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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/2018

Abrechnung für Heilpraktiker verstehen!

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© everythingpossible I footolia.comDas Thema Abrechnung wird leider selten in der Ausbildung vermittelt, und in Gesprächen kursieren viele Gerüchte und „falsche Wahrheiten“. Dieser Artikel soll ein wenig Licht ins Dunkel bringen.

Medizinische Leistungen sind: „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die Tätigkeiten umfassen, die zum Zwecke der Vorbeugung, der Diagnose, der Behandlung und – soweit möglich – der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen für bestimmte Patienten ausgeführt werden.“ (FG Baden-Württemberg 4. Juni 2014 – 14 K 797/12; nach Beschluss des BFH vom 18. Februar 2008 – V B 35/06, Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2008, 1001). Insofern ist eine medizinische Leistung eine umsatzsteuerbefreite Leistung.

„Nicht unter die Befreiung fallen danach z.B. Leistungen, die lediglich aus kosmetischen Gründen oder zur Verbesserung des Wohlbefindens (Wellness) durchgeführt werden.“ (FG Baden-Württemberg 4. Juni 2014 – 14 K 797/12; nach Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 29. Oktober 2013 – 2 K 2055/11, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2014, 228). Eine umsatzsteuerliche Unterscheidung zwischen Medizin- und Wellness-Leistung besteht darin, dass die zu erbringende medizinische Leistung von der Diagnose oder Vorbeugung von Krankheiten abhängt. Die Wellness-Leistung hingegen steht pauschal fest. Somit ist für das Finanzamt das „Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Unternehmer dem Abnehmer mehrere selbstständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt.“ (Abschnitt 3.10 UStAE, Einheitlichkeit der Leistungen). Aus diesem Grund ist eine Abrechnung nach einem Leistungsverzeichnis geboten. Pauschalpreis und Zeitbezug sind klare Indikatoren für eine umsatzsteuerpflichtige Leistung.

Die Abrechnung ist demnach grundsätzlich anhand der getätigten Leistung zu erstellen. Eine Abhängigkeit zu etwaigen Erstattungen ist keinesfalls sinnvoll. Erst recht nicht, wenn der Leistungserbringer dazu bewegt werden würde, weniger oder etwas anderes als die erbrachte Leistung abzurechnen, da eine Dokumentationspflicht nach BGB § 630 f Abs. 1 besteht und die Rechnung als „Spiegelung“ der Dokumentation zu werten ist. Dies geht aus einem Urteil hervor, welches besagt: „Für den VN einer PKV besteht zumindest die nebenvertragliche Pflicht, die von ihm bei seinem Versicherer eingereichten Rechnungen darauf zu prüfen, ob die darin aufgeführten Leistungen auch tatsächlich durchgeführt wurden.“ (AG München 282 C 28161/12 vom 4. Juli 2013). Gleiches gilt auch für gesetzlich Versicherte: „Die Dokumentation ist auch eine zu erfüllende Pflicht gegenüber dem Leistungsträger. Das heißt, dass die Aufzeichnungen so umfangreich sein sollten, dass dem Leistungsträger eine Überprüfung der ordnungsgemäßen Leistungserbringung möglich ist.“ (§§ 275, 295 SGB V).

Ein Hinweis auf die Erstattungsfähigkeit von Rechnungen ist nach BGB § 630 c Abs. 3 gefordert. Dies gilt auch, wenn z.B. osteopathische Leistungen durch die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) als freiwillige Satzungsleistung bezuschusst werden. Die privaten Krankenversicherungen (PKV) müssen dem Versicherten ihre Abrechnungsverzeichnisse nach BGB §§ 305 zur Inhaltskontrolle offenlegen. Da es sich allerdings beim GebüH (Gebührenverzeichnis für Heilpraktiker) „um ein Verzeichnis bloßer einseitiger Empfehlung für die Honorarvereinbarungen handelt […], das keine Bindungswirkung für die Patienten entfaltet“ (Bundeskartellamt AZ B3-1/16-054 vom 30. August 2016), reicht hier der Hinweis aus, dass die Erstattung von dem individuell gewählten Tarif abhängt.

