Übersicht dieser Ausgabe    Alle Paracelsus Magazine

aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/2016

Belastung durch tote Zähne und biologischer Ersatz durch Keramikimplantate

Cover

Sowohl chronisch entzündliche Erkrankungen als auch Autoimmunerkrankungen nehmen bereits seit Jahrzehnten zu. Die Ursachen hierfür sind multipel und werden in der Fachwelt intensiv erforscht. Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Ursache für die rapide Zunahme in einem multifaktoriellen Geschehen liegt. Veränderte Umweltbedingungen wie die allgemeine Umweltverschmutzung, Strahlenbelastung durch elektromagnetische Wellen, Medikamentenbelastung, falsche Ernährung etc. nehmen dabei eine führende Rolle ein. Einen hohen Stellenwert haben hierbei auch die Belastungen ausgehend von der Mundhöhle, denn diese wirken 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche negativ auf das Immunsystem. Sowohl die durch den Zahnarzt eingebrachten Materialien bei der Gebisssanierung (Amalgam, Metalle, Kunststoffe etc.) als auch andere Störfelder (NICO = neuralgia inducing cavitational osteonecrosis) im Kieferbereich sind von großer Bedeutung. Eine der wichtigsten und intensivsten Belastungen aus dem oralen Bereich stellen jedoch die toten, wurzelkanalbehandelten Zähne dar.

Entstehung toter Zähne und mögliche Folgen von Wurzelkanalbehandlungen

2016 01 Zahn1Kommt es zur irreversiblen Entzündung der Pulpa (Zahnnervgewebe, s. Abb. 1), erfolgt in der Regel eine Wurzelkanalbehandlung durch den Zahnarzt zur Beseitigung der akuten und häufig heftigen Schmerzen. Hierbei wird versucht, sämtliches entzündliches oder nekrotisches Gewebe aus dem Inneren des Zahnes zu entfernen und mittels zunächst medikamentöser, später plastischer Einlage die Schmerzen zu beseitigen. Jedoch bestehen berechtigte Zweifel, dass selbst bei genauester Vorgehensweise eine vollständig bakterienfreie und hundertprozentig dicht abgeschlossene Zahnwurzel realisiert werden kann.

2016 01 Zahn2Die Anatomie der Zahnpulpa weist eine große Variabilität mit z.B. akzessorischen Seitenästen auf (s. Abb. 2), welche sich einer kompletten mechanischen Reinigung durch den Zahnarzt entziehen.

2016 01 Zahn3Auch die vielen, sehr feinen Kanäle des Dentins (Dentintubuli, s. Abb. 3 und 4), welche die komplette Zahnwurzel durchziehen, können nicht vollständig sterilisiert werden. Wissenschaftliche Studien1), 2) zeigten, dass diese nach einer Wurzelkanalbehandlung durch unterschiedliche, teils unbekannte Spezies anaerober, pathogener Bakterien besiedelt werden, die das verbleibende organische Gewebe zersetzen und schädliche Stoffwechselprodukte (Toxine) absondern. 2016 01 Zahn4Besonders häufig findet man sowohl in den toten Zähnen als auch im umliegenden Kieferknochenbereich enterococcus faecalis, capnocytophaga ochracea, fusobacterium necleatum, leptotrichia buccalis, gemella morbillorum und porphyromonas gingivalis3). Diese Keime stellen u.a. ein Risiko für Herz, Nervensystem, Nieren, Gehirn und Kieferhöhle dar. Nicht ohne Grund ist sogar in der klassischen Schulzahnmedizin die Entfernung toter Zähne vor Bestrahlung oder Chemotherapie dringend empfohlen, um eine Gefahr der Keimverschleppung oder der Entstehung von akuten entzündlichen Prozessen zu verhindern, während der Patient während der Therapie immunsupprimiert ist.

