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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 4/2017

Der Bock als Gärtner?

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© fotoart89 I Fotolia.comWollen wir der Ärztelobby die Definition des Berufsbildes Heilpraktiker überlassen?

HP Dr. Georg Klaus sondiert Möglichkeiten für eigendynamische Entwicklungen des Berufsstandes

In diesem Beitrag stelle ich Gedanken zum Diskussionsprozess der berufspolitischen Positionierung vor, die unseren einzigartigen Heilpraktiker-Beruf als zentrales Gesundheitsangebot in der heutigen Gesellschaft begreift. Dabei möchte ich dazu beitragen, Begriffe zu klären, die in der Auseinandersetzung von einigen Seiten unscharf und verkürzt zu ihrem jeweiligen Zweck gebraucht werden. So z.B. die Frage, was man unter einem „freien Beruf“ versteht und in welchen Einflusssphären sich der Heilpraktiker-Beruf wiederfindet. Es geht nicht darum, gegen etwas zu sein oder etwas zu verbieten, sondern auf der Basis bestehender Stärken weitere Potenziale im Rahmen der Naturheilkunde denkbar zu machen. Für Fragen, Anregungen, Verbesserungen und/oder Korrekturen wäre ich allen Leserinnen und Lesern dankbar.

Generell kann man unterscheiden zwischen binnenwirksamen internen Abläufen eines Berufes und der von der Selbstdarstellung geformten Außenwirksamkeit. Berufsbilder werden aus beiden Ebenen geboren und entstehen in der gelebten, sich entwickelnden Praxis. Sie spiegeln praktische Bedürfnisse der Menschen wider, die durch engagierte Dienstleistungs-Anbieter auf der Grundlage spezieller komplexer Fähigkeiten bedient werden Der BOCK als Gärtner? Wollen wir der Ärztelobby die Definition des Berufsbildes Heilpraktiker überlassen? sollen. Zusätzlich erfüllen sie Regelungen der Organisation für eine Marktzugangskontrolle und eine gefahrenabwehrende Berufsaufsicht. Die Eigenverantwortung eines Berufsstandes kann dabei durch verbandliche Ordnungssysteme mit klaren berufsrechtlichen Regelungen und eine geregelte Weiterbildung organisatorisch gestärkt werden.

Zu starke, aber auch zu schwache Regelungen können allerdings Eigeninitiative und Verantwortung reduzieren und das Entwicklungsinteresse einer demokratischen Gesellschaft behindern, wenn sich die Menschen vom gemeinsamen Prozess distanzieren. Insgesamt verstehe ich die Breite der Meinungen von „Das Heilpraktikergesetz ist völlig ausreichend“ bis hin zu Vorurteilen wie z.B. „Die dürfen alles und können nichts, und niemand kontrolliert das“.

Wird im ersteren die freie berufliche Entfaltung ersehnt, so wird im zweiten einer vermehrten staatlichen Kontrolle das Wort geredet. Wo wir zwischen den jeweiligen Ansprüchen stehen, wohin wir unseren Beruf nivellieren, hängt in der Zukunft nicht zuletzt auch von einem gemeinsamen Klärungsprozess innerhalb der Heilpraktikerschaft ab.

Das Verfassungsrecht regelt normative Rahmenbedingungen der inhärenten Berufsgestaltung in Bezug auf positive soziale Effekte. Weitere Gesetzesinstanzen konkretisieren diese Vorgaben durch die Definitionen von Berufszugang (Ausbildung, Prüfung) und Berufsausübung (Berufspflichten, Werbung, Kooperation mit anderen Berufen, Organisationsformen). Dies in Bezug auf den Schutz des konkreten Patienten und der allgemeinen Volksgesundheit.

Jeder Mensch kann sich gemäß Art. 12 GG (Grundgesetz) seinen Beruf frei auswählen. Ein freier Beruf nach § EstG § 18 bewegt sich zwischen der freien Entfaltung der Persönlichkeit und dem Interesse an der Sicherung des Lebensunterhaltes als ökonomische Funktion. In § 1,2 PartGG (Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften, Angehöriger freier Berufe) werden Heilpraktiker explizit zu den freien Berufen gezählt.

