Heilmittelwerbegesetz
Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (Heilmittelwerbegesetz)
in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3068),
zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 26. April 2006 (BGBl. I S. 984)” § 1
§ 2
§ 3
§ 3a
§ 4
§ 4a
§ 5
§ 6
§ 7
§ 8
§ 9
§ 10
§ 11
§ 12
§ 13
§ 14
§ 15
§ 16
§ 17
§ 18
Anlage (zu § 12)
|
Urteil 3
BAYERISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES In der Verwaltungsstreitsache XXXXXXX wegen Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz; hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München, vom 26. Juni 1990, erläßt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat, durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof K r a u. t als Vorsitzenden und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. A l b r e c h t und H ü f t e r aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 1991 folgendes U r t e i l
T a t b e s t a n d
|
Urteil 2
Das vorliegende Urteil ist wichtig, weil es einige unzulässige Fragestellungsarten beschreibt. Solche unzulässigen Fragen können für die Beurteilung der Gültigkeit der Prüfung auch dann von Belang sein, wenn sie richtig beantwortet worden sind, weil sie den Prüfling in Streß bringen. Wir nehmen an, daß deswegen die Behörden so ungern die gesamten Fragen herausrücken. Das Urteil hat keinen Bestand mehr hinsichtlich des in diesem Urteil angenommenen gerichtlich nicht überprüfbaren Ermessensspielraums des Amtsarztes. Ein solches Ermessen gibt es nach neuerer Rechtsprechung nicht. E. Martin |
Az. 7 B 95.3170 Verkündet am 20. November 1996 Stmmr, AN 2 K 93 2161 austd.. Urkundsbeamtin AN 2 K 94.201 der Gerichtgeschäftsstelle BAYERISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
In der Verwaltungsstreitsache XXXXXXXXXXXXXXXX Klägerin, bevollmächtigt: Rechtsanwalt YYYYYYYYYYYYYYYYY gegen S t a d t N ü r n b e r g, vertreten durch den Oberbürgermeister, beteiligt: Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses, wegen Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde; hier: Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 1. August 1995, erläßt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat, durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Dr. T h e u e r s b a c h e r und die Richter am Verwaltungsgerichtshof und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. November 1996 folgendes Urteil:
Die Berufung wird zurückgewiesen. Tatbestand:
Die Klägerin beantragte im Januar 1993 bei der Beklagten die Erteilung der Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde ohne ärztliche Bestallung (Heilpraktiker-Erlaubnis) und erklärte, sie wolle sich nach bestandener Prüfung in Nürnberg niederlassen. Während einer 90-minütigen schriftlichen Prüfung durch das Gesundheitsamt der Beklagten am 4. November 1993 hatte sie 34 Fragen zu beantworten; die Prüfung galt als bestanden, wenn von den 66 möglichen richtigen Antworten 45 erreicht wurden (68 %). Nach der Prüfungsniederschrift erzielte die Klägerin nur 38 Punkte. Mit Bescheid vom 9. November 1993 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erteilung der Heilpraktiker-Erlaubnis ab, da die Klägerin noch keine genügenden Kenntnisse besitze, um ohne Gefahr für die Volksgesundheit als Heilpraktikerin tätig zu sein. Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, daß mindestens 10 Fragen “aus angrenzenden Fachbereichen oder aber aus absoluten medizinischen Fachbereichen” stammten. Neben den Nr. 1, 21 und 33 rügte sie folgende Fragen: 10. Wirkungsweise von Lithium. Die Regierung von Mittelfranken teilte mit Schreiben vom 12. Januar 1994 mit, die Fragen Nr. 1, 21 und 33 gingen über den zulässigen Prüfungsrahmen hinaus und könnten nicht in die Bewertung einbezogen werden; die übrigen gerügten Fragen bewegten sich jedoch im vorgegebenen Rahmen. Auch bei Streichung der drei nicht zulässigen Fragen habe die Klägerin die Prüfung nicht bestanden, da sie nur 35 von 57 möglichen Punkten erreicht habe. Nachdem sich die Klägerin geweigert hatte, sich durch einen Gutachterausschuß überprüfen zu lassen, wies die Behörde den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 1994 zurück. Die Verpflichtungsklage auf Erteilung der Heilpraktiker-Erlaubnis wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar durften an den Bewerber nur die zum Schutz der Volksgesundheit unabweisbaren Mindestanforderungen gestellt und Kenntnisse und Fähigkeiten, die seine heilkundliche Tätigkeit nicht berührten, von ihm nicht verlangt werden. Es erscheine aber im Hinblick auf die umfassende Behandlungsbefugnis desHeilpraktikers sachgerecht, zur Vermeidung gesundheitlicher Gefahren für den Patienten auch ein Mindestmaß an allgemein-heilkundlichen Grundkenntnissen zu verlangen. Dementsprechend erscheine es nicht ermessensfehlerhaft, wenn eine schriftliche Überprüfung im Antwort-Wahl-Verfahren neben Grundkenntnissen zu übertragbaren Krankheiten auch die allgemein-heilkundlichen Grundkenntnisse eines Bewerbers abdecke. Das Prüfungsverfahren sei in Anbetracht der Eliminierung der Fragen Nr. 1, 21 und 33 korrekt durchgeführt worden. Eine Bestehensgrenze von mindestens 68 v.H. der erreichbaren Punkte bewege sich innerhalb des der Prüfungsbehörde eingeräumten Beurteilungs Spielraums. Die Rügen gegen die übrigen Fragen seien unbegründet; sie seien dem Bereich der allgemein-heilkundlichen Grundkenntnisse zuzuordnen. Insoweit sei die Erstreckung der Prüfung auf den Aufbau des menschlichen Körpers, die Funktionen wichtiger Körperorgane und das Erkennen von Krankheitsbildern im Rahmen von Mindestanforderungen gerechtfertigt. Deswegen erscheine es sachgerecht, wenn das Gesundheitsamt auch allgemein-heilkundliche Grundkenntnisse aus den Gebieten der Anatomie, die Infektionskrankheiten, der Funktion von Sinnesorganen sowie der Wirkungsweise von Arzneimitteln überprüfe. Die Frage Nr. 10 nach den Wirkungen von Lithium sei demnach nicht zu beanstanden, da gerade Patienten mit psychischen Störungen den Heilpraktiker aufsuchten und dieser dann durch den Arzt verordnete Medikamente in ihrer Wirkungsweise einordnen können und über Nebenwirkungen derartiger Präparate informiert sein müsse. Frage 12 sei korrekt beantwortet und bewertet worden. Auch die Fragen Nr. 23 und 24 blieben im Rahmen des allgemein-heilkundlichen Grundwissens. Zur Begründung der Berufung trägt die Klägerin ergänzend vor, bei der erneuten Überprüfung ihrer Arbeit sei ein unwirksamer Bewertungsmaßstab zugrundegelegt worden, weil es bei der Bestehensgrenze von 68 % geblieben sei. Wenn drei Fragen aus dem Verfahren genommen worden seien, die nicht mit derselben Punktzahl wie die verbleibenden Fragen bewertet wurden, hätte eine Anpassung des Ergebnisses erfolgen müssen, um dieselbe Gewichtung der Fragen und auch des Endergebnisses zu gewährleisten. Ferner rügt sie die Unzulässigkeit der Fragen Nr. 10, 23, 24 und 32. Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 1. August 1995 den Bescheid der Beklagten vom 9. November 1993 und den Widerspruchsbescheid der Regierung von Mittelfranken vom 2. Februar 1994 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung zu erteilen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen. Im übrigen ergebe sich keine Notwendigkeit, die Bewertung zu modifizieren. Durch die Eliminierung der Fragen 1, 21 und 33, bei denen 9 Punkte zu erreichen gewesen seien, hätten bei gleicher Bestehensgrenze nur noch 39 Punkte, also 6 weniger als ursprünglich vorgesehen, erzielt werden müssen. Dies bedeute, daß zwar 13,63 % weniger Punkte zu vergeben gewesen seien, gleichzeitig aber auch 13,33 % weniger Punkte hätten erreicht werden müssen. Ein sich zu Ungunsten der Klägerin auswirkendes Mißverhältnis zwischen den beiden Zahlen sei nicht gegeben. Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses hält die Berufung für unbegründet, ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Die Behördenakten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird hierauf verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwG0). Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, daß die Klägerin keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erteilung der Heilpraktikererlaubnis hat. Die Beklagte kann auch nicht verpflichtet werden, auf der Grundlage der von der Klägerin absolvierten Überprüfung erneut über die Erteilung der Heilpraktikererlaubnis zu entscheiden. Die Klage ist nicht wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. zwar weigerte sich die Klägerin (mit Schreiben vom 24.1.1994), sich im Widerspruchsverfahren vom Gutachterausschuß bezüglich ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten persönlich überprüfen zu lassen. Eine Rechtspflicht des Bewerbers zum Erscheinen vor dem Ausschuß besteht mangels entsprechender Vorschriften jedoch nicht (vgl . Art. 96 Abs. 2 Satz 2 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes); der Bewerber begibt sich durch seine Weigerung nur der Chance, eine bessere Beurteilung seiner Eignungsvoraussetzungen zu erreichen und kann der Behörde insoweit keinen Verfahrensfehler anlasten (vgl. BayVGH, Urteil vom 24.1.1990, NJW 1991 S. 1558 BayVB1 1991 S. 371). Die Frage, ob sich eine derartige Weigerung auf die Zulässigkeit der Verpflichtungsklage auswirkt, kann überdies im vorliegenden Fall offen bleiben, weil die Klägerin im gesamten Verfahren nicht die bessere Bewertung ihrer Leistungen begehrt hat, die der Gutachterausschuß sachlich aufgrund einer persönlichen Anhörung überprüfen könnte, sondern nur die Unzu14ssigkeit einzelner Fragen gerügt hat, Daher hat hierzu auch nicht der Gutachterausschuß, sondern die Medizinalabteilung der Bezirksregierung Stellung genommen und die Eliminierung von drei Fragen angeordnet. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage, mit der sie im Berufungsverfahren noch die Unzulässigkeit von vier Prüfungsfragen rügt, kann der Klägerin nicht abgesprochen werden. Das Verpflichtungsbegehren fährt in der Sache nicht zum Erfolg. Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz – HprG) vom 17. Februar 1939 (RGBI 1 S. 251), geändert durch Gesetz vom 2. März 1974 (BGBl IIS. 469), bedarf der Erlaubnis, wer die Heilkunde berufsmäßig ausüben will, ohne als Arzt bestallt zu sein. Gemäß § 3 Abs. 1 Erste Durchführungsverordnung zum Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (l. DVO-HprG) vom 18. Februar 1939 (RGB1 1 S. 259), zuletzt geändert durch Verordnung vom l0. April 1975 (BGBl 1 S. 967), entscheidet über den Antrag auf Erteilung der Erlaubnis die untere Verwaltungsbehörde im Benehmen mit dem Gesundheitsamt. Die Erlaubnis wird u.a. nach § 2 Abs. 1 Buchst. i 1 – DVO-HprG nicht erteilt, wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, daß die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde. Die Klägerin kann die Heilpraktiker-Erlaubnis nicht unter dem Gesichtspunkt beanspruchen, daß die Beklagte die Bestehensgrenze bei der Überprüfung durch das Gesundheitsamt zu hoch angesetzt und sie die Anforderungen einer niedriger anzusetzenden Grenze erfüllt habe. Die bei der Überprüfung zugrundegelegte Bestehensgrenze von mindestens 68 v.H. der erreichbaren Punkte ist in Anbetracht dessen, daß ein Katalog von 34 Fragen eine relativ beschränkte Unbedenklichkeitsprüfung darstellt, rechtlich nicht zu beanstanden (BayVGH NJW 199S. 1558/1559). Die Klägerin kann deshalb nicht beanspruchen, ihr müsse die beantragte Erlaubnis aufgrund einer niedriger festzusetzenden Bestehensgrenze erteilt werden, wie es etwa bei ärztlichen, zahnärztlichen und pharmazeutischen Prüfungen der Fall ist (vgl. hierzu BVerfG NVWZ 1989, 850/852 mit Hinweis auf BVerwG 65, 323/340). Im Gegensatz zu derartigen Prüfungen, die nur zweimal wiederholt werden dürfen, ist die Überprüfung von Erlaubnisbewerbern nach dem Heilpraktikergesetz uneingeschränkt wiederholbar. Darüber hinaus geben – anders als bei der Überprüfung von Heilpraktikerbewerbern – den ärztlichen, zahnärztlichen und pharmazeutischen Prüfungen in der Regel weitere Leistungsablagen voraus. Auch die Eliminierung von drei Fragen durch die Widerspruchsbehörde wirkt sich auf das negative Prüfungsergebnis der Klägerin nicht aus, weil sie die für das Bestehen der Prüfung erforderliche Mindestzahl von 45 Punkten selbst dann nicht erreicht hätte, wenn ihr sämtliche hierbei erzielbaren neun Punkte (d.h. zu den erzielten drei noch weitere sechs Punkte) gutzuschreiben wären; in diesem Falle käme sie lediglich auf 44 Punkte. Die Herausnahme der Fragen 21 und 33 benachteiligen die Klägerin auch nicht bei der Punktevergabe. Bei gleichbleibender Bestehensgrenze mußten nämlich nur noch 39 Punkte, d.h. 6 weniger erzielt werden. Damit wurden zwar 13,63 % weniger Punkte gegeben; es mußten aber auch nur 13,33 %. weniger Punkte erreicht werden. Hieraus ergibt sich keine Verschlechterung für die Prüfungsteilnehmer. Die aufgrund der Eliminierung der Fragen 1, 21 und 33 durch die Widerspruchsbehörde verbleibenden 31 Fragen stellen auch noch eine ausreichende Grundlage für die Beurteilung dar, ob die Ausübung der Heilkunde durch die Klägerin eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeutet. Da die Gefahr besteht, daß der Bewerber bei der Beantwortung ungeeigneter Fragen unangemessen viel Zeit verliert, kann sich dies u.U. auf das Gesamtergebnis auswirken. Im vorliegenden Fall blieben von den ursprünglich gestellten 34 Fragen noch 31 und von den ursprünglich zu erreichenden 66 richtigen Antwort-Punkten nach der Eliminierung noch 57 übrig; dies entspricht einer Reduzierung von 0 v.H. bzw. 14 v.H.. Diese Zahl und Gewichtung der eliminierten Fragen stellt keine wesentliche Beeinträchtigung der Prüfung dar. Selbst wenn das zu verneinen wäre, könnte die Klägerin mit ihrem Verpflichtungsantrag auf Erteilung der Erlaubnis keinen Erfolg haben, weil die Überprüfung in diesem Fall als fehlerhaft nur zu wiederholen, nicht aber die Heilpraktiker-Erlaubnis zu erteilen wäre. Die Klägerin hat auch mit der Rüge, es seien vier weitere Fragen (10, 23, 24, 32) unzulässig gewesen, keinen Anspruch darauf, daß die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide auf der Grundlage der absolvierten Überprüfung vom 4. November 1993 die Erlaubnis erteilt oder erneut über die Erteilung der Heilpraktikererlaubnis entscheidet (!5 113 Abs. 5 Satz 2 VwG0). Mit dieser Rüge könnte die Klägerin mit ihrem Verpflichtungsbegehren ebenfalls nur Erfolg haben, wenn sich dadurch die Bestehensgrenze zu ihren Gunsten änderte und wenn die Überprüfung nach Eliminierung dieser Fragen noch als ausreichende Grundlage der Erlaubniserteilung anzusehen wäre. Dies wäre zu bezweifeln. Einer weiteren Entscheidung dieser Frage bedarf es aber nicht. Die vom Gesundheitsamt vorgenommene Überprüfung der Klägerin genügte den Anforderungen. Die Rügen der Klägerin gegen die von der Widerspruchsbehörde nicht eliminierten Fragen 10, 23, 24 und 32 greifen nicht durch. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind diese Fragen dem Bereich der allgemein-heilkundlichen. Grundkenntnisse zuzuordnen, ist die Erstreckung der Prüfung auf den Aufbau des menschlichen Körpers, die Funktionen wichtiger Körperorgane und das Erkennen von Krankheitsbildern im Rahmen von Mindestanforderungen gerechtfertigt und erscheint es rechtmäßig, wenn das Gesundheitsamt auch allgemein-heilkundliche Grundkenntnisse aus den Gebieten der Anatomie, der Infektionskrankheiten der Funktion von Sinnesorganen sowie der Wirkungsweise von Arzneimitteln überprüfte. Im Einzelnen gilt folgendes:
Frage Nr. 10 nach den Wirkungsweisen von Lithium ist nicht zu beanstanden, da gerade auch Patienten mit psychischen und funktionellen psychogenen Störungen den Heilpraktiker aufsuchen und dieser dann durch den Arzt verordnete Medikamente zumindest im groben Umfang in ihrer Wirkungsweise einordnen können muß; hierzu gehört sowohl das Wesen der Krankheit, bei der das Medikament angewendet wird, als auch die Dauer des Wirkungseintrittes und bestimmter Nebenwirkungen. Der Senat folgt hierbei den sachkundigen, plausiblen Ausführungen der Beklagten, da die Klägerin ihre Rüge insoweit nicht substantiiert hat Fragen Nr. 23 uns 24 nach dem Audiogramm beziehen Sich auf die üblicherweise verwendete Frequenzobergrenze bei der Hörprüfung und die Benennung des Hörverlustes in einem Audiogramm. Da gerade ältere Patienten auch wegen Hörstörungen und möglichen Ohrgeräuschen den Heilpraktiker aufsuchen, muß dieser auch hier über die wesentlichen funktionellen und diagnostischen Möglichkeit informiert sein – in der Praxis wird die Hördiagnostik zunehmend auch von Heilpraktikern betrieben. Auch insoweit folgt der Senat den einleuchtenden Ausführungen der Beklagten, denen die Klägerin nichts entgegengesetzt hat.(3) Frage Nr. 32 nach der unteren und oberen Grenze des normalen Augeninnendrucks war ebenfalls zulässig, weil sich Heilpraktiker der Diagnostik am Auge (z.B. Irisdiagnostik) bedienen und deshalb über die wesentlichen anatomischen und physiologischen Gegebenheiten des Auges informiert sein müssen, um dabei andere Störungen zumindest vermuten zu können ‘Wegen des Zusammenhangs mit einem Glaukom, das z.B. auf Minderdurchblutung bei Diabetes o.a. beruht, könnte eine Verkennung des Augeninnendrucks eine Gefahr für die Patienten und damit für die Volksgesundheit darstellen (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch,257. Aufl. 1994, S. 547). Die Einwände der Klägerin, der Heilpraktiker komme niemals in die Verlegenheit, einen Augeninnendruck messen zu müssen, hierfür gebe es spezielle Geräte, über die lediglich ein Augenarzt verfuge, und nur durch eine äußerliche Betrachtung sei eine Änderung des Augeninnendrucks nicht diagnostizierbar, greifen nicht durch; denn die Tätigkeit des Augendruckmessens ist dem Heilpraktiker gesetzlich nicht verboten und mit relativ einfachen Geräten möglich. Gleiches gilt für den Einwand der Klägerin, der Innendruck des Auges ändere sich nur bei einem Tumor bzw. einem Glaukom, diese beiden Erkrankungen könnten jedoch unter keinen Umständen vom Heilpraktiker behandelt werden. Denn selbst wenn man davon ausgeht, daß der Heilpraktiker die genannten Erkrankungen nicht behandeln darf, kann von ihm verlangt werden, daß er über die einschlägigen Normwerte informiert ist und diese Erkrankungen erkennen kann, um eine fachärztliche Behandlung zu veranlassen. Insbesondere ältere Menschen oder sehschwache Personen, vor allem Patienten, welche am sog. Grünen Star erkrankt sind, könnten sich in die Behandlung des Heilpraktikers begeben und seinen Rat bezüglich ihres Augenleidens einholen. Im Hinblick darauf muß er Kenntnisse darüber haben, in welchem Normbereich der normale Augeninnendruck angesiedelt ist, d.h. insbesondere wo die obere bzw. untere Grenze des normalen Augeninnendrucks liegt. Im übrigen kommt es für die Zulässigkeit der Fragestellung nicht darauf an, ob die Beantwortung bzw. Nichtbeantwortung jeder einzelnen Frage spezifisch geeignet ist, den Verdacht einer Gefahr für die Volksgesundheit zu begründen. Es genügt vielmehr, wenn sich die Besorgnis gesundheitlicher Gefahren daraus ergibt, daß ein Berufsbewerber nach einer Gesamtwürdigung des Überprüfungsergebnisses nicht im Stande ist, ein erforderliches Mindestmaß an medizinischen Grundkenntnissen vorzuweisen, so daß in der Praxis mit erheblichen Behandlungsfehlern zu rechnen wäre (BayVGH NJW 1991, S. 1558) . Zusammenfassend kann deshalb nicht festgestellt werden, daß die gerügten Fragen außerhalb des Zwecks der Überprüfung lagen oder übermäßig schwierig oder fernliegend und daher unzulässig waren.. Die Beklagte kann daher unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu Erteilung der Heilpraktikererlaubnis oder zur Neubescheidung auf der Grundlage der stattgefundenen Überprüfung Verpflichtet werden. Die Berufung konnte deshalb nicht zum Erfolg führen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwG0, der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit mit Abwendungsbefugnis auf § 167 vwG0 i.V.m. §§ 709 Nr. 10, 711 ZPo. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür in 5 132 Abs. 2 VwG0 nicht vorliegen. Rechtsmittelbelehrung
Nach 9 133 VwG0 kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Berlin angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muß die angefochtene Entscheidung bezeichnen. in der Beschwerdebegründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senate der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofe abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Vor dem Bundesverwaltungsgericht muß sich jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen. Hochschule als Bevollmächtigten vertreten lassen. Das gilt auch für die Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision. Abweichend davon können sich juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen. Beschluß
In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 1. August 1995 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf 20.000,– DM festgesetzt (vgl. Streitwertkatalog des BVerwG in DVB1 1991, 1239/1242).Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwG0). |
Urteil 6
BUNDESFINANZHOF
1. Aufwendungen für ein berufsbegleitendes erstmaliges Hochschulstudium sind als Werbungskosten zu berücksichtigen, sofern sie beruflich veranlasst sind. 2. Die Auffassung, wonach Ausgaben für ein Erststudium an einer Universität oder Fachhochschule stets der allgemeinen Lebensführung zuzuordnen und deshalb nur als Sonderausgaben begrenzt abziehbar sind, wird aufgegeben (Änderung der Rechtsprechung). ESTG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 12 Nr. 1
Urteil vom 17. Dezember 2002 VI R 137/01 Vorinstanz: FG Münster vom 21. August 2001 1 K 5736/98 E G r ü n d e I. |
Die im Streitjahr 1997 31 Jahre alte Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist ausgebildete Rechtsanwalts- und Notargehilfin. Zum 1. Februar 1988 wechselte sie in ein Beschäftigungsverhältnis bei der X-Bank. Neben dieser Tätigkeit besuchte sie die Westfalen-Akademie in Dortmund und erwarb im September 1994 den Abschluss “Staatlich geprüfte Betriebswirtin”.
