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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/2011

Trennung! Eine Chance für die Kinder

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© Tatyana Gladskih I - Fotolia.comWenn Paare sich trennen, haben sie in der Regel genug mit sich selbst zu tun. Besonders prekär kann eine Trennung werden, wenn Kinder betroffen sind. Auch wenn die elterliche Trennung für ein Kind langfristig sicher besser ist, als in einer Atmosphäre permanenter Aggression oder dauernder Machtkämpfe aufzuwachsen – wenn die Eltern auseinandergehen, sind die Kinder besonders auf die Hilfe von Vater und Mutter angewiesen.

Ob es sich um die Eltern im leiblichen Sinne oder um die entsprechenden prägenden Bezugspersonen handelt: Für Kinder und Jugendliche sind die Eltern selbstverständlich. Vielleicht nicht in der Form und dem Umfang, wie sie sich das wünschen würden, aber die Eltern sind der feste, auf ihre Art verlässliche Bezugsrahmen, in dem Kinder sich bewegen und aufwachsen. Wer sich das vor Augen hält, kann besser einschätzen, wie – vorsichtig formuliert – irritierend die elterliche Trennung für Kinder und Jugendliche ist. Gerade kleinere Kinder können durch das Wegbrechen dessen, was bislang als feste Basis galt, schwere Entwicklungsstörungen erleiden.

Das gilt auch dann, wenn das elterliche Zusammenleben längst nicht mehr von Harmonie geprägt war. Kinder sind in einer Weise von ihren Eltern abhängig und auf sie fixiert, die kaum zu überschätzen ist. Das verdeutlicht auf eindringliche Weise der Polizeialltag: Wenn die Beamten beispielsweise im Falle häuslicher Gewalt einschreiten müssen und den Mann als Gewalttäter in Gewahrsam nehmen, kommt es nicht selten vor, dass der kleine Sohn, der noch vor Minuten vom Vater schwer geschlagen wurde, versucht, den Schläger aus der Obhut der Polizei zu befreien – er ist immerhin sein Vater. Das Kind überwindet seine Angst vor den „Großen“ (die noch dazu Uniformträger sind) und greift sie physisch an, weil es nicht sein kann und sein darf, dass dem Vater etwas passiert. Solche Situationen sind für Polizeibeamte belastend – um wie viel mehr dann erst für das Kind?

Dass es so weit nicht kommen sollte, liegt auf der Hand. Wenn die Beziehung wirklich nicht mehr funktioniert, ist die Trennung nicht nur für die betroffenen Erwachsenen, sondern auch für die Kinder die beste Lösung. 

© alephnull - Fotolia.comDer Haken für viele in Trennung lebende Paare: Zum einen sind sie in dieser Phase naturgemäß sehr mit sich selbst befasst. Schließlich ist eine Trennung nach vielleicht etlichen Jahren des Zusammenlebens auch für einen Erwachsenen kein Pappenstil. Und dann ist nicht jedes Kind dazu in der Lage, offensiv mit seinen diffusen Ängsten umzugehen, sie beim Namen zu nennen. Auch unterscheiden sich die Methoden, mit denen Kinder die elterliche Trennung bewältigen wollen, sehr: Während die einen sich in sich selbst zurückziehen, brechen andere aus ihrem bekannten Umfeld aus. Manche orientieren sich stärker als bisher auf einen Elternteil. Andere versuchen mit Psychospielchen und Manipulation, die Eltern wieder zu versöhnen oder gegeneinander auszuspielen.

Fast jedes Kind ist im Falle der elterlichen Trennung – vor allem, wenn sie aus Sicht des Kindes überraschend erfolgt – versucht, die Schuld dafür bei sich zu suchen. Die Eltern sollten dem Kind unbedingt erklären, dass die Schuld für die Trennung nicht beim ihm liegt und dass sie ausschließlich die Verantwortung tragen. Aus Erwachsenen-Sicht mag das keinen Sinn machen; das ändert aber nichts am Empfinden des Kindes.

Ist die Trennung vollzogen, neigen viele Kinder dazu, sich zu einer Art „Ersatzpartner“ zu stilisieren. Dahinter steckt oft der kindliche Wunsch, das Leid der verbliebenen Bezugsperson zu lindern und auf diese Weise zumindest die Mutter oder den Vater bei sich zu behalten. Auch in diesen Fällen sind Obacht und Verantwortungsgefühl beider Eltern gefragt.