„Ausübung eines freien Berufes im Sinne dieses Gesetzes ist die selbstständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Heilpraktiker, Krankengymnasten, Hebammen, Heilmasseure, Diplom-Psychologen, Mitglieder der Rechtsanwaltskammern, Patentanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer (vereidigte Buchrevisoren), Steuerbevollmächtigten, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Lotsen, hauptberuflichen Sachverständigen, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer und ähnlicher Berufe sowie der Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Lehrer und Erzieher.“

Mit der genauen Beschreibung der eigentlichen Tätigkeit tun sich allerdings alle schwer. Selbst das ärztliche Berufsrecht nimmt an dieser definitorischen Stelle Anleihen bei Regelungen des Heilpraktikergesetzes (z.B. § 1 HpG) im Rahmen des sog. „impliziten Arztvorbehaltes“. Man unterscheidet den expliziten Arztvorbehalt (bestimmte Handlungen dürfen nur von Ärzten vorgenommen werden) und den impliziten Arztvorbehalt (zur Ausübung ist ärztliches Fachwissen notwendig). Kabarettistisch ausgedrückt unterliegen Ärzte in der Ausübung der Heilkunde, also ihrem Tun, den Definitionen des Heilpraktikergesetzes – da könnten wir ein Qualitätsgremium berufen, das überprüft, ob diese sich auch ordentlich daran halten. Das Heilpraktikergesetz übernimmt so, in Ermangelung anderer Regeln, eine wichtige Ordnungsfunktion für ärztliche und andere gesundheitsbezogene Berufsausübungen.

Ein freier Beruf ist gekennzeichnet durch eine Liste von Merkmalen, die nicht alle umfänglich gelten müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung zur steuerbezogenen Einschätzung freier Berufe Stellung bezogen.

So haben neben der auch für Gewerbetreibende geltende Gewinnerzielungsabsicht zusätzlich Besonderheiten in Ausbildung, staatlichen oder berufsautonomen Regelungen ihrer Berufsausübung, ihrer Stellung im Sozialgefüge, der Art und Weise der Erbringung ihrer Dienstleistung und auch des Einsatzes der Produktionsmittel Arbeit und Kapital. Die Dienstleistungen freier Berufe hängen in hohem Maße ab von der persönlichen Qualifikation, dem persönlichen Einsatz und der individuellen Begabung, z.B. als Künstler oder eben als Heilpraktiker.

Der EuGH (Gerichtshof der Europäischen Union) charakterisiert freie Berufe darüber hinaus als „Tätigkeiten, die ausgesprochen intellektuellen Charakter haben, eine hohe Qualifikation verlangen und gewöhnlich einer genauen und strengen berufsständischen Regelung unterliegen. Bei der Ausübung einer solchen Tätigkeit hat das persönliche Element besondere Bedeutung, und die Ausübung setzt auf jeden Fall eine große Selbstständigkeit bei der Vornahme der beruflichen Handlung voraus.“

Weitere Kriterien für freie Berufe listet das Berufsrecht für Gesundheitsberufe auf

  1. Im Mittelpunkt stehen ideelle Anliegen und nicht materielles Gewinnstreben
  2. Die freie Tätigkeit fundiert auf einer qualifizierten Ausbildung
  3. Der Kern der Dienstleistung wird persönlich erbracht
  4. Freie, selbstbestimmte, eigene gesetzlich garantierte Bestimmung des Leistungsinhaltes, ein Direktions- oder Delegationsrecht, wird eingeschlossen
  5. Fachliche Unabhängigkeit und wirtschaftliche Selbstständigkeit
  6. Gemäßigtes Gewinnstreben
  7. Hohes Vertrauen der Allgemeinheit in die berufliche Integrität; Verstöße gegen das Berufsrecht können neben allgemein strafrechtlichen auch berufsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen (nur wenn der Beruf entsprechend aufgestellt ist)
  8. § 53 StPO sichert den Schutz der Berufsgeheimnisse (berufliche Integrität, Patientenrechte)
  9. Institutionelle Organisationsformen der Selbstverwaltung und Selbstkontrolle