Ab September 1995 war die Klägerin als Personalreferentin im Bereich Personalwesen der Bank tätig. Voraussetzung für die endgültige Besetzung dieser Stelle war ein akademischer Studienabschluss. Die Klägerin nahm daher zum 1. Dezember 1996 ein berufsbegleitendes Studium der Betriebswirtschaft mit der Fachrichtung Personalwesen an der Fachhochschule für Berufstätige (Staatlich anerkannte Fachhochschule der Akademiker-Gesellschaft für Erwachsenenbildung –AKAD–) auf, um den Abschluss “Diplom-Betriebswirtin (FH)” zu erwerben.
In der Einkommensteuererklärung für 1997 machte die Klägerin bei Einnahmen in Höhe von ca. 91 700 DM die Aufwendungen für ihr Fachhochschulstudium in Höhe von 7 544 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) sah die Aufwendungen als Berufsausbildungskosten an und ließ diese nur mit dem Höchstbetrag von 1 800 DM nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (ESTG) als Sonderausgaben zum Abzug zu. Der hiergegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 79 veröffentlichten Gründen statt. Im Wesentlichen führte es aus: Die Aufwendungen für das berufsbegleitende Erststudium seien als Werbungskosten anzusehen, sie dienten unmittelbar der Sicherung und Erhaltung des Erwerbseinkommens. Die Klägerin habe auf der von ihr wahrgenommenen beruflichen Position nur bei erfolgreichem Abschluss des Studiums verbleiben können. Das berufsbezogene Thema der Diplomarbeit aus dem Bereich des Personalwesens der Bank bestätige die Verknüpfung von Studium und ausgeübtem Beruf.
Aufgrund der besonderen Umstände des Streitfalles seien die Aufwendungen für das berufsbegleitende Erststudium ausschließlich beruflich veranlasst. Da das Studium nicht der Allgemeinbildung der Klägerin gedient habe, verbiete sich eine Zuordnung der Studienkosten zu den Kosten der Lebensführung nach § 12 Nr. 1 ESTG. Dafür, dass die Klägerin etwa eine höhere gesellschaftliche oder wirtschaftliche Stellung angestrebt habe, bestünden keine Anhaltspunkte. Ohnehin sei zweifelhaft, ob in der heutigen Arbeitswelt ein Studium generell eine solche Stellung zur Folge habe.
Mit dieser Einordnung der Aufwendungen für ein berufsbegleitendes Erststudium setze sich das FG zwar in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs –BFH– (z.B. Urteil vom 17. April 1996 VI R 94/94, BFHE 180, 341, BStBl II 1996, 450). Die höchstrichterliche Rechtsprechung stamme jedoch aus einer Zeit, in der der Steuerpflichtige den einmal erlernten Beruf im Regelfall sein gesamtes Berufsleben lang ausgeübt habe. Vor diesem Hintergrund sei die damalige Wertung der Rechtsprechung zu verstehen, die Ausbildung zu einem bestimmten (Lebens-)Beruf dem Bereich der Lebensführung zuzuordnen. Aufgrund der tiefgreifenden Änderungen und Entwicklungen im Berufsleben existiere jedoch ein derartiger “Lebensberuf” in weiten Bereichen der Arbeitswelt nicht mehr. Insbesondere die Computertechnik, die in alle Bereiche des täglichen Berufslebens Eingang gefunden habe, mache heutzutage eine ständige Fortbildung erforderlich, die dem Arbeitnehmer –wie im Streitfall– ein vertieftes und erweitertes Wissen für seine bereits ausgeübte Tätigkeit vermittele. Diese Fortbildung könne auch ein erstmaliges Studium umfassen. Auch Aufwendungen dafür könnten durch die Einkunftserzielung veranlasst sein. Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung beruft es sich vornehmlich auf die bisherige Rechtsprechung des BFH. Die vorinstanzliche Entscheidung lasse keine für die Praxis brauchbaren Unterscheidungsmerkmale erkennen, bei deren Vorliegen ein berufsbegleitendes Erststudium an einer Hochschule ausnahmsweise als berufliche Fortbildung zu qualifizieren sei.
Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils zurückzuweisen.
Die Revision des FA ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
Das FG hat die Aufwendungen für das berufsbegleitende Erststudium der Klägerin zu Recht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt. Diese Aufwendungen sind keine Kosten der Berufsausbildung i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 7 ESTG. Der erkennende Senat hält an der bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest.
1. Diese unterschied zwischen den als Werbungskosten abziehbaren Kosten einer Fortbildung in einem bereits ausgeübten Beruf und den als Sonderausgaben begrenzt absetzbaren Kosten einer Ausbildung zu einem künftigen Beruf.
a) Als Fortbildungskosten erkannte der BFH nur Ausgaben an, die ein Steuerpflichtiger tätigt, um in dem ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden, sowie Ausgaben, die ein Steuerpflichtiger macht, um sich in dem von ihm ausgeübten Beruf fortzubilden, damit er ohne Wechsel der Berufs- oder Erwerbsart, also ohne Übergang zu einem anderen Beruf, besser vorwärtskommen kann (Urteil vom 7. November 1980 VI R 50/79, BFHE 132, 49, BStBl II 1981, 216).
b) Dagegen nahm der BFH Berufsausbildungskosten bereits dann an, wenn die Aufwendungen dem Ziel dienen, Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage für einen künftigen Beruf notwendig sind oder welche die Grundlage dafür bilden sollen, um von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer anderen überzuwechseln, die also einen Berufswechsel vorbereiten sollen (BFH-Urteil vom 9. März 1979 VI R 141/77, BFHE 127, 210, BStBl II 1979, 337). Derartige Aufwendungen stünden noch nicht mit einer konkreten beruflichen Tätigkeit und hieraus fließenden Einnahmen im Zusammenhang. Ausgaben dieser Art erwachsen grundsätzlich jedem Steuerpflichtigen; sie gehörten daher zu den Kosten der Lebensführung und seien deshalb nach § 12 Nr. 1 ESTG nicht als Werbungskosten abziehbar. Sie seien nur bis zu den gesetzlich vorgesehenen Höchstbeträgen als Sonderausgaben zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 6. November 1992 VI R 12/90, BFHE 169, 436, BStBl II 1993, 108).
Diese Grundsätze gehen letztlich zurück auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH), der –ohne weitere Begründung– davon ausging, dass “die Erlangung der für den Lebenskampf notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten grundsätzlich der privaten Lebensführung zugehört, die Aufwendungen hierfür daher nicht abzugsfähig sind” (RFH-Urteil vom 24. Juni 1937 IV A 20/36, RStBl 1937, 1089, 1090).
c) Bei der Beurteilung der Kosten für ein Hochschulstudium typisierte der BFH bisher wie folgt:
aa) Zur Berufsausbildung und damit zur privaten Lebensführung gehöre stets das Erststudium an einer Hochschule (Universität oder Fachhochschule), unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige es direkt im Anschluss an die Schulausbildung oder erst nach einer langjährigen Berufstätigkeit –berufsbegleitend– absolviere. Ein erstmaliges Hochschulstudium eröffne dem Steuerpflichtigen stets eine andere (höherrangige) berufliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung. Es schaffe regelmäßig die Grundlage für eine neue oder andere als die bisherige Lebensgestaltung des Steuerpflichtigen (Grundsatzurteil des BFH vom 16. März 1967 IV R 266/66, BFHE 89, 511, BStBl III 1967, 723; Urteile vom 28. September 1984 VI R 44/83, BFHE 142, 262, BStBl II 1985, 94; vom 26. April 1989 VI R 95/85, BFHE 156, 494, BStBl II 1989, 616) .
Diese Auffassung liegt auch dem Urteil des erkennenden Senats in BFHE 180, 341, BStBl II 1996, 450 zugrunde, in welchem er die Kosten eines berufsbegleitenden betriebswirtschaftlichen Fachhochschulstudiums eines Sparkassen-Betriebswirts nicht als Werbungskosten anerkannt hat. Das akademische Studium müsse, so der erkennende Senat, einheitlich bewertet werden, da anderenfalls kaum zu bewältigende Abgrenzungsschwierigkeiten entstünden und der Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung gefährdet werde (s. auch FG Düsseldorf, Urteile vom 16. August 2000 7 K 4996/96 E, EFG 2001, 426, Rev. VI R 165/00; vom 7. Mai 2001 @ K 6082/99 E, EFG 2001, 1362, Rev. VI R 87/01; FG Münster, Urteile vom 12. Dezember 1997 11 K 3328/97 E, EFG 2001, 491, Rev. VI R 182/00; vom 28. Januar 1999 1 K 6829/97 L, EFG 2001, 493, Rev. VI R 5/01; Schuster in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 12 ESTG Rz. 139).
bb) Bei einem Zweitstudium (Zusatz-, Aufbau- oder Ergänzungsstudium) entwickelte der erkennende Senat seine ursprüngliche Rechtsprechung fort. Er nahm Fortbildungskosten an, wenn bereits das Erststudium zu einem Berufsabschluss geführt hatte, es sich bei dem Zweitstudium um ein darauf aufbauendes Zusatzstudium handelte, durch das die im Erststudium erworbenen Erkenntnisse ergänzt und vertieft wurden, und das Zweitstudium keinen Wechsel in eine andere Berufsart eröffnete (BFH-Urteile vom 17. April 1996 VI R 29/94, VI R 2/95, VI R 27/95, VI R 87/95, BFHE 180, 339 ff., BStBl II 1996, 444 ff.). Fortbildungskosten bejahte der erkennende Senat auch dann, wenn –trotz eines möglichen Wechsels in eine andere Berufsart—die vom Steuerpflichtigen angestrebte gegenüber seiner bisherigen Berufstätigkeit nur eine “Spezialisierung” bedeutete (BFH-Urteil vom 8. Mai 1992 VI R 134/88, BFHE 167, 538, BStBl II 1992, 965, zum Zahnmedizinstudium eines Humanmediziners, der Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurg werden wollte; s. auch BFH-Urteil vom 19. Juni 1997 IV R 4/97, BFHE 184, 283, BStBl II 1998, 239, zum Studium der Betriebswirtschaftslehre eines Diplom-Bauingenieurs mit dem Ziel, Projektleiter einer Baufirma zu werden oder eine eigene Baufirma zu gründen).
2. Diese bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung wurde zunehmend kritisiert (z.B. Hessisches FG, Urteil vom 29. September 1999 12 K 1823/97, EFG 2000, 355, rkr.; Niedersächsisches FG, Urteile vom 6. August 1997 XIII 252/93, EFG 1998, 640, Rev. VI R 5/98; vom 25. März 1998 IV 664/94, EFG 1999, 19, rkr.; FG Nürnberg, Urteil vom 4. März 1998 III 75/97, EFG 1998, 1511, Rev. VI R 61/98; FG Brandenburg, Urteil vom 23. November 1999 3 K 1011/98 E, EFG 2000, 424, Rev. VI R 42/00; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 8. März 2000 V 221/98, EFG 2000, 780, Rev. VI R 60/00; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Februar 2000 4 K 344/98, EFG 2000, 783, Rev. VI R 113/00; FG Köln, Urteil vom 8. Februar 2000 9 K 1857/99, EFG 2001, 676, Rev. VI R 8/01; FG Münster, Urteil vom 17. April 2001 14 K 7649/98 E, EFG 2001, 1122, rkr.; Niedersächsisches FG, Urteil vom 28. Februar 2001 4 K 177/97, EFG 2001, 1424, Rev. VI R 106/01; FG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2001 17 K 4198/98 E, EFG 2001, 1600, Rev. VI R 119/01; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. August 2001 2 K 1607/99, EFG 2002, 127, Rev. VI R 120/01; FG Münster, Urteil vom 21. August 2001 1 K 5736/98 E, EFG 2002, 79, Rev. VI R 137/01; FG Düsseldorf, Urteil vom 17. Mai 2001 10 K 3721/98 E, EFG 2001, 1023, Rev. IV R 44/01, zu § 4 Abs. 4 ESTG; vgl. FG Berlin, Urteil vom 21. Januar 1997 5170/96, EFG 1997, 1105, Rev. VI R 85/97; Hessisches FG, Urteil vom 18. Juli 1997 11 K 1446/97, EFG 1998, 181, Rev. VI R 190/97; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 21. Aufl., § 19 Rz. 60 unter Ausbildungskosten; ders., Steuer und Wirtschaft –StuW– 1999, 3 ff.; Prinz in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar,’ 21. Aufl., § 9 ESTG Rz. 268 f., 271; Söhn, StuW 2002, 97 ff.; Kreft, Vorab veranlasste Erwerbsaufwendungen im Einkommensteuerrecht, Berlin, Heidelberg, New York 2000, S. 77 ff.; ders., Finanz-Rundschau –FR– 2002, 657 ff.; Keßler, Lexikon des Steuer- und Wirtschaftsrechts –LSW– Heft 6/2000, Gruppe 4/129, Fortbildungskosten, 1, 2; Flies, Deutsches Steuerrecht –DStR– 1997, 725 ff.; E. Schmidt, FR 1997, 762 ff.; Balke, Neue Wirtschafts-Briefe –NWB–, Meinungen, Stellungnahmen 1997, 1269 ff.; Koenig, Deutsche Steuer-Zeitung –DStZ– 1996, 769; Gast-de Haan, Festschrift für L. Schmidt, München 1993, 105 ff.; Beul, FR 1986, 340, 347 ff.; Herb, Berufliche Ausbildung und Fortbildung im Einkommensteuerrecht, Augsburg 1986, S. 77 ff.; Df’lthey, FR 1984, 333 ff.; Stolz, FR 1979, 242, 246 f.; Suhr, StuW 1966, 579 ff.; Weisensee, DSTR 1965, 224 ff.; Gl@de, FR 1959, 297, 300; Heidrich, FR 1958, 532 ff.; Katzsch, Betriebs-Berater –BB– 1958, 300 f.).
Der Rechtsprechung wurde insbesondere entgegengehalten, die von ihr entwickelte Terminologie mit der Unterscheidung zwischen Berufsausbildung und Berufsfortbildung vernachlässige steuersystematische Gesichtspunkte (z.B. Prinz, a.a.O., § 9 ESTG Rz. 268 f.; Kreft, ER 2002, 657, 661 ff.). Die Rechtsprechung verwende zur Abgrenzung nur noch “Begriffsdefinitionen” und entferne sich damit immer mehr vom Gesetz (z.B. Söhn, StuW 2002, 97 f.). Vornehmlich die Zuordnung von Aufwendungen für ein Erststudium zum Privatbereich ohne Beachtung der das Studium veranlassenden Umstände beinhalte eine unzulässige Typisierung (z.B. Niedersächsisches EG in EEG 2001, 1424, Rev. VI R 106/01; Keßler, LSW Heft 6/2000, Gruppe 4/129, Fortbildungskosten, 1, 2). Zudem sei die Rechtsprechung in ihrer Kasuistik kaum mehr zu überschauen, sie sei in vielen Fällen schwer nachvollziehbar und führe deshalb zu Rechtsunsicherheit (z.B. Niedersächsisches EG in EEG 1998, 640, Rev. VI R 5/98; Hessisches EG in EEG 2000, 355, rkr.; Prinz, a.a.O., 5 9 ESTG Rz. 269; Koenig, DSTZ 1996, 769).
