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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 2/2020

Qualitätsmanagement in der HP- und der HP Psy-Praxis – Teil 2

Cover

In Paracelsus 01.20 haben wir den rechtlichen Hintergrund dargestellt, warum wir uns als Heilpraktiker und Heilpraktiker für Psychotherapie (m/w) mit dem Thema Qualitätsmanagement in der Praxis beschäftigen sollten. Wichtige Begriffe rund um die Patientensicherheit wurden geklärt. In diesem Teil erfahren Sie, was konkrete „Instrumente“ eines Qualitätsmanagements (QM) sind und wie Sie Schritt für Schritt ein einfaches System in Ihre Praxistätigkeit integrieren können.

Was bedeutet „Qualität“?

Qualität (lat. qualitas = Beschaffenheit) ist der „Grad der Erfüllung der Anforderungen“. Sie ist damit abhängig von den individuellen Bedürfnissen der Patienten. Doch welche Anforderungen (Qualitätsparameter) stellt der mündige Patient an uns? Viele davon erfüllen Sie in Ihrer Praxis wahrscheinlich schon ganz ohne nachzudenken.

Qualitätsparameter sind:

  • Behandlung nach den zu diesem Zeitpunkt allgemein anerkannten fachlichen Standards in der Naturheilpraxis oder der HP Psychotherapiepraxis
  • Zufriedenheit mit der Behandlung
  • gründliche und verständliche Aufklärung
  • Qualität der Kommunikation
  • Vertrauensverhältnis
  • ausreichend Zeit
  • Freundlichkeit
  • kurze Wartezeiten auf einen Termin
  • Praxisausstattung
  • Parkmöglichkeiten
  • Kinderfreundlichkeit
  • „Entertainment“ im Wartezimmer
  • Betreuung in der Praxis
  • Barrierefreiheit
  • telefonische Erreichbarkeit
  • öffentliche Erreichbarkeit
  • Sauberkeit

Qualitätsmanagement und -sicherung

Beide Begriffe werden oft miteinander vermischt und bleiben häufig abstrakt. Zur Klarstellung:

Qualitätsmanagement ist der Weg, das volle Potenzial Ihrer Praxis (und auch Ihr eigenes) auszuschöpfen. Ein „Qualitätsmanagementsystem“ hilft Ihnen, Verbesserungspotenziale zu identifizieren und umzusetzen.

Qualitätssicherung ist der Teil des Qualitätsmanagements, der gewährleistet, dass dessen Vorgaben eingehalten und korrekt umgesetzt werden. Sie ist v.a. auf das Schaffen von Vertrauen ausgerichtet.

Das bedeutet: Beim Qualitätsmanagement handelt es sich um einen sich ständig weiter- entwickelnden Prozess. Dieser wirkt sich auf die Zufriedenheit Ihrer Patienten aus und
umfasst sämtliche organisatorischen Maßnahmen, die zum Ziel haben, die Qualität jeglicher Leistungen in Ihrer Praxis zu verbessern – sei es die Patientenbehandlung, die Praxisverwaltung oder andere Leistungen.

Grundelemente des QM

Hier geht es um Patientenorientierung (s.o.) einschließlich Patientensicherheit (s. Teil 1), Verbesserung und Sicherung von Arbeitsabläufen (= Prozessorientierung), Kommunikation und Kooperation (Punkte 1.4.2 und 1.4.3 der bundeseinheitlichen Leitlinien), Informationssicherheit und Datenschutz sowie, wenn es Mitarbeiter gibt, Mitarbeiterorientierung inkl. Mitarbeitersicherheit, Verantwortung und Führung (Quelle: Qualitätsmanagement-Richt- linie/QM-RL, Stand 17. Dezember 2015).

Wichtig: „Beim Qualitätsmanagement geht es nicht um die Normierung von Diagnose- und Therapieverfahren, sondern darum, sich für jedes Verfahren gezielt zu überlegen, auf welche Weise die höchstmögliche Sicherheit und die bestmögliche Qualität unter Einhaltung aller geltenden Richtlinien und Gesetze zu erzielen ist.“ (E. Bierbach)

Die Qualitätsmanagement-Richtlinie des GBA

Schauen wir über den Teller- rand hinaus. Die Qualitätsmanagement-Richtlinie (QM-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) beschreibt genau, welche Methoden und „Instrumente“ im Rahmen eines Qualitätsmanagements Anwendung finden können. Dabei lässt die QM-RL, die sich in ihrem Kern an Krankenhäuser, Arzt- und Zahnarztpraxen richtet, viel Spielraum. Sie legt auch fest, welche Instrumente unverzichtbar sind.

