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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/1995

Trockene Haut

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…oft verkannt und ein medizinisches Problem

Trockene Haut und Juckreiz sind mehr als nur ein kosmetisches Problem. So kann trockene Haut Symptom sein für zahlreiche Hauterkrankungen. Ebenso spielen äußere Einflüsse wie zu häufiges und zu heißes Duschen oder intensives Sonnenbaden ei-ne Rolle oder auch altersbedingte Stoffwechselvorgänge. Wenn jedoch die Haut über einen langen Zeitraum trocken und irritiert bleibt, muß man an eine echte, wenn auch noch verborgene Krankheit denken.

Krankhaft trockene Haut ist nicht mehr elastisch, sondern rauh, rissig und spröde, sie neigt zu verstärkter Schuppenbildung, zu Homhauteinrissen, Keratosen und Rhagaden, außerdem reagiert sie empfindlich auf mechanische und psysikalische Reize. Sie wird dünner, leichter verletztlich und anfälliger für Infektionen. Trockene Haut allein setzt zunächst kein Histamin frei – Antihistminika wären hier also konzentriert -, deshalb muß man herausfinden, was den quälenden Juckreiz auslöst, um dann gezielt behandeln zu können.

Für Juckreizentstehung bei trockenen Hauterkrankungen ist nach Ansicht von Prof. Hermann O. Handwerker, Erlangen, entscheidend, daß die Nervenfasern, welche das Jucken vermitteln, vermutlich nicht nur durch chemische Reize erregt werden, sondern auch durch mechanische wie die für trockene Haut typische Spannungsänderung. Die Nervenfasern, die das Jucken auslösen, unterscheiden sich von denjenigen Nervenfasern, die für den Schmerz verantwortlich sind.
„Juckreiz-Nervenfasern” enthalten aller Wahrscheinlichkeit nach Neuropeptide und lassen sich durch das Toxin Capsaicin ausschalten. Es handelt sich dabei um langsamleitende, meist marklose Nervenfasern, deren „nackte” Endigungen in den oberen Schichten der Haut bzw. der Schleimhäute liegen. Durch einen oberflächlichen schmerzhaften Reiz, nämlich Kratzen oder starkes Reiben, kann man das Jucken überdecken, weil es die Nozirezeptoren, d.h. die schmerzvermittelnden Nervenfasern erregt und so die Erregungsübertragung für Jucken im Zentralnervensystem hemmt.
Gleichzeitig setzt man aber durch diese leichten Hautläsionen Histamin und andere Entzündungsmediatoren frei, welche wiederum die juckreizvermittelnden Nervenendigungen reizen und so auf Dauer das Jucken intesivieren. Man bezeichnet diesen Ablauf als “Juck-Kratz-Zirkel”. Unter so einem Juck-Kratz-Zirkel leiden beispielsweise Neurodermitiker.

Bei der Neurodermitis, auch endogenes Ekzem genannt, handelt es sich um eine entzündliche Hauterkrankung, die in Schüben auftritt und durch krankhaft trockene Haut, starken Juckreiz, Rötung, Schuppung, Nässen und Krustenbildung auf der Haut charakterisiert ist. An ihr leiden in Deutschland zwei bis drei Millionen Menschen. Besonders bei Neurodermitiskranken Kindern ist es sehr wichtig, die auslösenden Noxen möglichst rasch auszuschalten, um den Teufelskreis des „Juck-Kratz-Zirkels” zu durchbrechen und die Rezidivbildung zu reduzieren.

Von der Psoriasis (psoriasis vulgais) oder Schuppenflechte sind etwa drei Prozent der Bevölkerung betroffen. Bei dieser erheblichen Dermatose kommt es unter bestimmten Bedingungen infolge gesteigerter Proliferation der Epidermis zu starker Schuppenbildung.
Die seltener auftretenden Ichtyosis (Fischschuppenkrankheit) ist eine angeborene Verhornungsstörende (Keratose) mit fischschuppenartig veränderter trockener Haut.

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Welche Bedeutung das Symptom „trockene Haut” hat, zeigt die Tatsache, daß zudem sechzig bis siebzig Prozent aller Menschen über siebzig Jahre eine typische, sogenannte trockene Altershaut haben. Auch hier kann man nicht mehr von einem rein kosmetischen Problem sprechen, denn das Spannungsgefühl und der damit verbundene Juckreiz verleiten zum Kratzen. Aber gerade die trockene Altershaut wird wegen ihrer verminderten Proliferation leichter verletzt und kann ihre natürliche Barrierefunktion nicht mehr aufrechterhalten. Folglich muß rechtzeitig und gezielt eine Therapie eingeleitet werden, um weiteren Krankheiten vorzubeugen.
Für die medikamentöse Behandlung des Juckreizes steht heute eine breite Palette von Präparaten zur Verfügung. Wichtig aber ist, so früh wie möglich auf verträglichere Präparate umzusteigen (vor allem dann, wenn Kostikoide gegeben werden!) also etwa nach zwei bis drei Tagen; diese Präparate bestehen aus biologische Substanzen, welche die Trockenheit der Haut und damit den Juckreiz bekämpfen. 

