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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/2014

Elektrosensible Tiere?

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Indizien für biologische Effekte durch Mobilfunk

© aotearoa - Fotolia.comHarmlos soll Mobilfunk sein, so wird von offiziellen Stellen stereotyp versichert – und demgemäß wird das weithin für wahr gehalten. Wer Gegenteiliges behauptet, gilt in der Folge als schlecht informiert; man erhebt dann mitunter sogar den Vorwurf, Mitmenschen würden in unverantwortlicher Weise verängstigt. Wer gar elektrosensibel sei und körperlich unter Mobilfunk leide, der sei psychisch gestört.

Schwergewichtige Argumente gegen die bekannte, im Grunde zynische Verharmlosungstaktik angesichts der Strahlenproblematik liegen allerdings längst vor und sind ernst zu nehmen. Ich habe sie als Ethiker in den Büchern „Mythos Mobilfunk“ und „Die digitalisierte Freiheit. Morgenröte einer technokratischen Ersatzreligion“ eingehend dargelegt. Inzwischen ist die Lage noch klarer: Hat doch einer der weltgrößten Rückversicherer, die Swiss-Re, unter dem Titel „Unvorhersehbare Folgen elektromagnetischer Felder“ ihre Kundschaft deutlich vor den Risiken gewarnt, die ihnen die Sparte Produkthaftpflicht bei Mobiltelefonen und Sendeanlagen bescheren könnte. Dieser Rückversicherer unterscheidet bei neu auftauchenden Risiken zwischen potenziell niedrigen, potenziell mittleren und potenziell hohen Risiken. Dabei werden elektromagnetische Felder, die von Sendeanlagen und Mobiltelefonen ausgehen, nun unter die potenziell höchsten Risiken eingereiht – neben dem potenziell ebenfalls als hoch eingestuften Risiko der Nanotechnologie.

Schon vor Jahren hatte Robert Becker, Chirurg und wissenschaftlicher Pionier im Bereich der biologischen Elektrizität und Rehabilitation (zweifach für den Nobelpreis nominiert), unterstrichen: „Ich habe keinen Zweifel, dass die Verbreitung der elektromagnetischen Felder das größte Element in der heutigen Umweltverschmutzung dieser Erde ist.“ Der extrem elektrosensible Funk-Experte Ulrich Weiner, der von Kind an mit entsprechendem Elektrosmog umgeben war und heute nur noch in „Funklöchern“ bzw. gut abgeschirmt leben kann, weiß: „Jedes biologische System (Mensch, Tier oder Pflanze) reagiert auf Funkwellen, auch wenn (z.B. der Mensch) es dies nicht sofort und bewusst wahrnimmt.“ Über die Reaktion von Bäumen habe ich bereits in Heft 3/2013 geschrieben; diesmal will ich über die offenkundige Elektrosensibilität bei Tieren informieren. Denn bei derlei betroffenen Kreaturen kann ihre Empfindlichkeit schwerlich auf psychische Beeinträchtigung abgewälzt werden: Wie Pflanzen stehen auch Tiere nicht unter dem Verdacht, auf Mobilfunkantennen mit hysterischen Ängsten zu reagieren. Gleichwohl sind sie lebendige, empfindsame Wesen und nicht nur res extensae, gedankenlose Automaten, wie das noch der Philosoph René Descartes (1596-1650) gemeint hatte.

Zunächst sei hier eine harmlose und doch eindrucksvolle Kleinstudie an Mehlkäfern genannt: Die Gymnasiastin Caroline Schick aus Borken untersuchte für ihre Facharbeit im Leistungskurs Biologie am Gymnasium Remigianum 2011 die Wirkung von WLAN-Bestrahlung auf Mehlkäfer; damit gewann sie den 1. Platz beim Regionalwettbewerb „Jugend forscht“. Laut ihren Versuchsergebnissen war klar zu erkennen, „dass die Sterblichkeitsrate bei den Käfern im bestrahlten Gewächshaus weitaus höher als die im unbestrahlten ist“. Die Gymnasiastin resümierte, dass sich ihre Hypothese einer nachteiligen Wirkung von WLAN-Strahlung auf die Entwicklung des Mehlkäfers von der Larve zum fertigen Insekt bestätigt hatte: „Der überwiegende Teil der bestrahlten Käfer war beschädigt und über 40% sogar tot. Mit zunehmender Bestrahlungsdauer nahm auch die Sterblichkeitsrate zu.“ In der Vergleichsgruppe waren am Anfang lediglich fünf Individuen gestorben, danach hatte sich der Rest ohne Probleme und augenscheinlich vollkommen gesund entwickelt.