Wirtschaftlichkeit

„Nach den Feststellungen der Berufungsgerichte spricht nichts dafür, dass Heilpraktiker-Leistungen im Jahr 2005 üblicherweise noch zu den Mindestbedingungen des Jahres 1985 zu erlangen gewesen waren. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Gebührenverzeichnis kein normatives Regelungswerk sei, das auf einem Gestaltungs- und Abwägungsvorgang beruhe, sondern eine auf der Grundlage von Umfragen rein empirisch gewonnene Datensammlung.

„Will der Dienstherr auch für Heilpraktiker-Leistungen die Angemessenheit festlegen, so hat er mangels einer für die Gebühren der Heilpraktiker geltenden normativen Regelung zu berücksichtigen, welche Aufwendungen durch die Inanspruchnahme heilpraktischer Leistungen Beamten regelmäßig entstehen. Dabei hat er auch, ähnlich wie die Gebührenordnungen für Ärzte dies vorsehen, durch Rahmenbeträge zu berücksichtigen, dass Kosten nach Art, Schwierigkeit und Intensität der Behandlung variieren können. Lassen sich brauchbare Anhaltspunkte nicht finden, wird eine Anlehnung an die ärztlichen Gebührenordnungen in Betracht zu ziehen sein.“ (BverwG 2C 61.08 vom 12. November 2009).

Im Klartext bedeutet das, dass in der Praxis der Wirtschaftlichkeitsgedanke eine Rolle spielen darf und sollte; im Gegensatz dazu ist die Erstattungsfähigkeit untergeordnet!

Analogabrechnung als Lösung

Man findet häufig nicht alle nötigen Positionen im GebüH und sieht sich dann gezwungen „herumzuwuseln“, um ein einigermaßen gutes Abrechnungsergebnis hinzubekommen. Da die Rechnung die Dokumentation zu spiegeln hat (sie stellt neben der Dokumentation dieselbe Leistung dar, ein Widerspruch kann vor Gericht negative Auswirkungen hinsichtlich der Glaubwürdigkeit haben[!]), ist man hier zur klaren Lösung der Analogisierung gekommen:

„Da gerade die GOÄ in § 6 Abs. 2 die Abrechenbarkeit von Leistungen vorsieht, die nicht in der GOÄ explizit aufgeführt sind, sind auch Analogleistungen grundsätzlich nicht von vorneherein von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen.“ Dies ist allein deshalb notwendig, um mit der medizinischen Weiterentwicklung regelmäßig Schritt zu halten. (VwG Gera 1K 850-03 GE vom 4. August 2004).

„Das Analogverzeichnis der BÄK ist nicht abschließend. Es ist daher rechtswidrig, eine Beihilfe zu angemessenen Aufwendungen für notwendige Behandlungen, deren Wirksamkeit wissenschaftlich allgemein anerkannt ist, allein deshalb zu versagen, weil die erbrachten ärztlichen Leistungen noch nicht im Gebührenverzeichnis der GOÄ und auch noch nicht im Analogverzeichnis der BÄK erfasst sind […]. Die Aufnahme der Leistung in die Analogliste der BÄK ist keine rechtliche Voraussetzung für eine Analogbewertung und damit die Bewertung und damit für die Beihilfefähigkeit der Leistung schlechthin […]. Die Nichtanerkennung ohne weitere Einzelfallprüfung widerspricht dem Fürsorgegedanken.“ (VwG Saarland 3K 1175/08 vom 23. Juni 2009).