Der Heilpraktiker-Beruf ist auch gemäß dieser Kriteriengrundlage ein freier Beruf. Er wird bestätigend in verschiedenen Gesetzen und Regelungsverfahren so eingestuft. Wie wir gesehen haben, auch wenn man die Kriterien des ärztlichen Berufsrechtes zu Rate zieht, erfüllt der „Heilpraktiker-Beruf“ (HpG-Beruf) die Mehrheit der Punkte, wenn auch zentrale Punkte fehlen und eine zeitgemäße Reform dem Berufsstand gut tun dürfte. Denn es zeigen sich strukturelle und inhaltliche Mängel, die u.a. sicherlich zum negativen Image des Heilpraktiker-Berufes sowohl bei gesellschaftlichen Entscheidern als auch in weiten Bereichen der konkurrierenden Gesundheitsberufe beigetragen haben. Hier besteht sicherlich, unbeschadet der weit verbreiteten Akzeptanz in der Bevölkerung, ein Verbesserungsbedarf in der Berufspolitik.

Gedanken zum möglichen Entwicklungspotenzial des Heilpraktikergesetzes

Das Heilpraktikergesetz hat sich in der Vergangenheit weitgehend bewährt und unserem Beruf eine relativ sichere und stabilisierende Grundlage gegeben. Allerdings ist die bisherige berufsrechtliche Entwicklung, anders als in anderen freien Berufen, abhängig von Verwaltungsgerichtsurteilen, die regulierend in die heilpraktische Berufsausübung eingreifen und damit den Beruf in seiner realen Umsetzung definieren, indem sie auf Grenzverstöße reagieren.

In einer immer komplexeren Zeit, in der sich die Welt aller Berufe um uns herum im Rahmen der Globalisierung stetig verändert, kann man der Meinung sein, Heilpraktiker gälten gleichsam als standhaftes gallisches Dorf, das allen Anfeindungen widersteht, denn wir verfügen über die Naturheilkunde als Zaubertrank, der uns gegen alle Widrigkeiten und Angriffe schützt. Man kann allerdings auch, kritisch beäugt von anderen Gesundheitsberufen, das Schicksal selbst in die Hand nehmen und den Beruf auf die allgemein gültige Basis freier Berufe erheben. Gesichtspunkte einer breiten Diskussion aller heilpraktischen Instanzen könnten dabei u.a. folgende Aspekte berücksichtigen:

  • Die Wirkung eines externen, unabhängigen Qualitätsmanagements der Berufsdurchführung – Ein einheitliches, berufsinternes Kontrollsystem zur Verbesserung der Qualität lässt sich nicht ausreichend durch eine verbandsinterne Selbstkontrolle ersetzen. Sie ist zwar als erster kleiner Schritt zu akzeptieren, bleibt aber auf Dauer nicht aussagefähig.
  • Die Wirkung einheitlicher Ausbildungskriterien – Sie würden es ermöglichen, unseren Heilpraktiker-Beruf in die professionellen Standards anderer freier Berufe einzugliedern.
  • Die Wirkung einer Dokumentationspflicht – Hier könnte man z.B. anonymisiert an einer zentrale Stelle Informationen über die angewandten Methoden und ihre Wirksamkeit sammeln und auswerten. Auf diesem Weg hätten wir eigenes, statistisches Datenmaterial, das helfen könnte, falsche Vorwürfe sachlich zu entkräften.
  • Eine berufspolitische Gesamtvertretung, d.h. ein Zusammenschluss aller Heilpraktiker-Verbände, ähnlich der Konstruktion anderer Berufe – Bisherige Versuche gehen in die richtige Richtung, tragen aber in sich das Potenzial, stetig weiterentwickelt zu werden.