Schon oft wurde auf diesem Gebiet mit Mäusen experimentiert. Der Australier Michael Repacholi hatte so bereits 1997 festgestellt, dass genetisch veränderte Mäuse infolge von experimentell zugeführter Handystrahlung (D-Netz) häufiger und schneller Krebs entwickelten und rascher starben als bestrahlte Kontrollgruppen. 2012 setzten Forscher trächtige Mäuseweibchen der elektromagnetischen Strahlung eines Mobiltelefons aus, woraufhin deren Jungen später Verhaltensstörungen entwickelten, die denen von menschlichen Kindern mit der Aufmerksamkeitsstörung ADHS glichen: Die im Mutterleib der Strahlung ausgesetzten Mäuse wurden hyperaktiv und zeigten Gedächtnisprobleme, berichteten die Forscher im Fachjournal „Scientific Reports“. In Belgien hatte eine Studie mit Ratten aufgrund ihrer besorgniserregenden Resultate politisch 2009 mit dafür gesorgt, dass die Mobilfunk-Grenzwerte auf drei Volt pro Meter gesenkt wurden. 2012 wurde bekannt, dass eine andere Rattenstudie im Ergebnis darauf hindeutete, dass Langzeitbestrahlung oxidativen Stress in den Geweben erzeugt. Auch bei manch anderen Kleintieren konnten Effekte von Mobilfunkstrahlung festgestellt werden. Wie der Biologe Ulrich Warnke zeigt, „liegt eine der wichtigsten Ursachen des Verschwindens von Bienen oder Vogelarten in den Bedingungen ihrer Orientierung. Um sich die Energien und Informationen natürlicher Felder zunutze zu machen, verfügen Tiere über einen magnetischen Sinn. Meist orientieren sie sich, indem sie die Informationen des Magnetfeldes mit Richtungshinweisen anderen Ursprungs verbinden (z.B. Schwerkraft, Sonnenlicht, Ultraviolettlicht, Lichtpolarisation). Diese Mehrfachinformation dient der Auslösung und Eichung der natürlichen Kompasssysteme der Tiere. Zum Teil sind ihre Sensibilitäten für magnetische Feldstärkenunterschiede extrem hoch – z.B. bei Thunfischen, Bienen und dem Hausspatz. Die Überlagerung der natürlichen durch künstliche Magnetfelder verfälscht diese Kalibrierung und setzt falsche Richtungsimpulse (Missweisungen). Die daraus resultierende Störung des Heimkehrvermögens ist nicht nur für Bienen und Brieftauben, sondern auch z.B. für Nachtigalldrosseln, Fledermäuse, Meeresschildkröten und Ameisen nachgewiesen.“

Augenfälliger sind Schädigungen bei größeren Tieren. Elektromagnetische Hochfrequenzen als eigentliche Krankheitsursache und auch als Therapiehindernis macht der Schweizer Tierarzt Christian Métraux aus. Vom Meerschweinchen über Katzen und Hunde bis hin zu Pferden hat er einschlägige Beispiele gesammelt. Er erklärt: „Es reagieren nicht immer alle Tiere positiv auf die Entfernung einer DECT- oder WLAN-Anlage, aber die Häufigkeit des Zusammenhangs ist auffallend.“

Einschlägig sind auch die Erfahrungen in der Lebenswelt mancher Landwirte, deren Gehöft plötzlich von einem neu errichteten Mobilfunksender bestrahlt wurde. Bereits 1998 berichteten in der Zeitschrift „Der Praktische Tierarzt“ die Professoren Wolfgang Löscher und Günter Käs über ihre Untersuchungen einer Milchviehherde nach der Aufstellung eines Sendemasten in unmittelbarer Nähe. Demnach nahmen die Schadensfälle in der Herde drastisch zu, die Milchproduktion ging zurück und es kam zu bislang nicht beschriebenen Verhaltensstörungen. Nach einer Verlegung in einen weiter entfernten Stall verschwanden alle Verhaltensstörungen innerhalb von fünf Tagen. Auf dem Milchbauernhof des Landwirts Josef Altenweger in Schnaitsee (Landkreis Traunstein) kam es nach der Aufstellung von drei verschiedenen Sendetürmen (für Richtfunk, Mobilfunk und Fernsehen) zu Fehlgeburten bei den Kühen: Kälber kamen tot oder verkrüppelt zur Welt, Kühe magerten ab, die Milchleistung sank um ein Drittel. Eine trächtige Kuh starb an Hirntumor – ein bei Rindern kaum bekanntes Krankheitsbild! Ähnliches erlebte Michael Hauer in seinem Milchviehbetrieb in Erlet (Gemeinde Waldkirchen): Sechs Wochen nach der Installation eines Telefon-Richtfunkumsetzers im Oktober 1998 wurden die Kälber und Stiere unruhig und fraßen nicht mehr. Innerhalb der nächsten neun Monate mussten acht Tiere notgeschlachtet werden. Die Kühe wurden apathisch und verfielen in stereotype Kopfbewegungen; Geburten wurden zu Schwergeburten, vier Kälber kamen tot zur Welt. Untersuchungen von Futter und Blut der Tiere brachten keine Befunde. Auf Betreiben des Bauers wurde die Anlage Mitte Juli 1999 abgeschaltet. Kurz danach sollen die Tiere wieder normal gefressen haben.

