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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/2021

Reflexzonentherapie – Teil 3

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Reflexzonen, Akupunktur und Chakren – Gemeinsamkeiten und Abgrenzung

Sowohl in der Praxis als auch in Seminaren und noch mehr in der alltäglichen Diskussion werden Reflexzonen, Akupunktur und Chakren oft in einen Topf geworfen. Dabei wird übersehen, dass diese drei energetischen Behandlungsformen grundsätzlich unterschiedlichen Paradigmen folgen. Bevor wir uns den Unterschieden widmen, sollten wir deren Gemeinsamkeiten beleuchten.

Leben geht mit Licht einher

Alle drei Behandlungsansätze sind hochwirksame Methoden zur Regulierung und Harmonisierung unserer Lebensenergie. Es ist unerheblich, ob wir diese Prana, Chi oder Odem nennen. Wir haben sie im westlichen Sinne noch nicht wirklich erforscht, denn sie ist ein Aspekt von lebendem Gewebe. Dabei kommt die moderne Biophotonenforschung einer Erscheinung von Lebensenergie inzwischen näher. Es begann mit Alexander Gurwitsch (1874-1954), der mit Zwiebeln experimentierte und die ultraschwache Photonenemission entdeckte, die er „mitogenetische Strahlung“ nannte. Der Quantenphysiker Erwin Schrödinger (1887- 1961) brachte 1944 mit seinem Buch „Was ist Leben?“ bei den Biologen das Phänomen der Information ins Spiel. Und seit 1975 wissen wir dank Fritz Albert Popp (*1938), dass jede lebende Substanz ein ultraschwaches kohärentes Licht mit einer Wellenlänge von 200- 800 nm abstrahlt, das komplexe Informationen transportiert und der Zell-Zell-Kommunikation dient. Popp nannte die dabei gefundenen Lichtteilchen „Biophotonen“. Der Wissenschaftsjournalist Marco Bischof beschreibt in seinem 1998 erschienenen Buch „Biophotonen – Das Licht in unseren Zellen“, dass man an Akupunkturpunkten Verdichtungen von Biophotonenfeldern feststellen kann. So könnten diese Punkte für die Lenkung unserer Lebensenergie genutzt werden.

Zum Verständnis des Prinzips der Chakren gibt es viele Vermutungen. Die plausibelste Theorie über deren Zusammenhang mit dem Körpergeschehen ist, dass sie als energetische Ausdrucksformen vegetativer Zentren im Körper zu betrachten sind.

Was die Reflexzonen betrifft, so gibt es hierzu leider nur spärliche Forschungen. Die höchste Erkenntnisdichte findet sich im Bereich der Fußreflexzonen. So dürften die unbestreitbaren Befund- und Behandlungsmöglichkeiten auf der Nutzung von Kommunikationsphänomenen beruhen, bei denen das vegetative Nervensystem (vergleichbar mit einer Art „Telefonfestnetz“) und die Biophotonen („Mobilfunknetz“) die wesentliche Rolle spielen.

Auf Basis dieser innerkörperlichen Kommunikationsstrukturen haben sich im Laufe von Jahrtausenden in kulturell unterschiedlichen Ausprägungen Therapieformen entwickelt, wie sie uns heute in Form von z.B. Akupunktur/Akupressur, Chakra-Behandlungen und Reflexzonentherapien zur Verfügung stehen.

Akupunktur/Akupressur

Das altchinesische Leben war bäuerlich geprägt und eingebettet in die Glaubenswelt des Daoismus. In allen Lebensaspekten galt das Grundprinzip des Ausgleichs von Yin und Yang. So hing die Ernte von einer harmonischen Bewässerung der Felder ab. Die Erde durfte weder zu nass noch zu trocken sein, damit die Pflanzen gedeihen konnten. Der späteren therapeutischen Grundidee lag das Bild von Bewässerungskanälen zugrunde, deren Füllungszustände durch Öffnen und Schließen von Schleusen geregelt werden konnte, immer individuell angepasst an die jeweilige Situation.