Die höchstrichterliche Rechtsprechung trage den tiefgreifenden Änderungen und Entwicklungen im heutigen Berufsleben sowie der zunehmenden Arbeitslosigkeit nicht ausreichend Rechnung (z.B. EG Düsseldorf in EEG 2001, 1023, Rev. IV R 44/01; E. Schmidt, ER 1997, 762 ff.). Die Rechtsprechung hemme die notwendige Flexibilität der Arbeitnehmer. Wegen der Vielgestaltigkeit der beruflichen Weiter- oder Fortbildung verstoße eine solche Typisierung gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und –insbesondere im Fall einer durch den Arbeitsmarkt veranlassten Umschulung– gegen das aus dem Sozialstaatsprinzip folgende Ziel der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit (z.B. EG Brandenburg in EEG 2000, 424, Rev. VI R 42/00). Die Rechtsprechung zur Anerkennung der Aufwendungen für ein Zweitstudium stelle sich als ein im Gesetz nicht angelegtes, sachlich nicht gerechtfertigtes Akademikerprivileg dar, da allein Hochschulabsolventen die Kosten für ein Zweitstudium als Werbungskosten geltend machen könnten (z.B. EG Schleswig-Holstein in EEG 2000, 780, Rev. VI R 60/00; Niedersächsisches EG, Urteile in EEG 1998, 640, Rev. VI R 5/98, und in EEG 2001, 1424, Rev. VI R 106/01).
Für die Annahme von Betriebsausgaben/Werbungskosten sei –von hier nicht interessierenden Einschränkungen abgesehen– ausschließlich auf den Veranlassungszusammenhang abzustellen (Prinz, a.a.O., § 9 ESTG Rz. 268 ff.; Schmidt/Drenseck, a.a.O., 19 Rz. 60 unter Ausbildungskosten; ders., StuW 1999, 3, 6 ff.; Gast-de Haan, Festschrift für L. Schmidt, München 1993, 105 ff.; Flies, DSTR 1997, 725, 727 ff.; Söhn, StuW 2002, 97, 98 ff.; Kreft, FR 2002, 657, 664 ff.); der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 7 ESTG sei einzuschränken.
3. Der erkennende Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest. Auch Aufwendungen für ein berufsbegleitendes erstmaliges Hochschulstudium können Werbungskosten sein. Ob das Studium eine Basis für andere Berufsfelder schafft oder einen Berufswechsel vorbereitet, ist unerheblich.
a) Der Einkommensteuer unterliegen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 ESTG) und damit der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. §§ 8 bis 9a ESTG). Das gebietet das objektive Nettoprinzip als Ausdruck des aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsatzes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Was im Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit aufgewendet wird, unterliegt nicht dem Steuerzugriff (BFH-Beschluss vom 30. Januar 1995 GrS 4/92, BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281, unter C. III. der Gründe; Tipke, StuW 1980, 1, 3; Wolff-Diepenbrock, DSTZ 1999, 717).
b) § 9 Abs. 1 Satz 1 ESTG definiert Werbungskosten als Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Die Rechtsprechung hat den Werbungskostenbegriff dem Begriff der Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 ESTG angeglichen (BFH-Urteil vom 4. März 1986 VIII R 188/84, BFHE 146, 151, BStBl II 1986, 373). Werbungskosten liegen danach vor, wenn sie durch den Beruf bzw. durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasse sind (z.B. Blümich/Lindberg, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 15. Aufl., § 12 ESTG Rz. 14, m.w.N.). Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden (BFH-Urteil in BFHE 169, 436, BStBl II 1993, 108). Dabei ist ausreichend, wenn die Ausgaben den Beruf des Arbeitnehmers im weitesten Sinne fördern (vgl. BFH-Urteil in BFHE 146, 151, BStBl II 1986, 373). Der erforderliche Veranlassungszusammenhang kann bei jedweder berufsbezogenen Bildungsmaßnahme erfüllt sein, zumal in § 9 ESTG keine Sonderregelung zu Berufsbildungskosten enthalten ist. Ist der Veranlassungszusammenhang zu bejahen, bestehen keine Gründe, danach zu differenzieren, ob eine akademische oder eine nichtakademische Bildungsmaßnahme zu beurteilen ist. Denn in beiden Fällen werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Steuerpflichtige das erworbene Berufswissen am Markt einsetzen kann, um höhere Einnahmen zu erzielen bzw. die Einnahmen zu sichern (Suhr, StuW 1966, 579, 589).
c) Einer solchen Beurteilung steht § 10 Abs. 1 Nr. 7 ESTG nicht entgegen. Nach dieser Regelung sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung nur dann Sonderausgaben, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind”. Nach dem Gesetz hat der Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug Vorrang vor dem Abzug von Berufsausbildungskosten als Sonderausgaben, so dass § 10 Abs. 1 Nr. 7 ESTG keine Sperrwirkung entfaltet (so bereits BFH-Urteil vom 19. April 1996 IV R 24/95, BFHE 180, 360, BStBl II 1996, 452; BFH-Beschluss vom 22. November 2000 VI B 174/00, BFH/NV 2001, 451).
Aus der Entstehungsgeschichte des § 10 Abs. 1 Nr. 9 ESTG (jetzt Nr. 7; eingefügt durch das Steueränderungsgesetz –StÄndG– 1968, BStBl I 1968, 116) ergibt sich nichts anderes. Zwar heißt es in den Gesetzesmaterialien (BTDrucks V/3430, 8 f.; vgl. Bericht des Finanzausschusses zu BTDrucks V/3602, 2, 3):
“Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung, zu der auch eine Umschulung gehört, können nach geltendem Recht einkommensteuerlich nicht berücksichtigt werden. Bei diesen Aufwendungen handelt es sich um Lebenshaltungskosten, weil durch sie erst das für den Beruf typische Können und schließlich eine selbständige, gesicherte Lebensstellung erworben werden sollen. Anders als bei Fortbildungskosten fehlt den eigenen Aufwendungen für die Berufsausbildung der unmittelbare Zusammenhang mit Einnahmen; sie können daher nicht wie diese als Betriebsausgaben oder Werbungskosten geltend gemacht werden, sondern sind vielmehr nach S 12 ESTG vom Abzug ausgeschlossen. Ausbildungskosten in diesem Sinne sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs insbesondere auch die eigenen Aufwendungen für einen Berufswechsel oder für eine Berufsumschulung.
Die derzeitige steuerliche Behandlung der eigenen Ausbildungskosten wird den Anforderungen, die an eine fortschrittliche Bildungspolitik gestellt werden müssen, nicht mehr gerecht. Um die Ausbildungsförderung zu verbessern, insbesondere auch um Umschulungen mehr als bisher zu fördern, schlägt die Bundesregierung als ersten Schritt vor, in Zukunft die eigenen Aufwendungen für die Berufsausbildung als Sonderausgaben bei der Ermittlung des Einkommens zum Abzug zuzulassen und damit der derzeitigen Unterscheidung zwischen Ausbildungskosten und Fortbildungskosten weitgehend die Bedeutung zu nehmen.”
Damit hat der Gesetzgeber aber nicht die Abziehbarkeit von Betriebsausgaben oder Werbungskosten einschränken, wollen. § 10 Abs. 1 Satz 1 ESTG, der den Vorrang des Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzugs vorsieht, blieb unberührt. Es sollten vielmehr Abzugsmöglichkeiten geschaffen werden, die nach der seinerzeitigen Rechtsprechung nicht bestanden. Insbesondere hat der Gesetzgeber eine Fortentwicklung der Rechtsprechung hinsichtlich der steuersystematischen Einordnung von Berufsbildungsmaßnahmen nicht hindern wollen. Dementsprechend hat der erkennende Senat seine ursprüngliche Rechtsprechung im Hinblick auf Zweit- oder Zusatzstudien (s. oben unter II. 1. c bb) sowie betreffend Ausbildungsdienstverhältnisse fortentwickelt (Urteile in BFHE 132, 49, BStBl II 1981, 216: Hochschulstudium eines Bundeswehroffiziers; vom 28. September 1984 VI R 144/83, BFHE 142, 258, BStBl II 1985, 89: mittlere Reife eines Zeitsoldaten; vom 15. April 1996 VI R 99/95, BFH/NV 1996, 804: Verkehrsfliegerausbildung eines Bundeswehrsoldaten). Im Übrigen sind z.B. auch die in § 10 Abs. 1 Nr. 6 ESTG ausdrücklich aufgeführten Steuerberatungskosten im Fall beruflicher Veranlassung unstreitig vorrangig als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu berücksichtigen (Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Rz. 520 unter Rechtsverfolgungskosten, m.w.N.).
d) Einem Abzug der Aufwendungen für ein aus beruflichen Gründen aufgenommenes Erststudium als Werbungskosten steht § 12 Nr. 1 Satz 1 und Satz 2 ESTG ebenfalls nicht entgegen. Solche Kosten stellen nicht zugleich Aufwendungen für die private Lebensführung dar, welche die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt.
Nach ständiger Rechtsprechung dient das in § 12 Nr. 1 ESTG enthaltene Aufteilungs- und Abzugsverbot vornehmlich der steuerlichen Gerechtigkeit. Ein Steuerpflichtiger soll nicht durch eine mehr oder weniger zufällige oder bewusst herbeigeführte Verbindung von beruflichen und privaten Erwägungen Aufwendungen für seine Lebensführung nur deshalb steuerlich geltend machen können, weil er einen entsprechenden Beruf hat, während andere Steuerpflichtige gleichartige Aufwendungen aus versteuerten Einkommen decken müssen. Es soll verhindert werden, dass der Steuerpflichtige derartige Aufwendungen als durch den Betrieb bzw. als beruflich veranlasse darstellt, ohne dass für das FA die Möglichkeit besteht, diese Angaben nachzuprüfen und die tatsächliche berufliche oder private Veranlassung festzustellen (BFH-Beschluss vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17, unter II. 3. der Gründe). Dies ist hinsichtlich der Kosten für ein Studium nicht zu befürchten. Die damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen, insbesondere die Studiengebühren, weisen keinen Bezug zur privaten Lebensführung auf. Eine private (Mit-)Veranlassung ist insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt anzunehmen, dass ein erfolgreicher Studienabschluss möglicherweise eine höherrangige berufliche, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Stellung eröffnet.
Eine Zuordnung derartiger Aufwendungen zu den Kosten der privaten Lebensführung ließe die tiefgreifenden Veränderungen im Berufsleben, Bildungswesen und auf dem Arbeitsmarkt außer Acht. Die bisherige Rechtsprechung, welcher die “Lebenskampfthese” des RFH zugrunde liegt (siehe oben unter II. 1. b), stammt aus einer Zeit, in der es zum Regelfall gehörte, den ursprünglich erlernten Beruf das gesamte Berufsleben lang auszuüben. In der heutigen Zeit kann dagegen ein Arbeitnehmer nicht mehr davon ausgehen, nur eine Berufsausbildung absolvieren zu müssen. Die Arbeitsmarktsituation erfordert es immer häufiger, umzulernen und die erforderlichen Kenntnisse für eine völlig anders geartete Berufstätigkeit zu erwerben. Darüber hinaus steigen die Anforderungen an das dem allgemeinen Entwicklungsstand angepasste berufliche Spezialwissen, so dass die Fort- und Weiterbildung zunehmend wichtiger wird. Insbesondere Arbeitnehmer stehen heutzutage nach mehreren Jahren der Berufstätigkeit vor der Situation, eine bessere oder höher bezahlte Stellung ohne ein Hochschulstudium nicht erreichen oder beibehalten zu können. Das aktuelle Berufsleben ist durch einen zunehmenden Arbeitsplatzwechsel gekennzeichnet. Es gibt zudem eine Vielzahl von vor allem neuen Berufen und Berufsbildern, die nicht mehr klar voneinander abgrenzbar sind und ständig wechseln.
e) Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat zwar noch mit Beschluss vom’8. Juli 1993 2 BvR 773/93 (Die Information über Steuer und Wirtschaft –Inf– 1993, 549) die in der Rechtsprechung vorgenommene Abgrenzung zwischen den –als Werbungskosten abziehbaren– Berufsfortbildungskosten und den –als Sonderausgaben beschränkt abziehbaren– Berufsausbildungskosten für mit der Verfassung vereinbar erklärt. Die Entscheidung enthält –entsprechend der Aufgabenstellung des BVerfG– keine Aussage zur Auslegung des einfachen Rechts. Im Übrigen hatte das BVerfG aber schon im Jahr 1984 darauf hingewiesen, dass die Entscheidung, ob ein anderer “Beruf” im Sinne der bisherigen Rechtsprechung anzunehmen sei, schwierig und oft kaum zuverlässig durchführbar sei. Es sei ferner zu berücksichtigen, dass sich im Bildungswesen ebenfalls tiefgreifende Änderungen und Entwicklungen vollzogen hätten. Die einzelnen Bereiche der Aus- und Fortbildung, die früher stärker gegeneinander abgeschottet gewesen seien, wiesen heute breitere Übergänge, Zwischenformen und Angebote auf. Daher sei es “zweifelhaft, ob früher getroffene höchstrichterliche Entscheidungen zur Abgrenzung zwischen Fortbildungs- und Ausbildungskosten gegenwärtig unverändert aufrechterhalten werden können” (Beschluss vom 22. Mai 1984 1 BvR 523/84, Inf 1984, 406).
4. Im Streitfall hat das FG anhand seiner tatsächlichen Feststellungen zutreffend entschieden, dass die Kosten für das berufsbegleitende Erststudium der Klägerin beruflich veranlasse sind. Der berufliche Anlass ist deshalb gegeben, weil die Klägerin nach Jahren der Berufstätigkeit an einer Bildungsmaßnahme teilgenommen hat, um in ihrem Beruf besser voranzukommen, ihre Kenntnisse zu erweitern und ihre Stellung im Unternehmen zu festigen. Das Studium der Betriebswirtschaft diente dazu, den vom Arbeitgeber geforderten akademischen Abschluss zu erwerben, um in der bereits erlangten Position einer Personalreferentin verbleiben zu können und den Anforderungen dieser beruflichen Tätigkeit dauerhaft gerecht zu werden. Die Klägerin hat die Studienkosten deswegen getätigt, um höhere Einnahmen zu erzielen bzw. diese Einnahmen zu sichern.
5. Eine Anrufung des Großen Senats ist nicht erforderlich. Der IV. Senat hat mitgeteilt, dass er der Abweichung von seinen Urteilen in BFHE 89, 511, BStBl III 1967, 723, vom 24. Juli 1973 IV R 27/72 (BFHE 110, 265, BStBl II 1973, 817) und vom 19. Juni 1997 IV R 4/97 (BFHE 184, 283, BStBl II 1998, 239) durch die Zulassung des steuermindernden Abzugs beruflich oder betrieblich veranlasster Aufwendungen für ein den ausgeübten Beruf sachlich begleitendes erstmaliges Hochschulstudium als Werbungskosten oder Betriebsausgaben zustimmt.
Urteil 5
BUNDESFINANZHOFAufwendungen für eine Umschulungsmaßnahme, die die Grundlage dafür bildet, von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer anderen überzuwechseln, können vorab entstandene Werbungskosten sein (Änderung der Rechtsprechung).
ESTG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 12 Nr. 1 Urteil vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01 Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz vom 14. August 2001 2 K 1607/99 G r ü n d e I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden für das Streitjahr 1995 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin erlernte den Beruf der Industriekauffrau und war bis 1977 als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Danach war sie nicht mehr berufstätig. In der Zeit vom 2. Februar 1995 bis zum 18. September 1995 nahm sie im Alter von 44 Jahren an einem Lehrgang u.a. an der Fahrlehrerakademie in X, einer amtlich anerkannten Fahrlehrerausbildungsstätte, teil. Die Prüfung als Fahrlehrerin legte sie erfolgreich Ende Oktober 1995,ab. Ab dem 1. November 1995 war sie als angestellte Fahrlehrerin beschäftigt und erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Mittlerweile unterhält sie eine eigene Fahrschule. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte die Klägerin Aufwendungen für die Fahrlehrerausbildung in Höhe von 23 240 DM als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend (z.B. Semester- und Kursgebühren in Höhe von 11 290 DM). Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) sah die Aufwendungen als Berufsausbildungskosten an und ließ diese nur mit dem Höchstbetrag von 900 DM nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (ESTG) als Sonderausgaben zum Abzug zu. Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage führte die Klägerin aus, sie sei nach ihrer Tätigkeit als Industriekauffrau arbeitslos gewesen. Aufgrund der geänderten Arbeitsmarktsituation sei sie weder in ihrem erlernten Beruf noch als kaufmännische Angestellte zu vermitteln gewesen. Um auf dem Arbeitsmarkt eine Chance zu erhalten, habe sie sich für eine Weiterqualifizierung zur Fahrlehrerin entschieden. Dabei habe sie keine unsichere Einkunftsquelle angestrebt, weil sie sich bereits vor Beginn des Lehrgangs um eine Arbeitsstelle bemüht habe. Die ihr entstandenen –nicht unerheblichen-Aufwendungen seien nur wegen der zu erwartenden Einnahmen sinnvoll und finanzierbar gewesen. Nach Ablegung der Prüfung sei sie unmittelbar als Fahrlehrerin angestellt worden. Eine solche hauptberufliche Fahrlehrertätigkeit sei Voraussetzung für eine Fahrschulerlaubnis und damit für ihre jetzige selbständige Tätigkeit gewesen. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 127 veröffentlichten Gründen statt. Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe den Begriff der vorab entstandenen Werbungskosten zu weit ausgelegt. Jeder Berufsausbildung liege die Absicht zugrunde, nach deren Abschluss Einkünfte aus der erlernten Tätigkeit zu erzielen. § 10 Abs. 1 Nr. 7 ESTG wäre damit hinsichtlich der ersten Alternative “Berufsausbildung” praktisch gegenstandslos. Durch den Lehrgang habe die Klägerin erst das für den zukünftigen Beruf typische Können erworben. Erst durch Bestehen der Fahrlehrerprüfung habe sie die Befähigung erlangt, den Beruf der Fahrlehrerin auszuüben. Die vor Abschluss dieser Ausbildung entstandenen Aufwendungen seien daher Sonderausgaben. Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils abzuweisen. Die Kläger treten der Revision entgegen; sie sind der Ansicht, in Zeiten zunehmender Arbeitslosigkeit und sich ändernder Berufstätigkeiten könne die Unterscheidung zwischen Aus- und Fortbildungskosten nicht mehr undifferenziert aufrechterhalten werden. II.
