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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/2018

Klassische Homöopathie

Cover

Similia similibus curentur –
Ähnliches werde mit Ähnlichem geheilt

Oft wird die klassische Homöopathie als Oberbegriff für diverse Naturheilverfahren verstanden, aber sie ist ein eigenständiges Therapieverfahren mit klar definierten Regeln und Gesetzen. Der Grundgedanke der Homöopathie ist das Ähnlichkeitsprinzip, das der deutsche Arzt, Chemiker und Apotheker Samuel Hahnemann (1755-1843) vor mehr als 200 Jahren zu einem vollständigen Therapieverfahren ausgebaut hat. Aber auch Hippokrates (ca. 460-370 v.Chr.) und Paracelsus (1493-1541) haben das Ähnlichkeitsprinzip schon erwähnt. Es besagt, dass eine Substanz, die in der Urtinktur (hohe Dosis) am Gesunden bestimmte Symptome hervorrufen kann, in verdünnter (potenzierter) Dosis eben diese Symptome beim Kranken heilt.

Beispiele

Jeder weiß, was passiert, wenn man eine Zwiebel schneidet: Die Augen brennen, werden rot, tränen (wobei die Tränen mild sind, d.h. die Gesichtshaut nicht reizen), die Nase läuft. Hat nun ein Patient einen Schnupfen mit genau diesen Symptomen, wird ihm das homöopathische Mittel „Allium cepa“ (Küchenzwiebel) helfen.

Die südostasiatische Brechnuss „Nux vomica“ ruft u.a. starke Übelkeit, Verstopfung und Schlaflosigkeit hervor. Leidet ein Mensch unter diesen Symptomen, wird ihm „Nux vomica“ potenziert gut tun.

Das Prinzip der Homöopathie ist ein Naturgesetz, das vor mehr als 2000 Jahren erstmals beschrieben wurde und seit der Begründung der Homöopathie-Methode auch heute noch täglich in Tausenden Praxen bestätigt wird.

Hahnemann schrieb dazu in seinem Organon der Heilkunst, dem Standardwerk der Homöopathie, in dem er in knapp 300 Paragraphen genaue Anweisungen zur Ausübung der Homöopathie gibt: „Wähle, um sanft, schnell, gewiss und dauerhaft zu heilen, in jedem Krankheitsfalle eine Arznei, welche ein ähnliches Leiden für sich erregen kann, als sie heilen soll.“ Und an anderer Stelle: „Similia similibus curentur – Ähnliches werde mit Ähnlichem geheilt.“ Daher auch der Name Homöopathie (griech. homois = ähnlich und pathos = leiden).

Da wir es bei homöopathischen Mitteln oft mit potenten Giften zu tun haben, ist es natürlich erforderlich, sie stark zu verdünnen. Als Hahnemann anfangs nach dem Ähnlichkeitsprinzip behandelte, hatte er noch große Probleme mit den Nebenwirkungen der giftigen Stoffe. Also verdünnte er sie soweit wie möglich, stellte aber fest, dass sie ab einer bestimmten Verdünnung nicht mehr wirksam waren. Nach langem Experimentieren kam er darauf, dass die Nebenwirkungen verschwanden, wenn er schrittweise verdünnte und verschüttelte, und dass das Arzneimittel sogar noch an Stärke gewann. Daher die Bezeichnung „potenzieren“.

Um überhaupt erst ein Mittel zu finden, das auf die Symptome eines kranken Menschen passt, braucht man eine umfangreiche Sammlung von möglichst vielen Substanzen (Mitteln). Eine solche Symptomsammlung eines Arzneimittels nennt man in der Homöopathie Arzneimittelbild, und da es natürlich viele Mittel gibt, die beschrieben werden müssen, gibt es ein Buch der Arzneimittellehre (Materia medica). Die Mittel stammen aus verschiedenen Bereichen, wobei die drei wichtigsten Pflanzen, Tiergifte und Mineralien (chemische Elemente) sind.