Bei der internen Diskussion der Mängel der Heilpraktiker-Gesetzgebung muss man unterscheiden zwischen einer Kritik an der Gesetzeskonstruktion selbst und das Infragestellen des zu regelnden Objektes.

So bietet der ärztliche Beruf seinen Mitgliedern durch ordnungspolitische Berufs- und Weiterbildungsverordnungen einen wichtigen, identitätsstiftenden Schritt der Konkretisierung und Übersetzung in die Praxiswirklichkeit an. Dies fehlt beim Heilpraktiker-Beruf, weil das Heilpraktikergesetz als „kriterienarmes Gesetz“ zu wenig Regeln definiert, weil es sich einseitig an der Ausrichtung am Gefahrenabwehrrecht orientiert und weil es keine darüber hinaus gehenden berufsrechtlichen Vorgaben bietet. Weiterführende und konkretisierende Regeln werden meist nur auf Verwaltungsgerichtsebene, gleichsam auf Anforderung im Rahmen von Urteilen, erstellt, d.h. wir haben es mit einer reaktiven Berufsentwicklung zu tun. So verwundert es nicht, dass zündende berufsentwickelnde Strategien oder moderne Startup-Ideen aus der Gruppe der Heilpraktikerschaft nicht leicht zu finden sind. Dies kann u.a. dazu führen, dass historisch notwendige Anpassungen des Berufes an die Moderne eher selten von der verbandlichen Selbstorganisation ausgehen, sondern von staatlich gerichtlichen Aktivitäten abhängig sind.

Der Heilpraktiker-Beruf ist kein „Ausbildungsberuf“. Es fehlen extern geregelte Ausbildungskriterien, es gibt keine pädagogisch abgesicherten Lehrpläne und Curricula, keine bildungspolitisch abgestimmte berufseinheitliche Ausbildungsstrategien. Zusammen mit der Möglichkeit der Fortbildung in Privatschulen entsteht eine für das Image des Berufsstandes irritierende Koinzidenz. So stehen ungeregelte, umfängliche 3-jährige Ausbildungen auf der einen Seite kurzen Crash-Kursen von 20 Tagen Unterricht oder Einzeltrainings als Vorbereitung auf die amtsärztliche Überprüfung gegenüber. Seriöse Ausbildungsinstitute werden in ihrer Verbesserung und Qualitätssicherung in erheblichem Maße durch die ungeregelte Ausbildungssituation behindert. Dies ist, bei aller Liebe zum Beruf, Außenstehenden meist nur extrem schwer zu vermitteln.

Aus dem obigen Mangel folgt, dass es bis auf die allgemeinen Anforderungen keine Prüfungsordnungen, keine curriculare Kontrolle des Prüfungsaufbaus, keine Prüfungsvorgaben für die Prüfer und keine vergleichbare inhaltliche Kontrolle der mündlichen Überprüfungen gibt. Dieses Vakuum könnte von uns Heilpraktikern durch eigene konkrete Vorschläge und eine dezidiert gemeinsam abgestimmte Lobbyarbeit in Berlin gefüllt werden. Nach meinen Erfahrungen zeigen sich Politiker oder Vertreter des sekundären Gesundheitsbereiches durchaus offen. Die bisherigen Bemühungen könnten durch eine gemeinsame, konzertierte Aktion sicherlich in ihrer tatsächlichen Wirkung effektiver gestaltet werden.