Toxine aus toten Zähnen

Die genannten pathogenen Bakterien produzieren aus den Aminosäuren Cystein und Methionin als Nebenprodukte des anaeroben Stoffwechsels hochgiftige und potentiell krebserregende Schwefelwasserstoffverbindungen (Thioether/ Mercaptan)4). Diese Toxine können durch die Möglichkeit der Hemmung lebenswichtiger körpereigener Enzyme zur Ursache vielfältiger System- und Organerkrankungen werden. Hierbei ist besonders zu beachten, dass der Kieferbereich der mit am stärksten durchblutete Knochen im menschlichen Körper ist und somit Bakterien und Toxine massiv über Blutund Lymphsystem im Körper verteilt werden5). Man spricht hier von der Streuwirkung fokaler Herde im Kieferbereich.

Immunantwort auf tote Zähne

Der Verbleib von Gewebsresten der Pulpa, die bakterielle Besiedelung sowie die Toxinproduktion bleiben wie oben geschildert nicht auf den Zahn und seine Wurzel lokal begrenzt. Häufig entwickelt sich im Kieferknochen, der die entsprechende Zahnwurzel umgibt, eine chronische, meistens örtlich schmerzlose und daher vom Patienten unbemerkte Infektion, welche durch knochenabbauende (osteolytische) Prozesse den umliegenden Kieferknochen auflöst. Dies führt zu einer dauerhaften Aktivierung der unspezifischen Immunantwort durch Makrophagen, welche ihrerseits die Entzündungsmediatoren TNF-alpha, IL-1, Prostaglandine (PGE2) und Leukotriene freisetzen, welche dann fortwährend in der Blutbahn zirkulieren. Diese Mediatoren begünstigen nachweislich die Entstehung und Verschlechterung chronischer Entzündungen und Autoimmunerkrankungen.

Diagnostik und Therapie

Die Diagnose der Störfeldwirkung toter Zähne kann durch den Zahnarzt erfolgen. Dieser kann u.a. mithilfe eines Abstrichtests (Orotoxtest), Röntgenaufnahmen oder Neuraltherapie mit Procain die Lage und das Ausmaß der chronischen Infektion im Kiefer messen.

Auch alternativmedizinische Methoden wie die Elektroakupunktur nach Voll (EAV), Bioresonanz oder andere energetische Verfahren können unterstützend herangezogen werden. Soll die bakterielle, toxinbedingte Belastung des Immunsystems durch tote Zähne komplett ausgeschaltet werden, bleibt nach Einschätzung vieler erfahrener, ganzheitlich denkender Zahnärzte nur die Entfernung des als Herd wirkenden Zahnes.

Ersatz der fehlenden Zähne durch Keramikimplantate

Um die gleichmäßige Belastung und Kraftverteilung im Kausystem wiederherzustellen, sollte die entstandene Lücke nach erfolgter Zahnentfernung im Anschluss unbedingt versorgt werden. Hierbei ist wie eingangs erwähnt eine hohe Sorgfalt in puncto Materialauswahl zu beachten, um das Immunsystem des Patienten durch die eingebrachten Fremdmaterialien nicht weiter zu belasten.

Als Standard im Bereich der Lückenversorgung gilt die Versorgung der Lücke mit einem Implantat. Ein Implantat stellt eine schraubenförmige, künstliche Wurzel dar, welche im Bereich des fehlenden Zahnes eingebracht und nach erfolgter Einheilung mit einer Krone versorgt wird. Bis vor wenigen Jahren war das Standardmaterial dieser Implantate metallisches Titan. Im kumulativen Zusammenspiel mit der drastischen Zunahme der Umweltbelastungen – hier im Speziellen die Belastungen durch verschiedenste Metalle und deren Oxide, wie sie in Nahrungsmitteln, Medikamenten und Verpackungen enthalten sind – zeigt sich auch ein Anstieg der auftretenden Unverträglichkeiten gegenüber Titan. Galt Titan bis vor wenigen Jahren noch als unkritisches, da optimal verträgliches Material, zeigen aktuelle Untersuchungen eine zunehmende immunologische Reaktion im Sinne einer Unverträglichkeit bei 15-20% der untersuchten Patienten. Diese ist auch abhängig vom individuellen genetischen Entzündungstyp. Auch gibt es bereits Untersuchungen, welche eine Typ IV Reaktion, also eine klassische allergische Reaktion beschreiben. Vor diesem Hintergrund sollte das routinemäßige Einsetzen von Implantaten aus Titan überdacht werden, da bei bestehender Unverträglichkeit gegen das Material neben einem Misserfolg (Implantatverlust durch Entzündung) auch eine immunologische Belastung des Organismus riskiert wird.