Die Revision des FA ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat die Aufwendungen für die Umschulungsmaßnahme der Klägerin zu Recht als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt. Diese Aufwendungen sind keine Kosten der Berufsausbildung i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 7 ESTG. Der erkennende Senat hält an der bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest. 1. Diese unterschied zwischen den als Werbungskosten abziehbaren Kosten einer Fortbildung in einem bereits ausgeübten Beruf und den als Sonderausgaben begrenzt absetzbaren Kosten einer Ausbildung zu einem künftigen Beruf. a) Als Fortbildungskosten erkannte der Bundesfinanzhof (BFH) nur Ausgaben an, die ein Steuerpflichtiger tätigt, um in dem ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden, sowie Ausgaben, die ein Steuerpflichtiger macht, um sich in dem von ihm ausgeübten Beruf fortzubilden, damit er ohne Wechsel der Berufs- oder Erwerbsart, also ohne Übergang zu einem anderen Beruf, besser vorwärtskommen kann (Urteil vom 7. November 1980 VI R 50/79, BFHE 132, 49, BStBl II 1981, 216). b) Dagegen nahm der BFH Berufsausbildungskosten bereits dann an, wenn die Aufwendungen dem Ziel dienen, Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage für einen künftigen Beruf notwendig sind oder welche die Grundlage dafür bilden sollen, um von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer anderen überzuwechseln, die also einen Berufswechsel vorbereiten sollen (BFH-Urteil vom 9. März 1979 VI R 141/77, BFHE 127, 210, BStBl II 1979, 337). Derartige Aufwendungen stünden noch nicht mit einer konkreten beruflichen Tätigkeit und hieraus fließenden Einnahmen im Zusammenhang. Ausgaben dieser Art erwüchsen grundsätzlich jedem Steuerpflichtigen; sie gehörten daher zu den Kosten der Lebensführung und seien deshalb nach § 12 Nr. 1 ESTG nicht als Werbungskosten abziehbar. Sie seien nur bis zu den gesetzlich vorgesehenen Höchstbeträgen als Sonderausgaben zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 6. November 1992 VI R 12/90, BFHE 169, 436, BStBl II 1993, 108). Diese Grundsätze gehen letztlich zurück auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH), der –ohne weitere Begründung– davon ausging, dass “die Erlangung der für den Lebenskampf notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten grundsätzlich der privaten Lebensführung zugehört, die Aufwendungen hierfür daher nicht abzugsfähig sind” (RFH-Urteil vom 24. Juni 1937 IV A 20/36, RStB1 1937, 1089, 1090). c) Im Einzelnen wandte der BFH diese Grundsätze wie folgt an: aa) Zu den Berufsausbildungskosten gehörten stets die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für ein Erststudium an einer Hochschule (Universität oder Fachhochschule), weil es dem Steuerpflichtigen eine andere (höherrangige) berufliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung eröffne. Ein Hochschulstudium schaffe regelmäßig die Grundlage für eine neue oder andere als die bisherige Lebensgestaltung des Steuerpflichtigen (Grundsatzurteil des BFH vom 16. März 1967 IV R 266/66, BFHE 89, 511, BStBl III 1967, 723). Das akademische Studium müsse einheitlich bewertet werden, da anderenfalls kaum zu bewältigende Abgrenzungsschwierigkeiten entständen und der Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung gefährdet werde (BFH-Urteile vom 28. September 1984 VI R 44/83, BFHE 142, 262, BStBl II 1985, 94, und vom 17. April 1996 VI R 94/94, BFHE 180, 341, BStBl II 1996, 450; s. auch Schuster in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, 15. Aufl., § 12 ESTG Rz. 139). Dies gelte aber nicht für einen Studiengang an einer Akademie oder Fachschule, welcher ohne Verleihung eines akademischen Grades bzw. des Titels “graduiert” abgeschlossen werde (Urteil vom 23. August 1979 VI R 87/78, BFHE 128, 472, BStBl II 1979, 773). bb) Bei einem Zweitstudium (Zusatz-, Aufbau- oder Ergänzungsstudium) nahm der BFH Fortbildungskosten an, wenn das Erststudium zu einem Berufsabschluss geführt hatte, es sich bei dem Zweitstudium um ein darauf aufbauendes Zusatzstudium handelte, durch das die im Erststudium erworbenen Erkenntnisse ergänzt und vertieft wurden, und das Zweitstudium keinen Wechsel in eine andere Berufsart eröffnete (BFH-Urteile vom 17. April 1996 VI R 29/94, VI R 2/95, VI R 27/95, VI R 87/95, BFHE 180, 339 ff., BStBl II 1996, 444 ff.). Darüber hinaus wurden Fortbildungskosten dann bejaht, wenn –trotz eines möglichen Wechsels in eine andere Berufsart– die vom Steuerpflichtigen angestrebte Berufstätigkeit gegenüber der bisherigen Berufstätigkeit nur eine “Spezialisierung” bedeutete (BFH-Urteil vom 8. Mai 1992 VI R 134/88, BFHE 167, 538, BStBl II 1992, 965, zum Zahnmedizinstudium eines Humanmediziners, der Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurg werden wollte; s. auch BFH-Urteil vom 19. Juni 1997 IV R 4/97, BFHE 184, 283, BStBl II 1998, 239, zum Studium der Betriebswirtschaftslehre eines Diplom-Bauingenieurs mit dem Ziel, Projektleiter einer Baufirma zu werden oder eine eigene Baufirma zu gründen). cc) Ferner sah der BFH als Berufsausbildungskosten die Aufwendungen zum Erwerb von Kenntnissen an, welche die Grundlage dafür bilden sollten, von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer anderen überzuwechseln (Umschulungskosten). Fortbildungskosten wurden nur unter den Voraussetzungen anerkannt, die der BFH zum Zweitstudium entwickelt hatte (BFH-Urteile vom 26. April 1989 VI R 95/85, BFHE 156, 494, BStBl II 1989, 616; vom 24. April 1992 VI R 131/89, BFHE 168, 144, BStBl II 1992, 963; vom 14. April 1993 I R 95/92, BFH/NV 1994, 157; in BFHE 169, 436, BStBl II 1993, 108). Beispielsweise ließ der BFH die Aufwendungen für den Erwerb der Erlaubnis für Berufsflugzeugführer durch einen Flugingenieur zum Werbungskostenabzug zu, weil der Steuerpflichtige bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen hatte und kein Wechsel der Berufsart vorlag (BFH-Urteil in BFHE 168, 144, BStBl II 1992, 963). Darüber hinaus beurteilte er die Ausgaben einer Sonderschullehrerin für eine Bildungsmaßnahme als Werbungskosten, weil diese Maßnahme auf einschlägigen Vorkenntnissen aufbaute und zur Qualifikation “klinische Musiktherapeutin” führte (BFH-Urteil vom 13. Juni 1996 VI R 28/95, BFH/NV 1996, 809), oder die Aufwendungen eines Diplom-Finanzwirts/Finanzbeamten für die Steuerberaterprüfung (BFH-Urteile in BFH/NV 1994, 157, und in BFHE 169, 436, BStBl II 1993, 108). 2. Diese bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung wurde zunehmend kritisiert (z.B. Hessisches FG, Urteil vom 29. September 1999 12 K 1823/97, EFG 2000, 355, rkr.; Niedersächsisches FG, Urteile vom 6. August 1997 XIII 252/93, EFG 1998, 640, Rev. VI R 5/98; vom 25. März 1998 IV 664/94, EFG 1999, 19, rkr.; FG Nürnberg, Urteil vom 4. März 1998 III 75/97, EFG 1998, 1511, Rev. VI R 61/98; FG Brandenburg, Urteil vom 23. November 1999 3 K 1011/98 E, EFG 2000, 424, Rev. VI R 42/00; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 8. März 2000 V 221/98, EFG 2000, 780, Rev. VI R 60/00; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Februar 2000 4 K 344/98, EFG 2000, 783, Rev. VI R 113/00; FG Köln, Urteil vom 8. Februar 2000 9 K 1857/99, EFG 2001, 676, Rev. VI R 8/01; FG Münster, Urteil vom 17. April 2001 14 K 7649/98 E, EFG 2001, 1122, rkr.; Niedersächsisches FG, Urteil vom 28. Februar 2001 4 K 177/97, EFG 2001, 1424, Rev. VI R 106/01; FG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2001 17 K 4198/98 E, EFG 2001, 1600, Rev. VI R 119/01; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. August 2001 2 K 1607/99, EFG 2002, 127, Rev. VI R 120/01; FG Münster, Urteil vom 21. August 2001 1 K 5736/98 E, EFG 2002, 79, Rev. VI R 137/01; FG Düsseldorf, Urteil vom 17. Mai 2001 10 K 3721/98 E, EFG 2001, 1023, Rev. IV R 44/01, zu § 4 Abs. 4 ESTG; vgl. FG Berlin, Urteil vom 21. Januar 1997 5170/96, EFG 1997, 1105, Rev. VI R 85/97; Hessisches FG, Urteil vom 18. Juli 1997 11 K 1446/97, EFG 1998, 181, Rev. VI R 190/97; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 19 Rz. 60 unter Ausbildungskosten; ders., Steuer und Wirtschaft –StuW– 1999, 3 ff.; Prinz in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 9 ESTG Rz.- 268 f., 271; Söhn, StuW 2002, 97 ff.; Kreft, Vorab veranlasste Erwerbsaufwendungen im Einkommensteuerrecht, Berlin, Heidelberg, New York 2000, S. 77 ff.; ders., Finanz-Rundschau –FR– 2002, 657 ff.; Keßler, Lexikon des Steuer- und Wirtschaftsrechts –LSW– Heft 6/2000, Gruppe 4/129, Fortbildungskosten, 1, 2; Flies, Deutsches Steuerrecht –DStR– 1997, 725 ff.; E. Schmidt, FR 1997, 762 ff.; Balke, Neue Wirtschafts-Briefe –NWB–, Meinungen, Stellungnahmen 1997, 1269 ff.; Koenig, Deutsche Steuer-Zeitung –DStZ– 1996, 769; Gast-de Haan, Festschrift für L. Schmidt, München 1993, 105 ff.; Beul, FR 1986, 340, 347 ff.; Herb, Berufliche Ausbildung und Fortbildung im Einkommensteuerrecht, Augsburg 1986, S. 77 ff.; Dilthey, FR 1984, 333 ff.; Stolz, FR 1979, 242, 246 f.; Suhr, StuW 1966, 579 ff.; Weisensee, DSTR 1965, 224 ff.; Glade, FR 1959, 297, 300; Heidrich, FR 1958, 532 ff.; Katzsch, Betriebs-Berater –BB– 1958, 300 f.). Der Rechtsprechung wurde insbesondere entgegengehalten, die von ihr entwickelte Terminologie mit der Unterscheidung zwischen Berufsausbildung und Berufsfortbildung vernachlässige steuersystematische Gesichtspunkte (z.B. Prinz, a.a.O., § 9 ESTG Rz. 268 f.; Kreft, FR 2002, 657, 661 ff.). Die Rechtsprechung verwende zur Abgrenzung nur noch “Begriffsdefinitionen” und entferne sich damit immer mehr vom Gesetz (z.B. Söhn, StuW 2002, 97 f.). Vornehmlich die Zuordnung von Aufwendungen für ein Erststudium zum Privatbereich ohne Beachtung der das Studium veranlassenden Umstände beinhalte eine unzulässige Typisierung (z.B. Niedersächsisches EG in EEG 2001, 1424, Rev. VI R 106/01; Keßler, LSW Heft 6/2000, Gruppe 4/129, Fortbildungskosten, 1, 2). Zudem sei die Rechtsprechung in ihrer Kasuistik kaum mehr zu überschauen, sie sei in vielen Fällen schwer nachvollziehbar und führe deshalb zu Rechtsunsicherheit (z.B. Niedersächsisches EG in EEG 1998, 640, Rev. VI R 5/98; Hessisches EG in EEG 2000, 355, rkr.; Prinz, a.a.O., § 9 ESTG Rz. 269; Koenig, DSTZ 1996, 769). Die höchstrichterliche Rechtsprechung trage den tiefgreifenden Änderungen und Entwicklungen im heutigen Berufsleben sowie der zunehmenden Arbeitslosigkeit nicht ausreichend Rechnung (z.B. EG Düsseldorf in EEG 2001, 1023, Rev. IV R 44/01; E. Schmidt, ER 1997, 762 ff.). Die Rechtsprechung hemme die notwendige Flexibilität der Arbeitnehmer. Wegen der Vielgestaltigkeit der beruflichen Weiter- oder Fortbildung verstoße eine solche Typisierung gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und gewährleiste –insbesondere im Fall einer durch den Arbeitsmarkt veranlassten Umschulung– nicht die nach dem Sozialstaatsprinzip gebotene Bekämpfung von Arbeitslosigkeit (z.B. EG Brandenburg in EEG 2000, 424, Rev. VI R 42/00). Die Rechtsprechung zur Anerkennung der Aufwendungen für ein Zweitstudium stelle sich als ein im Gesetz nicht angelegtes, sachlich nicht gerechtfertigtes Akademikerprivileg dar, da allein Hochschulabsolventen die Kosten für ein Zweitstudium als Werbungskosten geltend machen könnten (z.B. EG Schleswig-Holstein in EEG 2000, 780, Rev. VI R 60/00; Niedersächsisches EG, Urteile in EEG 1998, 640, Rev. VI R 5/98; in EEG 2001, 1424, Rev. VI R 106/01). Für die Annahme von Betriebsausgaben/Werbungskosten sei -von hier nicht interessierenden Einschränkungen abgesehen– ausschließlich auf den Veranlassungszusammenhang abzustellen (Prinz, a.a.O., § 9 ESTG Rz. 268 ff.; Schmidt/Drenseck, a.a.O., 19 Rz. 60 unter Ausbildungskosten; ders., StuW 1999, 3, 6 ff.; Gast-de Haan, Festschrift für L. Schmidt, 105 ff.; Flies, DSTR 1997, 725, 727 ff.; Söhn, StuW 2002, 97, 98 ff.; Kreft, FR 2002, 657, 664 ff.); der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 7 ESTG sei einzuschränken. 3. Soweit nach der bisherigen Rechtsprechung Aufwendungen zum Erwerb von Kenntnissen nicht zum Werbungskostenabzug zugelassen wurden, welche die Grundlage dafür bilden, von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer anderen überzuwechseln (Umschulungskosten), hält der erkennende Senat an dieser Rechtsprechung nicht mehr fest. Aufwendungen für eine auf die Erzielung von Einkünften gerichtete Umschulungsmaßnahme können Werbungskosten sein. Ob die Bildungsmaßnahme eine neue Basis für andere Berufsfelder schafft oder einen Berufswechsel vorbereitet, ist unerheblich. a) Der Einkommensteuer unterliegen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 ESTG) und damit nur der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. §§ 8 bis 9a ESTG). Das gebietet das objektive Nettoprinzip als Ausdruck des aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsatzes der steuerlichen Leistungsfähigkeit. Was im Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit ausgegeben wird, unterliegt nicht dem Steuerzugriff (BFH-Beschluss vom 30. Januar 1995 GrS 4/92, BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281, unter C. III. der Gründe; Tipke, StuW 1980, 1, 3; Wolff-Diepenbrock, DSTZ 1999, 717). b) § 9 Abs. 1 Satz 1 ESTG definiert Werbungskosten als Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Die Rechtsprechung hat den Werbungskostenbegriff dem Begriff der Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 ESTG angeglichen (BFH-Urteil vom 4. März 1986 VIII R 188/84, BFHE 146, 151, BStBl II 1986, 373). Werbungskosten liegen danach vor, wenn sie durch den Beruf bzw. durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasse sind (z.B. Blümich/Lindberg, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 15. Aufl., § 12 ESTG Rz. 14, m.w.N.). Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden (BFH-Urteil in BFHE 169, 436, BStBl II 1993, 108). Dabei ist ausreichend, wenn die Ausgaben den Beruf des Arbeitnehmers im weitesten Sinne fördern (vgl. BFH-Urteil in BFHE 146, 151, BStBl II 1986, 373). Erzielt der Steuerpflichtige noch keine Einnahmen, liegen vorab entstandene Werbungskosten vor, wenn die Aufwendungen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit späteren Einnahmen stehen (BFH-Urteile vom 18. April 1996 VI R 89/93, BEHE 180, 353, BStBl II 1996, 449; vom 19. April 1996 VI R 24/95, BFHE 180, 360, BStBl II 1996, 452). Der erforderliche Veranlassungszusammenhang kann bei jedweder berufsbezogenen Bildungsmaßnahme erfüllt sein, zumal in § 9 ESTG keine Sonderregelung zu Berufsbildungskosten enthalten ist. Er wird häufig bei einer Umschulungsmaßnahme gegeben sein. Denn in einem solchen Fall werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Steuerpflichtige das hierdurch erworbene Berufswissen am Arbeitsmarkt einsetzen kann, um künftig Einnahmen zu erzielen. c) Einer solchen Beurteilung steht § 10 Abs. 1 Nr. 7 EST.G nicht entgegen. Nach dieser Regelung sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung nur dann Sonderausgaben, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind”. Nach dem Gesetz hat der Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug Vorrang vor dem Abzug von Berufsausbildungskosten als Sonderausgaben, so dass § 10 Abs. 1 Nr. 7 ESTG keine Sperrwirkung entfaltet (so bereits BFH-Urteile in BFHE 180, 360, BStBl II 1996, 452; BFH-Beschluss vom 22. November 2000 VI B 174/00, BFH/NV 2001, 451) Aus der Entstehungsgeschichte des § 10 Abs. 1 Nr. 9 ESTG (jetzt Nr. 7; eingefügt durch das Steueränderungsgesetz –StÄndG– 1968, BStBl I 1968, 116) ergibt sich nichts anderes. Zwar heißt es in den Gesetzesmaterialien (BTDrucks V/3430, 8 f.; vgl. Bericht des Finanzausschusses zu BTDrucks V/3602, 2, 3): “Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung, zu der auch eine Umschulung gehört, können nach geltendem Recht einkommensteuerlich nicht berücksichtigt werden. Bei diesen Aufwendungen handelt es sich um Lebenshaltungskosten, weil durch sie erst das für den Beruf typische Können und schließlich eine selbständige, gesicherte Lebensstellung erworben werden sollen. Anders als bei Fortbildungskosten fehlt den eigenen Aufwendungen für die Berufsausbildung der unmittelbare Zusammenhang mit Einnahmen; sie können daher nicht wie diese als Betriebsausgaben oder Werbungskosten geltend gemacht werden, sondern sind vielmehr nach S 12 ESTG vom Abzug ausgeschlossen. Ausbildungskosten in diesem Sinne sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs insbesondere auch die eigenen Aufwendungen für einen Berufswechsel oder für eine Berufsumschulung. Die derzeitige steuerliche Behandlung der eigenen Ausbildungskosten wird den Anforderungen, die an eine fortschrittliche Bildungspolitik gestellt werden müssen, nicht mehr gerecht … Um die Ausbildungsförderung zu verbessern, insbesondere auch um Umschulungen mehr als bisher zu fördern, schlägt die Bundesregierung als ersten Schritt vor, in Zukunft die eigenen Aufwendungen für die Berufsausbildung als Sonderausgaben bei der Ermittlung des Einkommens zum Abzug zuzulassen und damit der derzeitigen Unterscheidung zwischen Ausbildungskosten und Fortbildungskosten weitgehend die Bedeutung zu nehmen.” Damit hat der Gesetzgeber aber nicht die Abziehbarkeit von Betriebsausgaben oder Werbungskosten einschränken wollen. § 10 Abs. 1 Satz 1 ESTG, der den Vorrang des Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzugs vorsieht, blieb unberührt. Es sollten vielmehr Abzugsmöglichkeiten geschaffen werden, die nach der seinerzeitigen Rechtsprechung nicht bestanden. Insbesondere hat der Gesetzgeber eine Fortentwicklung der Rechtsprechung