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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 5/2013

Traumarbeit in Coaching & Therapie

Cover

© Andreas P - Fotolia.comDer Traum ist, laut C. G. Jung, ein Ausdruck menschlichen Bewusstwerdens des inneren Triebes nach Selbstverwirklichung. Der Traum zeigt, was der Träumer während des Schlafens denkt: Er befasst sich mit sich selbst, mit seinen intimsten Gedanken, mit ihm nahestehenden Personen, mit Konflikten, Ängsten und Sorgen.

Träume enthüllen objektive Wahrheiten, denen der Träumer mit seinem Tagesbewusstsein aus dem Weg geht. Der Traum ist eine natürliche, aus den Archetypen des kollektiven Unbewussten stammende Äußerungsform des Unbewussten.

Träume zeigen uns, wann wir wie ein Kind handeln, uns unangemessen verhalten und welche Lösung es für uns gibt.

Träume konfrontieren uns mit unseren Schatten, den blinden Flecken, solange, bis wir hinsehen. Dabei sind Träume ausdauernd, manchmal erschreckend, damit wir endlich aufwachen, aber immer wohlwollend.

Wir verstehen oft die Welt nicht: Warum passieren uns z.B. immer wieder die gleichen Dinge, warum ziehen wir immer die gleichen Katastrophen und Menschen an? Träume lassen uns erkennen, welche Entwicklung ansteht, wo wir erwachsen werden sollen und wie wir es werden können.

Schon Kinder träumen von Werten, die sie ein Leben lang vertreten werden. Im Traum erkennen wir die eigene wahre Natur.

Träume ermutigen uns, uns von Bewertungen zu verabschieden, anders zu sein als erwartet oder gelernt, und uns unseres wahren Selbst zu bedienen und uns nicht zu verleugnen.

© andreiuc88 - Fotolia.comIn der gesamten Menschheitsgeschichte war es selbstverständlich, dass Träume als Träger göttlicher Botschaften galten und prophetischen oder heilenden Charakter hatten. Im antiken Griechenland war der Kult des Asklepios sehr beliebt. Er heilte mit Traumbildern: Der Kranke begab sich zu einem der Heiligtümer des Asklepios (Kos oder Epidauros). Nach einer Vorbereitung und rituellen Reinigung wurde der Kranke auf die Kline (Schlafbank) gelegt. Dann begann der Tempelschlaf. Die Tempelpriester wussten bereits um die Wichtigkeit der REM-Phasen (REM: Rapid Eye Movement), die ein Zeichen für die Traumaktivität sind. Die Priester weckten die Patienten immer genau dann, wenn sie solche Augenbewegungen bemerkten. Der Kranke erwachte und erzählte seinen Traum. Dadurch wurde die Heilung des Patienten initiiert. Die Heilung wurde darin gesehen, dass die Traumbilder dem Träumer gerade das vorstellten, was er in seinem Alltagsleben zu wenig beachtete. Hier wurde also mit dem Mythos geheilt. Mythos heißt soviel wie Rede, Erzählung, Sage, und ist eine Erzählung, die nicht logisch begründbar ist.

Das folgende Traum-Beispiel stammt von einem Filmbeitrag über alternative Heilmethoden und ist gleichzeitig eine Traumserie. Dieses Beispiel zeigt auf, wie Sie als Therapeut einen Kranken begleiten können, seinen eigenen Weg durch den Therapiedschungel zu finden. Wer weiß am besten, was gut für einen ist? Das ist der Träumer selbst.

Ein Mann mit einer schweren Hautkrebserkrankung sollte sich einer fast aussichtslosen Chemotherapie unterziehen. Er zweifelte sehr, ob dieser Behandlungsweg für ihn der richtige ist. In dieser schwierigen Entscheidungssituation erinnerte er sich an folgenden Traum: Ich gehe zu Fuß einen Weg durch einen Wald entlang und spüre große Gefahr, obwohl alles ruhig und friedlich ist.