Nicht verzichtet werden darf laut QM-RL auf ein Risiko- und Fehlermanagement plus „Fehlermeldesysteme“. Im Fokus steht die „Gefahrenabwehr“, die auch Schwerpunkt unserer Überprüfungsleitlinien ist.

Risikomanagement und Fehlermanagement

Das Risikomanagement dient dem Umgang mit potenziellen Risiken, der Vermeidung und Verhütung von Fehlern und unerwünschten Ereignissen, und somit der Entwicklung eines Sicherheitssystems. Mögliche Risiken werden identifiziert, analysiert und durch geeignete Maßnahmen minimiert. Das Fehlermanagement beschäftigt sich mit den Fragen, wie mögliche Fehler vermeidbar sind, wodurch sie auffallen, wie ihre Folgen reduziert werden können und wie mit einem Fehler professionell und patientenorientiert umzugehen ist. (E. Bierbach)

Methoden und Instrumente des QM

Die QM-RL führt eine lange Liste an:

  • Messen und Bewerten von Qualitätszielen
  • Erhebung des Ist-Zustandes und Selbstbewertung
  • Regelung von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten
  • Prozess- bzw. Ablaufbeschreibungen
  • Schnittstellenmanagement
  • Checklisten
  • Teambesprechungen
  • Fortbildungs- und Schulungsmaßnahmen
  • Patienten- und Mitarbeiterbefragungen
  • Beschwerdemanagement
  • Patienteninformation und -aufklärung
  • Risikomanagement
  • Fehlermanagement, Fehlermeldesysteme
  • Notfallmanagement
  • Hygienemanagement
  • Arzneimitteltherapiesicherheit
  • Schmerzmanagement
  • Maßnahmen zur Vermeidung von Stürzen bzw. Sturzfolgen

In Anlehnung an unsere Überprüfungsleitlinien unter dem Punkt „Rechtliche Rahmenbedingungen“ sind in einer Praxis u.a. diese Schwerpunkte sinnvoll:

  • Patienteninformation und -aufklärung
  • Risikomanagement
  • Notfallmanagement
  • Hygienemanagement
  • Arzneimitteltherapiesicherheit

Fortbildungs- und Schulungsmaßnahmen sind aufgrund der Sorgfaltspflicht obligatorisch.

Schritt für Schritt zum eigenen QM

1. Legen Sie die Ziele Ihrer Praxis fest 

  • Was streben Sie mit Ihrer Arbeit an? Geben Sie Ihrer Praxis ein Profil, ein Leitbild. Ihr Grundsatz dabei sollte immer sein: „Primum nil nocere“, also zuerst einmal nicht zu schaden.

2. Führen Sie eine schriftliche Selbstbewertung durch („Selbstaudit“)

  • Ermitteln Sie den Ist-Zustand Ihrer Praxis unter Berücksichtigung Ihrer Ziele, der Grundelemente und Instrumente Ihres einrichtungsinternen QMs.
  • Welche Grundsätze des QMs berücksichtigen Sie bereits in Ihrer Praxis? Beispiel: Patientenorientierung inkl. Patientensicherheit (Patientenrechtegesetz)
  • Mit welchen Qualitätsinstrumenten arbeiten Sie bereits in Ihrer Praxis? Beispiel: Checkliste „Informationspflichten zu Beginn der Behandlung“
  • Beachten Sie dabei die gesetzlichen Vorgaben? Beispiel: Datenschutz

Mögliche Checkpoints für ein Selbstaudit (Ja/Nein – Vollständig/Noch nicht) sind:

  • Ich habe konkrete Qualitätsziele definiert und setze diese in meiner Praxis um.
  • Ich führe meine Behandlung nach den zu diesem Zeitpunkt allgemein anerkannten fachlichen Standards in der Naturheil- oder Heilpraktiker für Psychotherapiepraxis durch.
  • Ich bilde mich regelmäßig fort.
  • Ich habe alle wichtigen Diagnose- und Behandlungsabläufe klar strukturiert.
  • Ich habe organisatorische Aufgaben und Abläufe (für alle) verbindlich festgelegt.
  • Ich arbeite mit Checklisten.

