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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 6/2012

Fallstudie aus der psychotherapeutischen Praxis: Zwanghafte Störung und ihre Lösung

Cover

Patientin: 22-jährige Erzieherin

Anamnese

Die Patientin lebt in einer Partnerschaft und leidet seit ca. acht Monaten unter Befürchtungen, mit ihrem Auto unbeabsichtigt und unbemerkt Fußgänger, Radfahrer oder andere Fahrzeuge angefahren zu haben. Diese Ängste bewertet sie selbst als irrational. Dennoch fühlt sie sich gezwungen, sich zu vergewissern, dass niemand durch sie zu Schaden gekommen ist, indem sie ihr Auto wendet und an den Ort des vermeintlichen Geschehens zurückfährt. Zudem fühlt sie sich veranlasst, ihr Auto auf Kratzer etc. zu untersuchen. Mit diesen zwanghaften Handlungen umgeht sie stärkere Panikanfälle mit Zittern, Herzklopfen, Schwitzen und Magenschmerzen. Diese Zustände erlebt sie, seit ein Bekannter bei einem Autounfall ums Leben kam. Eine Woche lang hatte sie damals unter starken Angstattacken gelitten. Als zweites relevantes Erlebnis schildert sie, wie sie mit ansehen musste, als ein LKW um Haaresbreite fast einen Radfahrer überfuhr.

Die Patientin hat kürzlich nach der Beendigung ihrer für sie sehr belastenden Beziehung eine Therapie bei einem Psychotherapeuten angefangen, möchte aber zu diesem Zeitpunkt über dieses Thema nicht reden. Sie konstatiert aber auch, dass sie seit dieser Beziehung nicht mehr sie selbst sei und auch durch die Therapie noch nicht vollständig zu sich zurück gefunden hat.

Menschen können aufgrund traumatischer Erfahrungen in Form von inneren Bildern und Gedanken veränderte Wahrnehmungen der Wirklichkeit und Bedrohungsszenarien entwickeln, für deren angemessene Verarbeitung die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten nicht mehr ausreichen. Hieraus können sich Angstund/ oder Zwangsstörungen entwickeln.

Therapie

Das Therapieziel formulieren wir gemeinsam eher praktisch: „Wieder normal Autofahren.“

Für die Behandlung wird in Absprache mit der Patientin die Mentalfeldtherapie (MFT) ausgewählt. Hierbei handelt es sich um eine Art der Klopfakupressur, welche entspannend und für das autonome Nervensystem direkt beruhigend wirkt. Bei der Anwendung der Klopfakupressur werden Aspekte der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM/Akupunktur) und der Psychologie miteinander verknüpft. Bei der Akupunktur wird auf das körpereigene Energiesystem des Menschen, das sogenannte Meridiansystem, Einfluss genommen. In den Meridianen fließt die Lebensenergie Chi, vielen Menschen aufgrund der körperlichen Übungen des Tai-Chi und Qi-Gong bekannt.

Wir befinden uns in einem Zustand des Wohlbefindens und der Gesundheit, wenn Chi in unserem Energiesystem frei fließt. Die Verknüpfung mit der Psychologie erfolgte, als der erfahrene Therapeut Roger Callahan vor ca. 35 Jahren herausfand, dass unsere Gedanken und inneren Bilder ebenfalls mit dem Meridiansystem in Verbindung stehen.

Belastende Bilder und Gedanken können gemeinhin zu starken Gefühlen führen. Die TCM erkannte, dass bevor starke Gefühle in uns entstehen, es erst zu einer Veränderung im Meridiansystem des Körpers kommt und danach erst das korrespondierende Gefühl entsteht – in diesem Fall Angst. Die Wirkung der Klopfakupressur als Methode liegt darin, dass die belastenden Bilder und Gedanken im Gespräch aktiviert werden, bis starke Gefühle entstehen und anschließend oder gleichzeitig das Meridiansystem mittels Beklopfen der Akupunkturpunkte aktiv gehalten wird. Da die Klopfakupressur sehr entspannend wirkt, können so die auftretenden Gefühle reduziert und von ihren Ursachen entkoppelt werden. Dem Patienten kann es so gelingen, einen inneren Abstand zu den belastenden Bildern und Gedanken zu entwickeln und sich somit innerlich zu befreien und/oder an tiefere Ebenen des Problems zu gelangen, um diese dann zu bearbeiten. Das wird bei der Anwendung der Mentalfeldtherapie durch das zeitgleiche Beklopfen von Akupunkturpunkten und das Sprechen von Sätzen verstärkt. Diese sind zwei- oder dreigeteilt und beinhalten das Problem des Patienten, einen Teil zur Selbstannahme und ggf. eine Lösung des Konfliktes.

Für die Symptomatik der Patientin hat sich der folgende Satz als hilfreich herausgestellt: „Obwohl ich immer denke, dass beim Autofahren etwas Schlimmes passiert ist, achte ich mich und nehme mich genauso an, wie ich bin, und entscheide mich, mir selbst zu trauen.“

Durch die Klopfakupressur verlieren das negative Bild vom Beinahe-Unfall und die Erinnerung an den Tod des Bekannten ihre Präsenz. Bereits nach wenigen Tagen erreichen wir eine deutliche Verbesserung: Die Patientin kann bereits Wege mit dem Auto zurücklegen, ohne dabei wenden zu müssen.

Zum folgenden Termin ist die Patientin durch beruflichen Stress und Streit in der neuen Beziehung belastet. Außerdem scheint es zu einer Verschiebung der Symptome als Begleiterscheinung gekommen zu sein. Sie befürchtet, das Handy, Portemonnaie oder das Ausschalten des Herdes vergessen zu haben und muss dieses nun immer wieder kontrollieren.

Das Auftreten einer Symptomverschiebung lässt an dieser Stelle den Schluss zu, dass die Ursachen für die zwanghaften Handlungen nicht ausschließlich der Tod des Bekannten und das Bild LKW/Radfahrer sind. Auf Nachfrage öffnet sich die Patientin: Sie hat durch den seelischen Missbrauch in ihrer gescheiterten Beziehung eine starke Selbstwertproblematik. „Ich habe mich innerlich verschlossen, kann nicht streiten. Ich habe das Gefühl, als Person nicht ganz zu sein und fühle mich unterdrückt.“

Dies hinterlässt bei ihr in aktuellen Auseinandersetzungen ein Unsicherheitsgefühl, das auch andere Lebensbereiche beeinflusst. Dieses Unsicherheitsgefühl wird jetzt in den Mittelpunkt der Behandlung gestellt.

Es gelingt, diese energetische Wahrnehmung mittels der Klopfakupressur aufzulösen.

Empfehlung an die Patientin nach kinesiologischem Muskeltest: Schüßler-Salz Nr. 20 (Kalium Aluminium Sulfuricum) zur Behandlung der Begleitumstände einer leicht depressiven Stimmung und Schweißhemmung.

In der vierten und der abschließenden fünften Sitzung wird zielorientiert an inneren Bildern und Gefühlen zum „normalen Autofahren“ gearbeitet. Danach treten keine weiteren zwanghaften Handlungen mehr auf. Das traumatische Erlebnis konnte geklärt werden; die subjektive Wahrnehmung entspricht wieder der Realität. Die Patientin ist beschwerdefrei und meistert auch die Probleme in der aktuellen Beziehung.

Dipl. Ing. Ruven Brodowski
Dipl. Ing. Ruven Brodowski
Heilpraktiker für Psychotherapie
ruven.brodowski@psychologisch-beratend.de

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