hinsichtlich der steuersystematischen Einordnung von Berufsbildungsmaßnahmen nicht hindern wollen. Dementsprechend hat der erkennende Senat seine ursprüngliche Rechtsprechung im Hinblick auf Zweit- oder Zusatzstudien (s. oben unter II. 1. c bb) sowie betreffend Ausbildungsdienstverhältnisse fortentwickelt (Urteile in BFHE 132, 49, BStBl II 1981, 216: Hochschulstudium eines Bundeswehroffiziers; vom 28. September 1984 VI R 144/83, BFHE 142, 258, BStBl II 1985, 89: mittlere Reife eines Zeitsoldaten; vom 15. April 1996 VI R 99/95, BFH/NV 1996, 804: Verkehrsfliegerausbildung eines Bundeswehrsoldaten). Im Übrigen sind z.B. auch die in § 10 Abs. 1 Nr. 6 ESTG ausdrücklich aufgeführten Steuerberatungskosten im Fall beruflicher Veranlassung unstreitig vorrangig als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu berücksichtigen (Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Rz. 520 unter Rechtsverfolgungskosten, m.w.N.). d) Einem Abzug der Aufwendungen für eine Umschulungsmaßnahme als Werbungskosten steht § 12 Nr. 1 Satz 1 und 2 ESTG ebenfalls nicht entgegen. Die aus beruflichen Gründen entstandenen Kosten stellen nicht zugleich Aufwendungen für die private Lebensführung dar, welche die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt. Nach ständiger Rechtsprechung dient das in § 12 Nr. 1 ESTG enthaltene Aufteilungs- und Abzugsverbot vornehmlich der steuerlichen Gerechtigkeit. Hiermit soll verhütet werden, dass ein Steuerpflichtiger durch eine mehr oder weniger zufällige oder bewusst herbeigeführte Verbindung von beruflichen und privaten Erwägungen Aufwendungen für seine Lebensführung nur deshalb steuerlich geltend machen kann, weil er einen entsprechenden Beruf hat, während andere Steuerpflichtige gleichartige Aufwendungen aus versteuerten Einkünften decken müssen. Im übrigen soll verhindert werden, dass solche Aufwendungen als vom Steuerpflichtigen durch den Betrieb bzw. als beruflich veranlasse dargestellt werden, ohne dass für das FA die Möglichkeit besteht, diese Angaben nachzuprüfen und die tatsächliche berufliche oder private Veranlassung festzustellen (BFH-Beschluss vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17, unter II. 3. der Gründe). Dies ist im Fall einer durch Arbeitslosigkeit bedingten Umschulung nicht zu befürchten. Die damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen weisen keinen Bezug zur privaten Lebensführung auf. Eine Zuordnung derartiger Aufwendungen zu den Kosten der privaten Lebensführung ließe die tiefgreifenden Veränderungen im Berufsleben, Bildungswesen und auf dem Arbeitsmarkt außer Acht. Die bisherige Rechtsprechung, welcher die “Lebenskampfthese” des RFH zugrunde liegt (s. oben unter II. 1. b), stammt aus einer Zeit, in der es zum Regelfall gehörte, den ursprünglich erlernten Beruf das gesamte Berufsleben lang auszuüben. In der heutigen Zeit kann dagegen ein Arbeitnehmer nicht mehr davon ausgehen, nur eine Berufsausbildung absolvieren zu müssen. Die Arbeitsmarktsituation erfordert es immer häufiger, umzulernen und die erforderlichen Kenntnisse für eine völlig anders geartete Berufstätigkeit zu erwerben. Darüber hinaus steigen die Anforderungen an das dem allgemeinen Entwicklungsstand angepasste berufliche Spezialwissen, so dass die Fort- und Weiterbildung zunehmend wichtiger wird. Arbeitnehmer stehen heutzutage nach mehreren Jahren der Berufstätigkeit vor der Situation, ohne weitere Qualifikation eine verbesserte oder höher bezahlte Stellung nicht erreichen oder diese beibehalten zu können. Dies gilt erst recht bei einer längeren Unterbrechung der bisherigen beruflichen Tätigkeit. Das aktuelle Berufsleben ist durch häufigen Arbeitsplatzwechsel gekennzeichnet. Es gibt zudem eine Vielzahl von vor allem neuen Berufen und Berufsbildern, die nicht mehr klar voneinander abgrenzbar sind und ständig wechseln. e) Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat zwar noch mit Beschluss vom 8. Juli 1993 2 BvR 773/93 (Die Information –Inf– 1993, 549) die in der Rechtsprechung vorgenommene Abgrenzung zwischen den –als Werbungskosten abziehbaren– Berufsfortbildungskosten und den –als Sonderausgaben beschränkt abziehbaren– Berufsausbildungskosten für mit der Verfassung vereinbar erklärt. Die Entscheidung enthält –entsprechend der Aufgabenstellung des BVerfG– keine Aussage zur Auslegung des einfachen Rechts. Im Übrigen hatte das BVerfG aber schon im Jahr 1984 darauf hingewiesen, dass die Entscheidung, ob ein anderer “Beruf” i.S. der bisherigen Rechtsprechung anzunehmen sei, schwierig und oft kaum zuverlässig durchführbar sei. Es sei ferner zu berücksichtigen, dass sich im Bildungswesen ebenfalls tiefgreifende Änderungen und Entwicklungen vollzogen hätten. Die einzelnen Bereiche der Aus- und Fortbildung, die früher stärker gegeneinander abgeschottet gewesen seien, wiesen heute breitere Übergänge, Zwischenformen und Angebote auf. Daher sei es “zweifelhaft, ob früher getroffene höchstrichterliche Entscheidungen zur Abgrenzung zwischen Fortbildungs- und Ausbildungskosten gegenwärtig unverändert aufrechterhalten werden können” (Beschluss vom 22. Mai 1984 1 BvR 523/84, Inf 1984, 406). f) Die Einordnung der Kosten für Berufsbildungsmaßnahmen zu den Erwerbsaufwendungen verringert Wertungsungleichheiten, die sich auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung ergaben. Während manche Steuerpflichtige die Umschulungskosten nach den Bestimmungen des Arbeitsförderungsgesetzes (nunmehr des Dritten Buches Sozialgesetzbuch –SGB III–) vom Staat steuerfrei erstattet bekamen, konnten die Steuerpflichtigen, die sich auf eigene Kosten zu einem anderen Beruf umschulen ließen, diese Kosten noch nicht einmal in Form von Werbungskosten oder Betriebsausgaben geltend machen. Die Wertungsungleichheit tritt nicht ein, wenn Kosten der Umschulung als Erwerbsaufwendungen abziehbar sind (Gast-de Haan, Festschrift für L. Schmidt, 105, 111 f.). 4. Im Streitfall hat das FG anhand seiner tatsächlichen Feststellungen zutreffend entschieden, dass die Aufwendungen für die Umschulungsmaßnahme der Klägerin vorab entstandene Werbungskosten darstellen. Denn vorliegend ist ein hinreichend konkreter Zusammenhang dieser Aufwendungen mit späteren Einnahmen gegeben. Die Bildungsmaßnahme bereitete konkret und berufsbezogen auf eine Fahrlehrertätigkeit vor, welche die Klägerin auch alsbald nach Bestehen der Prüfung ausübte. Die Umschulungskosten wurden deswegen aufgewendet, um nach Zeiten der Arbeitslosigkeit wieder Einnahmen zu erzielen. 5. Eine Anrufung des Großen Senats ist nicht erforderlich. Der III. Senat hält an seiner in den Urteilen vom 28. August 1997 III R 195/94 (BFHE 184, 389, BStBl II 1998, 183) und in BFH/NV 1998, 569 geäußerten Rechtsauffassung nicht mehr fest. |
Urteil 1
der kompletten Ausbildungskosten
Finanzgericht Düsseldorf 10 K 3721/98 E…wegen Einkommensteuer 1995 und 1996 hat der 10. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 17. Mai 2001 für Recht erkannt: Unter Änderung der Einkommensteuerbescheide für 1995 vom 09.10.1997 und für 1996 vom 16.10.1997 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 24.04.1998 wird die Einkommensteuer für 1995 auf 21.723,00 DM und die Ein- kommensteuer für 1996 auf 37.169,00 DM festgesetzt. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,00 DM abzuwenden, wenn nicht die Kläger ihrerseits zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten. T a t b e s t a n d
Die Kläger sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Sie begehren, Aufwendungen der Klägerin, die diese im Zusammenhang mit einer Ausbildung zur Heilpraktikerin gehabt hat, bei der Einkommensteuer 1995 und 1996 als vorweggenommene Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Die im Jahr 1950 geborene Klägerin ist gelernte Bilanzbuchhalterin. Sie war bei der Firma W -GmbH Co KG beschäftigt und erzielte in 1995 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 145.150,00 DM. Ab 01.05.1996 war sie arbeitslos. Ab Mai 1995 begann sie eine Heilpraktikerausbildung. Sie belegte dafür Kurse bei dem Europäischen Bildungsverband für Naturheilkunde in D. Im Februar 1998 legte sie die Heilpraktikerprüfung vor dem Gesundheitsamt in K ab. Seit dem 29.5.1998 betreibt sie in ihrem Wohnhaus in drei Räumen im Erdgeschoss eine Praxis für Naturheilverfahren In der Einkommensteuererklärung 1995 machte die Klägerin aus selbstständiger Arbeit als Heilpraktikerin negative Einkünfte in Höhe von 9804,00 DM geltend, die das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid vom 13.06.1996 anerkannte; der Bescheid erging “vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus selbständiger Arbeit, weil z. Z. die Einkunftserzielungsabsicht nicht abschließend beurteilt werden kann (Liebhaberei)”. Auch der aus anderen – hier nicht streitigen – Gründen ergangene Änderungsbescheid vom 12.02.1997 erging insoweit vorläufig Mit Einkommensteueränderungsbescheid für 1995 vom 09.10.1997 versagte das Finanzamt die Anerkennung vorweggenommener Betriebsausgaben und berücksichtigte gern. § 10 Abs 1 Nr. 7 EStG Berufsausbildungskosten in Höhe von 1.200,00 DM. In der Einkommensteuererklärung 1996 erklärte die Klägerin aus selbständiger Arbeil negative Einkünfte in Höhe von 17915,00 DM. Das Finanzamt berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 1996 vom 16101997 lediglich Ausbildungs-, Weiterbildungskosten in Höhe von 2.400,00 DM. Der Bescheid erging vorläufig hinsichtlich der Ausbildungskosten, da abzuwarten bleibe, ob der angestrebte Beruf auch ausgeübt wird. In ihrem gegen die Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 eingelegten Einspruch machten die Kläger geltend, bei den Aufwendungen fur die Heilpraktikerausbilduno handele es sich um eine zusätzliche Ausbildung, die durch den Arbeitsmarkt und durch die Arbeitslosigkeit der Klägerin bedingt sei. Das Finanzamt wies die Einsprüche mit Entscheidung vom 24.04.1998 als unbegründet zurück, da es sich um Ausbildungskosten handele, die als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu behandeln seien. Ausbildungskosten dienten dem Ziel, die für einen zukünftigen Beruf notwendigen Kenntnisse zu erwerben. Sie könnten die Grundlage dafür bilden, um von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer andern überzuwechseln. Für diese Aufwendungen sei kennzeichnend, dass sie noch nicht mit einer konkreten beruflichen Tätigkeit und mit hier aus fließenden Einnahmen im Zusammenhang stehen. Aufwendungen dieser Art erwüchsen grundsätzlich jedem Steuerpflichtigen und gehörten daher zu den Kosten der Lebensführung. Die Klägerin habe die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Besuch der Heilpraktikerschule gemacht, um die Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage für den künftigen Beruf als Heilpraktikerin notwendig sind. Die Aufwendungen seien getätigt worden, um den Wechsel in eine andere Berufsart zu ermöglichen und bildeten daher Ausbildungskosten, so dass die Annahme von vorab entstandenen Betriebsausgaben ausscheide. In ihrer dagegen erhobenen Klage machen die Kläger geltend, bei der Entscheidung der Klägerin für die Heilpraktikerausbildung habe es sich nicht um eine Entscheidung im Bereich der Lebensführung gehandelt, sondern sie habe sich eine neue Berufs- grundlage schaffen müssen. Zur Vorgeschichte führte die Klägerin dazu in einem Erörterungstermin vor der Berichterstatterin am 01.03.2001 aus: Seit etwa 1990, nach dem Schlaganfall eines der bei den Prokuristen, habe sich der Zuschnitt der W-GmbH & Co KG verändert. Es seien fast nur noch junge Leute eingestellt worden. Ohne sie vorher zu informieren oder zu fragen, seien ihre Aufgaben auf andere, jüngere Mitarbeiter verteilt worden. Auf Grund dessen sei ihr klar geworden, dass sie bei ihrem hohen Gehalt nicht mehr lange bei dem Unternehmen beschäftigt sein würde. Die Kläger beantragen sinngemäß, die kommensteuerbescheide 1995 vom 09.10.1997 und 1996 vom 16.10.1997 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 24.04.1998 mit der Maßgabe zu ändern, dass bei den Einkünften der Klägerin aus selbstständiger Arbeit unter Anrechnung der berücksichtigten Ausbildungskosten Auf- wendungen in Höhe von 9.804,00 DM für 1995 und von 17.915,00 DM für 1996 als vorweggenommene Betriebsausgaben berücksichtigt werden. Der Beklagte beantragt, Klageabweisung, hilfsweise Zulassung der Revision. führt aus: Die Tatsache, dass die Klägerin bereits eine komplette Ausbildung gehabt hat und sich auf Grund ihrer negativen beruflichen Aussichten habe neu orientieren müssen, ändere nichts daran, dass es sich hier um Berufsausbildungskosten im Sinne des § 10 Abs 1 Nr 7 EStG handele. Das gelte auch für einen neuen Beruf Aufwendungen für die berufliche Fort- und Weiterbildung seien Werbungskosten nach § 9 Abs 1 Satz 1 EStG Davon zu unterscheiden seien die Berufsausbildungskosten, die dann vorliegen, wenn die Aufwendungen dem Ziel dienen, die Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage für einen künftigen Beruf notwendig sind. Diese Kosten erwüchsen nahezu jedem Steuerpflichtigen und gehörten nach ständiger Rechtsprechung zu den nichtabzugsfähigen Kosten der Lebensführung. Dazu gehörten auch die Aufwendun- gen zum Erwerb von Kenntnissen, die die Grundlage dafür bilden sollen, von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer anderen überzuwechseln. Diese Berufsausbildungskosten seien nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG nur bis zu den genannten Höchstbeträgen als Sonderausgaben berücksichtigungsfähig. Die gleiche Unterscheidung gelte auch für vorweggenommene Werbungskosten/Betriebsausgaben. Nur bei Fort- oder Weiterbildungskosten könnten vorab entstandene Werbungskosten vorliegen. Erörterungstermin am 01.03.2001 reichte die Klägerin einen Prospekt ihrer Praxis (Praxis für Naturheilverfahren…) zu den Akten, in dem ihre Tätigkeiten und Behandlungen aufgeführt sind. Auf den Prospekt wird Bezug genommen. Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet. E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist begründet. Die der Höhe nach unstreitigen Aufwendungen der Klägerin für den Erwerb ihrer Qualifikation als Heilpraktikerin sind unter Anrechnung der anerkannten Sonderausgaben als vorweg entstandene Betriebsausgaben bei ihren Ein künften aus selbstständiger Arbeit als Heilpraktikerin abzugsfähig. Nach § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Welche Voraussetzungen im einzelnen erfüllt sein müssen, damit Aufwendungen durch den Betrieb veranlaßt und daher Betriebsausgaben sind, wird in § 4 Abs. 4 EStG nicht festgelegt. “Veranlassung” kann sowohl als Verursachung (kausal) wie auch als Zweckbestimmung (final), d.h. objektiv oder subjektiv verstanden werden Der Begriff ist entsprechend den Werbungskosten des § 9 Abs. 1 EStG ein- heitlich auszulegen (Nachweise zur Rechtsprechung bei Schmidt / Heinicke, EStG, § 4 Rz 30). Die Grenzen betrieblicher Veranlassung liegen dort, wo ein sachlicher Zusammenhang mit dem Betrieb nicht begründet werden kann und die private Lebensfüt rung (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) betroffen ist. Es ist in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass Werbungskc sten/Betriebsausgaben bereits anfallen können, bevor im Rahmen einer Einkunftsa Einnahmen erzielt werden (BFH-Urteile vom 03. November 1961 VI 196/60 U, BFH 74, 319, BStBIIII 1962, 123; vom 29. November 1983 VIII R 160/82, BFHE 140, 21E BStBI II 1984, 307; vom 14. Juni 1988 VIII R 252/82, BFHE 154, 72, BStBI II 198~ 992). Die Aufwendungen können sogar dann abziehbar sein, wenn es entgegen de Planungen des Steuerpflichtigen nicht zu den Einnahmen kommt, sofern nur eine ei kennbare Beziehung zu den Einkünften besteht (BFH-Urteile in BFHE 74, 319, BStBII 1962, 123; BFHE 140, 216, BStBI II 1984, 307 m.w.N.). Voraussetzung ist, dass zw schen den Aufwendungen und einer bestimmten Einkunftsart eine klar erkennbare BE ziehung besteht und nicht irgendeine nur unsichere Einkommensquelle angestrebt wird. An den Nachweis des Zusammenhangs sind strenge Anforderungen zu sterlen wenn die Pläne später nicht verwirklicht werden. Hier hatte die Klägerin nicht nur den festen Entschluss, zur Erzielung von Einkünfte die Heilpraktikertätigkeit aufzunehmen, sie hat sich zielstrebig auf diese Tätigkeit vorbereitet, hat sie nach Abschluss der erforderlichen Prüfung aufgenommen und erzielt nunmehr daraus Einkünfte, die sich nach Einrichtung ihrer Praxis und einer Anlaufphase allmählich positiventwickeln und ihrem Lebensunterhalt dienen sollen und können. Entgegen der Auffassung des Finanzamts handelt es sich hier nicht um Kosten der Lebensführung in Form von Ausbildungskosten, die nur als Sonderausgaben im Rahme des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG abzugsfähig sind, sondern um vorweggenommene Betriel sausgaben. Der Senat folgt nicht der bisher überwiegend vertretenen üblichen Unterscheidun wonach Ausbildungskosten alle Aufwendungen sind, die für einen künftigen erstma gen oder neuen Beruf jedem Steuerpflichtigen erwachsen, und die daher nicht a Werbungskosten, sondern nur im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG abzugsfäh sein sollen. Diese Abgrenzung kann in Zeiten zunehmender Arbeitslosigkeit nicht mehr undifferenziert aufrechterhalten werden. Insoweit wird auf die Kritik an der Rechtspr chuna des BFH, wie sie insbesondere von Drenseck formuliert worden ist (Schmidt/Drenseck, EStG, $19 Rz. 60 d; Drenseck StuW 1999, 3) Bezug genommen. Aufwendungen, die die Einkunftserzielung vorbereiten, sind rechtsdogmatisch vorab entstandene Werbungskosten