Übersicht dieser Ausgabe    Alle Paracelsus Magazine

aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/2014

Arthrose – Naturstoffe statt Schmerzmittel

Cover

© decade3d - Fotolia.com

Die Arthrose geht häufig mit Schmerzen, gelegentlich auch mit Entzündungen und Bewegungseinschränkungen einher. In der klassischen medikamentösen Behandlung kommen vor allem nichtopioide Analgetika (NSAR), niederpotente Opiodanalgetika oder Kortikoide zur Anwendung. Die genannten Arzneimittelwirkstoffe können ein beträchtliches Nebenwirkungspotenzial (vor allem in der Langzeitanwendung) aufweisen – und dennoch zählen diese Arzneimittelwirkstoffe (speziell NSAR) zu den am häufigsten rezeptierten Medikamenten. In der Naturheilpraxis können Alternativen bzw. auch Adjuvantien zum Einsatz kommen, deren Therapieeffizienz im Wesentlichen von der richtigen Anwendung (Dosierung, Synergismen) abhängt.

 

Bundesweit 30 Millionen Menschen betroffen

Das Ausmaß ist weitaus größer als bislang angenommen.

Die Gelenkerkrankung Arthrose trifft offensichtlich mehr Menschen in Deutschland als bislang vermutet. Die letzte aktuelle epidemiologische Studie (Herner Arthrosestudie = HERAS), die zu dieser degenerativen Erkrankung durchgeführt wurde, förderte erschreckende Daten zutage: Die in Zusammenarbeit mit der Ruhr-Universität Bochum und dem Marienhospital Herne durchgeführte Untersuchung zeigte, dass Gelenkschmerzen eine der häufigsten Symptome bei Menschen jenseits des 40. Lebensjahrs sind. Mehr als die Hälfte der Befragten litten zum Untersuchungszeitraum unter Gelenkschmerzen, etwa 70% waren in den zurückliegenden Wochen von Schmerzen betroffen. Etwa ein Drittel der Befragten klagte über Kniebeschwerden und konsultierte im Schnitt drei- bis viermal pro Jahr einen Arzt. Für Deutschland hochgerechnet ergeben sich hieraus rund zehn Millionen Arztbesuche und, daraus resultierend, Kosten von etwa einer halben Milliarde Euro nur für die ambulante Behandlung von Kniebeschwerden. Während ältere Daten von etwa fünf Millionen betroffenen Arthrosepatienten ausgegangen waren, muss man nun, gemäß dieser Untersuchung, von etwa 30 Millionen Menschen ausgehen, die unter dieser Erkrankung leiden. Diese hohe Inzidenz ist mitverantwortlich dafür, dass nebenlastige Schmerzmittel vom Typ NSAR am häufigsten auf den Rezeptblöcken zu finden sind.

Mögliche Nebenwirkungen der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR):

Magen-Darm-Bereich: Magenbrennen, Erbrechen, Ulzera
Leber: Erhöhung der Leberwerte
Niere: Nierenfunktionsstörungen, Störungen des Wasser- und Mineralstoffhaushaltes
Haut: Juckreiz, Ausschlag, Nesselsucht
Nervensystem: Kopfschmerzen, Schlaf-, Sehstörungen, Depressionen
Allergische Reaktionen: Asthma bronchiale, anaphylaktischer Schock

Naturstoffe – Hemmung der Progredienz als oberste Therapieziele

Die Knorpelstoffe Glucosaminhydrochlorid und Chondroitinsulfat bieten hier grundlegend einen interessanten Therapieansatz. Glucosaminhydrochlorid ist das Salz des natürlich vorkommenden Glucosamins, welches für den Knorpel von erheblicher Bedeutung ist. Es ist Bestandteil der Glykosaminoglykane (Polysaccharidketten), die im Knorpelstoffwechsel eine wichtige Rolle einnehmen. Zu den biologischen Effekten des Glucosamins zählen die Verbesserung anaboler Prozesse, die Inhibierung kataboler Vorgänge im Gelenkbereich und entzündungshemmende Effekte. Dabei wird von einer COX-unabhängigen antientzündlichen Wirkung des Glucosaminsalzes ausgegangen, welche die für COX-Inhibitoren bekannten Nebenwirkungen nahezu ausschließt. Chondroitinsulfat wirkt als „Flüssigkeitsmagnet“: Es sorgt dafür, dass genügend Wasser in den Knorpel eingelagert wird und dieser damit seine schwammartigen Stoßdämpfereigenschaften nicht verliert. Durch das Einschwemmen von Flüssigkeit in das Proteoglykannetz werden zudem wichtige Biostoffe für den Knorpel mitangezogen und damit dessen Nährstoffversorgung verbessert. Darüber hinaus bekämpft Chondroitinsulfat Enzyme, welche die Zufuhr von Nährstoffen blockieren und den Knorpel damit „aushungern“. Beide Substanzen zusammen bilden ein gutes Team, welches dem Gelenkverschleiß entgegenwirkt, Schmerzen lindern und die Entzündungsbereitschaft arthrotischer Gelenke mindern kann.