Der Schweinezüchter Josef Hopper, dritter Bürgermeister in Ruhstorf bei Passau, teilte seine landwirtschaftlichen Beobachtungen im Schweinebestand der Jahre 1998 bis 2011 der Öffentlichkeit mit: Gegen den Bau eines über 40 Meter hohen Mobilfunksendemastes rund 300 Meter von seinem Betrieb entfernt konnte er sich nicht erfolgreich wehren. Die Auswirkungen der Strahlung stellte er aber prompt bei seinen Tieren fest: Bereits im ersten Jahr ab Errichtung des Sendemastes im Mai 2009 seien 15 missgebildete Tiere geboren worden! So etwas kenne er nicht, betonte er anlässlich eines Vortrags; vor Inbetriebnahme des Sendemastes habe er maximal zwei Missgeburten pro Jahr gehabt.

Ein weiteres Beispiel aus Bayern liefert Friedrich Stengel, der am Ortsrand von Oettingen eine kleine Landwirtschaft mit Milchkühen betreibt. Der Landwirt berichtet: „Unser Viehbestand war gesund und die Kühe kalbten regelmäßig. Dann, Ende 1997, wurde unmittelbar neben unseren Viehweiden ein Funkturm errichtet, der u.a. eine Mobilfunk-Sendeantenne mit Rundstrahlcharakteristik trägt. 1998 fällt uns auf, dass etwas nicht stimmt: Die Schwalben, die sonst unseren Hof jeden Frühling besuchen – sie bleiben plötzlich aus. Bis heute meiden die Zugvögel unser Anwesen. Erst später fällt uns auf: Auch Stechmücken und Bremsen meiden die Gegend um den Sendeturm, was eine plausible Erklärung für das Wegbleiben der insektenfressenden Vögel sein könnte. Im Sommer 1998 erkranken bei uns die ersten Kühe. Auffällig ist, dass sie auf die Behandlung durch den Tierarzt nicht ansprechen. Auch die Anzahl der Totgeburten am Hof beginnt jetzt zu steigen. Zu diesem Zeitpunkt rätseln wir noch über die Ursachen, denn es gab keine nennenswerten Veränderungen in der Tierhaltung. Erst zwei, drei Jahre später wird uns die Problematik mit dem Mobilfunksender bewusst: Der Tierarzt, der unseren Hof seit 1984 betreut, gibt uns den entscheidenden Hinweis. Wir fangen an uns zu informieren.“ 2001 wurden von den Tieren Blutbilder angefertigt. Dabei stellt sich heraus, dass die Kühe eine viel zu geringe Anzahl weißer Blutkörperchen hatten, was laut Tierarzt eindeutig auf eine Strahlenbelastung hindeutete. Insgesamt sieben Ärzte bestätigten diesen Befund unabhängig voneinander: „Den Ärzten wurde dazu nur das Blutbild zur Bewertung vorgelegt, von der Mobilfunkantenne berichteten wir nicht. Dennoch lauteten die Befunde stets gleich, nämlich auf akute Immunschwäche, möglicherweise ausgelöst durch eine Strahlenbelastung.“