Diesen landwirtschaftlichen Prinzipien folgend, offenbarte der mystische Gelbe Kaiser den Menschen vor etwa 4200 Jahren das „Huang Di Nei Jing Su Wen“, das Buch zur inneren Medizin. Darin werden Energiekanäle (Meridiane) beschrieben, die den Organen zugeordnet sind und in denen die Lebensenergie nach einer festgelegten Reihenfolge fließt, um Körper und Geist zu versorgen.

Ist der Energiefluss in Harmonie, bedeutet das Gesundheit. Bestehen Funktionsstörungen oder Schmerzen, so kann ein Kanal entweder übervoll oder leer sein. Beides führt zu Problemen. Um diese zu beheben, muss herausgefunden werden, welcher Kanal betroffen ist und ob man es mit einer „Überschwemmung“ (Fülle-Krankheit) oder einer „Austrocknung“ (Leere-Krankheit) zu tun hat.

Laut dem Nei Jing besteht die Kunst der Heilung darin, die jeweils geeigneten Schleusen zu öffnen oder zu schließen, um einen harmonischen Energiefluss zu gewährleisten. Diese Schleusen in den betreffenden Meridianen sind die in der Akupunktur/Akupressur bekannten Punkte. Deren Aktivierung erfolgt nach bestimmten Regeln entsprechend der TCM. Grundlage dafür ist die „Fünf-Elemente Lehre“, die mit ihrem Kreislauf von Holz – Feuer – Erde – Metall – Wasser den Prinzipen der Natur folgt.

Die Chakren

Charles Webster Leadbeater (1847-1934) war eine höchst illustre Gestalt. Er war Theologe, Priester der Church of England, Bischof der von ihm gegründeten liberalkatholischen Kirche, Okkultist, Theosoph, Hellseher und Lehrer von Jiddu Krishnamurti. Auf einer Reise nach Indien und Ceylon 1884 machte er Bekanntschaft mit der Chakra-Lehre der Ayurvedischen Medizin. Dies war die Grundlage für sein Buch über die Chakren, das 1927 erschien. Ein anderer Botschafter der Chakren war Sir John Woodroffe (1865- 1936), der seit Anfang des 20. Jahrhunderts als Richter und Rechtsgelehrter in Indien für die Britische Krone wirkte. Er veröffentlichte einige Bücher über indische Philosophie, tantrische Praktiken und Chakren. Auf den Darstellungen dieser beiden Engländer beruht auch unser modernes Verständnis der Chakren.

Wir kennen 7 Hauptchakren, eine Fülle von Nebenchakren und eine schier unendliche Anzahl energetischer Verbindungen (Nadis) innerhalb des Körpers. Die Hauptchakren werden als Energiezentren beschrieben, die zwischen Körper und feinstofflichem Energieleib angesiedelt sind. Das Wissen darum wurde bereits in den vedischen Upanishaden vor 4500 Jahren erwähnt und erlebte im tantrischen Hinduismus im 8. Jahrhundert seinen Höhepunkt in Indien.

Wie bei den Meridianen der TCM helfen uns auch hier Analogien, z.B. der Vergleich mit einem elektrischen Küchengerät. Angenommen, wir könnten einen Mixer an eine Überland-Stromleitung mit 10 000 Volt anschließen, dann würde spätestens beim Einschalten das Gerät explodieren und wir müssten die Küche grundsanieren. Zum Betrieb des nächsten Geräts wählen wir, jetzt vorsichtiger, eine 1,5-Volt-Batterie. Diese setzt natürlich gar nichts in Gang. In beiden Fällen ist die elektrische Spannung ungeeignet.

In unserem Körper haben wir eine ähnliche Situation. Sowohl nach der altindischen als auch nach der chinesischen Lehre schwimmt der Mensch in einem Ozean von Energie wie ein Fisch im Wasser. Eine Erkenntnis, die durch die moderne Quantenphysik bestätigt wird. Womöglich ist dieses Energiefeld zu stark für uns, weswegen wir Strukturen benötigten, um den „Starkstrom“ des umgebenden Feldes auf die Bedürfnisse unseres Körpers anzupassen. In diesem Licht betrachtet, lassen sich die Chakren als „Trafo-Stationen“ bezeichnen, die unsere Organe mit der jeweils richtigen Energie versorgen.