3. Bestimmen Sie weitere konkrete Ziele

  • Wo wollen Sie mit Ihrer Praxis hin?
  • Welche Instrumente müssen Sie in Ihrer Praxis integrieren?
  • Welche Instrumente können Sie integrieren?

Mögliche Ziele der Praxis können sein (am Anfang reichen 4-5 Ziele!):

  • Verbesserung der Patientensicherheit
  • Verbesserung der Patientenzufriedenheit
  • Reduzierung und Vermeidung von Fehlern
  • Verbesserung der Hygienequalität

4. Erfassen Sie die Arbeitsbereiche und Tätigkeiten in der Praxis

  • Legen Sie systematisch die Arbeitsbereiche in Ihrer Praxis fest (sinnvoll: Einteilung in Schutzstufen). Erfassen Sie die Tätigkeiten, die Sie in diesen Bereichen ausführen.
  • Welche Arbeitsbereiche gibt es? (Empfang, Sprechzimmer, Behandlungsraum, Raum für physikalische Therapien, Büro, ggf. Softlaserbereich, Labor, Aufbereitungsraum)

Welche Schutzstufen gelten?

Schutzstufe 1 Bereiche ohne Infektionsrisiko (z.B. Flure, Wartezimmer, Anmeldebereich, Sozialraum)

  • Alle Flächen: Reinigung

Schutzstufe 2 Bereiche mit möglichem Infektionsrisiko (Behandlungszimmer, Arbeitsraum, Aufbereitungsraum, Raum für physikalische Therapien, Sanitärräume)

  • Flächen mit häufigem Hautkontakt: Desinfektion
  • Fußböden: Reinigung
  • Sonstige Flächen: Reinigung

Schutzstufe 3/4 Bereiche mit besonderem Infektionsrisiko (OP-Abteilung, Isolierbereich); üblicherweise nicht in der Heilpraktikerpraxis

  • Flächen mit häufigem Hautkontakt: Desinfektion
  • Fußböden: Desinfektion
  • Sonstige Flächen: Reinigung

Welche Tätigkeiten werden in den Bereichen durchgeführt?

Empfang Patiententermine planen und koordinieren, Sprechstundenablauf koordinieren, Patienten empfangen und ggf. im Wartezimmer betreuen, Postein- und -ausgang sowie Telefonverkehr abwickeln, Patientenbeschwerden annehmen etc.

Sprechzimmer Patientengespräche führen, Informationspflichten erfüllen, Beratungen durchführen etc.

Behandlungsraum Diagnostische Tätigkeiten, medizinische Untersuchungen, therapeutische Tätigkeiten durchführen etc.

Raum für physikalische Therapien Anwendung von Verfahren, die auf physikalischen Methoden beruhen (z.B. Wärme, Kälte, Licht, elektrische Reize), wie TENS, Magnetfeldtherapie, Lichttherapie, medizinische Instrumente, Geräte und Apparate anwenden, pflegen und warten etc.

Büro Patientenkartei pflegen, Dokumentation organisieren, Schriftverkehr führen, Befunde schreiben, Rechnungen erstellen, Zahlungsvorgänge abwickeln und überwachen etc.

Softlaserbereich Softlaserbehandlung, LaserAkupunktur, Narben- und Hautbehandlung

Labor Urin-, Stuhl- und Blutproben gewinnen und untersuchen, Ergebnisse dokumentieren und protokollieren, Untersuchungsmaterialien aufbewahren, versenden und entsorgen etc.

Aufbereitungsraum Aufbereitung von Instrumenten und Medizinprodukten (KRINKO-BfArM-Empfehlung beachten!)

Unser Tipp Selbstverständlich brauchen Sie nicht sofort für alle Tätigkeiten detaillierte Ablaufpläne zu schreiben. Setzen Sie Prioritäten. Besonders wichtig sind die Bereiche Diagnostik und Therapie, v.a. invasive und apparative Anwendungen. Hierarchisieren Sie nach „Gefährdungspotenzial“ und setzen Sie den Patientenschutz (und das Patientenrechtegesetz) an die oberste Stelle.