Biologische Maßnahmen gegen trockene Haut

Seit Blank (1952) ist bekannt, daß die Hornschicht der Haut wasserbindende Stoffe, sogenannte Moisturizer, enthält, die für den nötigen Wassergehalt der Haut verantwortlich sind. Fehlen diese Feuchtigkeitssubstanzen, trocknet die Haut aus und juckt. Die Therapie der trockenen Haut muß diesen Gegebenheiten gerecht werden. Das heißt, neben der dringend notwendigen Rückfettung ist für eine äußerliche Wasserzufuhr und eine Erhaltung der Wasserbindungskapazität zu sorgen mit dem langfristigen Ziel, daß die Haut Wasser selbst wieder findet und sich „bewässert”. Salben gewährleisten nur eine langsame Wasserzufuhr, aber keine anhaltende Wasserbindung. Gut eignen sich dafür Öl-in-Wasser-Emulsionen, also Cremes. Aufgrund des hohen Wassergehaltes können sie leicht aufgetragen werden, ohne daß sie einen Fettglanz verursachen. Durch die Verdunstung des Wassers in der Öl-in-Wasser-Emulsion kommt zudem ein kühlender Effekt zustande.

Enthalten die Cremes einen natürlichen Feuchthaltefaktor wie z.B. Harnstoff, werden ihre guten Eigenschaften mit denen eines Moisturizers gekoppelt: Durch die Creme wird der Wasserverlust der Epidermis gestoppt, der Harnstoff bindet das Wasser in der Haut und trägt so indirekt zur Juckreizstillung bei. Harnstoff hat zudem eine Vehikelfunktion, das heißt, es schleust Wirksubstanzen gezielt in die Haut ein. Zur schnellen und effektiven Juckreizstillung hat sich z.B. das Oberflächenanästhetikum Polidocanol (z.B. 0,4% s.c.) sehr bewährt, das die gereizten Nervenendigüngen betäubt. Beide Wirkstoffe, Harnstoff (Urea) und Polidocanol, sind in Optiderm (Hermal) kombiniert, einer apothekenpflichtigen Creme.

Zur gleichmäßigen Fettung von krankhaft trockener Haut, aber auch zur Behandlung von nicht krankheitsbedingter trockener Haut empfehlen sich medizinische Ölbäder, die wie ein Bade- oder Duschzusatz verwendet werden. Sie enthalten beispielsweise Sojabohnenöl (Balneum Hermal und Balneum Hermal plus), das einen hohen Gehalt an ungesättigten Fettsäuren und Vitamin E hat. Zur starken Fettung einer extrem trockenen Haut eignet sich Balneum Hermal F, das Erdnusöl und Parafin beinhaltet.

Ganz wichtig ist eine richtige Hautreinigung. Zu häufiges, zu langes und zu heißes Duschen und Baden sowie die ständige Verwendung herkömmlicher Bade- und Duschzusätze bewirken einen Fett- und Feuchtigkeitsentzug, eine Aufquellung und Zerstörung des natürlichen Fett-Schutz-Filmes der Haut. Es empfiehlt sich tensidhaltige Reinigungssubstanzen äußerst sparsam anzuwenden, und der Haut anschließend das entzogene Fett durch medizinische Ölbäder zuzuführen und sie durch harnstoffhaltige Präparate zusätzlich bei der Bewahrung der Feuchtigkeit zu unterstützen. Um Austrocknung, vorzeitiger Alterung und Juckreiz vorzubeugen, sollte die Haut möglichst gut vor Umwelteinflüssen wie Kälte, intensiver Sonnenbestrahlung, starken Temperaturschwankungen und trockener Heizungsluft geschützt werden. Dabei liegt der Schwerpunkt im Sommer auf der Bewahrung der Feuchtigkeit, im Winter auf der Fettversorgung. Personen mit trockener und juckender Haut sollten zudem auf enge Kleidung und direkt auf der Haut getragene, synthetische Stoffe verzichten. In der Juckreizbehandlung neurodermitiskranker Menschen haben sich auch verhaltenstherapeutische Maßnahmen gut bewährt. Basismaßnahmen sind eine genaue Information über den Juck-Kratz-Zirkel (Juckreiztrigger), eine Modifikation des Hautpflegeverhaltens sowie eine Verbesserung der Selbstbeobachtung.

Zur kurzfristigen “Kratzkontrolle” empfiehlt die Psychologin Claudia Welzel-Ruhrmann, Bonn, eine alternative Hautstimulation wie Kühlen der betreffenden Hautpartien und die Verwendung eines Surrogatobjektes. Z.B. zeigen speziell bei Kindern eine hohe Akzeptanz eines „Kratzklötzchens” aber auch einer Koppelung der Hautpflege mit angenehmen Tätigkeiten (Spielen). Zur langfristigen Reduktion des Kratzverhaltens wird die Technik des „habit reversals”, der Gewohnheitsveränderungen eingesetzt. Sie beruht auf einer Kombination verschiedener Lernschritte, die u.a. eine verbesserte Selbstwahrnehmung sowie das Einüben von Reaktionen, die mit Kratzen inkompatibel sind. Außerdem rät sie zum Erlernen verschiedener Entspannungstechniken wie Stressmanagement oder Problemlösung. In die Therapie muß neben der Behandlung der Grunderkrankung stets auch das psychosoziale Umfeld des Patienten einbezogen werden, vor allem die Eltern eines kranken Kindes. Dabei sollte der Therpeut, auch der Psychotherapeut, als Trainer oder Coach auftreten, aber nie der “Bestimmer” sein, sondern die Betroffenen zur Eigenverantwortung anhalten.

Helga Vollmer

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