Bei all meinen Kontakten zu Politik, Gesundheitsämtern und anderen Institutionen konnte ich allerdings eine erhebliche Irritation in Bezug auf das Fehlen einer seriösen, extern überprüfbaren Ausbildungsregelung erkennen. Eine berufsinterne Auseinandersetzung und Optimierung berufsständischer Ausbildungen ist seit dem Mittelalter eines der herausragenden Kriterien für das Selbstverständnis freier Berufe. Eine Anerkennung des Heilpraktiker-Berufes auf der Basis geregelter Ausbildungen würde z.B. die Eingliederung in das Versicherungssystem erleichtern und die Integration von Heilpraktikern in den objektiv bestehenden Bedarf an medizinisch-präventiven Ganzheitsangeboten, ambulanten oder stationären psychotherapeutischen Tätigkeiten ermöglichen. So fehlen z.B. bundesweit Psychotherapeuten in relevantem Ausmaß, d.h. es gibt Planstellen für diese Zahl an Psychotherapeuten. Diese Stellen könnten u.a. durch Heilpraktiker für Psychotherapie gefüllt werden, wenn diese eine anerkannte, staatlich geregelte Ausbildung nachweisen würden. Diese Regelungen würden durch eine Ausbildungsordnung gesichert werden. Dasselbe gilt in viel höherem Maße für uns Heilpraktiker.

Man könnte ein Problembewusstsein auf Behördenseite darin erkennen, dass zumindest für die schriftliche MC-Prüfung eine bundesweite Zentralisierung durch das Gesundheitsamt Ansbach organisiert wurde. In Zukunft wird diese Kontrolle sicherlich von Seiten der Aufsichtsbehörden in verstärktem Maße durchgeführt werden.

Der Wunsch nach Entwicklung des Heilpraktiker-Berufes bezieht sich im Wesentlichen auf eine Anpassung der bisher nur intern geregelten Ausbildung und eine verbindlichere Berufskontrolle, die entweder von Heilpraktikervertretungen selbst oder extern entwickelt werden könnten. Widerstand kommt dabei interessanterweise gerade von Ärzteverbänden, die sich mit Vehemenz gegen eine Ausbildungsverordnung für Heilpraktiker aussprechen, weil diese eine Aufwertung unseres Berufes bedeuten und unseren Kolleginnen und Kollegen die Mitarbeit in vielen medizinisch-naturheilkundlichen oder psychotherapeutischen Einrichtungen ermöglichen würde. Heilpraktiker sollen kleingehalten werden, damit sie weiterhin als Objekt der Herabsetzung dienen können.

Das Fehlen erkennbarer Strategien in der Berufsentwicklung führt zurzeit im Rahmen der Entwicklung von sog. „Leitlinien der Heilpraktiker-Überprüfung“ durch das Bundesgesundheitsamt zu Vorgaben, die leider weitgehend ohne den Einfluss der Heilpraktiker selbst entstehen.

Anregungen zur Fortentwicklung und Visionen

Die Entwicklung des Heilpraktiker-Berufes lässt sich an einigen prosperierenden Zahlen oder den steigenden Ausgaben der privaten Krankenkassen für heilpraktische Tätigkeiten und allgemein für Ausgaben insbesondere im Bereich der Naturheilkunde ablesen.

Politisch erfährt der Berufsstand einiges an Unterstützung. Ich selbst habe an einer Vielzahl von Sitzungen teilgenommen, während denen anwesende Vertreter aus Politik, Versicherungswesen und Pharmazie dezidiert ein Integrationsinteresse deutlich gemacht haben. So hat während einer Sitzung der Vertreter der AOK Offenheit für Vorschläge aus den Reihen der Verbände erbeten. Hier wäre weitere Kontaktarbeit und eine angemessene Entwicklung eigener berufspolitischer Konzeptionen hilfreich.

Die derzeitige Tendenz, dem allgemeinen Trend zur Akademisierung von Gesundheitsfachberufen zu folgen und z.B. Bachelor-Studiengänge oder Fachhochschul-Lehrgänge mit integrierter Heilpraktikerprüfung zu entwickeln, greift für den Heilpraktiker-Beruf nicht. Die unter einigen Heilpraktikern verbreitete Angst vor einer Akademisierung basiert oft auf unzureichender Kenntnis und einer eher naiven Vorstellung. Denn Universitäten haben neben dem Recht auf Anerkennung staatlich anerkannter Berufe (Staatsexamen) auch die Möglichkeit, andere gleichsam private Ausbildungen anzubieten, insbesondere weil sie aufgrund ihrer Ressourcenknappheit selbst Geld verdienen müssen. Die Pflicht zu einer staatlichen Ausbildung besteht hier nur, wenn man staatlich gefördert werden will. Auch der Zugang ist nicht zwingend vom Abitur etc. abhängig.

