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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 5/2013

Fasten & Autogenes Training

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© markus_marb - Fotolia.com… die optimale Kombination mit unbekannten Parallelen

Fasten und Autogenes Training (AT) ergänzen sich optimal, denn beim Fasten ist das Gehirn besonders aktiv. Dies kann ganz einfach damit erklärt werden, dass beim Fasten ca. 30% mehr Energie, die sonst für Verdauungsarbeit verbraucht werden würde, zur anderweitigen Verwendung zur Verfügung steht. Diese Energie nutzt der Körper, um u.a. Zell- und Gefäßreparaturvorgänge durchzuführen; das Gehirn nutzt sie, um im Unterbewusstsein abgespeicherte seelische Störungen durch emotionale Träume wiederzubeleben oder der Fastende nutzt sie bewusst selbst, um Zugang zu bisher unerreichten geistigen/spirituellen Dimensionen erlangen zu können. Nicht von ungefähr haben daher alle Religionsgründer gefastet, z.B. Jesus von Nazareth 40 Tage lang in der Wüste (Matthäus 4,2) oder Siddhartha Gautama (Majjhima Nikaya 26): „Ich nahm ein Mal täglich Essen zu mir, alle zwei Tage und so weiter bis zu einem Mal alle zwei Wochen.“

AT ist eine auf Autosuggestion basierende Entspannungstechnik, die vom Berliner Psychiater Dr. Johannes Heinrich Schultz aus der Hypnose entwickelt wurde und neben der Hypnose eine weitere Möglichkeit darstellt, Zugang zu dem Unterbewusstsein zu gewinnen und Einfluss darauf zu nehmen. Es ist eine weitverbreitete und (z.B. in Österreich sogar gesetzlich) anerkannte Psychotherapiemethode zur Linderung/ Behandlung vieler Krankheiten sowie zur Aktivierung der Selbstheilungskräfte.

Interessant ist der Vergleich zwischen dem Arzt und Begründer des Heilfastens Dr. med. Otto Buchinger (1878-1966) und Dr. Johannes Heinrich Schultz (1884-1970): Beide lebten zur selben Zeit, wurden fast gleich alt und veröffentlichten ihre Schlüsselwerke nahezu gleichzeitig: Buchinger „Das Heilfasten und seine Hilfsmethoden als biologischer Weg“ 1935, Schultz „Das Autogene Training“ 1932, sowie das „Übungsheft für das Autogene Training“, 1935.

Buchinger kannte das AT noch nicht, aber untersucht man gezielt Buchingers Schlüsselwerk „Das Heilfasten und seine Hilfsmethoden als biologischer Weg“ (24. unveränderte Auflage, Hippokrates-Verlag), findet man unter der Kapitelüberschrift „Die heilende Selbsteinrede“ doch einen Hinweis von Buchinger, der fast identisch mit einer Definition des AT ist: „Eine wichtige Rolle spielt bei der Schulung der sich gesund fastenden Kranken auch das sogenannte Coué-Mantra. Wir verstehen darunter immer die wiederholte Selbsteinrede in Form leicht fasslicher Sprüche und Sätze, die in behauptender, feststellender (affirmativer) Form Besserung und Heilung vorwegnehmen. […] Wir bringen in unseren Fastenvorträgen Beispiele in Hülle und Fülle aus dem täglichen Leben und aus der Geschichte, Beispiele, die von der Macht des Gedankens und besonders des gesprochenen Gedankens zeugen. Jeder Faster soll sich nun sein eigenes Sprüchlein bauen, das er trägt wie sein eigen Kleid, seinem Körper, seiner Art angemessen.“

Man sieht hier sogar eine exakte Parallele zwischen dem „eigenen Sprüchlein“ und den persönlichen Leitsätzen, wie sie Schultz in seinem inzwischen in der 25. Auflage erschienen Original-Übungsheft zum AT aufführt („Autogenes Training. Das Original-Übungsheft. Die Anleitung vom Begründer der Selbstentspannung“, Neuauflage 2010 zum 75. Geburtstag des Übungsheftes, Trias-Verlag): „Leitsätze helfen bei imaginativen Vorstellungen von Zielen, die mit dem AT erreicht werden sollen, ohne jedoch gleichzeitig ein aktives Tun beinhalten. Gemäß dem Grundsatz, dass eine Vorstellung dazu führt, dass sich auch körperlich (und seelisch) eine Annäherung an diese Vorstellung einstellt, d.h., dass das, was ich mir vorstelle, Realität wird, sind Leitsätze eine große Hilfe zur Veränderung des Menschen.“