Sind wir im Traum zu Fuß unterwegs, heißt das, dass wir uns individuell mit jedem Schritt unseren Weg durchs Leben bahnen. Der Wald als Traumort steht hier dafür, dass die Sicht behindert ist, der Träumer vielleicht gerade den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Der Wald steht auch für unser Unbewusstes. Hier ist die Kombination, von zu Fuß im Wald unterwegs zu sein, eine Entsprechung für die Situation, in der sich der Träumer gerade befindet. Er muss jeden neuen Schritt selbst entscheiden. Es kommt etwas ans Licht, was vorher unbewusst war, also nicht gewusst wurde. Der Mann wurde von der Nachricht seiner Krebserkrankung unerwartet getroffen. Alles schien ruhig und friedlich in seinem Leben. Die Gefahr seiner Erkrankung mag er trotzdem gespürt haben und deswegen auch einen Arzt aufgesucht haben.

Ich überquere einen Bahndamm, und als ich mich genau auf der Mitte der Gleise befinde, kommt ein Zug aus dem Nichts auf mich zugerast. In letzter Minute kann ich mich retten und meinen Weg fortsetzen – dabei denke ich: „Gott sei Dank habe ich die Gefahr überwunden!“

Man stelle sich die Situation auf dem Bahndamm in Wirklichkeit vor: Das Herzklopfen, die Aufregung werden spontan lebendig. So muss sich der Mann gefühlt haben, als er von seiner Erkrankung erfuhr. Möchte man in so einer Situation nicht einen Sprung machen, heraus aus dieser Wirklichkeit, weg vom Problem? Der Bahndamm steht hier für einen Platz, an dem man sich leicht in Gefahr befindet. Dem heranrasenden Zug kann der Träumer in letzter Minute ausweichen. Wichtig ist hier auch, dass er nicht zurückweicht, sondern seinen Weg fortsetzt. Es geht also weiter im Leben. Der heranrollende Zug ist hier ein Symbol für das oft unaufhaltsam heranrollende Schicksal, das uns überkommt und nicht selten umwirft. Denken wir im Traum, dann sind unsere Gedanken wie direkte Botschaften an uns, die nicht gedeutet werden müssen. Gott sei Dank habe ich die Gefahr überwunden, ist die frohe Botschaft an den Träumer; du wirst die Gefahr des Todes, die eine Krebserkrankung mit sich bringt, überwinden.

In einiger Entfernung sehe ich eine Menschenmenge, die eine Party feiert und ich gehe darauf zu.

Wenn es etwas zu feiern gibt, dann ist das häufig das Geschenk des Lebens, unser Geburtstag. Der Mann geht auf die Feiernden zu, hat also allen Grund zu feiern. Eine weitere Bestätigung, dass seine Erkrankung nicht tödlich enden wird.

Dieser Mann, der sich als sehr konservativ und rational beschrieb, sah im Traum die Möglichkeit, dass er eine Chance hat, zu überleben. Er nahm also die Aussage „Gott sei Dank habe ich die Gefahr überwunden!“ wörtlich und entschloss sich, eine alternative Heilmethode auszuprobieren, bei der dem Krebs mit Schwitzkuren der Garaus gemacht werden soll. Die Therapie verlief mit Höhen und Tiefen und er war sich unsicher, ob er die Therapie weiterverfolgen sollte. Da kam der zweite Traum:

Ich stehe an einer Weggabelung. Ein normaler Weg, auf dem viele Menschen bequem vorankommen und ein einsamer Pfad, der mit einer schönen Aussicht belohnt wird.

Träume können sehr kurz sein und eine große Tragweite besitzen. Das Gefühl, das den Traum begleitet, gibt ihm einen besonderen Wert. Der Träumer erwachte mit einem Gefühl tiefer Dankbarkeit. Wir stehen häufig an Weggabelungen in unserem Leben und müssen uns entscheiden. Es gibt Wege, die jeder nimmt, weil sie gut beschrieben, erprobt und für erfolgreich befunden wurden. Nur so verschieden die Menschen sind, so unterschiedlich sind auch die Wege, die sie zum Erfolg bringen. Hier gilt der Satz: „Wer heilt, hat recht!“ Der normale Weg steht in der Situation des Träumers für die häufig angewendete Chemotherapie, eine Therapie, bei der ein viel erprobter Pfad vorgegeben ist und sich der Patient nicht ständig neu entscheiden muss. Der einsame Pfad ist der Pfad, den der Träumer beschreitet. Die wenigsten kennen die Therapieform, mit der er den Krebs besiegen will. Die Belohnung ist eine schöne Aussicht. Die Aussicht auf Heilung. Also entschied sich der Mann, die ungewöhnliche Therapie weiterzuverfolgen und wurde von seiner Erkrankung geheilt. Da Krebs als heimtückische Krankheit gilt und nach Jahren wieder ausbrechen kann, machte sich der Mann Gedanken, ob das bei ihm auch der Fall sein wird. Da hatte er seinen dritten Traum:

Ich gehe einen Pfad hoch bis zum Gipfel und schaue ins Tal. Ich sehe mich selbst leben und in diesem Moment weiß ich, dass ich geheilt bin.

Wenn Sie im Traum plötzlich etwas wissen, vertrauen Sie darauf: Es entspricht der Wahrheit! Dieses Bild bedarf keiner Deutung. Die Glücksgefühle, die diesen Traum begleiteten, bürgen für den Wahrheitsgehalt. Träume erlauben uns gelegentlich einen Blick in die Zukunft, der hier durch einen Blick von hoch oben hinunter ins Tal symbolisiert wird.

Die Traumarbeit ist eine eigenständige Therapieform. Jeder Mensch kann sich von seinen Träumen durchs Leben begleiten lassen. Therapie ermöglicht und beschleunigt Heilung und beseitigt oder lindert Beschwerden. Wir alle leiden an Situationen, die sich nicht nach unseren Wünschen gestalten, wir leiden unter unseren Mitmenschen, wir leiden an uns selbst, wir leiden unter Gefühlen der Einsamkeit, des Abgelehntwerdens, des Missverstandenwerdens usw. So können wir alle durch den richtigen Umgang mit unseren Träumen heil und ganz werden. Eine Krankheit ist die letzte Wahl, die ich treffe, wenn ich anders nicht mehr mit einem Problem umgehen kann. Auch wenn es für einen Außenstehenden nicht so erscheinen mag, so ist die Wahl, die ich treffe, immer meine momentan bestmögliche, auch wenn es eine Krankheit ist. Jedes Problem, ob körperlich, geistig oder seelisch, ist eine Chance, etwas über mich zu erfahren und einen großen Schritt weiter zu kommen.

Das Wichtigste in der Traumberatung ist, dass der Träumer mit der Deutung etwas anfangen kann. Auch für Freud war die Assoziation des Träumers entscheidend. Jung ging sogar soweit, niemals auf einer Deutung zu bestehen, selbst wenn er von der Richtigkeit der Deutung überzeugt war. Solange der Träumer nicht mit einer Deutung einverstanden ist, ist es zwecklos, ihn überzeugen zu wollen. Der Träumer geht dann in den Widerstand. Wenn er innerlich soweit ist, einen Entwicklungsschritt zu tun, dann ist er offen für die Deutung, vorher eben nicht. Selbst wenn ich einen Traum falsch verstehe und mein Leben mit dem blinden Fleck weiterlebe – es werden immer wieder Träume kommen, die versuchen, es mir anders zu zeigen, bis der Groschen fällt. Entwicklung braucht Zeit.

Die Träume beschäftigen sich immer genau mit dem Thema, das grade zentral ist. Sie haben mit Ihren Träumen eine nie versiegende Quelle, einen ganz individuellen Guide, der Ihnen sagen kann, wo es langgeht. Wenn Sie einen Guru haben, dann streben Sie zuerst danach, es dem Guru gleich zu tun. Sie lernen an seinem Beispiel, verehren ihn, wollen so erleuchtet werden wie er. Stellen ihn vielleicht auf ein Podest, einen Altar und eifern ihm nach. Ein sehr bekannter Guru, Bhagwan, hat gesagt: „Bei der spirituellen Entdeckung musst du zu Fuß gehen und deinen Weg gehend erschaffen.“ Das erinnert mich jetzt sehr an den Waldweg unseres Träumers, der an Krebs erkrankt war. Er setzte einen Fuß vor den anderen und nutzte seine Träume, um die richtigen Abzweigungen zu nehmen und voll Vertrauen weitergehen zu können. So können auch Sie auf Ihre Träume achten und den jeweils nächsten Schritt erträumen, Tag für Tag. Keiner braucht Ihnen mehr zu sagen, wo es lang geht. Sie haben die Anleitung sozusagen in der Tasche. Holen Sie sie heraus, lesen Sie darin, verstehen und gehen Sie den nächsten Schritt. Jeder von Ihnen hat seinen ganz individuellen nächsten Schritt und seine ganz individuelle Anleitung in der Tasche.

