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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 4/2016

Glosse: Spieglein, Spieglein an der Wand …

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© high_resolution I fotolia.comWahre Schönheit kommt von innen. Wahre Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Wahre Schönheit ist individuell. Alle diese scheinbar wunderbaren Statements werden im Winter genannt und im Sommer gelebt. Diese Jahreszeit, in der viele alles zeigen. Ob da wollen oder müssen das passende Verb für ist, das will und werde ich nicht beurteilen.

Schönheit − ein Begriff der in aller Munde ist und auch in jeder Zeitung. Egal welches Alter, egal welches Geschlecht − da wird vermarktet und visualisiert, was das Zeug hält.

Dass vieles (oder vielleicht sogar das meiste) davon Photoshop möglich macht, das wird beim Betrachten gerne verschwiegen. Und wenn es nicht gephotoshopt ist, dann steckt da viel Arbeit hinter. Sport − mehrmals täglich. Gesundes Essen − nach Zeitplan und Listen von Inhaltsstoffen. Verzicht wird da ganz groß geschrieben. Sollte es dennoch nicht reichen für eine Größe unter dem BMI, dann geht‘s ab zum Arzt. Vergrößern hier, verkleinern dort. Wie im Schnellrestaurant.

Aber wie sollen wir auch daran vorbei kommen, wenn die Werbung so laut wie Marktschreier agiert? „Komm’se her, Komm’se ran … Schön ist nur, wer aalglatt prangt“ oder „Leute, Leute, bleibt mal stehen − wer will als Schönheit hier entlang gehen?“ oder „Willst du glücklich sein im Spiegel, verkneife dir den Schokoriegel“.

Ich habe nichts gegen Schönheit. Ich liebe sie sogar. Allerdings stelle ich mir die Frage: Ist alles erlaubt, nur weil es machbar ist? Und wenn alles erlaubt ist, muss das dann auch sein? Geht es uns wirklich besser, wenn wir täglich zwei Stunden sporteln, obwohl wir null Freude dabei empfinden? Fühlen wir uns wirklich wohler, wenn wir beim Essen ständig verzichten und trockene Salatblätter kauen? Und ist unser Selbstbewusstsein am Ende tatsächlich stärker, nur weil wir aussehen wie schon jemand anderes aussieht?

Fernsehsendungen, bunte Zeitschriften und das Internet bieten eine große Bandbreite an Vorschlägen, wie wir aussehen sollten und welche Kleidung uns am besten stehen würde. Dass manche Menschen die Kleidung tragen, auch wenn es nicht für ihre Körpergröße gedacht war, davon sehe ich jetzt mal ab. Da wird im Sommer gezeigt, was im Winter versteckt wurde. Sonne tanken − wenn nötig auch im Studio. Künstliches Licht soll dafür sorgen, dass wir natürlich aussehen. Gesund und munter wollen wir wirken und unterstreichen das Ganze dann mit Farbe im Gesicht. Das einige von ihnen dabei wie Matroschkas wirken − geschenkt.

Schönheit ist so individuell wie die Menschheit selber, und trotz unserer Fähigkeit, darüber nachzudenken und das auch dementsprechend zu äußern, benehmen sich ein paar von uns, als ob sie die genannte Fähigkeit nicht hätten. Da werden Argumente auf den Tisch gelegt, dass einem sich der Magen umdreht. Die Idee, dass das alles als Scherz gemeint sein könnte, wird mit einem scharfen Blick im Keime erdrückt. Und was ist dann das Ergebnis? Essstörungen, Sportsucht, mangelndes Selbstbewusstsein und die abhanden gekommene Fähigkeit sein Leben selbst in der Hand zu nehmen. Schlimmer noch: Vielleicht gar nicht zu wissen, wie es ist, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Wie es sich anfühlt, wenn das eigene Schönheitsideal ausgelebt wird. Fern ab von den vorgegeben Bildern.