oder Betriebsausgaben. Die Zuordnung zur freiwilligen Lebensgestaltung i. S. des § 12 EStG überzeugt dann nicht mehr, wenn auf Grund der Arbeitsmarktsituation Steuerpflichtige nach Jahren der Berufstätigkeit vor der Notwendigkeit stehen, umzulernen, und sich für eine völlig anders geartete Berufstätigkeit als bisher selbst ausbilden oder umschulen zu lassen. Diese Steuerpflichtigen haben durch eine Berufsausbildung bereits eine als dauernd gewollte Berufsgrundlage geschaffen und diese langjährig zur Einkunftserzielung genutzt. Wenn sie nach Jahren der Berufsausübung durch den Arbeitsmarkt veranlasst werden, eine neue Berufsgrundlage zu schaffen, ist es nicht gerechtfertigt, diese Entscheidung dem Bereich der Lebensführung und als weitere Berufsausbildung dem Sonderausgabenbereich zuzuordnen. Nach Drenseck handelt es sich um eine einkunftsrelevante Entscheidung. Aufwendungen, die für eine solche weitere Berufsausbildung anfallen, sind daher als Werbungskosten/Betriebsausgaben abziehbar (Schmid/Drenseck a.a.O.). Für die Richtigkeit dieser Auffassung spricht auch das Urteil des BFH vom 18.04.1996 VI R 5/95 (BStBI II 1996, 482). Dort weist der BFH darauf hin, dass ein Vorrang des Werbungskostenabzugs vor dem Abzug als Sonderausgaben bestehe. Denn nur dann, wenn die betreffenden Aufwendungen weder Werbungskosten noch Betriebsausgaben seien, komme eine Beurteilung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG als Sonderausgaben in Betracht. Der BFH bezieht sich dabei auf die Entstehungsgeschichte des § 10 Abs.1 Nr. 7 EStG. Es habe nicht ein bis dahin möglicher Werbungskostenabzug eingeschränkt und eine Umqualifizierung in nur beschränkt abziehbare Sonderausgaben stattfinden sollen; vielmehr sollten rechtsbegründend zusätzlich solche Aufwendungen zum Abzug als Sonderausgaben zugelassen werden, die sonst überhaupt nicht hätten abgezogen werden können. Die Vorschrift sei z. B. bedeutsam für solche Weiterbil- dungsmaßnahmen von Steuerpflichtigen, die sich in ihrem erlernten Beruf auf dem Laufenden halten wollen, ohne – zum Beispiel wegen der Betreuung von Kindern – dem Arbeitsmarkt unmittelbar nach Abschluss der Bildungsmaßnahme zur Verfügung stehen zu können Verfolgt man diesen Gedanken wetter, so ist klar, dass in dem vom BFH-genannten Fall eine Beurteilung als vorweggenommene Werbungskosten oder vorweggenommene Betriebsausgaben deshalb versagt, weil der unmittelbare Zusammenhang zwischen Aufwendungen und einer bestimmten Einkunftsart und die klar erkennbare Beziehung zu einer bestimmten Erwerbstätigkeit fehlen. Es ist offen, ob dieser Personenkreis die Erwerbstätigkeit je wieder aufnehmen wird. Diese Lücke füllt § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG aus. Entgegen der gesetzgeberischen Absicht, für diesen Personenkreis die Abzugsmöglichkeit zu erweitern, wird – wie auch vom Finanzamt im vorliegenden Fall – weitgehend umgekehrt argumentiert, weil es Ausbildungskosten seien, handele es sich nicht um (vorweggenommene) Werbungskosten oder Betriebsausgaben. Dies wird zum Beispiel deutlich im Urteil des BFH vom 18. April 1996 (VI R 22195, BFHINV 1996, 879), wenn es dort heißt: “…Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen, die nicht als Berufsausbildung (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 1. Al- ternative EStG) zu beurteilen sind, (erg. sind) dann mit den angestrebten Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in einem hinreichend klaren wirtschaftlichen Zusam- menhang und als vorab entstandene Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 EStG und nicht etwa nur in beschränktem Umfang als Sonderausgaben im Sinne des § 1 C Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 2. Alternative EStG zu berücksichtigen, wenn feststeht ….” Ebenso SFH-Urteil vom 13. Juni 1976 (VI R 89195, BFHINV 1997, 98): “Die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen, die nicht als Berufs ausbildung (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 1. Alternative EStG) zu beurteilen sind, (erg stehen) dann mit den angestrebten Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in ei nem hinreichend klaren Zusammenhang und (erg. sind) als vorab entstandene Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 EStG und nicht etwa nur in beschränktem Umfang als Sonderausgaben zu berücksichtigen, wenn feststeht. …” Diese Argumentation steht nicht im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut; denn es heir dort, “Sonderausgaben sind die folgenden Aufwendungen, wenn sie weder Setriet sausgaben noch Werbungskosten sind” (§ 10 Abs.1 Satz 1 EStG). Gesetzestechnisc ist die Anwendung des § 10 Abs 1 EStG also subsidiär Nur wen es sich nicht um BE triebsausgaben oder Werbungskosten handelt, kommt ggf. die Abszugsfähigkeit a Sonderausgaben in Betracht. Die typisierende Betrachtung und die Beschränkung des Blickwinkels auf Ausbildung anstatt zunächst vom Werbungskostenbegriff auszugehen, kritisieren auch Schml (FR 1997, 762, 763) und Gast de Haan (Festschrift für Schmidt S 105′ 112 f ) Letzte definiert unter Übernahme der Beqriffe aus dem Sozialrecht Ausbildung einschränkend als die erstmalige Vermittlung von Berufswissen bei bisher völligem Fehlen eines solchen Wissens. Zur Weiterbildung gehören danach auch Maßnahmen, die erforderlich sind, um vorhandene Kenntnisse der Entwicklung der Verhältnisse anzupassen, selbst wenn nach der Weiterbildung (Umschulung) eine Tätigkeit ausgeübt wird, die einem neuen Berufsbild entspricht. Umschulung ist nach Gast de Haan (deren Abgrenzung sich Drenseck anschließt, vgl. insbes. StuW 1999,9) nicht Aus-, sondern Weiterbildung, weil die Ausbildung bereits abgeschlossen ist. Aufwendungen für Umschulungsmaßnahmen dienen der Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen, sie sind den von Drenseck sog. Erwerbsaufwendungen zuzurechnen. Dem ist uneingeschränkt. zuzustimmen. Die sehr kasuistische Rechtsprechung des BFH wird der fortschreitenden Veränderung im Berufsleben und auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr gerecht; sie berücksichtigt nicht das Verschwinden berufstypischer Bilder. Es kann heutzutage nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der einmal erlernte Beruf lebenslang ausgeübt wird und auf Grund der Situation auf dem Arbeitsmarkt auch ausgeübt werden kann. Es ist daher nur festzustellen, ob die erstrebte Tätigkeit einkunftsrelevant ist; d.h. es ist eine Abgrenzung vorzunehmen zur Liebhaberei und zur Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG). Für den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG bleibt subsidiär als Berufsausbildung die erstmalige Ausbildung übrig. Alle diejenigen, die aus Gründen der Arbeitslosigkeit und aus arbeitsmarktpolitischen Gründen Umschulung betreiben oder andere berufsqualifizierende Maßnahmen ergreifen, fallen nicht von vornherein in den Anwendungsbereich des § 10 Abs.1 Nr. 7 EStG, sondern es ist zunächst zu prüfen, ob vorab entstandene Werbungskosten oder Betriebsausgaben vorliegen. Der Senat sieht sich in seiner Auffassung bestätigt durch die in die gleiche Richtung tendierende Rechtsprechung einiger Finanzgerichte. So weist das FG Neustadt in seinem Urteil vom 08 April 1997 (2 K 1322/96) darauf hin, dass bei der Abgrenzung der Fortbildungskosten zu den Ausbildungskosten den heutigen Anforderungen im Wirtschaftsleben an die Anpassung der beruflichen Kenntnisse Rechnung getragen werden müsse, die häufig ein breit gefächertes Wissensspektrum erwarten. Daraus folge eine einengende Auslegung des Begriffs Ausbildung. Im Urteil des Niedersächsischen FG vom 25. März 1998 IV 664/94 (EFG 1999, 19, 20) heißt es: Im Urteil des Finanzgerichts Münster vom 20. Januar 1998 (6 K 3699/95 E, EFG 1998, 808) wird, anknüpfend an die Ausführungen von Drenseck und Gast de Haan, im An- schluss an die sozialrechtlichen -Vorschriften nur die erste zu einem beruflichen Abschluss führende Bildungsmaßnahme als Ausbildung beurteilt. Alle späteren Schritte der Berufsbildung seien begrifflich stets Fortbildung oder Umschulung. Allerdings rückt das FG Münster von einer konsequenten Anwendung dieses Grundsatzes dann doch etwas ab, als es im dort entschiedenen Fall eine Verknüpfung zwischen der früheren Tätigkeit der Klägerin als Lehrerin mit einer freiberuflichen Tätigkeit als Supervisorin herstellt. Das FG des Landes Brandenburg hat mit Urteil vom 23. November 1999 (3 K 1011/98 E, EFG 2000, 424) im Fall einer im Schichtdienst tätigen Verkäuferin, die bei dem Versuch, den bisherigen Beruf in Normalschicht auszuführen, gekündigt wurde und als Umschulungsmaßnahme ein Praktikum zur Arzthelferin absolvierte, die Umschulungskosten als Werbungskosten berücksichtigt, weil sie auf Grund von Arbeitslosigkeit zur Ausübung eines neuen (2.) Berufes bestimmt waren. Allerdings hat das FG Branden- burg eine (weit hergeholte) sachliche Nähe zu den Weiterbildungskosten im ausgeüb1en Beruf hergestellt. Das Urteil des FG Düsseldorf vom 17. März 1998 (9 K 525/95, EFG 1998, 939)wider- spricht dem hier vorgeschlagenen Ergebnis nicht, weil dort ein anderer Sachverhalt gegeben war Die Aufwendungen einer Krankenschwester für die Ausbildung zur Heilpraktikerin wurden in dieser Entscheidung nicht als abzugsfähige Werbungskosten (Fortbildungskosten) anerkannt, sondern nur als Berufsausbildungskosten im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG berücksichtigt. Im Unterschied zum Streitfall sind dort keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die dortige Klägerin zur Einkünfteerzielung auf den Berufswechsel angewiesen war. Demgegenüber ist im Streitfall nachgewiesen, dass dies für die Klägerin die einzige Möglichkeit gewesen ist, sich selbstständig zu machen und Einkünfte zu erzielen. <p Die geltend gemachten nach Grund und Höhe unstreitigen Aufwendungen sind daher unter Anrechnung aes vom Finanzamt gewährten Sonderausgabenabzugs zu berücksichtigen. Die Einkommensteuer für die Streitjahre errechnet sich wie folgt:
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Abwendungsbefugnis des Beklagten beruhen auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. rn. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. |
Urteil 4
mit Berufszulassungen
Das vorliegende Urteil bezieht sich nicht auf eine Heilpraktikerüberprüfung, es erscheint uns aber wichtig, denn es verlangt für Multiple Choice Prüfungen im Zusammenhang mit Berufszulassungen, daß “… sich die Bestehensgrenze nicht allein aus einem Vomhundertsatz der geforderten Antworten ergeben darf, sondern in einem Verhältnis zu einer möglichen Höchstleistung oder zu einer Normalleistung stehen muß. Es ist stets die Vorgabe eines Bezugspunkts erforderlich, der sich aus den erwarteten Leistungen ergibt und damit von der Schwierigkeit der jeweiligen Prüfung abhängt.”
Aus unserer Sicht geschah dies bislang bei keiner der Multiple Choice Prüfungen. Gerade die sehr unterschiedlichen Bestehensquoten deuten darauf hin, daß es regelmäßig im Schwierigkeitsgrad höchst unterschiedliche Prüfungen gibt, die dann lediglich am Vonhundertsatz orientiert bewertet werden. Verlangen Sie also neben der Akteneinsicht auch im Hinblick auf diese Entscheidung Unterlagen, aus welchen sich die Vorgabe des Bezugspunktes ergibt, welcher sich aus den erwarteten Leistungen ergibt, und welcher von der Schwierigkeit der Prüfung abhängt. …hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Heitz als Vorsitzenden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Rottmann und den Richter am Verwaltungsgericht Göhler am 10. Oktober 2002 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 12. Juli 2002 – 5 K 1426/02 – geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, den Antragsteller so lange ohne Einschränkungen am Hauptstudium des Studiengangs Wirtschaftsinformatik teilnehmen zu lassen, bis der Antragsteller erneut an der zweiten Wiederholungsprüfung im Fach „Betriebswirtschaftslehre – Teil 1″ im Rahmen der Diplomvorprüfung teilgenommen hat, seine bei dieser erneuten Prüfungsteilnahme erbrachten Leistungen nach Maßgabe von § 10 Absätze 1, 2 und 3 der Prüfungsordnung vom 28. September 1994 – PO – bewertet worden sind und dem Antragsteller entweder ein Zeugnis gemäß § 15 Abs. 2 PO ausgestellt oder eine schriftliche Benachrichtigung gemäß § 17 Abs. 1 PO bekannt gegeben worden ist. Die durchzuführende schriftliche Prüfung darf keine Elemente des Antwort-Wahl-Verfahrens enthalten. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt. Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers genügt den Darlegungsanforderungen gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 3 VwGO i.d.F. des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl. 1 S. 3987). Der Antragsteller hat die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte angesprochen und dazu substanziierte Ausführungen gemacht. Der Antragsteller hat einen Anspruch auf erneute Teilnahme an der zweiten Wiederholungsprüfung in dem Prüfungsfach „Betriebswirtschaftslehre – Teil 1″ der Diplomvorprüfiing im Studiengang Wirtschaftsinformatik (§ 1 1 Abs. 2, § 16 Absätze 1 und 3 der Prüfungsordnung vom 28.9.1994 – PO -, abgedruckt in den Amtlichen Bekanntmachungen der Antragsgegnerin Nr. 14/1994 vom 12.12.1994). Bei dieser Prüfung handelt es sich um eine schriftliche Prüfung in Form einer zweistündigen Teilklausurarbeit (§ 9 Abs. 2, § 11 Absätze 3 und 4 PO)_ Der Anspruch des Antragstellers auf erneute Prüfungsteilnahme zieht einen Anspruch auf Bewertung der Prüfungsleistungen nach sich, die er bei dieser erneuten Teilnahme erbringt (§ 10 Absätze 1 und 2 PO). Unter Einbeziehung dieses neuen Bewertungsergebnisses, das an die Stelle des Bewertungsergebnisses der zweiten Wiederholungsprüfung vom 7.8.2001 tritt, ist das Ergebnis der Diplomvorprüfung neu zu ermitteln und festzustellen (§ 11 Abs. 3 Sätze 2 und 3, Absätze 5 bis 7, § 15 Absätze 1 und 2, § 17 Absätze 1 und 2 PO). Der Anspruch des Antragstellers auf Teilnahme an einer neuen Prüfung und die daran anknüpfenden Bewertungs- und Feststellungsansprüche folgen daraus, dass hinsichtlich der zweiten Wiederholungsprüfung im Fach „Betriebswirtschaftslehre – Teil I” am 7.8.2001 der Anspruch des Antragstellers auf Durchführung eines rechtsfehlerfreien Prüfungsverfahrens verletzt worden ist. Das Gebot der Chancengleichheit gern. Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG erfordert, erheblichen Fehlern im Prüfungsverfahren durch erneute Durchführung des fehlerbehafteten (selbständigen) Prüfungsteils Rechnung zu tragen. Denn die in einer solchen Prüfung erbrachten Leistungen sind nicht geeignet, eine, zuverlässige Aussage über das Leistungsvermögen der Teilnehmer zu erbringen. Demzufolge kann eine ordnungsgemäße Bewertung solcher Leistungen nicht stattfinden, weil es an einem tauglichen Bewertungsgegenstand fehlt (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.12.2001, DVBI. 2002, 973; Urt. v.. 11.8.1993, DVBI. 1993, 158; Urt. v. 24.2.1993, NVwZ 1993, 686, 688; Niehues, Prüfungsrecht, 3. Aufl., RdNr. 79). Die zweite Wiederholungsprüfung vom 7.8.2001 leidet an einem erheblichen Verfahrensfehler, weil diese schriftliche Prüfung in nennenswertem Umfang in der besonderen Prüfungsart des Antwort-Wahl-Verfahrens (Multiple Choice) durchgeführt worden ist. Von den vier Prüfungsteilen mit gleichem Gewicht bestanden der Prüfungsteil „Organisation” vollständig, die Prüfungsteile „Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre” und „Jahresabschluss” jeweils zur Hälfte aus Fragen ‘im Antwort-Wahl-Verfahren. Lediglich im Prüfungsteil „Personalwirtschaft” ist das Antwort-Wahl-Verfahren nicht zur Anwendung gekommen. Dieser Einsatz des Antwort-Wahl-Verfahrens erweist sich als rechtswidrig, weil die Prüfungsordnung vom 28.9.1994, auf deren Grundlage die Diplomvorprüfung des Antragstellers gemäß § 31 Abs. 1 Sätze 2 und 3 der neuen, am 1.10.2000 in Kraft getretenen Prüfungsordnung noch durchzuführen ist, keine Regelungen enthält, die auf die besondere Prüfungsart des AntwortWahl-Verfahrens zugeschnitten sind. Insbesondere fehlen Regelungen über die Tätigkeit der Prüfer in solchen Prüfungen sowie über die Bestehensvoraussetzungen und die Notenvergabe für diese besondere Prüfungsart. Ohne solche abstrakt-generellen Vorgaben durch das Satzungsrecht der Antragsgegnerin ist es nicht möglich, das Antwort-Wahl-Verfahren in schriftlichen Prüfungen einzusetzen. Die Notwendigkeit solcher satzungsrechtlichen Vorgaben, die der Eigenart des Antwort-WahlVerfahrens Rechnung trägt, ergibt sich für berufsbezogene Prüfungen aus Art. 12 Abs. 1 GG Berufsbezogene Prüfungen sind dadurch gekennzeichnet, dass ihr Bestehen Voraussetzung für die Aufnahme einer Berufstätigkeit oder doch für die Fortsetzung einer beruflichen Ausbildung ist, deren erfolgreicher Abschluss die Ausübung des Ausbildungsberufs erst ermöglicht oder doch erleichtert (vgl. zum Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG, BVerwG, Urt. v. 23.9.1992, NVwZ-RR 1993,622, 624). Solche Prüfungen stellen als sog- subjektive Berufszulassungsvoraussetzungen einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit dar. Aufgrund des Gesetzesvorbehalts gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG müssen Regelungen etwa über den Prüfungsstoff, die Untergliederung der Prüfung in Teilprüfungen oder Prüfungsabschnitte, die Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens, das Verfahren der Leistungsbewertung, die Bestehensvoraussetzungen und die Notenvergabe für Staatsprüfungen in einer Rechtsverordnung, für Hochschulprüfungen in einer Satzung der Hochschule