zu transzendieren.

Sind Rückfälle Zeitreisen?

ErnährungsberatungMan muss nicht die Quantenphysik heranziehen, um bei genauer Betrachtung festzustellen, dass man bei einem Rückfall nie, wirklich niemals wie der zum Ausgangspunkt zurück fällt. Nein, noch nicht einmal ein Stückchen, weder zeitlich noch inhaltlich, noch stofflich. Geht nicht! Was passiert denn bei einem Rückfall? Man hat ein Ziel vor Augen, hat sich zurechtgelegt, wie man es am besten erreichen könnte, und dann passiert etwas, was mit dem Zurechtgelegten nicht übereinstimmt. Mit Blick auf das Ziel nennen wir das dann Rückfall. Aus unserer Sicht wirft uns also ein Rückfall zurück, das Ziel rückt wieder in weite Ferne. Aber damit nicht genug, denn das eigentliche Übel folgt ja jetzt erst. Ein Rückfall ist passiert: die Zigarette ist geraucht, der Kuchen gegessen, der Yogakurs gelaufen – ohne uns; Beispiele gibt es viele. Fast schon wie ein Reflex passiert dann meist Folgendes: Man stellt mit diesem Rückfall automatisch ein Versagen fest, schlimmstenfalls und gar nicht so selten wird der Plan dann erst einmal ganz gestrichen. Gedanken wie: Ich schaffe das eben nicht – jetzt ist es auch schon egal – muss ich irgendwann noch mal in Angriff nehmen – nächste Woche vielleicht, wenn der Geburtstag von Mama vorbei ist; besser noch, die Woche drauf, denn über Ostern – passt ganz schlecht … Das Ergebnis ist: aufgeben, aufschieben und ein mieses Grundgefühl mit einer Prise Versagen oben drauf. Das alles nur, weil es ein „Rückfall“ war.

Ein Rückfall impliziert ja gerade zu, dass man wieder von vorn anfangen muss, zurück auf Start.

Was praktisch völlig unmöglich ist! Fest steht zunächst, dieses Wort bringt uns nicht weiter. Unser Leben ist schließlich kein Tischtuch, dieser so genannte Rückfall kein Kaffeefleck: wenn schon ein Fleck drauf ist, dann kann ich ja munter weiter kleckern! Wir haben beim nächsten Anlauf kein sauberes, unbeflecktes Tuch vor uns. Diese Flecken bleiben ein Leben lang, heißen Erfahrungen – und bekanntlich bringen uns Erfahrungen nach vorn und nicht zurück. Also, halten wir fest: Ein „Rückfall“ ist kein Fleck und kein Makel.

Er ist eine Situation, die statt gefunden hat und die wir weder ungeschehen machen können noch überbewerten sollten. Stattdessen verdient sie neugierige Betrachtung, daraus lässt sich doch lernen: Wie kam es dazu? Auslöser? Ist das immer so, wenn…? Wie habe ich mich gefühlt? Was ist vorher passiert? – Genau dafür haben wir unser Bewusstsein, damit wir über Ereignisse reflektieren können. Bestenfalls bringen uns die Ergebnisse weiter voran, doch niemals werfen sie uns zurück. Immerhin, wir haben uns wieder etwas näher kennengelernt. Wann lernt man Freunde und Partner am besten kennen? Richtig, in schwierigen Situationen! Ich bin dafür, den Begriff „Rückfall“ aus dem emotionalen, therapeutischen Bereich zu streichen und durch „Vorfall“ zu ersetzen. Denn das bedeutet: nicht mehr ärgern und wieder zurück auf Los, sondern, neugierig betrachten, daraus lernen und weiter geht’s!

Rosa Elefanten!

ErnährungsberatungKönnen wir beweisen, dass unser Unbewusstes Negationen ignoriert? Nein, natürlich nicht, wäre es doch sonst nicht unbewusst. Dass wir uns aber etwas nicht vorstellen können, daran besteht kein Zweifel. Auch verstehen Kinder erst mit wachsendem (Selbst-)Bewusst sein, was so ein „nicht“ für sie alles bedeuten könnte.

