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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 2/2012

Fallstudien aus der Tierheilpraxis: Knalltrauma und Stress

Cover

Patient: Podenco-Ibicenco-Rüde Amigo, 5 Jahre

Anamnese

© Ricardo PilgujEin paar Tage vor Silvester gehe ich mit unserem Podenco-Ibicenco Rüden spazieren, als einige unachtsame Jugendliche eine Böllerbatterie in unmittelbarer Nähe zünden. Der Rüde hat bis zu diesem Zeitpunkt nie Angst oder Unsicherheit bei Knallgeräuschen gezeigt, doch nun ist er verstört. Die intensiven Lichtblitze und die lauten Geräusche lösen bei ihm großen Schrecken und Panik aus, er schreit, jault und zittert, eine Ansprache ist nicht möglich.

Therapie

Aufgrund der heftigen Reaktion steht fest, dass es sich hier um eine schockartige Angst handelt. „Ein Trauma ruft eine biologische Reaktion hervor, die fließen und anpassungsfähig bleiben muss, also nicht erstarren darf.“ (Levine/Pilguj vgl. Paracelsus Magazin 06/2011, S. 35) Da der Hund auf das Kommando „Go“ (= schnelles Laufen) konditioniert ist, reagiere ich sofort, gebe das Kommando und renne mit dem Hund an der Leine los, um die extreme freigesetzte Energie zu entladen. Durch das vorausgegangene Kommando „Go“ ist das Loslaufen kein Fliehen oder vor Angst weglaufen. Zuhause beginne ich entsprechende Stressreduktionspunkte (LG 20, LG 24,5 sowie Stressreduktionpunkte aus dem Humanbereich, die sogenannten Positiv Punkte NI 27, KG 17) bei dem noch erregten Hund zu halten, die bei Stress, Panik und Trauma nach Dr. med. vet. habil. Draempaehl und M. Gach empfohlen werden.

Verlauf

Der Hund wird merklich entspannter und nach einiger Zeit legt er sich schlafen. Die Knallerei um Mitternacht bringt den Hund nicht aus seiner Ruhe. Die sofortige Reaktion und somit auch die Entladung der gewaltigen Energie der traumatischen Angst durch das Laufen und das spätere Halten und Massieren von Stressreduktionspunkten ist eine Möglichkeit, damit sich die traumatische Erfahrung nicht „festsetzen“ kann, sondern gelöst wird.


Patientin: Spitzmischlingshündin Gini, 3 Jahre

Anamnese

© Ricardo PilgujGini zeigt durch ihr hektisches Hin-und-her-Laufen ein unruhiges Verhalten. Auf Ansprache reagiert sie ängstlich und weicht aus, hat sie aber Distanz, fängt sie an zu knurren. Sie wirkt insgesamt sehr gestresst und nervös. Aufgrund rassespezifischer Eigenschaften ist die Hündin außerdem sehr territorial veranlagt und verbellt alles und jeden in extremer Erregung, was sich auch nur dem Haus oder Grundstück nähert. Der Schlafplatz von Gini steht vor der Terrassentür und hat direkten Blick zum Eingang der Zugangstür zum Grundstück. Die Hündin kann keine Ruhe finden und ist ständig in „Hab-Acht-Stellung“. Sobald ein Besucher auftaucht, bellt sie und springt heftig gegen die Scheibe. Ein weiteres Problem ist, dass die Hündin direkten Zugang zum angegliederten Beauty-Salon hat und auch dort die Kunden verbellt.

Therapie

Der erste Schritt ist, einen neuen Schlafplatz für den Hund zu finden. Der gutgemeinte Gedanke der Besitzerin war, dass sich der Hund nicht langweilen solle, aber der Stressfaktor ist zu groß. Der Schlafplatz soll eine Ruhezone und ein Ort des Rückzugs sein, wo sich ein Hund gut entspannen kann und zur Ruhe kommen soll. Bei Gini wird das Körbchen in eine ruhige Ecke verlegt. Die Sicht zur Straße hin wird genommen, die Jalousien werden heruntergelassen und eine Pflanze soll die restliche Sicht versperren. In kleinen Trainingsschritten lernt die Hündin, bei unbekannten Geräuschen oder Klingeln in ihrem Körbchen zu bleiben. Der Kontakt mit Kunden ist erst einmal ein Tabu, die Hündin soll nur im Wohnbereich bleiben. Ergänzend wird der Besitzerin eine körperliche und geistige Auslastung mit viel Spiel und Spaß für den Hund empfohlen.

Verlauf

Schon nach wenigen Tagen wird die Hündin merklich sanfter und kann endlich zur Ruhe kommen und schlafen. Die neue Ruhezone wirkt Wunder. Die nervöse Unruhe und Hektik haben sich erheblich verringert, dies hat positive Auswirkungen auf das Gesamtverhalten der Hündin. Durch das Training lernt die Hündin im Körbchen zu bleiben und rennt nicht sofort bei jedem Geräusch zur Terrassentür. Durch das gemeinsame Spiel, Toben und das Üben von ein paar Tricks ist Gini ausgelastet und nicht mehr so überdreht und hektisch. Auch wenn sie aufgrund ihrer Veranlagung immer eine Tendenz zu einer gewissen Unruhe haben wird, ist es wichtig, alle unnötigen auslösenden Stressfaktoren so gering wie möglich zu halten.

Sabina Pilguj Sabina Pilguj
Hundeverhaltensberaterin und Tierpsychologin, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Dozentin an den Paracelsus Schulen
sabiza@t-online.de

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