Nun muss der Homöopath natürlich eine genaue Anamnese durchführen, d.h. er fertigt eine lange Liste von Symptomen, Zeichen, Eigenheiten und Gemütssymptomen an, wobei auch alle Verbesserungen und Verschlechterungen der Symptome berücksichtigt werden. Dies nennt man „Repertorisieren“, und auch hierfür gibt es verschiedene Bücher und PC-Programme, die den Homöopathen unterstützen und ihm helfen, das richtige Mittel für seinen Patienten zu wählen.

Warum ist die Homöopathie so wichtig?

Haben wir mit der modernen Schulmedizin nicht schon ein ausreichendes Therapiesystem?

Ein großer Vorteil der Homöopathie ist, dass ein richtig eingesetztes Mittel keine Nebenwirkungen hat, v.a. bei chronischen Erkrankungen, denn hier sieht die Schulmedizin i.d.R. eine symptomatische Dauertherapie vor. Leider rufen die Nebenwirkungen dieser Medikamente aber wieder neue akute und chronische Erkrankungen hervor.

Der grundlegende Unterschied zwischen Homöopathie und Schulmedizin besteht darin, dass die Homöopathie den ganzen Menschen erfasst, während die Schulmedizin diese Ganzheit ignoriert und Krankheit nur lokal betrachtet und behandelt. Es ist aber unmöglich, z.B. einen Hautausschlag isoliert zu sehen, also nur für sich zu behandeln, denn jeder weiß, dass die Haut auf Stress reagiert, genauso wie der Magen. Also kann es nicht sinnvoll sein, einen Hautausschlag einfach lokal mit einer Kortisonsalbe zu behandeln und den Magen dabei zu ignorieren. Offensichtlich gibt es Zusammenhänge im menschlichen Organismus, die wir individuell betrachten müssen.

Hahnemann hat es die „Verstimmung der Lebenskraft“ genannt, und nur aufgrund dieser können die verschiedenen Krankheiten entstehen. Ohne sie gäbe es keine Hautausschläge, Migräne, Depressionen oder andere gesundheitliche Probleme, mit denen Menschen zu kämpfen haben. Jeder für sich hat seine eigene Verstimmung, sein eigenes Grundproblem oder seine eigene Schwäche, wie auch immer man es nennen mag. Wenn wir jetzt ein homöopathisches Mittel auswählen, das den ganzen Menschen mit all seinen individuellen Symptomen und Eigenheiten erfasst (seine individuelle „Verstimmung der Lebenskraft“), erreichen wir direkt die Grundverstimmung, also die Ursache aller Probleme, und somit wird sämtlichen Problemen und Erkrankungen die Grundlage entzogen. Dies bedeutet dann Heilung und nicht nur lokale Unterdrückung von Symptomen.

Um nun das individuelle Mittel für einen Patienten zu finden, müssen Homöopathen sehr genau tief in den Patienten hinein und oftmals hinter die Kulissen schauen. Sie müssen alle Symptome genauestens hinterfragen und bewerten, die Veränderungen erkennen und auch den Patienten mit seinem Charakter, seiner Art und seinem Aussehen in die Mittelfindung einbeziehen. Auch nach der Mittelgabe ist es sehr wichtig zu überprüfen, was sich wo und wie verändert hat. Pauschal, so kann man sagen, verläuft auch die homöopathische Heilung in einer gewissen Reihenfolge, d.h. von innen nach außen, von oben nach unten; das, was zuletzt kam, muss als erstes verschwinden (Hering‘sche Regel).

Kommt also ein Patient mit Asthma in meine Praxis, für den ich eine homöopathische Arznei ausgewählt habe, kann es passieren, dass er im Laufe der Behandlung z.B. einen Hautausschlag entwickelt. Dies bedeutet somit Heilung von innen nach außen, also die richtige Arznei.

