Übersicht dieser Ausgabe    Alle Paracelsus Magazine

aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/2015

Heilwirkungen in der Yogapraxis

Cover

Therapeutische Möglichkeiten einer erweiterten Yogapraxis

Yoga ist inzwischen ein fester Bestandteil unserer Kultur geworden. Dies nicht zuletzt aufgrund der positiven Wirkungen, die von einer regelmäßigen Yogapraxis ausgehen. Viele Übende berichten begeistert, wie ihnen die Körper- und Atemübungen des Yoga neue Kraft für ihr Leben spenden und teilweise sogar chronische Krankheitssymptome besser beherrschbar machen oder sogar verschwinden lassen.

In den letzten Jahrzehnten wurden zahlreiche Studien zur gesundheitlichen Wirksamkeit von Yoga durchgeführt 1). Überwiegend kommen diese Studien zu positiven Ergebnissen und belegen dessen Effekte. Großes Rätselraten aber herrscht immer noch bei der Frage, wie genau diese vorteilhaften Wirkungen zustande kommen.

Schulterstand (Sarvangasana), Heinz GrillEinleuchtend und unmittelbar nachvollziehbar sind z.B. die Wirkungen auf den Kreislauf, wenn wir eine Umkehrstellung wie Sarvangasana betrachten. Der Körper ruht ruhig in ein- bis dreiminütiger Haltedauer in der Umkehrung und es entsteht eine natürliche Rückströmung des Blutes aus den Beinvenen nach unten zum Herzen. Stauungserscheinungen, wie sie z.B. bei langem Stehen auftreten, können in der Folge sehr einfach ausgeglichen werden. Auch Stauungen im Beckenboden können sich zugunsten einer besseren Gesamtverteilung des Blutes im Organismus auflösen. Gleichzeitig werden die Kopfpartien, das Gehirn und die Sinnesorgane wieder mehr mit Blut und damit auch mit Sauerstoff versorgt. Aus einer solchen Übung können daher schon allein über den Kreislauf einige angenehme und als regenerierend empfundene Wirkungen entstehen. Weiterhin wirkt gerade der Schulterstand durch die Verringerung des Atemvolumens im Brustbereich so, dass die Atmung mehr in den Bauchraum ausweicht. Entspannt der Übende sein Zwerchfell in der meditativen Ruhe der Übung, wird die so angeregte Bauchatmung in der Regel nach der Übung anhalten und das Zwerchfell kann bei regelmäßigem Üben eine günstigere Tonuslage gewinnen. Ein vertiefter Bauchatem schenkt aber sogleich die angenehme, beruhigende Wirkung auf das Nervensystem.

Die gängigen Grundstellungen der Asana, welche heute in Yogakursen gelehrt werden, haben zumeist eine Fülle solcher positiven Wirkungen auf Kreislauf, Atmung und das vegetative Nervensystem. Auch die Hormondrüsen, die ja vielfach mit dem Chakra des Yoga in Korrespondenz stehen (so bedeutet der Name des ajna-Chakra an der Stirnmitte in etwa „oberste Befehlsstelle“, was an die Funktionsweise der in unmittelbarer körperlicher Nähe gelegenen Hypophyse erinnert, die bekanntermaßen eine Art Gesamtsteuerung für das Hormonsystem ausübt), werden in ihrer Funktion angeregt und bei günstigem Übungsaufbau auch in der Ausschüttung der Hormone harmonisiert.

Energetische Wirkungsebene

Eine weitere und für die Gesundheit vermutlich viel wesentlichere Wirkungsebene liegt jedoch in der energetischen Anregung, die durch Yogaübungen entstehen kann. Jeder Yogaübende kennt diese Energetisierung des Körpers und ihre angenehmen Wirkungen: Man fühlt sich nach der Yogastunde „wie neugeboren“, sowohl körperlich als auch psychisch gekräftigt und gestärkt. Wie wir heute in der Komplementärmedizin wissen, sind Prana- oder Ätherkräfte maßgeblich für die Lebensfunktionen der Zellen verantwortlich. Ein verstärkter Fluss von Lebensenergie in jenen Bereichen des Körpers, die vorher energetisch unterversorgt waren, kann eine entscheidende Bedeutung für die Prävention gewinnen.

