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Psychologische Beratung kann definiert als eine korrektive (etwas, was dazu dienen kann,
Fehlhaltungen, Mängel o.ä. auszugleichen) Erfahrung, die einem Menschen hilft, sich sozial angemessen und
angepaßter zu verhalten. Die Beratung kann sich auf einen Mangel an Wissen, einen Mangel an Können, einen
Mangel an Motivation zu angemessenem Verhalten oder auf das auffällige Verhalten selbst konzentrieren. In
den meisten Fällen sind einer oder mehrere dieser Faktoren an der Problematk beteiligt, und die Beratung
wird dementsprechend ausgerichtet.
Die Klienten-Berater(in)-Beziehung
Eine der häufigsten Fragen, die ein Berater bei der ersten Begegnung mit einem Klienten sich stellt, ist:
“Warum ist dieser Mensch hier?” Der häufigste Grund, warum Menschen Beratungen aufsuchen, ist eine große
Unzufriedenheit mit der eigenen Lebensführung/Lebenssituation.Sie können ängstlich in der Wechselbeziehung
(Interaktion) mit anderen sein oder meinen, daß sie Schwierigkeiten bei der erfolgreichen Bewältigung ihrer
Arbeit oder Ehe haben.Aber sie können auch aus anderen Gründen in die Beratung kommen. Jemand kann indirekt
zur Beratung gezwungen worden sein, z.B. wenn eine Ehefrau droht, ihren Mann zu verlassen,falls er nicht
endlich Hilfe aufsucht.Eine Mutter weiß mit ihrem hyperaktiven Kind keinen Rat mehr, oder ein Anderer verfällt
ständig in Schuldgefühle, ein Anderer weiß seine Zeit nicht zu ordnen und verfällt ständig in Hektik und
Unruhe. Schwierig wird die Beratung dann, wenn derjenige gar keine Hilfe will. Hier muß man mit viel
Fingerspitzengefühl und menschlichem Verständnis die Bereitschaft des Klienten erringen. Mit dem Begriff
der Empathie (einfühlendes Verstehen, Verständnis) wird eine Haltung bezeichnet, bei der sich der Berater
bemüht, den Klienten in seinem Erleben (seinen Glaubensgrundsätzen, Motiven, Wünschen und Ängsten) zu
verstehen und ihm auch die Erfahrung des Verstandenwerdens zu vermitteln. Diesem Aspekt des
zwischenmenschlichen Beziehungsangebots im Rahmen einer beratenden Beziehung wird grundlegende Bedeutung für
den Erfolg der Beziehung zugeschrieben. Die Empathie ist gemeinsam mit den anderen Basisvariablen eine
positive Wertschätzung mittels emotionaler Wärme und Echtheit, demzufolge wird sie auch als hinreichende
Bedingung für eine konstruktive Beratung angesehen.
Bestandteile einer effektiven beratenden Beziehung:
- Die beratende Beziehung ist durch Wärme, Echtheit und gegenseitiges Akzeptieren gekennzeichnet, negative
Gefühle werden angemessen “bearbeitet”; der Berater ist dabei offen und echt (stimmt mit sich selbst
überein).
- Berater und Klient erreichen eine ausreichend große Übereinstimmung hinsichtlich der Zielstellung der
Beratung und ihrer Normen und Werte als Persönlichkeiten. Dabei sind zwei Wertsysteme besonders wichtig:
einmal die Vorstellung über den Zugang zum Problem und zum anderen die Auffassung über die Art derVerteilung
von Verantwortung,der Führung und Kontrolle in der Berater-Klient-Beziehung.
- Die Fähigkeit des Beraters, seine Empathie dem Klienten zu signalisieren und das Verstandene angemessen
dem Klienten mitzuteilen.
Aus der Aufzählung einiger wesentlicher Bestandteile der empathischen Grundlagen läßt sich zwanglos ableiten,
daß die Fähigkeit zur Empathie abhängig ist, von
- bestimmten ethischen Grundeinstellungen des Beraters zu seiner Tätigkeit, seinem sozialen Engagement
- seiner persönlichkeitsabhängigen Möglichkeit, sich emotional berühren zu lassen und seiner Übung, mit
seinen Empfindungen umzugehen,
- seiner persönlichkeits- und erfahrungsabhängigen Fähigkeit, die Qualität der Beziehung zum Klienten
wahrzunehmen und zu beeinflussen,
- seiner persönlichen Reifeoffen auf Menschen zugehen zu können, sich ihrer Probleme anzunehmen, ohne
Mitleid zu erzeugen und in Selbstleid zu zerfließen.
Mit Hilfe der Empathie werden mehrere Informationsbereiche integriert:
Informationen über den Kommunikationspartner (Klienten)
- die affektiv emotionelle Zuständigkeit des Klienten (er ist entspannt oder gespannt, ängstlich oder
gelassen, deprimiert oder heiter usw.)
- die situationsbezogenen aktuellen Handlungsbereitschaften (ist er lebhaft interessiert oder gleichgültig
und desinteressiert am Verlauf des Kontaktes, wünscht er mehr Nähe oder Distanz, möchte er mehr dominieren
oder sich mehr unterordnen, mehr aktive Kontrolle über die Situation oder die Kontrolle abgeben etc.)