Immer wieder stellt sich die Frage, warum die Träume meist in so verschlüsselter Form sprechen. Träume entstehen als Erscheinungsform des Unbewussten, das assoziativ und passiv, ohne Einmischung des bewussten Ich agiert. Der Traum ist ein seelisches Produkt. Seine Themen sind die Trieb- und Affektzustände, Probleme, Wünsche und Ängste, die wir uns im Wachbewusstsein nicht eingestehen wollen. Die Träume müssen im Moment des Erwachens am Bewusstsein, das wie ein Wächter unser Selbstbild hütet, vorbei. Und das schaffen sie am besten, wenn sie unser Bewusstsein nicht bedrohen und Bilder erzeugen, in denen es kaum oder erst mal gar keinen Sinn sieht. Meines Erachtens wirken Bilder, mit denen ich mich auseinandersetze und dann einen Sinn darin erkenne, viel tiefer als deutliche Worte. Der Mensch wird von Malerei, einem Gedicht oder Musik soviel mehr berührt als von Informationen. Außerdem wirkt ein Traum auf die Seele des Menschen wie echt Erlebtes, obwohl es „nur“ innere Bilder sind. Menschen können beim Erzählen von Träumen sehr bewegt sein, weil die Gefühle des Traumes sofort wieder lebendig werden. Die großen Traumlehrer und Psychologen sind sich einig, dass der Traum eine Botschaft an sich selbst ist, die Aufschlüsse über persönliche Probleme und ungelöste Konflikte gibt. Die Bilder der Träume haben eine Wirkung, die wir mit dem Wachbewusstsein kaum erfassen können. Aber sie wirken tief und nachhaltig. Manche Träume vergisst man ein Leben lang nicht.

Was können Träume?

  • Träume machen uns auf Dinge aufmerksam, die wir im Wachzustand übersehen haben – der Traum sagt mir immer etwas, was ich nicht weiß oder was ich nicht sehen will.
  • Träume spiegeln unsere destruktiven Verhaltensmuster und Vorurteile.
  • Träume zeigen uns verborgene Talente und Anlagen und helfen uns herauszufinden, was wir gerne tun wollen.
  • Träume machen uns die inneren Widersprüche unserer Persönlichkeit bewusst.
  • Träume sind Sprungbretter in neue Erfahrungen und lassen uns spielerisch träumend Neues ausprobieren.
  • Träume helfen uns, selbst und das ganze Universum, in dem wir leben, zu verstehen und zu erweitern. Sie helfen uns, Entscheidungen zu treffen.
  • Träume bringen uns dazu, Probleme früher in Angriff zu nehmen, als wir es sonst tun würden, weil wir durch Träume dieser Probleme überhaupt erst bewusst werden.

Nehmen Sie sich jeden Morgen Zeit, Ihren Träumen nachzuspüren, schreiben Sie sie auf oder erzählen Sie sie am Frühstückstisch. Kultivieren Sie Ihre Traumerinnerung und gehen Sie sicheren Schrittes durch Ihr Leben.

Julia SchandriJulia Schandri
Traumberaterin und integraler Coach

julia.schandri@gmx.de

Literaturempfehlungen

  • Farraday Ann, Positive Kraft der Träume, Scherz Verlag, Bindlach, 1996
  • Grön, Ortrud, Ich habe einen Traum, Ludwig Verlag, München, 2009
  • Vollmar, Klausbernd, Das Arbeitsbuch zur Traumdeutung, Hugendubel (Kailash), München, 1994
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