aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 5/1994
Astrologie und Naturheilkunde
Die Astrologie ist in letzter Zeit als leichte Unterhaltung in Mode gekommen. Es wird nur wenig Richtiges, aber viel Falsches und Unsinniges verbreitet. Selbstverständlich ist diese Art von Jahrmarkts-astrologie nicht mit der ernsthaften Deutung des Standes der Gestirne zu verwechseln.
In einer Zeit, in der die Erscheinungen und Bilder aus dem Zusammenhang gerissen werden, um sie zu neutralisieren oder gar zu verdrängen, in einer Zeit der mathematischtechnischen Kontrolle des Lebens ist das, was die Astrologie zu vermitteln sucht, nämlich bildhafte Gleichnisse zu unserer Orientierung, notwendiger denn je.
Astrologische Deutungssysteme nach der Münchner Rhythmenlehre.
Es gibt verschiedene Wege zur Erforschung der Zusammenhänge zwischen Gestirnen und Mensch. Ich wähle die der Münchner Rhythmenlehre, mit der ich zu arbeiten gelernt habe. Der Schöpfer dieses astrologisch-naturheilkundlichen Denksystems ist Wolfgang E. Döbereiner, und ich möchte hier gleich auf eines seiner Bücher aufmerksam machen: w.E. Döbereiner, Astrologisch-homöopathische Erfahrungsbilder zur Diagnose und Therapie von Erkrankungen. Verlag Döbereiner W. u. P., München. 1. Band – 6. Aufl. 1990, 2. Band – 3. Auflage 1992.
Anmerkungen zu astrologischen Grundbegriffen
Einer, der sehr oft falsch benutzt wird, ist der Begriff “Sternzeichen”. Das führt zu Mißverständnissen. Denn es gibt an die hundert astronomisch benannte Sternbilder, hingegen nur zwölf Tierkreiszeichen.
Was aber sind nun diese Tierkreiszeichen (TKZ)?
Es sind ganz bestimmte Sternbilder, nämlich diejenigen, die auf der Ekliptik liegen, auf der (scheinbaren) Bahn der Sonne um die Erde. Sie werden von der Sonne innerhalb eines Jahres durchlaufen – freilich wiederum nur scheinbar, denn in Wirklichkeit dreht sich ja die Erde um die Sonne. “Innerhalb eines Jahres” heißt, die Sonne steht etwa einen Monat in jedem Tierkreiszeichen, sodaß der Tierkreis nach zwölf Monaten durchlaufen ist. Die zwölf Tierkreiszeichen werden auch als “Felder” oder “Häuser” bezeichnet, weil nach Meinung unserer Vorfahren es die Wohnsitze von zwölf Göttern waren.
Im esoterischen Sinne aber symbolisiert der Tierkreis die gesamte Menschheitserfahrung; die einzelnen Abschnitte, die (Stern-)”Bilder” haben Symbolgehalt. Sie stehen als Gleichnis für bestimmte Eigenarten.
Im Tierkreis spiegeln sich auch der Tages- und Naturablauf wider. Oie sechs Zeichen vom Steinbock bis zu den Zwillingen werden “aufsteigende Zeichen” genannt, weil die Sonne sie nach Norden aufsteigend (scheinbar) durchläuft; die folgenden sechs Zeichen, Krebs bis Schütze, sind “absteigende Zeichen”, weil die Sonne jetzt in südlicher Richtung absteigend sie durchläuft. Widder ist das Frühlingszeichen, Krebs das Sommerzeichen, Waage das Herbstzeichen, Steinbock das Winterzeichen.
Auch die Asiaten, insbesondere die Chinesen, haben die Zwölfer- Teilung der Tierkreiszeichen. Sie nehmen jedoch als einzelnen Zeitabschnitt ein volles Jahr. Das ist von der asiatischen Weltanschauung her geprägt. Das chinesische Wort für” Tierkreis” ist im übrigen sehr viel aussagekräftiger als unser deutsches. Es heißt “Urkunde der Erfahrung” und bezieht sich auf das Wesentliche des esoterischen Inhaltes.
Die aphroditische Deutung des Tierkreises
Das Deutungsschema nach dem “Weg der Aphrodite” unterscheidet zwischen dem oberen Weg (Wasserweg) und dem unteren Weg (real existieren Erscheinungsweg). Beide beginnen am Aszendenten und treffen sich wieder am Deszendenten.