Das spricht sehr dafür, dass sich auch im Unbewussten sehr wenig oder gar nichts mit „nicht“ abspielt. Auf der rational-abstrakten Schiene kommen wir ganz gut zurecht mit dem „nicht“. Schwierig wird es nur, wenn es um emotional besetzte Themen geht, wenn das limbische System aktiv wird, unbewusste Eindrücke und Bilder aus alten Zeiten mit ins Spiel kommen. Dann sind Nichtse, Neins, Nies und Verbote wenig hilfreich. So natürlich auch in der Ernährungsberatung, hier finden wir zum Glück kaum noch ein: „du sollst nicht …“, „du darfst nicht …“. Aber es wird, wie ich finde, noch viel zu oft mit dem Pendant des Verbotes, mit der Belohnung gearbeitet. Dieser Mechanismus „Pflicht / Verzicht – Belohnung“ mag zwar öfter einmal Teilerfolge bringen, macht es aber dadurch nur umso gefährlicher, wir haben hier einen Wolf im Schafspelz, um in der zoologischen Terminologie zu bleiben. Dieses Prinzip spielt uns böse in die Karten, denn wir wollen genau das Gegenteil erreichen: Zum Beispiel eine langfristige, auf immer angelegte Veränderung der Ernährungsgewohnheiten. Es mag Menschen geben, die sich ein Leben lang mit Zuckerbrot und Peitsche über Wasser halten. Doch effektiv ist das nicht. Es kostet zu viel Energie, die woanders bestimmt sinnvoller eingesetzt werden könnte. Wie könnte das ohne Belohnung gehen? Kleines Beispiel: Eine Stunde bin ich heute gelaufen, da für gibt es zur Belohnung abends ein Schnitzel und dazu ein Bier. Nein, gefährlich ist hier nicht das Bier, auch nicht das Schnitzel, sondern dass wir uns damit das Laufen vermiesen. Wir müssen soviel Freude am Laufen selbst haben bzw. vermitteln, dass es größte Lust und Befriedigung bereitet zu laufen, laufen zu können, zu dürfen! Sollte das Laufen partout keine Freude bereiten, so gibt es ‘zig andere Möglichkeiten, in Bewegung zu kommen. Da ist für jeden etwas dabei. Aber überall, wo Belohnungen lauern. lauern auch Verbote, Verzicht, Pflichten usw. Spaß, Sinnlichkeit und Kreativität bleiben dann auf der (Lauf-) Strecke. Meiner Ansicht nach kommen diese emotionalen Eigenschaften, sowohl inhaltlich als auch in der Art und Weise der Vermittlung immer noch viel zu kurz in der Ernährungsberatung, wo doch das Fehlverhalten zum größten Teil emotional geprägt ist.

Weiterhin kann auch eine ganze Beratung den Rosa-Elefanten-Effekt hervorrufen, nämlich dann, wenn sie bei einer bestimmten Klientel zu einseitig auf die Nahrung und das Ernährungsverhalten ausgelegt ist. Genauer: Bei der Beratung von Anorexie- / Bulimiepatienten hat man längst erkannt, dass es besser ist, durch die Beratungen die Aufmerksamkeit nicht unnötig auf die Ernährung und die bereits sehr ausgeprägte Selbstkontrolle zu verstärken. Ebenso der Ansatz bei der Orthorexia nervosa. Die Grenzen von „normalem“ Essverhalten und einer diagnostizierten Essstörung sind sehr fließend. Auch jemand, der sich schon sein halbes Leben durch Glyx & Co. gegessen hat, verfügt meist über ein gutes Wissen in Sachen Ernährung und Nahrungsmittel, kennt sich gut aus im Light-Dschungel der Lebensmittelregale, beschäftigt sich also so wie so schon mehr als normal mit den Themen Ernährung und Nahrungsmittel.

Viele, die einen Hang dazu haben, sich ständig mit Essen zu beschäftigen, die mit ihrer Figur hadern, ob zu Recht oder nicht, tendieren dazu, dem Thema Ernährung sehr viel Platz in ihrem Leben einzuräumen. Nicht selten konsultieren sie auch gern Ernährungsberater / Food coaches, wenn man sie nicht so gar in der Ausbildung zum Ernährungsberater trifft. Besteht beiderseits, beim Ratsuchenden und beim Berater, ein aufrichtiges Interesse an der ursächlichen Auflösung des Problems, muss in der Beratung auch genügend Raum sein, das Hauptthema zu verlassen, so dass sie nicht ständig nicht an einen rosa Elefanten denken müssen.

Bei der Ernährungsberatung klären wir auf und schließen Wissenslücken. Das ist ein wichtiger Teil Aufklärungsarbeit, die wir für alle leisten. Ungesunde Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten werden wir dadurch allein aber nicht ändern! Hierzu müssen wir abtauchen in den Streichelzoo, rosa Elefanten sichtbar werden lassen, Schweinehunde analysieren und Vorfälle betrachten lehren. Dabei das Wichtigste: Freude entfachen! Es muss Spaß machen; viel Lachen, viel intensives Erleben, mit allen Sinnen!

Konstanze MoosKonstanze Moos
ist praktizierende Ernährungs- und Diätberaterin mit Schwerpunkten Onlinebegleitung und persönliche Beratung bei Ernährungsumstellungen und Gewichtsreduzierung. Ihre Ausbildung in klassischer Homöopathie unterstützt sie bei der Erstellung aussagekräftiger Profile während der Erstanamnese.
Kontakt: www.genugda.de

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