Auch wenn immer wieder versucht wurde, physische Entsprechungen zu den Chakren zu finden, müssen wir anerkennen, dass es sich um energetische Phänomene handelt, bei denen höchstens eine Anlehnung an große Zentren des vegetativen Nervensystems möglich ist. Daher reagieren wir auf Chakra-Behandlungen dann am besten, wenn diese auf der Energieebene erfolgen. Rein körperliche Einflüsse, wie das Setzen von Nadeln oder Spritzen, bleiben weitgehend unwirksam.

Nur ein Ausschnitt

Dabei sollten wir uns klar darüber sein, dass die Chakra-Lehre nur ein winziger Teil der Ayurvedischen Medizin darstellt. Deren Grundlage folgt der Lehre der drei „Doshas“ Vata, Pitta und Kapha, die in ihrem Zusammenwirken unsere Konstitution bestimmen und die wir durch Lebensführung, Ernährung und Geisteshaltung in einem für uns persönlich passenden Gleichgewicht halten können. Dies bedeutet Gesundheit. Chakra-Behandlungen sind nur eine ergänzende Unterstützung.

Die Reflexzonen

Als den Menschen das heutige Verständnis von Selbst-Bewusstsein erreichte, kam es mit einer fürchterlichen Begleiterin daher: der Erkenntnis über Krankheit und Tod. Seither versucht der Mensch, die einen zu heilen und den anderen zu überwinden oder zumindest eine sinngebende Erklärung dafür zu finden. Eine Möglichkeit, den Herausforderungen zu begegnen, waren Rituale, die Nutzung von Heilpflanzen, Massagen sowie das Anbringen magischer Zeichen auf die Haut. Aus den letzten beiden Anwendungen entwickelte der Mensch systematische Konzepte. Davon zeugen u.a. die 5300 Jahre alten Tätowierungen der mumifizierten Gletscherleiche „Ötzi“ und das Abbild von durchgeführten Massagen an Händen und Füßen, das in einem 4200 Jahre alten ägyptischen Ärztegrab gefunden wurde. Recherchieren wir weiter, stoßen wir in allen bekannten Hochkulturen auf ähnliche Quellen. Somit ist die Reflexzonentherapie nichts Neues und keine innovative Heilslehre, die als Trend auftaucht und alsbald wieder in Vergessenheit gerät. Richtig ist eher, dass die Reflexzonen und deren therapeutische Nutzung in jeder Ära eine zeitgemäße Interpretation erfuhren und jeweils aktuelle Behandlungsformen ermöglichten.

Es steckt System dahinter

Die Zeit der modernen Reflexzonentherapie brach jedoch erst vor etwa 120 Jahren an, als der amerikanische Hals-Nasen-Ohren-Arzt William Fitzgerald (1872-1942) die Systematik der Fußreflexzonen entdeckte, die in der Folge von Eunice D. Ingham (1889-1974) praktisch umgesetzt wurde. Das Entscheidende war nicht die Massage an sich, davon wussten bereits die alten Ägypter; es war die Erkenntnis, dass die Reflexzonen nach einem definierbaren System „funktionieren“. Ab diesem Zeitpunkt war man in der Anwendung nicht mehr nur auf seine Intuition angewiesen, sondern konnte dieses System auf andere Menschen übertragen. Diese Entdeckung markierte auch den Beginn der Weitergabe und Dokumentation des gefundenen Wissens. Es ergab sich die Möglichkeit, Karten von den Füßen anzufertigen, in denen die Organe ihren Platz fanden. Diese Art der Erforschung war am besten bei den Ohrreflexzonen zu beobachten:

Paul Nogier, ein Akupunkturarzt aus Lyon, sah um 1950 bei einigen seiner Patienten Verbrennungsnarben an einer bestimmten Stelle am Ohr. Nachdem er darüber aufgeklärt worden war, dass diese Narben von erfolgreichen Hexenschuss-Behandlungen durch Zigeuner stammten, wurde er neugierig und führte Hautwiderstandsmessungen am Ohr durch. Nach einem Kneifen am Knie wiederholte er die Messung und konnte im Zuge seiner Reihentestungen die Knie- und Lumbal-Lokalisation verifizieren sowie eine Landkarte der Organe am Ohr erstellen, die später von österreichischen und chinesischen Kollegen bestätigt wurde.

