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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/2016

Chinesische Kräutermedizin in der Tierheilkunde

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© marilyn barbone - fotolia.comBei dem großen Interesse an der TCM, die sich auch bei uns in den letzten Jahren vermehrt der Kräutermedizin widmet, gibt es durchaus auch wichtige Fragen, die einer kritischen Erörterung und Bewertung bedürfen:

Zunächst ist da die berechtigte Frage, was denn mit den Heilkräutern ist, die von jeher auch bei uns bekannt waren – man denke nur an Hildegard von Bingen – und wie deren Einsatz und Wirkungsspektrum im Vergleich zur TCM zu beurteilen wäre. Man könnte ja den Eindruck bekommen, dass nur weil ein zeitgeistiger Hype die chinesische Kräutermedizin auf eine Erfolgswelle bringt, die guten alten heimischen Kräuter – vielleicht zu Unrecht – nach einer kurzen Renaissance in den letzten 30 Jahren wieder in den Hintergrund gedrängt würden.

Viele unserer heimischen Heilpflanzen, wie z.B. Fenchel, Huflattich, Löwenzahn oder Minze, haben auch in chinesischen Rezepturen ihren Platz.

Selbstverständlich bin ich schon von jeher als Biologin auch Nutzer der heimischen Kräuter und generell an der Phytotherapie interessiert. Dennoch bin ich aus den folgenden Gründen davon überzeugt, dass die Wirkung der chinesischen Kräuter über die unserer heimischen Heilpflanzen hinausgeht:

In unseren Kulturen hat man Kräuterkundige früher oft als Hexen verbrannt. Es waren nicht Ärzte, sondern Klosterfrauen oder Bader auf Jahrmärkten, die mit Heilkräutern arbeiteten.

Ganz anders in China – da sind sie uns Jahrtausende voraus. Dort war die Kräutermedizin immer Sache der renommiertesten Ärzte, die Kräuter waren schon seit jeher ein intensives Forschungsgebiet – mit dem Ergebnis, dass hier auch oder gerade deshalb Kräutermischungen entstanden sind, deren Wechselwirkung aufs Feinste abgestimmt sind und die zum Teil als Komplementäranteile einer Mischung notwendig sind, weil ein Kraut alleine toxisch wäre (und deshalb bei uns keine oder nur gering dosierte Anwendung findet), in Verbindung mit einem anderen Kraut aber eben diese Toxizität verliert und so sich ein breiteres Wirkspektrum erreichen lässt.

Unerreicht ist die Wirkung bei allen Fragestellungen, bei denen Qi und Xue (im weitesten Sinne fließende Energie und nährende Körpersäfte/ Blut) ergänzt und dynamisiert werden sollen – was auch dazu führt, dass die Kräuter- Tonika-Mischungen mit dieser Indikation im Sportpferdebereich unter Doping laufen und ein Tier nach Behandlung erst nach einer festgelegten Karenzzeit wieder eingesetzt werden darf.

Hinzu kommt, dass die chinesische Kräutermedizin analog der chinesischen Diagnose eine ganzheitlichere Einordnung von Störmustern erfasst, als wir dies im Westen kennen. Unsere Heilpflanzen werden entsprechend einer westlichen Diagnose dadurch häufig nur reduziert auf Symptombehandlung verwendet, während beim chinesischen Kräutereinsatz ergänzend zur Therapie der akuten Symptome – „Biao“ – immer auch die Wurzel der Erkrankung – „Ben“ – mitbehandelt wird.

Eine kritische Nachfrage bezieht sich auf den bekannt gewordenen Einsatz von Pflanzen, die unter strengem Naturschutz stehen, oder auf die Verwendung von tierischen Anteilen, entweder von geschützten oder nicht artgerecht gehaltenen bzw. getöteten Tieren entnommen. Dies ist ein Grund, Quellen chinesischer Kräuter oder Kräutermischungen grundsätzlich genau zu prüfen. Ebenso muss die Pestizid- und Herbizidbelastung der in China geernteten Kräuter hinterfragt werden. Deshalb sollte man ausschließlich Bezugsquellen auswählen, die sich zu diesen Punkten einem Kodex unterwerfen, der Tier- und Pflanzenschutz, aber auch pestizid- und herbizidfreie Anbauflächen garantiert. Streng geschützte Pflanzen werden nach diesem Kodex auch nicht der Natur entnommen, sondern speziell für die pharmakologische Weiterverarbeitung in Plantagen angebaut. Dies gilt auch für die bei uns stark in Mode gekommenen Heilpilze, die Bestandteil vieler chinesischer Mischungen sind, bei uns aber ganz ausgekoppelt und manchmal etwas unreflektiert als Einzel-Tonika in Gebrauch sind. Hier würde sich auch dringend ein genauer Blick auf die Bezugsquellen lohnen.

Man sollte Rezepturen in jedem Fall sorgfältig kontrollieren, denn die Auffassungen, was noch vertretbar ist, weichen durchaus voneinander ab – z.B. werden Regenwurm, Zikadenhaut oder Fledermausexkrement beim einen Importeur in einer Originalmischung akzeptiert, beim anderen fallen alle tierischen Produkte heraus und es wird von der Originalrezeptur abgewichen. Es heißt dann „in Anlehnung an Rezept xy“ und es wird versucht, eine akzeptable Entsprechung in die Rezeptur einzubauen. So wird z.B. bei den sog. Weidinger Mischungen nach dem von mir geschätzten Georg Weidinger, TCM-Arzt aus Wien, verfahren.