Zur Geburt bekommen wir − neben einem wunderbaren Namen − einen Körper geschenkt. Makellos, gesund und fähig, damit durch den Tag zu kommen. Wir haben zwei Beine, mit denen wir die Welt erkunden können. Zwei Arme, mit denen wir Dinge anfassen, berühren und fühlen können. Zwei Augen, mit denen wir sehen können. Mehr oder weniger Haare zum Kämmen und schön machen. Organe, die dafür sorgen, dass wir unser Essen verdauen können, und ein Herz, das tagtäglich Blut durch unsere Adern pumpt, damit wir die Fülle des Lebens genießen können. Und ganz oben, da sitzt noch unser kleines Gehirn. Ein prächtiges Instrument, das es uns ermöglicht, zu denken, zu lernen, zu reifen.

Diese ganzen Geschenke sind doch grandios! Jedes für sich schon ein Wunderwerk der Natur. Das Zusammenspiel atemberaubend. Und trotz dieser ganzen Einzigartigkeit wollen viele von uns nur aussehen wie viele von uns aussehen. Sie wollen ihr individuellstes Geschenk anpassen, nur um dann doch irgendwie unverwechselbar zu erscheinen. Sie malträtieren ihren Körper in Fitnessstudios und mit veganem Essen vor 18 Uhr. Sie zwängen sich in Kleider, die nicht für ihren Körper gemacht sind und glauben, dann richtig glücklich zu sein. Die Depression wird als Stimmungstief bezeichnet und die Essstörung als Magenunverträglichkeit. Ermüdung liegt an der fehlenden Sonne und die gereizte Stimmung an zu viel Sonne.

Ist der Sommer vorbei, verschwinden die verunsicherten Argumente unter einem dicken Pullover und werden mit Eis und Sahne unsichtbar gemacht. Um dann im nächsten Jahr das Schauspiel von Neuem beginnen zu lassen. Was für eine Herausforderung! Und haben wir dann doch verstanden, irgendwann im hohen Alter, das wir wir sind. Das hinter unseren Wehwehchen ein anderes Thema steckt. Ja, dann versuchen wir, zurück zum Ursprung zu kommen. Zurück zu unserer Reinheit und Individualität. Am liebsten in zwei Wochen oder schon morgen. Schließlich haben wir es ja verstanden − jetzt.

Es ist eine Crux mit der Schönheit. Je mehr wir ihr nacheilen, desto unschöner und ungesunder macht sie uns. An manchen Tagen vergeuden wir dann mehr Zeit mit Herrichten, als in uns reinzuhorchen, und sind dann verwundert über das Ergebnis. Dass die Fassade zwar glänzt, allerdings der Lack darunter bröckelt.

Ich kann da nur sagen: Nehmt euch Zeit und nicht das Leben! Die Umkehrung dauert ebenso lang, wie die Reise dorthin, wo ihr jetzt steht. Nichts kommt einfach über Nacht und nichts geht über Nacht. Falsche Schönheitsideale und die damit verbundene Dramatik − sowohl psychisch wie auch physisch − sind über eine gewisse Dauer entstanden. Diese Manifestation ist tief verankert. Wahrzunehmen, wer ihr seid, zu schauen, wie es euch geht, zu spüren, was es mit euch macht − das alles gehört zum Heilungsprozess. Zum Erkennen und Ändern.

Und auch wenn jetzt im Sommer wieder alle verrückt spielen und zeigen, was sie haben (oder eben nicht haben) − macht euch nicht verrückt. Dieser Zyklus dauert nur drei Monate und dann ist wieder alles vorbei. Statt in der kurzen Zeit auf das zu schauen, was die anderen haben und machen, schaut auf euch. Genießt die Sonne, das Leben und die Leichtigkeit. Freut euch über euren Körper − so wie er ist. Freut euch über eure Gesundheit − so wie sie sich gerade anfühlt. Und seid stolz auf eure Individualität!

Jana LudolfJana Ludolf
Geprüfte Psychologische Beraterin (VFP), Mediatorin und Familiencoach in Bad Blankenburg

info@Jana-Ludolf.de 

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