Damit Leitsätze eine große Hilfe zur Veränderung sein können, insbesondere bei den durch Fasten ausgelösten physischen und psychischen Entschlackungsprozessen, müssen diese, nach Schultz, positiv, kurz und realistisch sowie monoton und rhythmisch sein. Für die Fastenzeit passt sein beispielhafter Leitsatz: „Schlaf unwichtig – Ruhe wichtig – durch Gelassenheit und Abstand!“ Oder ein anderer bekannter Leitsatz von Émile Coué, Apotheker und neben Schultz Begründer der modernen bewussten Autosuggestion: „Es geht mir mit jedem Tag in jeder Hinsicht immer besser und besser!“

Der Schlaf ist beim Fasten ebenfalls in die körperlichen und seelischen/geistigen Umbauvorgänge einbezogen, was sich auch u.a. in den dabei auftretenden Träumen äußert.

Durch die beim Fasten bedingten Änderungen des Stoffwechsels kommt es oft zu einem Erwachen nach Mitternacht. Ursache dafür ist der Anstieg von Ketonkörpern, zu denen die chemischen Verbindungen Acetacetat, Beta-Hydroxybutyrat und Aceton gehören. Sie entstehen bei niedrigem Glukosespiegel im Blut als Nebenprodukt der Fettverbrennung in den Mitochondrien der Leberzellen. Diese bewirken einen Anstieg des den Sympathikus aktivierenden Noradrenalins, das einerseits das Absinken in einen Tiefschlaf bremst und andererseits das Traumdenken anregt. Dies hat zwar physisch keine negativen Auswirkungen, im Gegenteil, ist es doch ein Beweis für nächtliche Reparaturvorgänge und Autophagie, d.h. Abbau u.a. des Körperfetts und Entsorgung von defekten Zellen durch „nächtliche Müllabfuhr“. Es stellt aber psychisch für manche ein Problem dar, wenn sie ungewohnte Wachphasen oder aufwühlende Träume haben. Dr. med. Heinz Fahrner empfiehlt diesbezüglich das AT in seinem Buch „Fasten als Therapie“ (Hippokrates-Verlag) als Bewältigungsmittel: „Auch mit einem kurzen autogenen Training von fünf bis sieben Minuten bietet sich die Möglichkeit, den Anschluss an die nächste Schlafphase schneller zu finden.“ Schultz sagt dazu: „AT und Einschlafen haben in manchem ähnliche Symptome: Autogen trainierte normale Übende können ihren Schlaf sofort eintreten lassen und ebenso mit genauem Termin beenden.“

Parallelen zwischen Fasten und AT zeigen sich auch in deren Wirksamkeit. Prof. Dr. Andreas Michalsen, Professor für Klinische Naturheilkunde an der Charité in Berlin, sieht in zahlreichen Studien die positiven Wirkungen des Fastens bestätigt (zitiert aus dem Buch „Die Morgen darf ich essen was ich will Diät“ von Bernhard Ludwig, Gräfe und Unzer-Verlag): „Insbesondere ein erhöhter Spiegel des Glückshormons Serotonin hat eine stimmungsaufhellende Wirkung auf die Fastenden, genauso wie die Hormone Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin, oder Leptin, die außerdem auch noch ganz stark die Stoffwechselvorgänge regulieren und eine reduzierte Schmerzempfindlichkeit sowie eine erhöhte Sensibilität der Insulinrezeptoren hervorrufen. […] Das Paradoxe an diesen Erkenntnissen ist, dass es dennoch unzählige Skeptiker gibt, die beanstanden, es gäbe nicht ausreichend Studien, die dies bestätigen können. Wenn man nun weiß, dass sich die Kosten dafür auf mehrere Millionen Euro belaufen und Fördermittel sowie Gelder für neue Forschungsaufträge selten zur Verfügung stehen, wenn kein Medikament involviert ist, dann versteht man den Verdruss der forschungsfreudigen Experten.“