Die homöopathische Behandlung ist aber nicht nur für akute oder chronische Erkrankungen sinnvoll, sondern sie bietet noch ein größeres Spektrum an individuellen Möglichkeiten an. In meine Praxis kommen Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch und Problemschwangerschaften, ich biete Geburtsbegleitung an und behandle „Schreibabys“, entwicklungsverzögerte Kinder, ADHS- und Konzentrationsprobleme, auch magersüchtige und depressive Patienten.

Praxisfall: Unerfüllter Kinderwunsch

Frau A., 35 Jahre, kommt in meine Praxis, nachdem sie fünf Jahre lang erfolglos versuchte schwanger zu werden. Die Patientin erzählt mir weinend, wie sehr sie und ihr Mann sich ein Kind wünschen. Sie hat große Angst, ihren Mann zu verlieren, wenn dieser Wunsch nicht in Erfüllung gehen würde. Sie hat schon alles Mögliche versucht und auch diverse Hormonbehandlungen beim Frauenarzt über sich ergehen lassen. Ich beginne mit meiner Anamnese und stelle einige wichtige Symptome fest: Die Patientin ist sehr unentschlossen, sehr sanft und ängstlich. Ihre Beschwerden wechseln schnell von einem Körperteil zum anderen. Sie ist durstlos. Die Absonderungen aller Schleimhäute sind dick und gelblich-grün. Sie isst sehr gerne Eis, bekommt davon nachts aber Durchfälle. Und sie erzählt, dass sie seit dem Beginn ihrer Periode eigentlich nicht mehr richtig „gesund“ gewesen sei. Sie ist sehr blass, hat blonde Haare, blaue Augen und ist zierlich. Ich verordne der Patientin Pulsatilla pratensis. Nach sechs Monaten ruft sie mich außer sich vor Freude an, um mir mitzuteilen, dass sie schwanger sei.

Natürlich betreue ich Frau A. auch während der Schwangerschaft, denn dies ist die Zeit, während der die wichtigsten Grundlagen für die Gesundheit des Kindes gelegt werden. Immer mehr Frauen haben im Laufe ihrer Schwangerschaft wiederkehrende Beschwerden, von Übelkeit über Migräne bis hin zur Schwangerschaftsvergiftung. Da mit schulmedizinischen Medikamenten meist nur eine vorübergehende Linderung zu erreichen ist und mit jedem Medikament dem Ungeborenen großer Schaden zugefügt werden kann, stellt auch hier die Homöopathie die bessere und sanftere Methode dar.

Auch hier schauen wir als erstes: Gab oder gibt es einen Auslöser für die Symptome, wodurch werden sie besser oder schlimmer, wann treten sie auf (zu einer bestimmten Zeit), wo sitzt der Schmerz und wie ist dieser (z.B. stechend), welcher Typ Frau ist die Patientin (blond/dunkel, dick/dünn, ruhig/geschwätzig). Gerade hier sind eventuelle psychische Probleme sehr wichtig.

© artush I fotolia.comAuswahl von 5 wichtigen Mitteln (Kurzfassung)

Arsenicum album (Weißes Arsenoxid)
Die Frau fühlt sich zittrig und schwach. Sie verlangt nach Gesellschaft, will nicht allein sein, v.a. nachts große Unruhe und Angst. Sie ist sehr besorgt um ihre Gesundheit.

Leitsymptome

  • sehr starke Übelkeit
  • alles wird erbrochen
  • brennendes Gefühl im Bauch
  • Durst auf kleine Schlucke Wasser, die wieder erbrochen werden
  • Schwäche, Erschöpfung, Leichenblässe, Ängste
  • macht sich Sorgen um das Kind

Besserung

  • Wärme
  • Anheben des Kopfes

Verschlimmerung

  • nachts
  • Kälte
  • Anstrengung
  • Gemüse, Obst, Wein, Trinken, Tabak
  • wenn sie allein ist

Ignatia (Ignatiusbohne)
Die Widersprüchlichkeit der Ignatia-Frau zeigt sich sowohl in ihren Geist-Gemüts-Symptomen als auch in denen ihres Körpers. Bei ihr ist immer alles ganz besonders und speziell.