5. Beurteilen Sie mögliche Gefährdungen

Die „Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege“ (BGW) stellt auf ihrer Homepage folgende Broschüren kostenlos zur Verfügung: „Gefähr-dungsbeurteilung in der Arztpraxis“/„Gefährdungsbeurteilung in therapeutischen Praxen“. Diese Hilfsmittel können Sie unseres Erachtens gut einsetzen, um mögliche Gefahren für Ihre Patienten, Mitarbeiter und für sich selbst zu ermitteln.

Arbeitsbereichsbezogene Gefährdungen (für den Patienten):

  • bei der medizinischen Untersuchung und Behandlung im Labor (z.B. Infektion allgemein oder Infektion durch spitze, scharfe Instrumente)
  • bezogen auf die Haut (z.B. Allergien durch Latex)
  • durch Desinfektions- und Reinigungsmittel sowie andere Gefahrenstoffe (Sauerstoff/Ozon)
  • durch Softlaserstrahlen
  • durch elektrischen Strom
  • Stolper-, Rutsch- und Sturzunfälle

Tätigkeitsbezogene Gefährdungen (für den Patienten):

  • Abklärung von Kontraindikationen und Wechselwirkungen eines jeden Verfahrens
  • Erfassung von Risiken, Nebenwirkungen und nach der Behandlung zu meidende oder durchzuführende Verhaltensweisen

Personenbezogene Gefährdungen (für den Patienten):

Besondere Gefahren für:

  • Schwangere/Stillende
  • Immungeschwächte
  • Kinder
  • chronisch Kranke
  • behinderte Personen
  • Herzschrittmacherpatienten

6. Überprüfen Sie die „normativen“ Anforderungen

Welche gesetzlichen Vorschriften, Regeln und Richtlinien müssen in den einzelnen Arbeitsbereichen/bei den einzelnen Tätigkeiten beachtet werden?

7. Gliedern Sie Tätigkeiten in „Prozesse“ auf

Analysieren Sie den konkreten Arbeitsablauf (unter Berücksichtigung der normativen Vorgaben!). Was wird zu welchem Zeitpunkt getan? Ihre Prozessbeschreibung sollte so einfach wie möglich und so umfangreich wie nötig sein.

8. Legen Sie Verantwortlichkeiten fest

Wer ist für welche Prozesse zuständig? In der Einzelpraxis ist das in der Regel der Praxisinhaber!

9. Managen Sie „Schnittstellen“

Wie soll an Verbindungsstellen zusammengearbeitet werden? Innerhalb der Praxis (z.B. zwischen einzelnen Mitarbeitern und/oder Aufgabenbereichen) wie auch in der Kommunikation und Kooperation mit externen Partnern (z.B. Patienten, Überweisern, Ärzten, Lieferanten, Laboren).

10. Beschreiben Sie die Aufgaben

Formulieren Sie detaillierte Tätigkeitsbeschreibungen als Ihre persönlichen „Arbeitsanweisungen“ (oder für Ihre Mitarbeiter). Achten Sie darauf, dass diese gut nachvollziehbar und erläutert sind.

11. Überprüfen Sie Qualifikationen

Habe ich/ Haben meine Mitarbeiter die für die Tätigkeit notwendige Qualifikation? Sind Einweisung/ Schulung/Sachkundenachweis nötig?

12. Erstellen Sie die benötigten Dokumente

Entwickeln Sie Checklisten und Praxisformulare für die jeweiligen Arbeitsbereiche und Tätigkeiten. Führen Sie ggf. ein „Dokumentenmanagement“ ein. Welcher Mitarbeiter darf auf welche Dokumente zugreifen? Wo werden diese abgelegt?

13. Erstellen Sie einen Zeit- und Maßnahmenplan

Legen Sie fest: Wann wollen Sie welches Ziel erreichen?

Und nun: Legen Sie los! Bleiben Sie am Ball! Überprüfen Sie regelmäßig die Umsetzung!

Über den Aufbau und die Inhalte eines Praxishandbuchs berichten wir in Teil 3.

Sonja KohnSonja Kohn
Heilpraktikerin, Leiterin Bereich Presse und Medien des Verbandes Unabhängiger Heilpraktiker e.V. (VUH)
pressestelle@heilpraktikerverband.de

Foto: ©New Africa / stock.adobe.com

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