„Leistungen, die nicht im GebüH enthalten sind, können entsprechend einer ähnlichen Leistung im GebüH berechnet werden. Eine verständliche Beschreibung dieser Leistung kann erforderlich sein. Die Kennzeichnung der analogen Leistung mit „A“ zur entsprechenden Ziffer ist möglich. Sofern keine analoge Leistungsziffer gegeben ist, kann die Leistung ohne GebüH-Ziffer mit einer Leistungsbeschreibung dargelegt werden. Das Zitieren aus anderen Leistungsverzeichnissen ist möglich.“

Diese Formulierung weicht damit deutlich von § 6 Abs. 2 GOÄ und § 6 Abs. 1 GOZ ab. Allerdings verlangt die GebüH einen inhaltlichen Bezug, und die analog berechnete Leistung muss sich – wie auch in der GOÄ/GOZ – finanziell an der „ähnlichen Leistung“ orientieren.

„In welchem Umfang Heilmittel von einer privaten Krankenversicherung erstattet werden, ist tarifabhängig. So bestehen PKV-Tarife, in denen nur Leistungen erstattet werden, die der GebüH entsprechen. Darüber hinaus sind erstattungsfähige Höchstbeträge für Beihilfeberechtigte in einem Preis- und Leistungsverzeichnis für Heilmittel festgelegt, das Teil der Bundesbeihilfevorschriften und damit Grundlage für die Leistungen der Beihilfe ist, die Beamten von ihrem Dienstherrn gewährt wird. Folglich würde der Krankenversicherer bei analogen Abrechnungen nach GebüH gemäß den tariflichen Bestimmungen leisten und dabei ggf. eine Bewertung der Angemessenheit vornehmen.“ (Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. vom 29. November 2016).

Ist das GebüH rechtlich bindend?

„Mit der 7. GWB (Wettbewerbsbeschränkung) wurde das Empfehlungsverbot aufgegeben. Empfehlungen zeichnen sich im Gegensatz zu Vereinbarungen, Beschlüssen und sonstigen abgestimmten Verhaltensweisen durch Einseitigkeit aus. Da es sich bei der GebüH um ein Verzeichnis bloßer einseitiger Empfehlungen für die Honorarvereinbarungen handelt […], das keine Bindungswirkung für die Patienten entfaltet, ist es kartellrechtlich nicht zu beanstanden.“ (Bundeskartellamt AZ B3-1/16-054 vom 30. August 2016). Das heißt, dass die Rechnung auch im Preis gemäß BGB § 611 der freien Vereinbarung unterliegt und lediglich die Positionen des GebüH im Sinne des BGB § 630f als Vereinfachung und für die Nachvollziehbarkeit genutzt werden können. Zudem wird die Rechnung der Einheitlichkeit von Leistungen im Sinne des UStAE 3.10. gerecht und bleibt so im klar abgrenzbaren Bereich der Umsatzsteuerfreiheit.

Die juristisch korrekte Abrechnung

Die Abrechnung verfolgt generell zwei Ziele. Zum einen stellt sie den Gegenwert der erbrachten Leistung (nicht Zeit) dar und hat somit zum Ziel, den Umsatz zu generieren. Zum anderen soll die Abrechnung aber auch so erstellt werden, dass dem Patienten über die Behandlung hinaus noch etwas Gutes getan wird. Nämlich, dass diese Rechnung auch von einem Dritten (einer Versicherung) möglichst komplett erstattet wird. Beide Ziele zusammen sind nicht erreichbar!