Mit dem AT verhält es sich ähnlich. Nach Selektion von 60 kontrollierten Studien (Stetter & Kupper, 1998, 2002), die Dr. med. Bernt Hoffmann in seinem „Handbuch Autogenes Training“, (dtv-Verlag) zitiert, wurde in 80% eine Symptomreduktion in den mit AT behandelten Gruppen gefunden und von fast 50 durchgeführten Vergleichen mit Placebogruppen wurde eine Wirksamkeit von über 75% bestätigt. Dass AT dennoch, insbesondere in den USA bei modernen Studien seltener untersucht wird, liegt daran, dass AT in den USA nicht so bekannt ist und die amerikanische Entspannungsmethode des Amerikaners Edmund Jacobson, die Progressive Muskelentspannung, bevorzugt wird, obwohl in klinischen Studien bewiesen wurde, dass diese das Immunsystem weniger beeinflussen kann als AT. Es gibt diesbezüglich zwei Studien von Hidderley & Holt, 2004, und Bongartz & Bongartz, 1999, die zeigten, dass bei Krebspatienten eine Verbesserung der Immunreaktion zu verzeichnen war und die für die Immunabwehr wichtigen Lymphozyten, die nach Stressbelastung abnahmen, nach Hypnose wieder deutlich zunahmen. Dr. med. Bernt Hoffmann, kommentiert in seinem „Handbuch Autogenes Training“ diese erstaunlichen Forschungsergebnisse wie folgt: „Was das tatsächlich bedeutet, weiß gegenwärtig natürlich noch niemand genau. Wenn die Wirkung von AT (und der physiologisch ähnlich wirkenden Hypnose) wirklich über die Entspannung hinaus das Immunsystem erreicht, ist zumindest denkbar, dass auch der Verlauf der Grundkrankheit günstig beeinflusst wird.“

Dieser Meinung ist auch Prof. Dr. med. Johann Caspar Rüegg, emeritierter Leiter des 2. Physiologischen Instituts an der Ruprecht-Karls- Universität Heidelberg in seinem Buch „Mind & Body – Wie unser Gehirn die Gesundheit beeinflusst“ (Schattauer-Verlag): „Wenn schon die Magensaftsekretion über den Vagusnerv durch Autosuggestion und Hypnose beeinflusst werden kann – warum nicht auch das ebenfalls vom Vagus innervierte Immunsystem? Und wenn es schon dem berühmten indischen Yogi Swami Rama gelang, durch Meditation und autosuggestiver Techniken, also allein durch die Kraft der Imagination, die Herzfrequenz zu erhöhen und zu senken – warum sollte es dann nicht auch möglich sein, auf analoge Weise das Immunsystem zu zügeln, das ja wie das Herz durch das autonome Nervensystem beeinflusst wird? Vielleicht gelänge dies ja auch mithilfe von Autogenem Training oder Biofeedback-Techniken, dank derer ein Mensch lernen könnte, das parasympathische Nervensystem immer besser zu beeinflussen. […] Im Zeitalter der ‚Evidence-based Medicine‘ ließe sich diese Frage experimentell prüfen und beantworten.“ Leider ist dies bislang nicht erfolgt und wird auch aufgrund der von Prof. Dr. Michalsen aufgeführten Argumente wohl nie stattfinden.

Gerade die Beeinflussung des parasympathischen Nervensystems ist das Ziel des AT. Auch die von Prof. Dr. Rüegg angesprochene Beeinflussung des Herzens ist eine zentrale Übung des AT. Schultz sagt dazu: „Das Herz ist ein überaus kräftiger, mit kurzen Erholungssekunden unermüdlich arbeitender Pumpenmuskel, der in seiner Funktion durch zahlreiche Nerven abgesichert ist. Durch das Wärmeerlebnis hat der Übende schon die Blutgefäße als ‚willkürliches Körpersystem‘ selbsttätig zu beeinflussen gelernt. Dasselbe geschieht in der 6. Übung mit dem Herzen. […] Die Herzübung wird meist weniger eindrucksvoll erlebt als Schwere und Wärme. Ihr Sinn liegt vornehmlich in einem Hinwenden der Aufmerksamkeit nach innen (fortschreitende Konzentration) und in dem Erleben des Rhythmus, mit dem später die persönlichen Zusatzformeln verbunden werden.“