Abb. ÄtherwirkungWie entsteht aber nun dieser Fluss des Prana konkret? Da es verschiedene Arten von Pranaenergien gibt mit unterschiedlichen Dimensionen im Hinblick auf ihre Heilwirkungen, müssen die Yogaübungen differenziert betrachtet werden. Die Lebensenergie kann nämlich – ähnlich wie die oben beschriebenen unmittelbaren Heilwirkungen – sowohl durch die Dehnungen und Streckungen der Körperübung an sich, als auch durch die Art der Konzentrationsentwicklung also auf mentale Weise in ihrem Fluss angeregt werden. Etwas vereinfacht können wir in Bezug auf die Pranaenergien davon sprechen, dass bestimmte Ätherarten (Chemischer Äther und Lebensäther) direkt im Körper erweckt werden, während andere (Licht- und Wärmeäther) nur durch das Bewusstsein auf den Körper wirken (s. Abb. Ätherwirkung).

Dieser sozusagen von oben nach unten wirkende Teil der Pranakräfte wäre aber nun für die Heilwirkungen besonders wertvoll, denn er ist für diejenigen Vorgänge in den Zellen verantwortlich, die ihre harmonische Einordnung in den Gesamtorganismus bewirken. Wie Murat Örs, ein Pionier auf dem Felde des Yogas bei Krebserkrankungen darlegt 2), ist die Anregung dieses Wärmeäthers besonders geeignet, cancerogenen Tendenzen entgegenzuwirken.

Um diese Wirksamkeit zu erzielen, bedarf es jedoch einer seelischen Aktivität, welche dann vom Bewusstsein nach „unten“ auf den Körper und sein Energiefeld oder den sog. Ätherleib eine Wirkung entfaltet. Gerade aber in einer solchen Übungspraxis, die über die schöpferische Aktivität des Menschen und ein Regsamwerden seines Bewusstseins neue Ätherkräfte freisetzt, liegt die Möglichkeit, noch ungeahnte weitere Heilwirkungen mit Yogaübungen zu erschließen. Wie können wir uns nun diese seelische Aktivität vorstellen, die hier zum körperlichen Üben hinzukommen kann?

Kosmische Empfindungen im frühen Hatha-Yoga

Der Baum (Tadasana), Heinz GrillDie Übungen des Hatha-Yogas sind in den Zeiten ihrer Entstehung (im 9.-15. Jahrhundert) noch aus einem Erleben der kosmischen Zusammenhänge heraus praktiziert worden. Das Bewusstsein der damaligen Yogis war noch ein ganz anderes als das der heutigen Praktizierenden. So erlebten die Yogis, ähnlich wie die älteren Heilkundigen, wie etwa ein Paracelsus, der die kosmische Signaturenlehre noch kannte, die Wirksamkeit der astralen Gestirnseinflüsse im Körper. Nicht theoretisch empfanden sie den Zusammenhang einer zum Herzen zentrierten Übung wie dem Baum Tadasana (s. Bild rechts) mit der Sonne, sondern unmittelbar lebte diese Empfindung des sonnenhaften Selbstgefühls im Übenden. Das Einnehmen der zugehörigen Körperstellung entsprach mehr dem Wunsch nach einem unmittelbaren Ausdruck dieser wahrgenommenen Sonnendimension im Körper. Ein künstlerisches, von innerer Wahrheit getragenes Empfinden zu den tieferen Gesetzen des Lebens fand in der Hatha-Yoga-Übung seinen Ausdruck. Die Übungen aber beschrieben in dieser Übungspraxis eine tiefe Weisheit, die wir als Yogapraktizierende auch heute noch spüren und erleben. Jede der Gesten war eine Art „Mudra“ und hatte eine übergeordnete kosmische Bedeutung.

Gerade weil Hatha-Yoga noch eingebettet war in die verehrungsvollen Stimmungen der Meditation und Rezitation von Mantren, konnte er als ganzheitliches System wirksam werden. Heute ist die Übung nicht mehr von solchen tiefgreifenden Empfindungen geprägt und kann daher nur schattenhaft das ehemalige Üben wiedergeben. Es war damals noch mehr eine Art Gebet, das den ganzen Menschen mit einbezogen hat, während wir heute in den psycho-physischen Systemen des Hatha-Yoga eher eine Technik vorfinden, die jedoch selbst auf diese Weise immer noch erstaunlich wirksam bleibt.

Viele Vertreter einer spirituellen Weltsicht betonen jedoch, dass ganzheitliche Heilung nicht auf technische Weise an den Menschen von außen herangetragen werden kann. Sie erfordert immer eine Art Loslösung und einen Neubeginn, einen seelischen Entwicklungsschritt des ganzen Menschen.