festgelegt werden (vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 14.3.1989, NVwZ 1989, 850, 851; zum Ganzen Niehues, aaO, RdNr. 21 ffm.w.N.) Die Eigenart des Antwort-Wahl-Verfahrens besteht darin, dass sich die Prüfungsleistung im Gegensatz zu herkömmlichen schriftlichen Prüfungen darin erschöpft, eine Auswahl unter mehreren vorgegebenen Antworten der gestellten Fragen zu treffen. Die Prüfungsleistung besteht lediglich in dem Ankreuzen der für richtig gehaltenen Antworten. Daraus folgt zum einen, dass sich die Prüfertätigkeit bei dieser Prüfungsart grundlegend von der Prüfertätigkeit bei herkömmlichen schriftlichen Prüfungen unterscheidet. Bei letzteren setzt die Prüfertätigkeit nach Beendigung der Prüflang ein. Der Prüfer muss in Bezug auf die fertig gestellte schriftliche Prüfungsleistung eine Vielzahl von fachlichen Richtigkeitsentscheidungen und prüfungsspezifischen Wertungen etwa über Stringenz der Argumentation oder Aufbau der Bearbeitung treffen, die einzelnen Wertungen gewichten und untereinander ins Verhältnis setzen. Das Bewertungsergebnis, d.h. die Zuordnung der Prüfungsleistung zu einer vorgegebenen Notenstufe oder Punktzahl beruht somit auf komplexen Erwägungen, die sich nur sehr unzureichend durch ein generell-abstraktes Regelwerk erfassen lassen. Vielmehr liegt dem Bewertungsvorgang und demnach dem Bewertungsergebnis ein Bezugssystem des jeweiligen Prüfers zu Grunde, in das seine persönlichen Erfahrungen, Einschätzungen und Vorstellungen einfließen (zum Ganzen BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, NJW 1991, 2005, 2007, Kammerbeschl. v. 16.1.1995, DVBI. 1995, 1349; BVerwG, Urt. v. 24.2.1993, 681, 683). Dies bedeutet, dass bei herkömmlichen schriftlichen Prüfungen auch ein Prüfer die Leistungsbewertung vornehmen kann, der die Prüfungsaufgabe nicht erarbeitet hat. Demgegenüber kommt bei Prüfungen im Antwort-Wahl-Verfahren nach Abschluss der Prüfung nur noch eine rein rechnerische Auswertung zur Feststellung der Zahl der richtigen Antworten in Betracht, die keinen Raum für eine wertende Beurteilung der Prüfungsleistung lässt. Bei dieser Prüfungsart ist die eigentliche Prüfertätigkeit vor-verlagert, sie besteht in der Auswahl des Prüfungsstoffes, der Ausarbeitung der Fragen und der Festlegung von Antwortmöglichkeiten. Prüfer ist hier derjenige, der die Antwort-Wahl-Aufgaben ausarbeitet (vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 14.3.1989, aaO). Zum anderen folgt aus der Eigenart des Antwort-Wahl-Verfahrens, dass sich die hierbei erbrachten Prüfungsleistungen nicht ohne weiteres für die Einordnung in die Stufen einer Notenskala eignen, durch die die Bewertungsergebnisse von Leistungen in herkömmlichen Prüfungen typischerweise ausgedrückt werden. Denn die Qualität einer im Antwort-Wahl-Verfahren erbrachten Prüfungsleistung beurteilt sich ausschließlich danach, wie viele Fragen im Verhältnis zur Gesamtzahl der Fragen richtig beantwortet worden sind. Daher erfordert diese Prüfungsart spezifische Vorgaben für die Feststellung des Prüfungsergebnisses. Es muss geregelt werden, wie viele richtige Antworten für das Bestehen der Prüfung oder für das Erreichen einer bestimmten Note mindestens zu fordern sind. Dabei verlangt Art. 12 Abs. 1 GG bei berufsbezogenen Prüfungen, dass sich die Bestehensgrenze nicht allein aus einem Vomhundertsatz der geforderten Antworten ergeben darf, sondern in einem Verhältnis zu einer möglichen Höchstleistung oder zu einer Normalleistung stehen muss. Es ist stets die Vorgabe eines Be- zugspunkts erforderlich, der sich aus den erwarteten Leistungen ergibt und damit von der Schwierigkeit der jeweiligen Prüfung abhängt (vgl. zum Ganzen nur BVerfG, Beschl. v. 14.3.1989, aaO). Entsprechendes gilt für die Notenvergabe. Stellt die Prüfungsart des Antwort-Wahl-Verfahrens an die Prüfertätigkeit sowie an die Bestehensvoraussetzungen und die Notenvergabe spezifische Anforderungen, so muss nach den oben gemachten Ausführungen zu Art. 12 Abs. 1 GG das Satzungsrecht der Hochschule bei berufsbezogenen Hochschulprüfungen hierzu besondere, auf das Antwort-Wahl-Verfahren zugeschnittene abstrakt-generelle Regelungen enthalten. Ohne solche Regelungen darf das Antwort-Wahl-Verfahren nicht angewandt werden, weil es an der erforderlichen rechtlichen Grundlage fehlt. Es genügt nicht, dass der jeweilige Prüfungsausschuss oder die eingesetzten Prüfer solche Regelungen autonom treffen. Bei der Diplomvorprüfung im Studiengang Wirtschaftsinformatik der Antragsgegnerin handelt es sich um eine berufsbezogene Prüfung, weil deren Bestehen Voraussetzung für die Fortsetzung des Studiums und somit für den Erwerb des berufsqualifizierenden Studienabschlusses ist (vgl. nur § 21 Abs. 1 Nr. 1 PO). Die Prüfungsordnung vom 28.9.1994 enthält die – für die Anwendung des Antwort-Wahl-Verfahrens – erforderlichen abstrakt-generellen Vorgaben nicht: Das Verfahren der Leistungsbewertung ist in § 10 Abs. 1 PO geregelt: Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 PO, der inhaltlich § 23 Abs. 7 Satz 1 SächsHG entspricht, sind die schriftlichen Prüfungsleistungen in der Regel von zwei Prüfern zu bewerten. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 PO entscheidet bei einer nicht übereinstimmenden Beurteilung der Prüfungsausschuss über die endgültige Bewertung. Diese Regelungen sind ersichtlich auf herkömmliche schriftliche Prüfungen zugeschnitten. Für die Prüfungsart des Antwort-Wahl-Verfahrens machen sie keinen Sinn: Der Begriff der Bewertung erfasst die Prüfertätigkeit in herkömmlichen schriftlichen Prüfungen. Er bedeutet, dass jeder der beiden Prüfer die Prüfungsleistung selbst, unmittelbar und vollständig zur Kenntnis nehmen und die gebotenen komplexen Erwägungen anstellen muss (BVerfG, Kammerbeschl. v. 16.1.1995, aa0, OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 6.7.1998, NJW 1993, 305,306). Die rechnerische Auswertung von Prüfungsleistungen, die im AntwortWahl-Verfahren erbracht worden sind, stellt somit keine Bewertung oder Beurteilung dar. Auch macht eine solche Auswertung nicht den Einsatz von zwei Prüfern erforderlich. Schließ- lich sind bei der Auswertung keine Meinungsverschiedenheiten denkbar, die die Einschaltung des Prüfungsausschusses sinnvoll erscheinen lassen könnten. Vielmehr hätte es für die Prüfungsart des Antwort-Wahl-Verfahrens Regelungen über die Tätigkeit des Prüfungsausschusses und der Prüfer bei der Aufgabenstellung, d h. bei der Festlegung der Fragen und Antworten bedurft. Solche spezifischen Regelungen enthält die Prüfungsordnung vom 28.9.1994 nicht. Sie gibt für Bestehensvoraussetzungen und Notenvergaben in Prüfungen im Antwort-WahlVerfahren nichts her. Entstehen hier ernsthafte Meinungsverschiedenheiten über den Aussagegehalt von Fragen oder über die Richtigkeit von Antworten, so ist die betreffende Aufgabe missverständlich und damit rechtsfehlerhaft gestellt. Hierfür wären Regelungen über den Einsatz und das Zusammenwirken von Prüfern bei der Aufgabenstellung erforderlich gewesen. Für die-Vergabe von Prüfungsnoten stellt § 10 Abs. 2 PO eine Notenskala auf, die von „sehr gut” bis „nicht ausreichend” reicht.. Daran schließen die Regelungen über die Bestehensvoraussetzungen gemäß § 10 Abs. 3, § 16 Abs. 1 PO an, wobei die Bestehensgrenze zwischen den Stufen „ausreichend” und „nicht ausreichend” verläuft. Diese Notenstufen knüpfen an die Bewertungstätigkeit von Prüfern in herkömmlichen schriftlichen Prüfungen an. Dagegen können sie für die Entscheidung über das Bestehen von Prüfungen im Antwort-Wahl-Verfahren und für die Benotung von dort erbrachten Prüfungsleistungen nicht herangezogen werden, weil sie nicht an die Anzahl von richtigen Antworten im Verhältnis zur Gesamtzahl der Fragen anknüpfen. Wie die Aufgabenstellungen in der zweiten Wiederholungsprüfung vom 7.8.2001 zeigt, bleibt es somit jedem einzelnen Prüfer überlassen, Bewertungsregeln und Bestehensvoraussetzungen autonom festzulegen. Schließlich ergibt sich aus § 9 Absätze 2 und 3 PO, dass die Prüfungsordnung vom 28.9.1994 den Einsatz des Antwort-Wahl-Verfahrens in schriftlichen Prüflungen nicht vorsieht. Gemäß § 9 Abs. 2 PO bestehen schriftliche Prüfungsleistungen in der Diplomvorprüfung aus Klausurarbeiten. Gemäß § 9 Abs. 3 PO soll der Prüfungskandidat in Klausurarbeiten nachweisen, dass er in begrenzter Zeit und mit begrenzten Hilfsmitteln Probleme mit den Methoden des Fachs bearbeiten und lösen kann. Die Verwendung des Begriffs „Klausurarbeiten” deutet darauf hin, dass schriftliche Prüfungen in herkömmlicher Art durchzuflühren sind. Die Vorgabe, Probleme mit den Methoden des Fachs zu bearbeiten, lässt sich nur erfüllen, wenn der Prüfling die Mög- lichkeit hat, in seiner Prüfungsleistung mit den von der Aufgabenstellung aufgeworfenen Fragen inhaltlich auseinander zu setzen, d.h. seine Argumente darzulegen. Solche Leistungen sind im Antwort-Wahl-Verfahren nicht möglich. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist es auch geboten, den Anspruch des Antragstellers auf erneute Prüfungsteilnahme und die sich daraus ergebenden Folgeansprüche im Wege der einstweiligen Anordnung zu sichern. Denn bei einem Verweis auf das Hauptsacheverfahren drohen ihm wesentliche Nachteile im Sinne von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO (sog. Anordnungsgrund). Der Antragsteller hat ein schutzwürdiges Interesse daran, zum einen das erforderliche Prüfungswissen nicht nach längerer Zeit erneut aktualisieren zu müssen, zum anderen durch die vorläufige Teilnahme an Veranstaltungen des Hauptstudiums weitere Ausbildungsverzögerungen zu vermeiden. Die Antragsgegnerin hat aber durch ihr Verhalten zu erkennen gegeben, dass eine solche Teilnahme des Antragstellers an den Veranstaltungen des Hauptstudiums bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht gewährleistet ist. So hat sie mit Bescheid vom 30.7.2002 unter Berufung. auf § 17 Abs. 2 Nr. 3 SächsHG die Exmatrikulation des Antragstellers zum 31.8.2002 ausgesprochen, obwohl bereits wegen des damals anhängigen Widerspruchsverfahrens noch nicht festgestanden hat, dass der Antragsteller die Diplomvorprüfung endgültig nicht bestanden hat. Aus Anlass der Aufhebung dieses – offensichtlich rechtswidrigen – Bescheids hat sie dem Antragsteller mit Schreiben vom 16.8.2002 empfohlen, sich vom Studium beurlauben zu lassen. Auch hat der Antragsteller in der Beschwerdebegründung glaubhaft gemacht, dass er seitens der Antragsgegnerin in seinen Bemühungen behindert worden ist, an Studienveranstaltungen teilzunehmen (vgl. Seiten 5 und 6 des Schriftsatzes vom 25.7.2002). Die Antragsgegnerin ist diesem Vorbringen nicht substanziiert entgegengetreten. Der Senat spricht die aus dem Tenor ersichtlichen Maßnahmen zur Sicherung des Anspruchs des Antragstellers auf erneute Prüfungsteilnahme und der sich daraus ergebenden Folgeansprüche in Ausübung des Ermessens aus, das dem Senat gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO bei der Auswahl der Sicherungsmaßnahme zusteht. Die darin liegende Vorwegnahme der Hauptsache erscheint gerechtfertigt: Die zu sichernden Ansprüche sind im vorliegenden Verfahren vom Senat nicht summarisch, sondern rechtlich umfassend geprüft worden. Davon ausgehend braucht der Antragsteller ein längeres Zuwarten im Interesse eines effektiven Grundrechtsschutzes nicht hinzunehmen (vgl. Jakobs, VB1BW 1984, 129, 140). Vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass damit keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden. Studienleistungen im Hauptstudium kommt nur dann Bedeutung zu, wenn der Antragsteller die zweite Wiederholungsprüfung im Fach „Betriebswirtschaftslehre – Teil I” und damit die Diplomvorprüfung besteht. Ansonsten sind sie gegenstandslos (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 15.12.1993, NJW 1993, 1601; Jakobs, aaO, S. 139). Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 20 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Da das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers auf die Vorwegnahme der Hauptsache ausgerichtet ist, ist der für das Hauptsacheverfahren maßgebliche Streitwert festzusetzen. Dabei hält es der Senat für angemessen, Nr. 35.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 189, heranzuziehen. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG). |
Urteil 7
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT – 1 BvR 784/03 – IM NAMEN DES VOLKESIn dem Verfahren
über die Verfassungsbeschwerde des Herrn Z… – Bevollmächtigte: gegen hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch am 2. März 2004 einstimmig beschlossen:
Gründe:
I. |
Die Verfassungsbeschwerde betrifft den Umfang der Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz in einem Fall des so genannten geistigen Heilens.
1. Gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz – im Folgenden: HeilprG) vom 17. Februar 1939 (RGBl I S. 251; BGBl III 2122-2), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Oktober 2001 (BGBl I S. 2702), bedarf der Erlaubnis, wer die Heilkunde ohne Bestallung als Arzt ausüben will. Nach § 1 Abs. 2 HeilprG ist Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird. Die Erlaubnis wird nach § 2 Abs. 1 Buchstabe i der Ersten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung vom 18. Februar 1939 (RGBl I S. 259; BGBl III 2122-2-1), zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. Dezember 2002 (BGBl I S. 4456), nicht erteilt, wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heikunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde. In der landesrechtlich geregelten Überprüfung werden unter anderem hinreichende Kenntnisse in Anatomie, Physiologie, Pathologie sowie in Diagnostik und Therapie erwartet (vgl. Kurtenbach, Erläuterungen zum Heilpraktikergesetz in: Das Deutsche Bundesrecht, I K 11, S. 3 ff.).
2. Der Beschwerdeführer beantragte im Juni 2000 eine behördliche Erlaubnis zur Ausübung seiner Tätigkeit, die er als geistiges Heilen wie folgt beschreibt: Er versuche die Seele des Kranken zu berühren. Mit Hilfe seiner Hände übertrage er positive Energien auf das Zielorgan und aktiviere dadurch die Selbstheilungskräfte seiner Klienten. Er erstelle weder Diagnosen noch verschreibe er Medikamente oder verwende medizinische Geräte. Heilungsversprechen gebe er nicht ab. Er rate den Kranken dringend zu, weiter Hausärzte und Spezialisten zu konsultieren. Nach seiner Auffassung benötigt er hierfür keine Heilpraktikerprüfung. Seine Befähigung sah er durch einen Ausweis des Dachverbandes Geistiges Heilen e.V. als nachgewiesen an.
Da die zuständige Behörde die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Ausübung der Heilkunde nach dem Heilpraktikergesetz einstufte, lehnte sie den Antrag unter Verweis auf die Erforderlichkeit der Überprüfung von Kenntnissen und Fähigkeiten des Beschwerdeführers zum Schutz der Volksgesundheit ab. Verrichtungen, die für sich gesehen ärztliche Fachkenntnisse nicht voraussetzten, fielen gleichwohl unter die Erlaubnispflicht, wenn sie Gesundheitsgefährdungen mittelbar dadurch zur Folge hätten, dass frühzeitiges Erkennen ernster Leiden, das ärztliches Fachwissen voraussetze, verzögert werden könne. Ein Anspruch auf eine inhaltlich beschränkte Überprüfung unter Berücksichtigung der beabsichtigten Tätigkeit des Beschwerdeführers komme nicht in Betracht.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch, die anschließende Klage sowie der Antrag auf Zulassung der Berufung blieben erfolglos.
3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Versagungsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheids und gegen die Entscheidungen von Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht. Er rügt die Verletzung seines Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG. Seine Tätigkeit sei nicht erlaubnispflichtig nach dem Heilpraktikergesetz, weil es sich bei ihr nicht um Ausübung von Heilkunde handele. Für den Eingriff in seine Berufswahlfreiheit gebe es keine wichtigen Gemeinwohlgründe, da er mit seinem Beruf keine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Seine Heilkräfte ließen sich durch medizinische Kenntnisse nicht wecken. Die Ablegung einer Kenntnisüberprüfung auf medizinischem Gebiet sei überdies unzumutbar, denn sie diene nicht der zukünftigen Berufsausübung.
4. Zu der Verfassungsbeschwerde haben Stellung genommen das Bundesverwaltungsgericht, der Dachverband Geistiges Heilen e.V., der Berufs- und Fachverband Freie Heilpraktiker e.V., der Verband Deutscher Heilpraktiker e.V., der Fachverband Deutscher Heilpraktiker e.V., die Union Deutscher Heilpraktiker e.V. und der Freie Verband Deutscher Heilpraktiker e.V. sowie der Beklagte des Ausgangsverfahrens. Nach Auffassung des Dachverbands Geistiges Heilen e.V. ist die Verfassungsbeschwerde begründet, während der Beklagte des Ausgangsverfahrens und die anderen Verbände sie für unbegründet halten und insbesondere auf eine mittelbare Gesundheitsgefährdung durch das Versäumnis angemessenener medizinischer Versorgung hinweisen. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts weist das Erscheinungsbild der Tätigkeiten des Beschwerdeführers nur geringe Ähnlichkeit mit ärztlicher Tätigkeit auf und legt eher die Assoziation mit geistlicher Betätigung nahe. Auf dieser Grundlage könne das für die Unterstellung unter die Erlaubnispflicht erforderliche Gefährdungspotential fehlen.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, da dies zur Durchsetzung eines der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93 c Abs. 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG.
