aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/2015
Diagnostik und ganzheitliche Therapiekonzepte bei Hashimoto Thyreoiditis
Über 10 Millionen Menschen in Deutschland sind von der Autoimmunerkrankung Hashimoto Thyreoiditis betroffen, vor allem Frauen. Die Symptome sind vielfältig: Schlafstörungen, Depressionen, komplette Erschöpfung, Verdauungsstörungen oder unkontrollierte Gewichtszunahme. Viele Hausärzte kennen sich mit der Erkrankung, bei der es zu einer chronischen Entzündung der Schilddrüse kommt, nicht ausreichend aus. Lediglich die mit der Hashimoto Thyreoiditis einhergehende Unterfunktion der Schilddrüse wird mit der Gabe des T4 Hormons L-Thyroxin ausgeglichen und dies häufig nicht ausreichend. Leider haben viele Patienten trotz gut eingestellter Werte das Gefühl, nicht richtig gesund zu sein. Durch die Kombination aus schulmedizinischer und naturheilkundlicher Behandlung erfahren Menschen, die an der Autoimmunerkrankung leiden, eine Besserung ihres allgemeinen Zustandes.
Herangehensweise für eine Therapie
Die Basis einer guten Therapie ist immer eine gute Diagnostik. Denn nur, wer die Schwachstellen aufdeckt, kann gezielt therapieren. Zu Beginn einer Therapie lasse ich ein umfangreiches Blutbild mit den wichtigsten Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen (im Vollblut), Leber-, Bauchspeicheldrüsen- und Nierenwerten, Eisen-, Zucker-, Fett- und Muskelstoffwechsel erstellen. Zu dem Blutbild gehören natürlich auch alle wichtigen Schilddrüsenwerte (TSH, FT3, FT4 und die TPO-AK, s. Abb. 1). Negative Auswirkungen einer Hashimoto Thyreoiditis auf andere Organe können so erkannt werden.
Zusätzlich zu den Laborwerten dient die Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse als weitere wichtige Diagnosesicherung, vor allem bei nicht eindeutigen Werten. Steht die Diagnose fest, haben wir Heilpraktiker mehrere Möglichkeiten, das Organ zusätzlich zu unterstützen. Eine Verordnung von Schilddrüsenhormonen ist aber in den allermeisten Fällen indiziert. Für die Dosierung gibt es einige Fakten, die bei der Einstellung der Schilddrüse wichtig sind. Hashimoto-Patienten fühlen sich mit einem TSH-Wert <1 am wohlsten, da bei diesem niedrigen Wert der Schilddrüse die Arbeit abgenommen wird und sich der Entzündungsprozess beruhigt. Bei einigen Hashimoto-Patienten liegt eine Umwandlungsschwäche vor: Das FT4 kann nicht ausreichend in FT3 umgewandelt werden. Diese Patienten müssen zusätzlich ein T3-Präparat (z.B. Thybon) oder ein Kombipräparat (T3/T4) erhalten. Auch mit Schilddrüsenextrakten (z.B. Klösterl Apotheke München), die beide Hormone enthalten, kann gut therapiert werden. Die Verordnungen müssen ausschließlich durch den Arzt vorgenommen werden. Durch die Gabe dieser Hormone kann eine gut eingestellte Schilddrüse bei Hashimoto-Patienten angestrebt werden (s. Abb. 2).
Durch die mit der heilpraktischen Behandlung einhergehende Ursachenforschung kann viel für die Verbesserung des Befindens erreicht werden. Wir Heilpraktiker können Unregelmäßigkeiten im Organismus aufdecken und von Grund auf therapieren.