Eine ganze Reihe von Untersuchungen, die in den USA, Südostasien und Europa durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass die beiden Knorpelstoffe Schmerzen und Beschwerden wirkungsvoll hemmen und die Gelenkfunktion verbessern können, bei guter bis sehr guter Verträglichkeit. Die Substanzen werden, aufgrund der guten Studienergebnisse, zu den strukturmodifizierenden Wirkstoffen gerechnet – man kann somit davon ausgehen, dass der Knorpelstoff in den pathologischen Prozess der Arthrose eingreift und die Progredienz der Erkrankung bremsen kann. Gemäß der vorliegenden Studien kann eine Dosierungsempfehlung von mindestens 1500 mg/Tag Glucosamin- und 1200 mg/Tag Chondroitinsalz gelten. Bislang stand Glucosaminhydrochlorid nur aus tierischer Quelle (z.B. aus Krustentieren) zur Verfügung. Viele Arthrosepatienten haben daher in der Vergangenheit auf die Anwendung des Knorpelstoffs verzichtet, z.B. Vegetarier, Veganer oder Allergiker. Inzwischen liegen Präparate vor, welche das Glucosaminsalz aus pflanzlicher Quelle anbieten. Dies gilt jedoch nicht für das Chondroitinsulfat, welches ausschließlich mit tierischer Herkunft verfügbar ist.

Das dritte Glykosaminglykan im Bunde ist die Hyaluronsäure. Diese ist der wichtigste Bestandteil der Synovia und für die Gleitbewegungen der Gelenke unabdingbar. Die Hyaluronsäure ist in der Lage, große Mengen an Wasser zu binden, wodurch ihre strukturviskosen Eigenschaften erklärt werden können. Die parenterale Anwendung der Hyaluronsäure birgt – wie alle Injektionen – grundlegend die Gefahr einer Infektion. Als Oralia haben sich Hyaluronsäuregaben von 60-80 mg/Tag bewährt.

Mögliche biologische Wirkeffekte der Glykosaminglykane (in Abhängigkeit von einer ausreichend hohen Dosierung)

Unterstützung anaboler Prozesse

  • Verbesserung der Synthese von Glykosaminoglykanen
  • Steigerung der Proteoglykansynthese

Hemmung kataboler Prozesse

  • Inhibierung knorpelabbauender Enzyme Antiinflammatorische Wirksamkeit
  • Hemmung der Interleukin-1β-Freisetzung
  • Inhibierung des Transkriptionsfaktors NF-κB

MSM – Naturstoff mit analgetischer Wirkung

Der Leidensdruck vieler Arthrosepatienten ist groß – ohne Schmerzmittel kommen viele nicht mehr aus. In diesem Zusammenhang sind schwefelhaltige Naturstoffe besonders interessant. Schwefel bzw. schwefelhaltige Bäder waren ja zu allen Zeiten für ihre wohltuende, schmerzlindernde Wirkung bekannt. Häufig kann man im arthrotischen Gelenk ein Defizit an Schwefel feststellen. Trotz chemisch klingendem Namen zählt die schwefelhaltige Substanz Methylsulfonylmethan (MSM) zu den natürlich vorkommenden Stoffen, die man in Lebensmitteln wie Himbeeren, Sauerkraut oder Tomaten ebenso wie in Getränken wie Tee, Bier oder Milch und damit auch im Körperblut nachweisen kann. Interessanterweise ist dieser Naturstoff in der Lage, die Schmerzweiterleitung via Rückenmark zum Gehirn zu unterbinden. Außerdem wirkt MSM abschwellend auf Gelenkergüsse, entzündungshemmend und muskelentspannend.

MSM hat sich mittlerweile, bei guter Verträglichkeit, bei diversen Schmerzzuständen (Gelenkschmerzen, Rückenschmerzen, Verletzungen, Sehnenscheidenentzündung u.a.) bestens bewährt. Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die Erfahrungen des Arztes und Leiters der Portland-Klinik, USA, Professor Dr. Stanley W. Jacob, der auch ein Buch über die Wirksamkeit des MSM bei Schmerzzuständen aller Art publiziert hat: „Tausenden von Menschen, jung und alt, mit verschiedenen chronischen Schmerzzuständen, die oft mit letzter Hoffnung, nach vielen vergeblichen medizinischen Behandlungsregimen zu uns in die Portland Klinik kamen, konnte mit MSM geholfen werden.“ Bewährt haben sich in der Praxis 500-600 mg/Tag. MSM sollte allerdings optimalerweise in Kombination mit den bereits erwähnten Glykosaminglykanen („Knorpelnahrung“) verabfolgt werden.

