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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 2/2017

Steter Tropfen … Die Kraft der Kontinuität

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@ digieye I fotolia.comSicherlich ist Ihnen diese Frage aus Erstgesprächen mit Klienten bekannt: „Wie viele Sitzungen brauche ich, um mein Problem zu lösen?“ Meine Antwort auf diese durchaus berechtigte Frage lautet: „Zwischen einer Sitzung und unendlich vielen …“, worauf der Klient meist etwas erwidert wie: „Mhhh, ja, verstehe, das macht Sinn.“

Wenngleich menschliches Verhalten durchaus berechenbar ist, so betrachten Klienten ihre Problematik doch sehr unterschiedlich. Dies erschwert eine Prognose über den zeitlichen Rahmen eines Veränderungsprozesses immens. Jeder Klient kommt mit seinem Modell von der Welt, seinen Bedürfnissen und Erfahrungen. Jede Sitzung gestaltet sich anders, und jeder Moment verlangt, sich immer wieder neu zu öffnen und einzulassen, was „one-size-fits-all“-Methoden nutzlos macht. Alles unter der Voraussetzung, dass man sich effektiv auf den Klienten einstimmen möchte.

Ich möchte hier eine Rückmeldung eines Klienten mit Ihnen teilen, die ich vor nicht allzu langer Zeit per E-Mail erhalten habe. Der Klient hat mir seine Erlaubnis dazu erteilt. Lediglich der Name wurde geändert.

Thomas, 27 Jahre, ist seit 31/2 Jahren bei mir und nimmt regelmäßig eine Sitzung (60 Minuten) pro Monat in Anspruch. Da ich meine Praxis in München habe und er in einer anderen Stadt wohnt, arbeiten wir über Skype, manchmal über Telefon. Thomas ist Selbstzahler, wie alle meine Klienten.

Was aber war sein ursprüngliches Anliegen? Warum nimmt er Sitzungen über einen so langen Zeitraum? Die Antwort: Weil Thomas für sich entschieden hat, monatlich ein für ihn machbares Budget in seine persönliche Weiterentwicklung zu investieren – er erlaubt sich sozusagen einen mentalen TÜV-Check. Er wollte einen Coach an seiner Seite, der ihm nicht das gibt, was er will, sondern das, was er braucht, um persönlich zu wachsen.

Hier seine E-Mail an mich:„Hi Boris, eine kurze Info und ein Dank an dich! Ich habe vorgestern mit einem alten Studienfreund telefoniert, den ich zwei- bis dreimal im Jahr treffe und mit dem ich mich sehr gut verstehe. Er zieht nächste Woche von Garmisch-Partenkirchen nach Salzburg zu seiner Freundin und seinem neuen Arbeitsplatz. Jedenfalls habe ich ihm spontan und ohne groß nachzudenken gesagt, ich komme vorbei und helfe ihm (alles einladen, zweimal mit dem Sprinter nach Salzburg und zurück, aufbauen). Er war total baff, und obwohl er jetzt vor Ort eine Hilfe gefunden hat und mehr als zwei Leute kontraproduktiv wären, war er sehr gerührt. Er hat mir ausführlich in seiner Mail heute dazu geschrieben. Scheinbar hat das keiner seiner Freunde angeboten, auch nicht die, die näher als 300 km entfernt wohnen. Ich habe mich sehr gefreut über die Mail!

Tja, mir ist erst durch seine Reaktion klar geworden, wie selbstverständlich mir mein Verhalten war und dass so ein Angebot in meiner Welt zu einer guten Freundschaft dazugehört (mal abgesehen davon, dass wir dabei auch viel Spaß zusammen hätten). Dann wurde mir bewusst, dass es vor 2 Jahren ganz und gar nicht selbstverständlich für mich gewesen ist, und meine Glaubenssätze, mein Ego und meine Emotionen sich erst in diese Richtung entwickelt haben. Vielen Dank dafür an dich, denn du trägst daran eine Teilschuld. Von alleine hätte ich es nicht so schnell (falls überhaupt) erkannt, und ich bin dir sehr dankbar für die Unterstützung, dein offenes Ohr und die guten provokanten Fragen!

Dieser Thomas entwickelt sich zu einem richtig guten Menschen! Also, ich freue mich auf unseren nächsten Termin und wünsche dir alles Gute! LG Thomas“

Mir geht es hier nicht darum, glänzen zu wollen (auch wenn mich sein Feedback natürlich rührt und dies der wahre Lohn meiner Tätigkeit ist); vielmehr will ich verdeutlichen, welche immensen und großartigen Weiterentwicklungen möglich sind, wenn man kontinuierlich und in kleinen Schritten am Ball bleibt, in sich selbst investiert; dass man keineswegs zu warten hat, bis es brennt, sondern dass es sich lohnt, präventiv und vorausschauend zu handeln.

Oft fangen Menschen etwas an, um schon nach kurzer Zeit wieder aufzuhören und sich dann einzureden, dass „es“ nicht funktioniert hat, egal ob es sich dabei um den Klavierunterricht, die Tanzschule, den Fitnessclub, den Yogakurs, die Ernährungsumstellung, das Nichtrauchen oder irgendeinen psychischen Veränderungsprozess handelt. Die Konsequenz bei letzterem kann dann z.B. zu einem Therapieabbruch führen − und folglich zu noch mehr Frust.

Meistens brechen Menschen jedoch ihre anfangs hochmotiviert begonnenen noblen Vorhaben und Ansätze ab, sobald sie sich von der Theorie zur Umsetzung bewegen und, damit zusammenhängend, erste Hindernisse auftreten oder ein Plateau erreicht wird. Ein Plateau ist eine Phase, in der wir das Gefühl haben, uns im Kreis zu bewegen – nichts geht mehr voran. Wenn wir jedoch dabei bleiben, führt uns das Plateau automatisch zur nächten Lernetappe. So verhält es sich auch mit dem Prozess der persönlichen Weiterentwicklung. Ein Abbruch bedeutet immer ein „Zurück auf Los“, ohne einen Gewinn einzukassieren.

Fazit

Es geht nicht darum, immer VIEL von allem machen zu müssen und ALLES sofort zu verändern, sondern darum, in weiser Vorausschau den langfristigen Gewinn einer Sache im Auge zu behalten; stetig kleine, machbare Schritte zu gehen, die Disziplin und Kontinuität fordern, ohne sich zu überfordern.

In diesem Sinne, HOOYAH & ROCKLIFE!

Boris PikulaBoris Pikula
Heilpraktiker für Psychotherapie, Mental & Life Coach, Buchautor

https://www.borispikula.de/
https://www.praxis-pikula.de/

 

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