Ob am Rücken oder auf der Körpervorderseite, an den Füßen, Händen, Ohren oder Unterarmen – diese und über 30 weitere Reflexzonensysteme sind heute empirisch gut belegt. Dennoch gibt es für die meisten von ihnen keine wissenschaftliche Erklärung, wie die Impulse von den Organen die Zonen erreichen. Genauso unklar ist, welchen Weg die Informationen unserer Reflexzonen-Behandlungen nehmen, um die Organe anzusprechen. So müssen wir uns wieder einmal mit Analogien begnügen.

Der beste Vergleich ergibt sich über die Projektion eines Beamers. Solange Organe gut funktionieren, bleibt der Beamer dunkel. Erst wenn eine Störung auftritt, wird die Information an den Projektor geschickt, der sie dann in allen zugehörigen Reflexzonen sichtbar macht. So bleibt als Beispiel eine gesunde Gallenblase stumm. Erst wenn sie beeinträchtigt ist, projiziert sie, bildlich gesprochen, ihr Störungsgeschehen von innen auf ihre Reflexzonen. Dort erkennen wir dies als empfindliche bis schmerzhafte Stellen oder als Farb- oder Strukturveränderungen in den Zonen. Außerdem können wir dort einen veränderten Hautwiderstand messen.

Außerordentlich vielseitig

So vielfältig die Zeichen, so breit gefächert sind die Therapiemöglichkeiten für die Reflexzonen. Sie reichen vom rein medizinisch Physischen bis hin zum meditativ Geistigen: Von Injektionen und Massagen über die Anwendung von ätherischen Ölen und Edelsteinen bis hin zu energetischen Impulsen und Mentaltechniken. Zudem eignen sich die Reflexzonen für einen breiten Anwendungsbereich. So können sie im Rahmen von gezielten Therapien und professionellen Wellness-Behandlungen eingesetzt werden, aber auch zur Selbsthilfe im Alltag und sogar zur Anwendung bei Haustieren.

„Ungeteilt und unvermischt“

Diese Losung stand am Ende des Konzils von Chalcedon (451 n. Chr.). Damit brachten die Kirchenväter damals ihre Antwort auf eine grundlegende theologische Frage zur Natur von Jesus Christus auf den Punkt: ob er in seinem Wesen Gott oder Mensch sei. Man darf die beiden Naturen nicht voneinander trennen, wir dürfen sie aber auch nicht vermischen. In beiden Fällen würden wir ihm nicht gerecht werden.

Dieses Prinzip können wir auf die drei energetischen Methoden Akupunktur/Akupressur, Chakra-Behandlungen und Reflexzonentherapie anwenden. Auf einer übergeordneten Ebene sind diese rein energetischer Natur. Hier können wir sie nicht trennen. Genauso sollten wir uns davor hüten, sie in einen Topf zu werfen und kräftig umzurühren. Vor allem aber hätten wir keine Ahnung davon, was wir in welchem System angestoßen haben. Wenn wir uns jedoch bewusst darüber bleiben, was wir gerade tun, können wir die Ansätze achtsam kombinieren. Dann finden wir die Chakren in den Reflexzonen, erkennen die Gemeinsamkeiten von Akupunkturpunkten und Organlokalisationen entsprechend der Reflexzonen, und entdecken, dass alle drei Methoden einem Lebensprinzip folgen, bei dem wir als Mensch in einem Feld aus Energie eingebettet sind.

Was vor Jahrtausenden mit Tätowieren auf der Haut begann, findet inzwischen seinen Ausdruck in höchst differenzierten Diagnose- und Therapiemethoden, die, so unterschiedlich sie auch sein mögen, das Ziel haben, uns in Harmonie zu halten oder uns dahin zurückzubringen. Dieses beständige Ringen ist eine wesentliche Eigenschaft von Gesundheit und die Grundlage für unser tägliches Tun in der Praxis.

Ewald Kliegel
Heilpraktiker mit Schwerpunkten Reflexzonentherapie, Neuraltherapie und manuelle Therapien, Dozent an den Paracelsus Schulen
contact@ewald-kliegel.de

CD-Tipp
Ewald Kliegel: Organflüstern – Was uns bewegt.
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