Realistischer wäre also die Frage nach Integration der Heilpraktiker-Ausbildung z.B. in das bestehende „duale Bildungssystem“ anderer freier Berufe mit sowohl theoretischen wie auch praktischen Anteilen der Ausbildung, in Anlehnung an sog. „Berufsfachschulen“ im Handwerk. Gerade diese praxisorientierten Ausbildungen sollen in Zukunft stärker gefördert werden. Der ehemalige Kultusminister Nida-Rümelin hat explizit vor dem „Akademisierungswahn“ gewarnt, da Universitäten eigentlich Wissenschaftler ausbilden und sich nicht in praxisorientierte freie Berufe einmischen sollen.

Man könnte das Heilpraktikergesetz zur Erweiterung anderer Berufe im Gesundheitswesen verwenden, der sektorale Gebrauch würde dem Gesetz eine weitere ordnende Funktion innerhalb des Gesundheitsbereiches verschaffen. Der Gedanke, die Politik könnte das Heilpraktikergesetz abschaffen, basiert wieder auf der Unkenntnis der gesetzlichen Einbindung. Das HpG ist Bestandteil einer ganzen Reihe von Gesetzen im Gesundheitswesen, so müsste man z.B. das Ärzterecht verändern, da es sich in seiner Definition von Heilbehandlungen auf die Ordnungsfunktion des Heilpraktikergesetzes beruft.

Sehr mutig gedacht ließe sich gar die Übernahme öffentlicher Aufgaben vorstellen. Der aktuelle Ärztemangel lässt selbst die Bundes- ärztekammer nachdenklich werden und über die Kooperation mit anderen Berufen öffentlich nachdenken. Daraus ergibt sich die Frage, wie sich der Heilpraktiker-Beruf professionalisieren müsste, um ein interessanter Gesprächspartner zu werden. Sehr beherzt nach vorn gedacht könnten Heilpraktiker mit einer speziellen Anpassungsausbildung in betreuungsschwachen Regionen und Gebieten eingesetzt werden. Hier müsste man allerdings den Beruf des klassischen Vertrauens-, Dorf- oder Hausarztes mit dem Tätigkeitsspektrum eines Heilpraktikers vergleichen. Schnittstellen und dezidierte Unterschiede würden die jeweiligen Kompetenzgebiete herausarbeiten und entsprechend verorten. Auch hier wären geregelte Ausbildungsvorgaben und -kontrollen unbedingte Voraussetzung und würden dem Berufsstand viele Türen öffnen.

Seit Januar 2015 wird ein Einsatz von sog. „nichtärztlichen Praxisassistenten“ in Hausarztpraxen extrabudgetär von den Krankenkassen gefördert. Das sind zurzeit u.a. Krankenschwestern. Heilpraktiker könnten aufgrund ihrer beruflichen Ausrichtung inkl. ihrer häufig vorhandenen medizinischen Grundberufsausbildung ein interessantes Einsatzgebiet finden. Die Lösung des Problems breiter Unterversorgungen in Teilen des Landes wäre nicht aufwändig zu regeln.

Der Deutsche Bundestag hat sich am 17. Juni 2015 in erster Lesung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland befasst. Hier könnten Heilpraktiker eingesetzt werden, da sie sich für diese Zielgruppe im Bereich der alternativen naturheilkundlichen Schmerztherapie und der Psychoonkologie über viele Jahre Kompetenzen erworben haben und diese in eigener Praxis anwenden.