- das Selbstkonzept (hält er sich für bedeutend, wertlos, intelligent, ungebildet, schön, häßlich,
aggressiv, stark, schwach, sanftmütig usw.)
- das Situationskonzept (wie erscheint ihm die Situation. Ist sie für ihn überschaubar, problematisch,
einfach, kompliziert, planbar, zu bewältigen, übermächtig usw.)
Wenn diese Informationen unter dem Aspekt der beratenden Anforderungssituation reflektiert werden, ergibt
sich die Einschätzung mit der Frage: liegt hier ein situativ unabhängiges Verhalten vor? Handelt es sich um
Reaktionen des Klienten auf die Situation in der Beratung? Worin besteht der Beitrag des Beraters? Das
Bekenntnis zum beziehungsvollen Beitrag des Beraters schließt die Verantwortung ein, diese Situation den
Möglichkeiten des Klienten gemäß zu gestalten. Damit gehört die Fähigkeit, eine empathisch erschlossene
Information über das Erlebnis und Verhalten des Klienten zu bewerten und zu relativieren, zur Kompetenz des
Beraters.
Auf der nächsten Stufe bildet der Berater bereits Hypothesen (Annahmen) über den Charakter der
Berater-Klienten-Beziehung. Dazu benötigt er: Informationen über sonstige Eindrücke, Gefühle und
Handlungstendenzen, die durch den Klienten bei ihm ausgelöst werden
Er fragt sich:
- Finde ich den Klienten sympathisch oder nicht,weckt er Interesse,fühle ich mich im empathischen Zugehen
behindert?
- Welches Bild von sich will der Klient in mir entstehen lassen? (Möchte er oder sie hilflos, ohnmächtig
oder stark, kämpferisch oder angepaßt, verführerisch oder sexuell unattraktiv oder intellektuell brillant
usw. gesehen werden?)
- Zu welchen Handlungen fühle ich mich durch den Klienten veranlaßt? Welches Beziehungsangebot mache ich dem
Klienten? (Ziehe ich mich zurück? Werde ich aktiv oder passiv? Dominiere ich oder ordne ich mich unter?)
- Welches Verhalten meinerseits scheint durch den Klienten blockiert zu werden? (Fällt es mir situativ
schwer, selbst Initiative zu übernehmen, die Initiative dem Klienten zu überlassen, direkt auf den Klienten
zuzugehen, ihn zu konfrontieren, eigene Hilflosigkeit zu zeigen, Distanz zu halten usw.) Diese Fragen führen
zur tieferen Reflexion des persönlichen Anteils des Beraters am Zustandekommen des Beziehungs-Verhaltens. Er
mag sich fragen, ob er dem Klienten zu stark gefordert, zu wenig unterstützt usw. hat. Verfügt der Berater
über genügend gesichertes Wissen über die eigene emotionalen Schwierigkeiten im Umgang mit den Problemen,
die der Klient thematisiert oder durch sein Verhalten aufwirft, kann er die eigenen Gefühle,Tendenzen als
Hilfsmittel zur Bildung des Konzeptes über das interaktionelle (Wechselbeziehungs-) Problem nutzen.
Zusammenfassend istfestzustellen,daß Empathie eine der wichtigsten Eigenschaften des Berater gegenüber dem
Klienten darstellt, bewährt hat sich in der Praxis folgendes Vorgehen.
Der Berater
- stärkt den/die Klienten/in durch Anerkennung
- regt den/die Klienten/in zur (Re) Konstruktion/Reflexion des Problems an
- fokussiert auf Ausnahmen
- hilft dem/der Klienten/in Ressourcen zu erkennen
- klärt und respektiert Auftrag, Erwartung und Anliegen des/der Klienten/in
- verändert den Bezugsrahmen des Problems
- fokussiert auf Defizite/Pathologien
- lenkt die Aufmerksamkeit auf Zukünftiges
- regt den/die Klienten/in an, seine/ihre Ziele zu äußern
- bemüht sich um guten Rapport, Zustimmung/oder Erlaubnis
- behandelt den/die Klienten/in als kompetenten Experten für sich selbst
- unterbricht Muster der Situation oder Kommunikation
- bietet als Experte/in eigene Erklärungen, Deutungen, Lösungen an
- hilft dem/der Klienten/in seine/ihre Ziele zu spezifizieren
- fragt nach Unterschieden, die für den/die Klienten/in einen Unterschied machen
- greift auf oder arbeitet mit Sprache und Metaphern des/der Klienten/in
- erweitert den Möglichkeitsraum des/der Klienten/in durch Induktion alternativer Bewußtseinszustände
- regt den/die Klienten/in zum unmittelbaren Erleben des Probleme
- hilft dem/der Klienten/in etwas ander(e)s zu machen
- hilft dem/der Klienten/in seine/ihre Ziele im Rahmen eigener Kompetenzen zu operationalisieren
- lenkt die Aufmerksamkeit auf die Entstehungsgeschichte bzw. Ursachen des Problems
- regt den/die Klienten/in zum unmittelbaren Erleben des erwünschten Zieles an
- exploriert die Lebenssituation des/der Klienten/in
Diese Reihe wird in Heft 4 fortgesetzt mit dem Beitrag “Menschen richtig verstehen, um besser beraten zu
können”.
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