Private Krankenversicherungen sind Kapitalgesellschaften, die das Ziel der Gewinnmaximierung haben. Es ist also deren natürliche Vorgehensweise, Leistungen zu versprechen, um dann in einem zweiten Schritt nach Möglichkeiten zu suchen, um das Versprochene nicht einzuhalten. Als nächstes muss man wissen, dass „[…] das Gebührenverzeichnis kein normatives Regelungswerk sei, das auf einem Gestaltungs- und Abwägungsvorgang beruhe, sondern eine auf der Grundlage von Umfragen rein empirisch gewonnene Datensammlung.“ (BVerwG 2 C 61.08 vom 12. November 2009). „Beim GebüH handelt es sich „um ein Verzeichnis bloßer einseitiger Empfehlungen für die Honorarvereinbarungen […], das keine Bindungswirkung für die Patienten entfaltet.“ (Bundeskartellamt AZ B3-1/16-054 vom 30. August 2016). Somit ist ein juristischer Zwang, das GebüH zu verwenden, nicht gegeben. Vielmehr ist die erbrachte Leistung nach beliebigem Ermessen (s. BGB §315) abzuwickeln und nach BGB § 611 die Vergütung frei zwischen Behandler und Patient zu vereinbaren. Unabhängig von dieser Vereinbarung gilt für alle in Deutschland am Patienten Arbeitenden immer auch das „Patientenrechtegesetz“.

BGB § 630f (2): „Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen.“

Die Aufklärung und die Dokumentation der Aufklärung (auch die Dokumentation der Behandlung) sind als Teil der Behandlung zu werten, da sie unmittelbar zu erfolgen haben. Es muss diesen zeitlich direkten Zusammenhang geben, da ein Vergessen bestimmter Fakten zum Schutze des Patienten ausgeschlossen werden muss.

BGB § 630c (2): „Der Behandelnde ist verpflichtet, dem Patienten zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf in verständlicher Weise sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen.“ Eine später durchgeführte Aufklärung ist nicht zulässig, da der Patient eine andere als die getroffene Entscheidung hätte treffen können.“

BGB § 630h (2): „Der Behandelnde hat zu beweisen, dass er eine Einwilligung gemäß § 630d eingeholt und entsprechend den Anforderungen des § 630e aufgeklärt hat. Genügt die Aufklärung nicht den Anforderungen des § 630e und hätte sich der Patient bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einem ernsthaften Entscheidungskonflikt über die Vornahme des Eingriffs befunden, wird vermutet, dass der Patient in den Eingriff nicht eingewilligt hätte.“ Für die Behandlungsdokumentation gilt das gleiche. Auch ein Behandler kann wesentliche, für die Behandlung wichtigen Umstände, Reaktionen, Maßnahmen etc. vergessen. Es wird somit schnell klar, dass alles, was behandelt wurde, auch dokumentiert werden und somit auch in der Rechnung als „Abbild“ auftauchen muss.

Ebenso wird deutlich, warum die häufigen Hinweise der Versicherungen bzgl. der Abrechnungshäufigkeit bestimmter Posten für den Leistungserbringer einen juristischen Fehler darstellen. Denn wenn der Leistungserbringer erbrachte Leistungen nicht abrechnet, verletzt er die Patientenrechte und macht sich strafbar. Ergo muss man differenzieren zwischen der juristisch korrekten und der erstattungsoptimierten Abrechnung. Anders formuliert kann man auch sagen: Der Leistungserbringer kann entweder das Patientenrecht berücksichtigen, um im eventuellen Schadensfall durch richtiges Handeln abgesichert zu sein, und der Patient kann etwas zuzahlen (nach § 1 Satz 2 SGB V: „Die Versicherten sind für ihre Gesundheit mitverantwortlich; sie sollen durch eine gesundheitsbewusste Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen sowie durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und Rehabilitation dazu beitragen, den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu vermeiden oder ihre Folgen zu überwinden.“). Oder er steht mit einem Bein im Gefängnis und der Patient ist mit seiner Erstattung glücklich.

Die Konsequenz kann nur sein, juristisch korrekt abzurechnen, über die Forderungen der Versicherungen aufzuklären und sich zu wehren. Eine eventuelle Anstiftung zum Abrechnungsbetrug durch Versicherungen/Beihilfen ist nach § 26 StGb strafbar. Als Behandler ist man immer dem Patienten gegenüber verpflichtet und niemals einer Versicherung! Zu dieser besteht keine juristische Verbindung.

Michael KotheMichael Kothe
Osteopath, Sportlehrer, Physiotherapeut, eigene Praxis seit 2003

info@medotrain.de

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