Doch egal, wie sich die Kinder im Einzelfall verhalten: Das Wegbrechen ihres wichtigsten Bezugssystems kann sich vor allem für kleinere Kinder fatal auswirken. Die Folgen können lebenslange Verlust- und Trennungsängste, im schlimmsten Fall sogar der Verlust des Urvertrauens sein. Dass ein junger Mensch, der von Verlustängsten oder fehlendem Urvertrauen geprägt ist, sich seinerseits später in einer Beziehung schwer tun wird, liegt auf die Hand. Mangelndes Selbstvertrauen und fehlendes Vertrauen in andere Menschen, Minderwertigkeitsgefühle, unter Umständen sogar Bindungsunfähigkeit machen dem Betroffenen wie auch den späteren Partnern das Leben schwer.

Aus Rücksicht auf die Kinder auf die offenbar unumgängliche Trennung zu verzichten, hilft in der Regel niemandem – also auch nicht den Kindern, die sehr genau merken, dass etwas nicht stimmt und entsprechende Prägungen ihrerseits ins Erwachsenenalter mitnehmen werden.

Im Trennungsfall ist es gleichwohl wichtig für Kinder, dass sie über Alternativen und Ergänzungen zu den bisher sicheren Bezügen verfügen – über seelische „Rettungsinseln“, die es ihnen erlauben, sich trotz des bedrohlich erscheinenden Verlusts an Sicherheit noch sicher zu fühlen. Es gilt, dem Gefühl der kindlichen Hilflosigkeit entgegenzuwirken. Wenn das gelingt, können Kinder aus der Trennung der Eltern sogar einen Nutzen ziehen: Man darf sich ruhig einmal streiten, man kann sich sogar trennen, und die Welt geht trotzdem nicht unter. „Ich bin sicher. Ich darf ich sein, ich muss mich nicht verbiegen, ich brauche keine Angst vor Strafe zu haben und ich werde immer noch geliebt.“ Dem Kind diese Überzeugung – sprich: dieses Urvertrauen – zu vermitteln, ist eine der wichtigsten Kernaufgaben der Eltern. Das gilt umso mehr im Falle einer Trennung.

Das ist leicht geschrieben, aber schwierig zu erreichen, nicht zuletzt wegen des geschilderten differenzierten Umgangs der Kinder mit der elterlichen Trennung. Für die Eltern lohnt es sich, in diesen Fällen auf professionelle Hilfe zurückzugreifen, und zwar auch im eigenen Interesse. Mithilfe eines Psychologischen Beraters/Therapeuten können Eltern lernen, sich in der Trennungssituation ein Stück weit von der eigenen Betroffenheit zu lösen und den Blick frei zu machen für die – platt gesagt – „elterliche Fürsorgepflicht“, womit vor allem die seelische Komponente gemeint ist: Es ist eine Herausforderung, die „Sprache“ des Kindes zu verstehen, seine Ängste und Befindlichkeiten wirklich zu erfassen und darauf angemessen zu reagieren. Das bedeutet zunächst einmal: nicht aus der „abgeklärten“ Sicht eines Erwachsenen, denn die hilft einem Kind nur bedingt und auch nur, wenn es sich verstanden fühlt.

Ein Fachmann oder eine Fachfrau können außerdem helfen, die Mechanismen, die – unterschwellig – das Miteinander belastet und zur Trennung beigetragen haben, bewusst zu machen und diese Mechanismen aus dem Leben mit den Kindern herauszuhalten. Unter fachlicher Anleitung fällt es den Eltern leichter, einen angemessenen Umgang mit dem Expartner, aber auch mit den Kindern zu finden. Gerade in diesem Punkt können sich für Männer und Frauen ganz neue Erfahrungen ergeben: Sie erleben sich, häufig zum ersten Mal, im Miteinander – als gleichgestellte Partner. Gemeinsam stellen sie sich der Aufgabe, die Trennung für alle Beteiligten erträglich, im Idealfall sogar mittelfristig gewinnbringend zu gestalten. Davon profitieren die Kinder, aber selbstredend auch die Erwachsenen.

Jens Heckmann
Jens Heckmann
Marketing- und PR-Berater für Unternehmensgründer und Psychotherapie-Praxen
heckmann@taurus-target.com

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