Bei dieser Deutungsform wird der direkte Schicksalsbezug zwischen Himmel und Erde deutlich, nämlich zwischen dem, was Gott von uns will, und welcher Erscheinungsabfolge er sich dabei bedient.
Hier müssen religiöse, philosophische und heilkundliche Aspekte erklärt, die Unterschiede zur derzeit herrschenden wissenschaftlichen Denkhaltung aufgezeigt werden. Denn nach meinem Dafürhalten kann es keine Heilkunde ohne religionsphilosophischen Bezug geben. Betrachtet man nur die real existierende Welt und läßt das Wesentliche, die Seele des Menschen, außer acht, führt alle Heilkunst nicht zur Heilung, sondern letztendlich zur Zerstörung.
Der Weg der Aphrodite:
Die beiden Hauptachsen des Horoskopes spielen hier eine besondere Rolle: Die Achse AC – DC (die Ortsachse) und die Achse MC – IC (Zeitachse). Die inhaltliche Deutung unterscheidet sich nicht nur in der Abfolge der beiden parallel laufenden Wege. Sie spiegelt auch eine umfassendere Auffassung wider.
Die Bewegung von AC nach oben beinhaltet folgende Begriffe:
Unbewußtes (Fische) – Ursprung (Wassermann) – Bestimmung (Steinbock) – Fügung (Schütze) – Form (Skorpion) – Bedeutung (Waage).
Die Bewegung von AC nach unten beinhaltet:
Unbewußtes in Gestalt des reinen Energiezustandes (Widder) – sich manifestierende Materie (Stier) – reale Raumergreifung bis an die Grenzen des verfügbaren realen Umraumes, welcher als Hilfsmittel zur Raumergreifung die Technik einschließt (Zwilling) – Empfinden (Krebs) – Gestaltung, Gestaltwerdung (Löwe) -erkennen der Bedingungen der vorhandenen Umwelt und deren Nutzung (Jungfrau).
Zur Erläuterung:
Das Unbewußte ist eine Ebene, in der alles, was war, was ist und was sein wird gleichzeitig vorhanden ist. Es ist dem TKZ Fische zugeordnet. Das Unbewußte ist nicht konkret greifbar, beinhaltet aber alle Inhalte, die irgendwann zu irgendeinem Zeitpunkt in Erscheinung treten können. Das Unbewußte ist nicht real erfaßbar. Zudem ist dieser Zustand außerhalb der Zeit, ein Zustand, der nur sehr schwer zu beschreiben ist.
Diesem Zustand folgt die Entwicklungsphase des TKZ Wassermann. Es ist das Durchmessen eines Raumes, wobei dieser Raum nur im “Zustand des Vogelhaften” durchquert werden kann. Man kann das Durchqueren dieser Zeitspanne auch als das Schöpferische beschreiben: Die Inhalte, die in Zeit und Raum gelangen sollen, werden aus dem Zustand des Unbewußten, des Ungreifbaren, in den “Zustand des Vogelhaften” gebracht.
Das ist vielleicht so vorzustellen: Aus dem Unbewußten wird ein Anteil herausgeschöpft gleich einem Menschen, der mittels Schöpfkelle aus dem Wasser z.B. einen Gegenstand herausholt.
Eine weitere Beschreibung ist der Begriff Ursprung. Die Grenze zwischen dem Unbewußten und dem “Zustand des Vogel haften” ist die erste Trennung zwischen denjenigen Inhalten, die im Zustand des Unbewußten verbleiben, und jenem einzelnen Inhalt, welcher in den “Zustand des Vogel haften” gelangt. Es kommt zu einer ersten Teilung, zum sogenannten Ur-Sprung.
Den Phasen Unbewußtes und Ursprung (Schöpfung) folgt – immer noch außerhalb der Zeit – die Bestimmung des geschöpften Inhaltes, und zwar im TKZ Steinbock.
Es folgt nun die Phase der Zusammenfügung.
Der geschöpfte Inhalt, welcher eine Bestimmung hat, braucht nun noch “Fügung”, Form und Bedeutung, um in die Zeit zu gelangen. Der Herr der Bestimmung (=Steinbock) gibt die Anweisung an den Schützen, welche Teile er zusammensuchen und montieren (“fügen”) soll. In dieser Phase werden gemäß der Bestimmung alle notwendigen Teile zusammengebaut.