1. Die Verfassungsbeschwerde wirft keine Fragen von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung auf (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung des Falles maßgeblichen Fragen zur verfassungsrechtlich zulässigen Reichweite von Eingriffen in die Berufswahlfreiheit schon entschieden (vgl. BVerfGE 93, 213 <235>; 97, 12 <26>). In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist darüber hinaus geklärt, dass das Ziel des Heilpraktikergesetzes, die Gesundheit der Bevölkerung durch einen Erlaubniszwang für Heilbehandler ohne Bestallung zu schützen, grundsätzlich mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist (vgl. BVerfGE 78, 179). Bei der Gesundheit der Bevölkerung handelt es sich um ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut, zu dessen Schutz eine solche subjektive Berufszulassungsschranke nicht außer Verhältnis steht. Dass heilkundliche Tätigkeit grundsätzlich nicht erlaubnisfrei sein soll, hat im Hinblick auf das Schutzgut Gesundheit seinen Sinn. Es geht um eine präventive Kontrolle, die nicht nur die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, sondern auch die Eignung für den Heilkundeberuf im Allgemeinen erfasst (vgl. BVerfGE 78, 179 <194>).
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Rechts des Beschwerdeführers aus Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die angegriffenen Entscheidungen haben Bedeutung und Tragweite dieses Grundrechts verkannt, indem sie die Tätigkeit des Beschwerdeführers als “Ausübung der Heilkunde” im Sinne des Heilpraktikergesetzes angesehen haben. Die hieraus abgeleitete Erlaubnispflicht führt zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der Berufswahlfreiheit des Beschwerdeführers. Eingriffe in die Freiheit der Berufswahl sind nach ständiger Rechtsprechung nur unter engen Voraussetzungen zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft (vgl. BVerfGE 93, 213 <235> m.w.N.).
a) Die Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz ist im Falle des Beschwerdeführers schon nicht geeignet, den mit ihr erstrebten Zweck des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung zu erreichen.
Die Heilertätigkeit des Beschwerdeführers beschränkt sich nach seinen unwidersprochen gebliebenen Angaben in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren auf die Aktivierung der Selbstheilungskräfte seiner Patienten durch Handauflegen. Ärztliche Fachkenntnisse sind hierfür nicht erforderlich, zumal der Beschwerdeführer unabhängig von etwaigen Diagnosen einheitlich durch Handauflegen handelt.
Eine mittelbare Gesundheitsgefährdung durch die Vernachlässigung notwendiger ärztlichen Behandlung ist mit letzter Sicherheit nie auszuschließen, wenn Kranke außer bei Ärzten bei anderen Menschen Hilfe suchen. Dieser Gefahr kann aber gerade im vorliegenden Fall durch das Erfordernis einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz nicht adäquat vorgebeugt werden. Arzt und Heilpraktiker stehen einander im Behandlungsansatz viel näher als die Heiler. Wer einen Heilpraktiker aufsucht, wird den Arzt eher für entbehrlich halten, weil ein Teil der ärztlichen Funktion vom Heilpraktiker übernommen werden darf. Deshalb wird bei den Heilpraktikern das Vorliegen gewisser medizinischer Kenntnisse geprüft und für die Erteilung der Erlaubnis vorausgesetzt. Die Heilpraktikererlaubnis bestärkt den Patienten in gewisser Hinsicht in der Erwartung, sich in die Hände eines nach heilkundlichen Maßstäben Geprüften zu begeben.
Diesen Eindruck möchte der Beschwerdeführer eher vermeiden. Er entspräche nicht dem “Berufsbild”, das er seiner Antragstellung und der bisherigen Betätigung zugrunde gelegt hat. Ein Heiler, der spirituell wirkt und den religiösen Riten näher steht als der Medizin, weckt im Allgemeinen die Erwartung auf heilkundlichen Beistand schon gar nicht. Die Gefahr, notwendige ärztliche Hilfe zu versäumen, wird daher eher vergrößert, wenn geistiges Heilen als Teil der Berufsausübung von Heilpraktikern verstanden wird. Hingegen dürften ganz andersartige, ergänzende Vorgehensweisen – wie beispielsweise die Krankensalbung, das Segnen oder das gemeinsame Gebet – wohl kaum den Eindruck erwecken, als handele es sich um einen Ersatz für medizinische Betreuung.
Jedenfalls zielen die Heilpraktikererlaubnis und die ärztliche Approbation nicht auf rituelle Heilung. Wer Letztere in Anspruch nimmt, geht einen dritten Weg, setzt sein Vertrauen nicht in die Heilkunde und wählt etwas von einer Heilbehandlung Verschiedenes, wenngleich auch von diesem Weg Genesung erhofft wird. Dies zu unterbinden ist nicht Sache des Heilpraktikergesetzes.
Das Bundesverwaltungsgericht stellt in seiner Stellungnahme maßgeblich darauf ab, dass – anders als in dem mit Urteil vom 11. November 1993 (BVerwGE 94, 269) entschiedenen Fall – der Beschwerdeführer keine diagnostische Tätigkeit entfaltet, dass er nicht nur auf das Erstellen einer eigenen Diagnose verzichtet, sondern sich darüber hinaus – anders als der Heilpraktiker – auf das Handauflegen beschränke. Nach dem Erscheinungsbild entspreche die Tätigkeit daher – anders als in dem früheren Fall – weniger der ärztlichen Tätigkeit. Diese Einschätzung leuchtet ein. Je weiter sich das Erscheinungsbild des Heilers von medizinischer Behandlung entfernt, desto geringer wird das Gefährdungspotential, das im vorliegenden Zusammenhang allein geeignet ist, die Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz auszulösen.
b) Gesteht man Verwaltung und Gerichten im Hinblick auf die Eignung der Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz zur Abwehr mittelbarer Gefahren für die Volksgesundheit eine Einschätzungsprärogative zu, fehlt es vorliegend jedenfalls an der Erforderlichkeit dieser Maßnahme zum Schutz der Gesundheit.
Da die mit der Tätigkeit verbundenen Gesundheitsgefahren ersichtlich nur im Versäumen ärztlicher Hilfe liegen können, muss lediglich sichergestellt werden, dass ein solches Unterlassen nicht vom Beschwerdeführer veranlasst oder gestärkt wird. Einer Überprüfung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten auf den Gebieten, die den Heilpraktiker kennzeichnen, bedarf es hierzu aber nicht. Ausreichend sind vielmehr charakterliche Zuverlässigkeit und verantwortungsbewusstes Handeln. Es muss gewährleistet sein, dass der Beschwerdeführer die Kranken zu Beginn des Besuchs ausdrücklich darauf hinweist, dass er eine ärztliche Behandlung nicht ersetzt. Das kann etwa durch einen gut sichtbaren Hinweis in seinen Räumen oder durch entsprechende Merkblätter, die zur Unterschrift vorgelegt werden, geschehen (vgl. hierzu auch LG Verden, MedR 1998, S. 183 mit Anmerkung Taupitz). Es ist Sache der Behörden, auf die Einhaltung derartiger Aufklärungsverpflichtungen hinzuwirken und sie durch Kontrollen der Gewerbeaufsicht durchzusetzen. Im Rahmen einer Zuverlässigkeitsprüfung kann gegebenenfalls dem Schutzbedürfnis insbesondere von unheilbar Kranken vor Fehlvorstellungen und Ausbeutung durch die Möglichkeit der Gewerbeuntersagung Rechnung getragen werden. Eine gewerberechtliche Anzeigepflicht vor Aufnahme der Heilertätigkeit kann solche Kontrollen erleichtern. Jedenfalls bekämpfen Maßnahmen dieser Art Gesundheitsgefährdungen, die durch unterlassene Heilbehandlung drohen, weit eher als die Kenntnisprüfung auf der Grundlage des Heilpraktikergesetzes.
c) Auch im Übrigen genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht der hier notwendig strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung.
Vorliegend ist der Eingriff in die Berufswahlfreiheit nur mit mittelbaren Gefahren für den zu schützenden Gemeinwohlbelang der Gesundheit der Bevölkerung begründet worden. Damit entfernen sich Verbot und Schutzgut so weit voneinander, dass bei der Abwägung besondere Sorgfalt geboten ist (vgl. auch BVerfGE 85, 248 <261> BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats, GewArch 2000, S. 418 <419>). In solchen Fällen muss die Maßnahme gerade der Abwehr der konkreten, wenn auch nur mittelbaren Gefahr dienen, damit der Eingriff in die Berufswahlfreiheit nicht unverhältnismäßig erscheint. Daran fehlt es hier.
Die Forderung an den Beschwerdeführer, eine Heilpraktikerprüfung abzulegen, ist unangemessen, weil eine solche Prüfung mit der Tätigkeit, die der Beschwerdeführer auszuüben beabsichtigt, kaum noch in einem erkennbaren Zusammenhang steht. Die in der Heilpraktiker-Prüfung geforderten Kenntnisse in Anatomie, Physiologie, Pathologie sowie in Diagnostik und Therapie kann er sämtlich bei seiner Berufstätigkeit nicht verwerten.
3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 113 Abs. 2 Satz 3 BRAGO (vgl. auch BVerfGE 79, 365 <366 f.>).
Urteil 9
Kammerbeschlüsse
2 Bestrafung eines “Wunderheilers” GG Art. 12 I; HeilprG §§ 1 II, 5 Es verstößt gegen Art. 12 1 GG, wenn die Tätigkeit eines “Wunderheilers”, der Behandlungen Schwerkranker durch “Handauflegen” vornimmt, als “Ausübung der Heilkunde” im Sinne des Heilpraktikergesetzes angesehen und daraus die Erlaubnispflicht und damit zusammenhängend die strafrechtliche Sanktionierung abgeleitet wird, wenn der Betroffene nicht den Eindruck erweckt, ein nach heilkundlichen Maßstäben Geprüfter zu sein. (Leitsatz der Redaktion) BVerfG (3. Kammer des Zweiten Senats), Beschl. v. 3. 6. 2004 – 2 BvR 1802/02 Zum Sachverhalt: Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Aus den Gründen: 1. Die angegriffenen Urteile verletzen den Bf. in seinem Grundrecht aus Art. 12 1 GG. a) Zwar ist das Ziel des Heilpraktikergesetzes, die Gesundheit der Bevölkerung durch einen Erlaubniszwang für Heilbehandler ohne Bestallung zu schützen, grundsätzlich mit Art. 12 1 GG vereinbar (vgl. BVerfGE 78, 179 [192] = NJW 1988, 2290). Bei der Gesundheit der Bevölkerung handelt es sich um ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut, zu dessen Schutz eine solche subjektive Berufszulassungsschranke nicht außer Verhältnis steht. Dass heilkundliche Tätigkeit grundsätzlich nicht erlaubnisfrei sein soll, hat im Hinblick auf das Schutzgut Gesundheit seinen Sinn. Es geht um eine präventive Kontrolle, die nicht nur die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, sondern auch die Eignung für den Heilkundeberuf im Allgemeinen erfasst (vgl. BVerfGE 78, 179 [194] = NJW 1988, 2290). b) Die angegriffenen Entscheidungen haben jedoch Bedeutung und Tragweite von Art. 12 1 GG verkannt, indem sie die Tätigkeit des Bf. als “Ausübung der Heilkunde” im Sinne des Heilpraktikergesetzes angesehen haben. Die hieraus abgeleitete Erlaubnispflicht und die aus diesem Umstand resultierende strafrechtliche Sanktionierung führen zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der Berufswahlfreiheit des Bf. Eingriffe in die Freiheit der Berufswahl sind nach ständiger Rechtsprechung nur unter engen Voraussetzungen zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft (vgl. BVerfGE 93, 213 [235] = NJW 1996, 709 m. w. Nachw.). aa) Die Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz ist im Falle des Bf. schon nicht geeignet, den mit ihr erstrebten Zweck des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung zu erreichen. Die Heilertätigkeit des Bf. beschränkt sich nach den fachgerichtlichen Feststellungen im Wesentlichen auf das Handauflegen. Ärztliche Fachkenntnisse sind hierfür nicht erforderlich, zumal der Bf. unabhängig von etwaigen Diagnosen einheitlich durch Handauflegen handelt. Eine mittelbare Gesundheitsgefährdung durch die Vernachlässigung einer notwendigen ärztlichen Behandlung ist mit letzter Sicherheit nie auszuschließen, wenn Kranke nicht bei Ärzten, sondern bei anderen Menschen Hilfe suchen. Dieser Gefahr kann aber gerade im vorliegenden Fall durch das Erfordernis einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz nicht adäquat vorgebeugt werden. Arzt und Heilpraktiker stehen einander im Behandlungsansatz viel näher als die Heiler. Wer einen Heilpraktiker aufsucht, wird den Arzt eher für entbehrlich halten, weil ein Teil der ärztlichen Funktion vom Heilpraktiker übernommen werden darf. Deshalb wird bei den Heilpraktikern das Vorliegen gewisser medizinischer Kenntnisse geprüft und für die Erteilung der Erlaubnis vorausgesetzt. Die Heilpraktikererlaubnis bestärkt den Patienten in gewisser Hinsicht in der Erwartung, sich in die Hände eines nach heilkundlichen Maßstäben Geprüften zu begeben (vgl. BVerfG [2. Kammer des Ersten Senats], NJW-RR 2004, 705). Nach den fachgerichtlichen Feststellungen vermeidet der Bf. diesen Eindruck. Ungeachtet dessen, dass von dem Handauflegen vornehmlich Personen betroffen waren, deren vorangegangene ärztliche Behandlung erfolglos geblieben war, hielt der Bf. die Kranken in allen Fällen dazu an, weiter mit der Schulmedizin zusammenzuarbeiten und den Kontakt zu den behandelnden Ärzten nicht abzubrechen. Ein so genannter Wunderheiler, der spirituell wirkt und den religiösen Riten näher steht als der Medizin, weckt im Allgemeinen die Erwartung auf heilkundlichen Beistand schon gar nicht. Die Gefahr, notwendige ärztliche Hilfe zu versäumen, wird daher eher vergrößert, wenn geistiges Heilen als Teil der Berufsausübung von Heilpraktikern verstanden wird (vgl. BVerfG [2. Kammer des Ersten Senats], NJW-RR 2004, 705). Jedenfalls zielen die Heilpraktikererlaubnis und die ärztliche Approbation nicht auf rituelle Heilung. Wer Letztere – insbesondere bei einer vorangegangenen Erfolglosigkeit schulmedizinischer Behandlung in Anspruch nimmt, geht einen dritten Weg. Er setzt sein Vertrauen nicht in die Heilkunde und wählt etwas von einer Heilbehandlung Verschiedenes, wenngleich auch von diesem Weg Genesung erhofft wird. Dies zu unterbinden, ist nicht Sache des Heilpraktikergesetzes. Je weiter sich das Erscheinungsbild des Heilers von einer medizinischen Behandlung entfernt, desto geringer wird das Gefährdungspotenzial, das im vorliegenden Zusammenhang alleine geeignet ist, die Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz auszulösen (vgl. BVerfG [2. Kammer des Ersten Senats], NJW RR 2004, 705). bb) Ferner fehlt es hier auch an der Erforderlichkeit der Erlaubnispflicht – und der damit zusammenhängenden Strafdrohung – zum Schutz der Gesundheit. Da die mit der Tätigkeit verbundenen Gesundheitsgefahren ersichtlich nur im Versäumen ärztlicher Hilfe liegen können, muss lediglich sichergestellt werden, dass ein solches Unterlassen nicht vom Bf. veranlasst oder gestärkt wird. Einer Überprüfung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten auf den Gebieten, die den Heilpraktiker kennzeichnen, bedarf es hierzu aber nicht. Ausreichend sind vielmehr charakterliche Zuverlässigkeit und verantwortungsbewusstes Handeln. Es muss gewährleistet sein, dass der Bf. die Kranken zu Beginn des Besuchs ausdrücklich darauf hinweist, dass er eine ärztliche Behandlung nicht ersetzt. Hierfür hat der Bf. Sorge getragen; ob darüber hinausgehend das bloße Auslegen entsprechender Informationsblätter ausreichend gewesen wäre, kann daher dahinstehen (vgl. hierzu LG Verden, MedR 1998, 183 m. Anm. Taupitz). Kontrollen der Gewerbeaufsicht können die Einhaltung derartiger Aufklärungsverpflichtungen durchsetzen; eine gewerberechtliche Anzeigepflicht kann eine Kontrolle erleichtern. Einer Kenntnisprüfung auf der Grundlage des Heilpraktikergesetzes bedarf es für die Bekämpfung von Gesundheitsgefährdungen im vorliegenden Zusammenhang nicht (vgl. BVerfG [2. Kammer des Ersten Senats], NJW-RR 2004, 705). c) Auch im Übrigen genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht der hier notwendig strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung. Vorliegend ist der Eingriff in die Berufswahlfreiheit nur mit mittelbaren Gefahren für den zu schützenden Gemeinwohlbelang der Gesundheit der Bevölkerung begründet worden. Damit entfernen sich Verbot und Schutzgut so weit voneinander, dass bei der Abwägung besondere Sorgfalt geboten ist. Die Gefahren müssen hinlänglich wahrscheinlich und die gewählten Mittel eindeutig Erfolg versprechend sein (vgl. auch BVerfGE 85, 248 [261]; BVerfG [2. Kammer des Ersten Senats], NJW RR 2004, 705). Insbesondere an Letzterem fehlt es hier. Der Bf. hätte auf der Grundlage der fachgerichtlichen Rechtsauffassung seine Verurteilung nur abwenden können, indem er die für die Erlaubniserteilung nach dem Heilpraktikergesetz erforderliche Heilpraktikerprüfung abgelegt hätte. Diese Forderung ist jedoch unangemessen, weil eine derartige Prüfung mit der Tätigkeit, die der Bf. ausübt, kaum noch in einem erkennbaren Zusammenhang steht. Die in der Prüfung vorausgesetzten Kenntnisse kann der Bf. bei seiner Berufstätigkeit nicht verwerten (vgl. BVerfG [2. Kammer des Ersten Senats], NJW-RR 2004, 705). 2. Auf dieser Grundlage bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob die fachgerichtliche Auffassung, wonach die Tätigkeit eines Wunderheilers durch Handauflegen der Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz unterliege, den möglichen Wortsinn des Gesetzes als äußerste Grenze einer zulässigen richterlichen Interpretation (vgl. BVerfGE 92, 1 [12] = NJW 1995, 1141) überschritten hat. Anm. d. Schriftltg.: Quelle: NJW 40/2004, 2890f. |