Leitsymptome

  • muss immer etwas im Magen haben
  • verträgt mal dies nicht, mal jenes nicht
  • verträgt schwere Kost besser als Schonkost
  • widersprüchliche Stimmung mit großen Schwankungen
  • hysterische Ohnmacht

Besserung

  • Wärme
  • starker Druck, Lagewechsel
  • Kaffee, Essen

Verschlimmerung

  • Kummer, Sorgen, Ärger, Schreck
  • Berührung, Trost
  • Kälte
  • Tabak, Süßigkeiten

Ipecacuanha (Brechwurzel)
Die Übelkeit hält ständig an und wird durch nichts gebessert. Die Frau ist schwach und sehr erschöpft durch die ewigen Brechanfälle.

Leitsymptome

  • ständige Übelkeit mit Erbrechen ohne Erleichterung
  • Würgen mit leerem Magen
  • alles wird erbrochen
  • Schwäche
  • kalte Hände und Füße
  • starker Speichelfluss
  • Zunge ist feucht, aber ohne Belag

Besserung

  • Ruhe

Verschlimmerung

  • Bewegung
  • Essen

Nux vomica (Brechnuss)
Für leistungsorientierte Frauen, die auf alle Störungen ihrer Pläne ungehalten und ärgerlich reagieren. Sie sind meist sehr kälteempfindlich.

Leitsymptome

  • Würgen, ohne erbrechen zu können
  • falls Erbrechen, dann erleichtert dieses
  • Hunger mit Abneigung gegen Essen
  • krampfartige Magenschmerzen
  • überempfindlich, nervös, gereizt, gestresst

Besserung

  • am Abend
  • nach kurzem Schlaf
  • Hinlegen
  • ungehindert fließende Absonderungen
  • Milch
  • Einhüllen des Kopfes
  • feuchte Luft

Verschlimmerung

  • nach dem Essen
  • morgens (3-4 Uhr)
  • Genussmittel (Kaffee, Alkohol)
  • Ärger, Zorn, Überarbeitung
  • sexuelle Ausschweifungen

Pulsatilla pratensis (Wiesen-Küchenschelle)
Für emotionale, empfindliche Frauen mit häufig wechselnder Stimmungslage, die schnell zum Weinen neigen.

Leitsymptome

  • eigentlich Abneigung gegen Fett, aber ab und zu Heißhungeranfälle auf Sahne, Eis, Kuchen; danach Übelkeit, Sodbrennen, Schweregefühl im Magen
  • plötzlicher Ekel vor Speisen
  • Aufstoßen, Erbrechen, lange nach dem Essen
  • Essen liegt wie ein Stein im Magen
  • durstlos
  • weinerlich, anhänglich, launisch
  • wechselnde Stimmung und Beschwerden
  • Hitze des Körpers, aber kalte Hände und Füße

Besserung

  • durch Trost, weinen
  • frische Luft
  • kalte Getränke

Verschlimmerung

  • Wärme
  • Durcheinanderessen
  • Essen am Abend
  • Nasswerden der Füße

Ich hoffe, ich konnte Ihnen die klassische Homöopathie ein Stück näher bringen und Ihnen erklären, wie individuell und ganzheitlich diese wundervolle Behandlungsmethode ist. Noch schöner wäre es, wenn ich Ihr Interesse soweit wecken konnte, dass Sie selbst die „Lehre Hahnemanns“ erlernen und praktizieren wollen.

Susanne RothSusanne Roth
Heilpraktikerin mit Praxis in Wieseck, Schwerpunkte klassische Homöopathie (insb. für Säuglinge & Kinder), Dorn/Breuß-Methode und systemische Familientherapie, Dozentin an der Paracelsus Schule Gießen
praxis@susanne-roth-heilpraktikerin.de

Foto: © artush / fotolia.com

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