Ist der Inhalt gemäß der Bestimmung vom Schützen fertig montiert, geht dieser Inhalt zur Formprüfung an den Skorpion.
Der Weg der Aphrodite führt über vier Grenzen
Und der Skorpion ist unerbitterlich. Er prüft exakt im Sinne der Bestimmung. Wird im TKZ Skorpion festgestellt, daß die Form des Montierten der Bestimmung entspricht, wird diese weitergereicht an das TKZ Waage, damit der Inhalt, welcher zuvor geschöpft, bestimmt, gefügt und geformt wurde, nun einen bestimmten Bedeutungsinhalt zugewiesen bekommt.
Die Waage also weist letztendlich dem Inhalt eine Bedeutung zu. Und jetzt kommt es zur Bildausgabe am Deszendenten.
Nun zur Bewegung nach unten. Dem Unbewußten (12. Haus) entspricht in der Ebene der Erscheinungswelt der reine Energiezustand bzw. die richtungslose, sich ständig bewegende Energie.
Diese Energie verdichtet sich dann zur greifbaren Materie im TKZ Stier. Die Grenze zwischen der vorhandenen richtungslosen Energie und der greifbaren Energie entspricht dem Ursprung des oberen Weges. Aus der vorhandenen großen Energiemenge wird ein Teil herausgehoben, und dieser Teil verdichtet sich zur Materie.
Wenn die Energie sich verdichtet hat, bildet sie fortan Materie, einen erfaßbaren und greifbaren Bestand. Es kommt so zur konkreten Erscheinung.
Die nächste Phase umfaßt den Entwicklungsweg dieser Erscheinung im konkreten Umraum. Wie sieht die Erscheinung aus? Welchen Bezug hat sie zur Umwelt? Ist sie nutzbar, technisierbar, gar ein technischer Gegenstand? Alle diese Fragen werden im TKZ Zwilling beantwortet.
Nun aber kommen wir an eine sehr bedeutsame Grenze. Es stellt sich nämlich die Frage: Wird diese konkrete Erscheinung beseelt? Wohnt in der Erscheinung eine Seele oder handelt es sich bloß um einen toten Gegenstand?
Im TKZ Krebs findet eine “Fügung” im Sinne des Seelischen statt. In die Erscheinung, die konkret sichtbar ist, tritt eine Seele.
In der nächsten Phase tritt die Gestaltung, die Gestaltwerdung im Sinne der Seele, hinzu (TKZ Löwe).
Darauf folgt die Prüfung auf Lebensbedingungen, auf die Anpassungsvoraussetzungen der “beseelten” Erscheinung (TKZ Jungfrau). Diese Phase schließt ab mit dem Deszendenten.
Die phänomenistische Deutung des Tierkreises
Sie beleuchtet den Tierkreis aus der Sicht der realen Erscheinungswelt.
Der Tierkreis beginnt am 21. März, dem Frühlingspunkt, mit dem TKZ Widder. Das dazugehörige Bewegungssymbol ist der Mars. Das Erwachen der Natur im Frühjahr mit all seinem Durchsetzungsvermögen, mit seinen Impulsen und Kräften spiegelt sich im Verhalten des Widders wider. Analog auf den Tagesablauf bezogen sind dies das Erwachen am Morgen, der Sonnenaufgang.
Dem Widder folgt das TKZ Stier mit dem dazugehörigen Symbol Venus.
Ist die Entwicklung des TKZ Widder abgeschlossen, nämlich das Eindringen in Raum und Zeit, erfolgt jetzt unter dem TKZ Stier die Abgrenzung des eroberten Raumes in überschaubare Bereiche. Das Verhalten des Stieres ist demnach als geduldig, ruhig, bewahrend zu bezeichnen, auch als Kraft, die die Grenzen seines Raumes verteidigt.
Ist diese Phase abgeschlossen, folgt die weitere Entwicklung im TKZ Zwilling mit dem Symbol Merkur. Der eroberte und abgegrenzte Raum wird genau untersucht, erkundet und detailliert benannt. In diesen Bereich gehört als Hilfsmittel der Intellekt. Das Wort kommt aus dem Lateinischen und bedeutet “Innewerden, Wahrnehmung, Erkennen”. Das heißt, man erkennt die Schranken, die uns von Raum.und Zeit gesetzt werden, man erkennt die Realität. Denn selbst die hochmoderne Technik unserer Zeit stößt hier an ihre Grenzen.