Fasten und AT haben sowohl was die Wirkung auf die körperliche als auch auf die seelische, geistige Ebene angeht, dieselben Wirkungsmechanismen und Heilungsansätze: Beim Fasten, wie auch beim AT, setzt der Körper vermehrt die Glückshormone Dopamin und Serotonin frei. Bei Serotonin handelt sich dabei um einen Neurotransmitter, der insbesondere auf die Signalübertragung im Zentralnervensystem und den Tonus der Blutgefäße einwirkt. Es wird vermutet, dass das Serotoninsystem, bestehend aus Serotonin und seinen Rezeptoren, bereits im Präkambrium vor über 700 Millionen Jahren entstand. Somit handelt es sich sowohl beim Fasten als auch beim AT um salutogenetische Werkzeuge, die ganz tief im Unterbewusstsein bzw. bei den ältesten Teilen des Gehirns, dem emotionalen Gehirn und dem Überlebenszentrum im Hirnstamm, ihre Wirkung entfalten. Beim Fadenwurm Caenorhabditis elegans werden beim Fasten z.B. dieselben lebensverlängernden Mechanismen aktiviert wie beim Menschen und es wurde nachgewiesen, dass sich seine Lebensdauer um über 40% verlängert, wenn er jeden zweiten Tag fastet. (S. Honjoh et al: Signalling through RHEB-1 mediates intermittent fastinginduced longevity in C. elegans, Nature 2009).

AT wirkt übrigens auch direkt, nicht nur aufgrund des allgemeinen Entspannungszustandes („Meditation des Westens“), auf den Tonus der Blutgefäße ein: Durch die Formel „Arm wird schwer.“ oder „Arm wird warm.“ wird erreicht, dass sich die Blutgefäße erweitern und vermehrt warmes Blut einströmt.

Da Fasten ja bekanntlich der größte Appell an die natürlichen Selbstheilungskräfte des Menschen ist (Aussage von Dr. med. Heinz Fahrner in seinem Buch „Fasten als Therapie“, Hippokrates), sowohl leiblich, wie seelisch gesehen – noch im Mittelalter war Fasten das Ultima Ratio gegen Krankheiten – kann dieser Appell mit autosuggestiven Formeln im AT unterstützt und verstärkt werden. Somit umfasst der Begriff „Entschlackung“ beim Fasten nicht nur den Körper, sondern auch die Psyche und den Geist: „Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper.“ Neuronal oder epigenetisch gespeicherte psychische Traumata kommen beim Fasten aus den Tiefen des Unbewussten wieder in das Licht des Bewusstseins und die Oberstufe des AT kann dabei helfen, dass diese gelindert oder überwunden werden können. Insbesondere geführte Phantasiereisen können dazu beitragen, die beim Fasten intensiv erlebten Träume, die unbewusste Erlebnisse aus der Vergangenheit widerspiegeln, zu verarbeiten. Allerdings ist Vorsicht geboten, da man nicht weiß, was einem hinter bislang verschlossenen Türen des Unterbewusstseins erwartet, zumal, wenn man nicht mit entsprechenden Schutzmechanismen darauf vorbereitet wurde.

Selbstheilung funktioniert nicht von selbst. Es gilt leider, wie bei fast allem: Übung macht den Meister. Buchinger hat es fastenspezifisch formuliert: „Üben des Meidens nimmt Quellen des Leidens.“ Somit ist es ratsam, sich beim Fasten von einem im Autogenen Training geschulten Fastenleiter begleiten zu lassen, um das ganze Potenzial des Fastens und des Autogenen Trainings für sich ausschöpfen zu können.

Andreas HägeleAndreas Hägele
Seminarleiter Autogenes Training und Fastenleiter

Andreas.Haegele@t-online.de

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