Eisenstoffwechsel
Auch wenn der HB-Wert im Blutbild noch in der Norm ist, kann ein ausgeprägter Eisenmangel vorliegen. Es ist wichtig, den Eisenspeicher (das Ferritin) in Verbindung mit einem CRP- oder hsCRP-Wert zu messen, denn wenn der Entzündungswert ansteigt, steigt auch der Ferritinwert an und kann ohne diesen Check zu falschen Diagnosen führen. Eisen ist ein Element der Stabilität und für die Schilddrüse von elementarer Bedeutung. Wenn kein hoher Entzündungswert <1,5 vorliegt, sollte bei Eisenmangel direkt mit der Therapie begonnen werden. Ich habe Patienten erlebt, bei denen sich nur durch die Eisentherapie die allgemeine Müdigkeit, Haarausfall und auch depressive Stimmungen deutlich verbessert haben (s. Abb. 3).
Der Eisenspeicher sollte bei mindestens 50, besser zwischen 60 und 75 ng/ml liegen. Das niedrige Kupfer und der hohe Eisen-Kupfer-Quotient weisen hier auch schon auf eine zu vermutende Nebennierenschwäche hin, auf die ich im weiteren Verlauf noch eingehen werde.
Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente
Gerade bei Hashimoto-Patienten ist außerdem die ausreichende Versorgung mit Vitamin D (60-75 ng/ml), Vitamin B12, Zink, Magnesium und Selen wichtig. Das Spurenelement Selen sollte von allen Hashimoto-Patienten täglich eingenommen werden. Meine Erfahrungen zeigen, dass sich die Supplementierung von Selen positiv auf den Immunprozess auswirkt.
Leber-Galle-Störungen
Sehr häufig finde ich Störungen im Leber-Galle-Bereich bei meinen Hashimoto-Patienten. Hier ist es wichtig, sich nicht nur auf vermeintlich „gute“ Laborwerte zu verlassen, sondern auch genau auf die Anamnese einzugehen und diesen Bereich ins Therapiekonzept mit einzubauen.
Gonadotrope Hormone
Oft gehen mit der Hashimoto-Erkrankung auch Hormonstörungen einher. Eine Östrogendominanz bzw. ein Progesteronmangel ist hier häufig zu finden. Die Hormone sollten zwischen dem 19. und 23. Zyklustag bestimmt werden, damit in dieser Phase das Verhältnis vom Progesteron zum Östrogen beurteilt werden kann. In der Menopause können natürlich jederzeit die Hormone bestimmt werden. Wir Heilpraktiker haben nur die Möglichkeit, mit bioidentischen Hormonen und mit homöopathischen Dosen zu arbeiten. In einigen Fällen kann es aber wichtig und nötig sein, mit einem Arzt zu kooperieren, der höher dosierte bioidentische Hormone, die über den transdermalen Weg verabreicht werden, verordnet.
Nebennierenschwäche
In meiner Praxis habe ich im Grunde keinen Hashimoto-Patienten, der nicht von einer Funktionsstörung der Nebennieren betroffen ist. Die Nebennierenschwäche kann sich in verschiedenen Ausprägungen zeigen.
Im Neuro-Balance-Profil (ganzimmun, s. Abb. 4) werden die Katecholamine Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin, das „Wohlfühlhormon“ Serotonin sowie das Stresshormon Cortisol im Tagesprofil und sein Gegenspieler, das Anti-Stress-Hormon DHEA (Dehydroepiandrosteron), bestimmt. Die im Neuro-Balance-Profil ermittelten Ergebnisse geben Auskunft über eine mögliche „Burnout-Symptomatik“ bzw. erhöhte Stressreaktionen (s. Abb. 5).
Der fehlende bzw. schwach ausgeprägte Morgenpeak kennzeichnet eine unharmonische, gestörte Cortisol-Tagesrhythmik (s. Abb. 6).
Ansteigende Cortisolspiegel am Nachmittag bzw. abends können stressbedingt sein. Oft korreliert damit eine morgendliche Antriebs- und Leistungsschwäche. Insgesamt weist der Befund auf eine ausreichende Cortisolsynthese (s. Abb. 7) der Nebennierenrinde hin.