Der zweite, häufig genannte Aspekt: Chinesische Kräuter schmecken furchtbar! Ja, das kann ich wirklich nicht entkräften. Zudem ist die Zubereitung, wenn man die frischen Zutaten bzw. getrockneten Kräuter, bezogen nach Rezept z.B. über Apotheken, als Dekokt (Abkochung) zubereitet, recht aufwendig.

Für beide „Erschwernisse“ bieten inzwischen gebräuchliche Darreichungsformen, wie zu Pulver oder Granulat verarbeitete getrocknete Kräuter, die auch in Tablettenform gepresst oder wie ein Instantpulver einfach überbrüht werden können, eine gute Lösung. Kann z.B. ein solcher „Tee“ nicht gegeben werden, bleibt immer noch die Möglichkeit, eine Tablette oder kleine Pillen zu verabreichen bzw. das Granulat in einen Sirup oder eine Paste zu mischen, die das Tier gerne aufnimmt.

Dass der Geschmack chinesischer Kräutermedizin oft bitter ausfällt, liegt daran, dass insbesondere in Mischungen, die lang bestehende chronische Zustände, wie z.B. Nieren-Yin-Mangel, therapieren sollen – entsprechend der chinesischen Kräuterlehre seien solche „Ben“-Behandlungen der Wurzel einer Heteropathie mit Wurzelstöcken, Wurzelhölzern und Ähnlichem zu kurieren – solche Bitterstoffquellen dominieren.

Ähnlich den Akupunkturpunkten gibt die deutsche Übersetzung der chinesischen Namen bekannter, häufig eingesetzter Mischungen oft schon einen Hinweis auf die Wirkung: „Jade-Windschutzpulver“, das „Pulver der heiteren Gelassenheit“, die „Mitte des Magens“ o.ä. Im „Selbstbedienungsladen World Wide Web“ gibt es zwischenzeitlich – leider wird dort ja oft in Selbstmedikation und ohne unsere Beratung und Kenntnisse zu Grundlagen der TCM eingekauft – auch Markennamen von Mischungen, deren Rezeptur aus chinesischen Kräutern in Anlehnung an die Grundmischung zusammengestellt wurde. Beispiele dafür sind Giardex (zugrunde liegt hier eine Rezeptur, die in China von alters her gegen Darmparasiten verwendet wurde) oder Destress (das sich an das „Pulver der heiteren Gelassenheit“ anlehnt).

Der meist aus mehreren Silben oder Namensteilen bestehende chinesische Name einer Mischung zeigt im letzten Namensteil die Darreichungsform. So ist
Tang = Dekokt
San = Pulver
Wan = Pille
Chong = Granulat

Beispiel für die Notfallapotheke: Sie Die Da Wang – Die „Verletzungspille“.

Schon der Aufbau einer chinesischen Kräutermischung zeigt die oben erwähnte fundierte Kenntnis zu Wechselwirkungen, seien es Wirkverstärkungen, Ausschaltung von Toxizität oder am allerwichtigsten: Die Sicherstellung der Aufnahme in den Körper.

Auch bei uns sind zwischenzeitlich bei der Substitution von Mengen- oder Spurenelementen ungünstige Kombinationen bekannt, wobei leider handelsübliche Produkte die biochemischen Zusammenhänge weiterhin unberücksichtigt lassen und die Mischungen z.B. Kupfer und Zink enthalten, die als Antagonisten dieselben Rezeptoren besetzen (Kupfer bremst die Zinkaufnahme) und so ein Zinkmangel nicht auszugleichen ist bzw. ein zunehmender, unerwünschter Kupferüberschuss entsteht.

Bei einer chinesischen Kräutermischung haben wir in der Regel

den Kaiser – das Hauptwirkkraut (manchmal auch 2-3 fast gleichberechtigte Kräuter)

die Minister – Kräuter mit ähnlicher Wirkung, die die Hauptwirkung durch zusätzlich erwünschte Effekte ergänzen

den Assistenten – Helferkraut, das z.B. eine Toxizität neutralisiert oder manchmal nur einzelne Symptome einer komplexen Erkrankung behandelt

den Boten – Übermittlerkraut; die Inhalte sorgen dafür, dass die Wirkstoffe der Mischung vom Körper aufgenommen werden können (siehe Einlassung zu Kupfer und Zink weiter oben); dazu sind diese Kräuter oft verdauungsfördernd, entgiftend und geschmacklich aufpeppend

Bei einer Behandlung mit Kräutern oder Kräutermischungen sollte man den Tierhalter immer darauf hinweisen, dass der Körper auf das Pharmakon reagiert. Gibt man z.B. etwas, das ausleitenden Charakter hat, ist darauf hinzuweisen, dass zunächst auftretender Durchfall oder verstärkte Schweißneigung eine normale und gewünschte Reaktion darstellt.

Grundsätzlich gilt für alle Pharmaka, seien es heimische Heilpflanzen, chinesische Kräuter oder Mischungen, Mittel zur Entsäuerung, substituierte Mineralien etc.:

Nach 3 bis maximal 4 Monaten ist ein Mittel spätestens abzusetzen – zum einen verliert es dann seine Wirksamkeit durch einen Gewöhnungseffekt, zum anderen sollte die Leber, die die dazu passende Verstoffwechselung zu erbringen hat, entlastet werden.

Aglaia SchiebeAglaia Schiebe
Dipl.-Biologin, Tierphysiotherapeutin, Expertin für TCVM

a_schiebe@hotmail.com 

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