Es gäbe also für den Berufsstand der Heilpraktiker eine ganze Reihe vorstellbarer Aufgaben für die Zukunft, nicht zuletzt auch als historisch gewachsene Vertreter eines naturheilkundlich seriösen Therapieangebotes. Dies geschähe, wenn auch die Vertreter anderer Berufe ihr ideologisches Mäntelchen ablegen und offenes und intrinsisches Interesse an kooperativen Angeboten in öffentlichen Äußerungen und in konkretem Handeln darlegen würden.

Die Frage, ob und in welchem Umfang das Heilpraktikergesetz geändert werden kann und sollte, geriert sich deshalb extrem schwierig, weil eine Vielzahl gesellschaftlicher Mitspieler mitreden und sich abstimmen müsste. Als Gesetz muss es von Juristen bearbeitet werden, dies muss allerdings politisch gewollt sein und von den medizinischen Mitbewerbern akzeptierend unterstützt werden. Pädagogen und die Verwaltung insgesamt müssten sich in einer konzertierten Aktion abstimmen. Selbst hier stehen wir Heilpraktiker für einen ganzheitlichen Ansatz.

Es wäre zu wünschen, wenn Kollegen mit ausgewiesener Kompetenz aus der Heilpraktikerschaft – unterstützt von vorhandenen verbandlichen Strukturen – das berufspolitische Koordinationsmanagement in die Hand nehmen würden. Dann gäbe es eine erhöhte Chance, das naturheilkundliche Dickschiff im Interesse der Berufssicherung auf großer Fahrt sicher zu manövrieren. Nur wenn wir Heilpraktiker nach außen mit einer Stimme sprechen, die von allen mitgetragen wird, sind wir als Berufsstand im Ganzen zu erkennen.

Der Heilpraktiker-Beruf, so die einhellige Meinung vieler Entscheider aus Politik, Medizin und Recht, hat eine große Zukunft vor sich, ist für die Gesellschaft heute unverzichtbar und ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Auftrages, die Bevölkerung in Prävention, Therapie und Nachsorge seriös zu betreuen. Wir müssen allerdings aufpassen, klug handeln und in kollegialer Geschlossenheit für die Bewahrung der heilpraktischen Naturheilkunde eintreten.

So sehe ich zurzeit eine Gefahr darin, dass die punktuellen Veränderungen des Heilpraktikergesetzes und die Forderung nach Leitlinien als Unterpunkt eines Dritten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften platziert werden. So etwas geschieht meist nicht zufällig, sondern mit Absicht. Denn diese politische Strategie könnte den Heilpraktiker-Beruf auf die Ebene der sog. „abhängigen Gesundheitsfachberufe“ positionieren.

Da dieses Gesetz verabschiedet worden ist, bleibt uns nur übrig, bis zur nächsten Gesetzesfortschreibung abzuwarten und zu erfahren, was daraus für unsere alltägliche Praxis folgt. Es wäre hilfreich, wenn wir gemeinschaftliche Foren oder Qualitätszirkel hätten, die, wie in anderen Berufen üblich, sich zusammenzusetzen und gemeinsam eine für den Heilpraktiker-Beruf gedeihliche Lösung entwickeln. Aus der Vergangenheit lassen sich meist nur moderate, kaum merkbare Veränderungen erinnern. Ob das so bleibt, hängt auch ab vom Verhältnis von Eigeninteressen und der Initiative für die Gesamtheit des Berufsstandes.

Darunter verbirgt sich allerdings die allgemeine Fragestellung, wie viel Professionalisierung und berufsständische Regelung uns Heilpraktikern hilft, unsere gesellschaftlich wichtige und weitgehend erfolgreiche Tätigkeit aufrechten Ganges in der alltäglichen Praxis leben zu können.

Dr. phil., M.A. Georg KlausDr. phil., M.A. Georg Klaus
Heilpraktiker und Pädagoge

georgklaus@web.de

Foto: © fotoart89 / Fotolia.com

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