Die Stoffwechselwirkungen von Cortisol sind vielfältig:
Hemmung von Entzündungsprozessen
- Stabilisierung des Blutzuckerspiegels während Hungerperioden (z.B. Fasten)
- Unterdrückung immunologischer Vorgänge (z.B. Autoimmunprozesse)
Die Nebennierenschwäche kommt durch eine Ermüdung bzw. Erschöpfung der Nebennieren aufgrund ihrer länger andauernden Überlastung zustande. Jegliche Art von Stress kann zu solch einer Überlastung der Nebenniere führen: körperlicher, seelischer oder krankheitsbedingter Stress.
Darmcheck und Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Viele Hashimoto-Patienten klagen trotz gut eingestellter Schilddrüse über eine deutliche, zumeist spontane Gewichtszunahme oder unspezifische Magen-Darm-Beschwerden. Hier ist sowohl ein Darmcheck (Darmflora, Entzündungsparameter, Verdauungsrückstände, Pilzbelastung) als auch eine Untersuchung auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten (IgG I bis IgG IV, z.B. ProImmun M-Lebensmittel-Antikörpertest) sinnvoll. Eine umfangreiche Darmsanierung mit konsequenter Ernährungsumstellung bringt bei den meisten Hashimoto-Patienten die gewünschten Erfolge.
Stoffwechselstörung Hämopyrrollaktamurie (HPU)
Viel zu wenige Ärzte und Heilpraktiker wissen von Hämopyrrollaktamurie (abgekürzt HPU), die doch eine weitverbreitete Stoffwechselstörung – auch bei den Hashimoto-Patienten – ist. Die Betroffenen haben oft einen langen Leidensweg hinter sich. Bei der Hämopyrrollaktamurie ist die Synthese des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin gestört. Dies zieht problematische Folgen nach sich:
Es kommt zu einer Störung bei der Bildung von Häm (deshalb findet sich vermutlich auch bei sehr vielen Hashimoto-Patienten ein Eisenmangel oder gar eine Anämie), dem Zentrum des Hämoglobins. So wie das Hämoglobin für die Versorgung des Blutes mit Sauerstoff sorgt, ist das Häm u.a. für die Sauerstoffversorgung der Muskulatur zuständig. Es spielt eine zentrale Rolle im Energiestoffwechsel und wird für die Entgiftung benötigt.
Bei der Stoffwechselstörung HPU entsteht neben dem „richtigen“ Häm auch eine gewisse
Menge „falsches“ Häm, das schädlich ist, wenn es sich im Körper ablagert. Der Körper
bindet dieses „falsche“ Häm an Vitamin B6 und Zink, teilweise auch an Mangan, um es
über den Urin ausscheiden zu können.
Da durch die HPU wesentliche Faktoren für unsere tägliche Entgiftung fehlen, bewirkt sie
eine Störung der Entgiftungsleistung.
Es lohnt sich in jedem Fall, auch die Diagnostik dieser Stoffwechselstörung bei den Hashimoto-Patienten nicht außer Acht zu lassen.
Fazit
Es gibt viel zu tun und viel zu regulieren bei unseren Hashimoto-Patienten. Mit einer
guten Diagnostik und wohlüberlegten Therapiekonzepten können durchaus innerhalb
einiger Wochen deutliche Verbesserungen des Allgemeinzustandes erreicht werden.
Kirsten Gröling
Heilpraktikerin
info@naturheilpraxis-winterhude.de
Literatur
- James L. Wilson: Grundlos erschöpft? Nebennieren-Schwäche – das Stress-Syndrom des 21. Jahrhunderts. Was ist Cortisol-Mangel und wie können wir ihn heilen? Goldmann Verlag
- Datis Kharrazian: Schilddrüsenunterfunktion und Hashimoto anders behandeln. Wenn Sie sich trotz normaler Blutwerte schlecht fühlen. Die 22 Muster der Schilddrüsenunterfunktion. VAK
- J. Kamsteeg: HPU und dann …? Beschwerden und Erkrankungen infolge von „Pyrrolurie“. KEAC
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