Sehr gut dokumentiert und im Internet nachzulesen sind insbesondere auch die Vorgänge auf dem Schweizer Rütlihof in Reutlingen bei Winterthur. Der Bauer Hans Sturzenegger berichtet, dass rund ein Jahr nach der 1999 erfolgten Inbetriebnahme einer Mobilfunkantenne in der Nähe des Hofes wiederholt Kälber mit weißer Pupille zur Welt kamen; auch Kühe zeigten Probleme (Abszesse und Entzündungen am ganzen Körper). Rund ein Jahr nach dem schließlich erkämpften Abbruch der Antenne im Juni 2006 wurden keine Kälber mehr mit sichtbarem nuklearem Katarakt geboren. Sturzenegger resümiert: „Immer mehr Berufskollegen berichten von ähnlichen Schäden bei ihrem Vieh. Die zuständigen Behörden unternehmen in der Regel nichts.“ Im Februar 2012 bestätigte eine nachträgliche wissenschaftliche Fallstudie der Universität Zürich über 50 blinde Kälber: „Die Ergebnisse belegen zweifelsfrei, dass vor dem Bau der Antenne keine auffälligen gesundheitlichen Schäden beim Vieh auf dem Hof festgestellt wurden.“ Ein Jahr nach Abbruch der Rütlihof-Antenne und der Antenne „Forenberg Süd“ wurden keine außergewöhnlichen Erkrankungen mehr festgestellt. Erwähnt wurde anbei, „dass zahlreiche invivo-Studien an anderen Tierarten vorliegen, die eine schädigende Wirkung der Mobilfunkstrahlung belegen“.

Indessen sieht das Bundesamt für Strahlenschutz nach wie vor bei Rindern keine Gefährdungen durch Emissionen von Mobilfunkmasten – lediglich bei einer einzigen Studie hätten vier von acht untersuchten Herden beim Wiederkau- und Liegeverhalten Auffälligkeiten gezeigt. Man resümiert: „Der Zusammenhang zum Mobilfunk blieb allerdings unklar, da mögliche Störgrößen bzw. weitere Einflussfaktoren nicht ausreichend kontrolliert werden konnten. Ein Gefährdungsszenario durch Mobilfunk ist nach Auswertung der Studie nicht erkennbar. Insgesamt zeigen die vorgelegten Ergebnisse, dass Feldversuche dieser Art in landwirtschaftlichen Betrieben kein geeignetes Mittel sind, um den Einfluss elektromagnetischer Felder von Mobilfunkanlagen auf die Gesundheit von Rindern mit ausreichender Sicherheit zu belegen oder zu widerlegen.“ Mit dem letzten Satz wurden gleich künftige Studienvorhaben zu blockieren versucht – obwohl doch bedenkliche, wenngleich „unklare“ Indizien gefunden worden waren!

Seit Anfang 2014 ist nun aber die Schweizer Online-Plattform Nunis in Betrieb. Dort können sich Bauern melden, wenn sie den Verdacht haben, Elektrosmog mache ihre Tiere krank – egal, ob Handystrahlung, eine Hochspannungsleitung oder Kriechströme als Übeltäter infrage kommen. Die Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich sammelt alle Informationen. Auf ihren Aufruf hin haben sich inzwischen schon rund 30 Bauern gemeldet. Der Schweizer Bauernverband begrüßt diese Online-Plattform und wird jetzt selber aktiv.

Verteidiger der Mobilfunktechnologie argumentieren gern mit dem vermeintlich entlastenden Verweis auf sonstige Einflussfaktoren. Außerdem ist gewiss nicht alles, was im Tierversuch herausgefunden wird, unmittelbar auf den Menschen übertragbar. Aber grundsätzliche Rückschlüsse auf ein biologisch wirksames Wirkungspotenzial des Mobilfunks drängen sich in der Gesamtperspektive dem gesunden Menschenverstand und einem sensiblen Gewissen, das vom Wegschauen wenig hält, immer mehr auf. Man kann – nicht zuletzt dank Internet – heutzutage durchaus wissen, dass es Indizien für kritische Effekte bei Pflanzen, Tieren und Menschen gibt. Deshalb sollte die Politik ernsthafter als bisher dem von der EU angestrebten hohen Schutzniveau zu entsprechen suchen, statt weiter daran mitzuwirken, dass die Strahlenbelastung in immer mehr Lebensbereiche hineingetragen und namentlich die „Digitalisierung aller Dinge“ gerade auch auf Mobilfunkbasis vorangetrieben wird. Und Ärzte und Therapeuten sollten nicht länger der Versuchung nachgeben, die Probleme der Elektrosensibilität einfach zu „psychologisieren“, sondern sie ganzheitlich auf der Basis ehrlicher, breiter Information angehen.


Prof. Dr. Werner Thiede

Prof. Dr. Werner Thiede

werner.thiede@web.de

Literatur

  • Werner Thiede: Mythos Mobilfunk. Kritik der strahlenden Vernunft, oekom, München, 2012
  • Die digitalisierte Freiheit. Morgenröte einer technokratischen Ersatzreligion, LIT, Berlin, 2013
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