Die geheime Bildsprache der Yogaübungen

Was mit diesem Entwicklungsschritt gemeint ist und wie dieses Heilprinzip auch mit Yogaübungen wirksam werden kann, lässt sich in einem kleinen Vergleich mit der Bach-Blütentherapie verständlich machen: Der englische Heilpionier Dr. Edward Bach machte bei seiner intensiven Suche nach dem Wesen der Krankheit das innere Streben des Menschen nach Tugenden und Entwicklung als die eigentliche heilbringende seelische Mitte des Menschen aus. Mithilfe seiner Blütenessenzen sollte die Tugendkraft der jeweiligen Blüte eine Art Erinnerung oder Anregung geben für die Eigenschaft, die im kranken Menschen nach Entwicklung drängt, aber in ihrer Entfaltung gehindert ist. Krankheit war für Bach eine bis ins Physische gehende Manifestation einer seelischen Entwicklungshemmung und durch die Anregung der jeweiligen entgegengesetzten „Tugendkräfte“ der Seele zu überwinden. So wie eine Blüte oder Pflanze nicht nur ein materielles Wesen darstellt, sondern die äußere Form eigentlich nur den Ausdruck einer innliegenden (wiederum mit den Planetensignaturen verwandten) seelischen Qualität oder „Aussage“ darstellt, kann man auch die Yogaübungen als künstlerische Ausdrucksformen seelischer Qualitäten betrachten, beim Üben diese jeweilige Qualität studieren und im eigenen Seelenleben zur Wirksamkeit bringen. Die ehemaligen kosmischen Empfindungen der alten Hatha-Yogis sind in den verschiedenen Mudras der Übungen enthalten. Diese seelische Qualität hinter den physischen Ausdrucksformen, die damals gespürt wurden, ist auch heute noch eine reale Welt mit ihren eigenen Gesetzen und deutlich spürbaren Wirkungen.

Der Heilpraktiker und Yogalehrer Heinz Grill hat in den letzten Jahrzehnten viel zu einer Yogapraxis geforscht, bei der diese Sinnbilder und Bedeutungen unmittelbar zum Ausdruck kommen und dabei als künstlerische Ausdrucksformen vom Übenden erforscht werden können. Gelingt dies, kann ein ähnlicher Effekt eintreten wie bei den Bachblüten: Die jeweilige „Tugendkraft“ der Übung kommt im Seelenleben des Übenden heilsam zur Wirksamkeit, ja, beginnt bei fortschreitender Übung sogar vom Übenden selbst auszustrahlen. Die Wirkungen nehmen dabei den Weg der oberen Äther „von oben nach unten“: Die aus seelischer Aktivität und wärmender Gedankenbildung hervorgehenden Licht- und Wärmekräfte wirken heilsam auf den Körper. Die Übung Tadasana empfiehlt Heinz Grill in einer seiner Publikationen ganz im Stile Bachs auf folgende Weise: „Es ist die Stellung, die für alle Personen wichtig ist, die unter Minderwertigkeitsgefühlen, Persönlichkeitsverlust, Kummer- und Schuldgefühlen leiden, die besagen, sie wären zu wirklich ehrwürdigen Aufgaben nicht fähig.“ Damit aber nun die Stellung tatsächlich in dieser Weise wirksam ist, reicht ein bloßes wiederholtes Einnehmen der Position nicht aus. Es bedarf einer seelischen Einstimmung durch einen möglichst exakt der inneren Bedeutung der Übung entsprechenden Gedanken. Hier zum Abschluss ein Beispiel eines solchen Gedankens, einer sog. Imagination (s. Foto „Der Baum“).

Der Baum (Tadasana)

Die Hände werden in einer weiten Bewegung zur Mitte in Herzenshöhe gefaltet. Diese Bewegung aus einem Ruhen im Gleichgewicht ist für den Heilwert der Stellung von nennenswerter Bedeutung, denn sie führt von außen, vom universalen Raum kommend, zur Vereinigung der Mitte.

Aus einem größeren Makrokosmos und dem geoffenbarten Geistigen heraus entsteht schließlich der Mikrokosmos und die irdische manifeste Welt der Persönlichkeit.

Der Baum schenkt eine Erinnerung an die Bewegungsrichtung von oben nach unten oder von außen nach innen, vom Feineren zum Gröberen, vom Nicht-Manifesten zum Manifesten, und das sind die Bewegungsrichtungen, die der Identität der Schöpfung entsprechen.

In diesem Sinne warten im Yoga noch viele Möglichkeiten der Entfaltung von Heilwirkungen, gerade dann, wenn im Yoga sowohl der Blick auf die eigene Tradition und Vergangenheit als auch auf die zukünftigen Möglichkeiten gerichtet wird.

Bernhard Spirkl Bernhard Spirkl
Yogalehrer, Dozent an der Paracelsus Schule Zürich, Autor und Referent

info@bernhard-spirkl.de

Literatur

zurück zur Übersicht dieser Ausgabe
Paracelsus SchulenWir beraten Sie gerne
Hier geht's zur Paracelsus Schule Ihrer Wahl.
Menü