Die Entwicklung: Raumergreifung, Abgrenzung und Entfaltung im Raum bis zu den Grenzen, ist also beendet.
Jetzt aber kommt es zu einer Entwicklungskrise. An der Grenze zwischen dem ersten und zweiten Quadranten des Tierkreises wird dem Menschen bewußt, daß es funktional nicht mehr weitergeht. Er wird auf sein Innerstes zurückgeworfen.
Folgerichtig stossen wir im Ablauf des Tierkreises auch auf das TKZ Krebs. Zu ihm gehört als Bewegungssymbol der Mond. Die hier beginnende Entwicklungsfolge ist die im wahren Sinne des Wortes wesentlichste Zeit des Menschen.
Von der Jahreszeit her gesehen beginnt am 21. Juni der Sommer, die Zeit der Schönheit in ihren verschiedensten Erscheinungsformen; man steht “mitten im vollen Leben”. Vom Tagesablauf her ist der Beginn des Sommers vergleichbar dem Mitternachtspunkt.
Das TKZ Krebs und das Symbol Mond stehen für Seele bzw. Empfinden. “Empfinden” leitet sich von der althochdeutschen Wurzel “verbergen, begraben” ab. Das bedeutet, in den Tiefen der Seele sind die Urerfahrungen der Menschheit in Bildform verborgen, gespeichert. (C.G. Jung nennt sie die Archetypen.) Diese Bilder aber steigen immer wieder aus dem Unterbewußten empor, stellen den Menschen in Frage, geben jedoch auf diese Weise Orientierungshilfen. Denn jene Urerfahrungen müssen verarbeitet, durch “Erleben” oder “Ausleben” bestätigt oder korrigiert werden.
Das Verhalten der Krebs-Geborenen ist demnach überaus sensibel und empfindsam. Sie suchen die seelische Identifikation, brauchen allerdings mehr Zeit als alle anderen zur Verarbeitung des Erlebten. Während dieser Zeit sind sie auch schwer ansprechbar, ziehen sich zurück in ihr “Gehäuse”, wollen nicht gestört werden. (Deshalb gehören in diesen Bereich auch die realen Begriffe wie “Wohnen” und “Haus”; das Wort “Anwesen” für “Haus” zeigt deutlich noch den “wesen-haften”, also seelischen Zusammenhang – der Kreis ist wieder geschlossen.)
Der Mond symbolisiert im TKZ Krebs das Prinzip “Empfängnis”, im erweiterten Sinne die Schwangerschaft, aber auch die seelische Entwicklung und Reifung in der Geborgenheit des “Gehäuses”.
Dem TKZ Krebs folgt in der Mitte des Sommers das TKZ Löwe mit dem Symbol Sonne. Lebenskraft und Lebensfreude, unmittelbares Erleben und Gestalten – bis hin zur Lust am Abenteuer -, unbändiger Freiheitsdrang und nicht selten der Wunsch, “im Glanz der Sonne” gebührend bewundert zu werden – das sind die Charakteristika der Löwe- Geborenen. Manchmal freilich besteht auch die Gefahr, in den Strahlen der Sonne zu verglühen …
Nicht von ungefähr kommt jetzt im TKZ Jungfrau die Begrenzung durch die Vernunft. Das Wort “Vernunft” gehört zum Verbum “vernehmen” und bedeutet im Althochdeutschen “erfassen, erfahren, hören, begreifen”.
Merkur als Bewegungssymbol dieses Tierkreiszeichens steht für kritische und genaue Beobachtung, um sich den Lebens- und Umweltbedingungen anpassen zu können. Wichtig jedoch: Es handelt sich immer um eine subjektive, also individuelle Nutzung und Verwertung der gegebenen Möglichkeiten – bis hin zur unterwürfigen Anpassung.
Mit dem TKZ Jungfrau ist auch die Eigenentwicklung des Individuums abgeschlossen. Im Tierkreis erreichen wir den Gegenpunkt des Aszendenten – den Deszendenten, den Sonnenuntergangspunkt. In der Natur beginnt der Herbst am 21. September. Die Früchte des Sommers sollen geerntet werden.
(Wird fortgesetzt)
Ralf Bungart
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