Brennnessel- und Hagebuttenextrakt

Pflanzenextrakte mit antiinflammatorischer Wirkung: Die Brennnessel ist eine Heilpflanze mit langer Tradition in der Volksheilkunde. Sie wurde vor allem wegen ihrer entzündungshemmenden und diuretischen Wirkung geschätzt. Inzwischen sind die wichtigsten Inhaltsstoffe der Ruderalpflanze analytisch erfasst. Das Kraut zeichnet sich vor allem durch Flavonoide, Phytosterole, Caffeoylchinasäuren und Mineralsalze (Kalzium, Kalium) aus. Aber auch die siliziumhaltige Kieselsäure ist mit einem relativ hohen Gehalt im Brennnesselkraut vertreten. Das Spurenelement unterstützt zusammen mit Vitamin C die Kollagensynthese und ist somit auch für den Gelenkknorpel von Bedeutung. Silizium fungiert weiterhin als wichtiges Verbindungselement zwischen den Kollagenfasern und den Glykosaminglykanen. Die Brennnessel ist in wissenschaftlichen Studien hinsichtlich ihrer durchblutungsfördernden und antiinflammatorischen Wirksamkeit untersucht worden. Es hat sich gezeigt, dass proentzündliche Zytokine wie z.B. IL-2, NF-κB und bestimmte Interferone in ihrer Exprimierung gehemmt werden. In einer In-vitro-Untersuchung, die mit Chondrozyten durchgeführt wurde, konnte belegt werden, dass bestimmte Inhaltsstoffe der Brennnessel (Oxylipine) der Aktivierung der knorpelzerstörenden Metallomatrixproteasen entgegen wirken. Unter der Anwendung der Brennnessel ließ sich in wissenschaftlichen Untersuchungen eine Reduktion der Analgetikumdosis feststellen.

Auch der Hagebuttenextrakt ist, in Zusammenhang mit Gelenkentzündungen, in den vergangenen Jahren mehrfach wissenschaftlich geprüft worden. Die in ihm enthaltenen Galaktolipide wirken ebenfalls der Aktivierung von Entzündungsmediatoren entgegen. Klinische Studien haben gezeigt, dass die Entzündungsmarker (z.B. CRP-Wert) unter der Anwendung von Hagebuttenextrakt signifikant gesenkt werden können. Die bioaktiven Pflanzeninhaltsstoffe der Früchte wirken außerdem antioxidativ und damit den entzündungsbedingten, radikalinduzierten Gewebeschäden entgegen. Ergänzend sollte hier erwähnt werden, dass die Hagebuttenfrüchte besonders reich an Vitamin C sind, welches wie bereits erwähnt als Cofaktor für die Kollagensynthese fungiert und damit zur Strukturverbesserung des Knorpels beitragen kann.

Mögliche Wirkeffekte von Brennnessel- und Hagebuttenextrakt

  • Antiphlogistische Wirkung
  • Antioxidative Wirkung
  • Senkung von Entzündungsmarkern
  • Durchblutungsfördernde Wirkung
  • Verbesserung der Nährstoffversorgung im Knorpel

Zusammenfassung

Die Arthrose ist eine chronisch-degenerative Erkrankung, deren Schmerzproblematik und Progredienz mithilfe von Naturstoffen entgegengewirkt werden können. Die Betroffenen können von einer alternativen oder adjuvanten Gabe der erwähnten Substanzen durch einen Rückgang der Schmerzen, eine Verbesserung der Beweglichkeit und damit auch der Lebensqualität bei häufiger Einschränkung analgetisch wirksamer Arzneimittelformen profitieren. Allerdings sollte unbedingt auf eine studienkonforme, ausreichend hohe Konzentration der Naturstoffe geachtet werden. Weiterhin sind Wirksynergismen zwischen den Knorpelstoffen, Mikronährstoffen wie z.B. Vitamin C sowie MSM und Pflanzenextrakten zu berücksichtigen. In der Praxis ist daher die kombinierte Anwendung empfehlenswert.

 Prof. Dr. rer. nat. Michaela Döll

Prof. Dr. rer. nat. Michaela Döll
Expertin für Ernährungsmedizin und Gesundheitsvorsorge, Autorin

dr.doell@fitness-gesundheit-antiaging.de

2014-01-Arthrose3Literatur

  • Michaela Döll: Arthrose – endlich schmerzfrei durch Biostoffe. Herbig Verlag, München, 6. Auflage, 2012
zurück zur Übersicht dieser Ausgabe
Paracelsus SchulenWir beraten Sie gerne
Hier geht's zur Paracelsus Schule Ihrer Wahl.
Menü