2016 01 Zahn5Seit einigen Jahren stehen jedoch Implantate aus Keramik (Zirkonoxid) zur Verfügung (s. Abb. 5). Diese weisen keinerlei metallische Eigenschaften wie z.B. elektrische und thermische Leitfähigkeit oder Verstärkung elektromagnetischer Strahlung (fehlende Funktion als Antenne im Vergleich zu Metallimplantaten) auf. Aus immunologischer Sicht finden keine negativen Reaktionen statt: Es wurden nach umfassenden Untersuchungen bis heute keine Unverträglichkeiten oder Allergien auf die verwendete Keramik festgestellt.

2016 01 Zahn6Die neueste Generation der Zirkonoxidimplantate ist auch in puncto Stabilität den Implantaten aus Titan überlegen, was Untersuchungen zur Bruchfestigkeit zeigen konnten. Die weiße Farbe des Materials erlaubt dem Zahnarzt auch in ästhetisch anspruchsvollen Fällen, ein optimales Ergebnis zu erzielen. Hierzu trägt die hohe Gewebefreundlichkeit der Keramik in Verbindung mit dem umliegenden Weichgewebe (Zahnfleisch) bei (Abb. 6).

Fazit

Gerade in einem Umfeld der Zunahme von chronischen Erkrankungen und Umweltbelastungen kommt dem Zahnarzt eine verantwortungsvolle Aufgabe zu. Es gilt, ganzheitlich biologisch zu denken und die Patienten nicht nur lokal reparierend zu behandeln, sondern darüber hinaus fördernd auf deren Allgemeingesundheit einzuwirken. Dazu zählt neben der umfassenden Aufklärung über mögliche Risiken, wie z.B. Gefahren durch tote, wurzelbehandelte Zähne, ebenso die Verwendung von möglichst bioinerten Materialen in der Phase der Restauration. Diese Arbeitsweise kann nicht nur das Leiden bereits erkrankter Menschen drastisch lindern, sondern sollte im Sinne Gesundheitsvorsorge und Prävention in der täglichen Praxis angewandt werden.

Dr. Alexander NeubauerDr. Alexander Neubauer
Zahnarzt mit Praxis in Tittling, Experte für Implantologie, Kraniofasziale Orthopädie und ganzheitliche Zahngesundheit
info@zahnarzt-tittling.de

Literatur

1) Siqueira, J. F./et. al.: Polymerase chain reaction-based analysis of microorganisms associated with failed endodontic treatment. Oral Surgery, Oral Medicine, Oral Pathology, Oral Radiology and Endodontology 2004; Vol. 97: 85-94

2) Siqueira, J. F./et. al.: A Scanning Electron Microscopic Evaluation of In Vitro Dentinal Tubules Penetration by selected Anaerobic Bacteria. Journal of Endodontics, June 1996; Vol. 22 (6)

3) Chugal, N. M./et. al.: Endodontic infection: Some biologic and treatment factors associated with outcome. Oral Surgery, Oral Medicine, Oral Pathology, Oral Radiology and Endodontology July 2003; Vol. 96 (1)

4) Richardson, N./Mordan, N. J./Figueiredo, J. A./Ng, Y.-L./Gulabivala, K.: Microflora in teeth associated with apical periodontitis: a methodological observational study comparing two protocols and three microscopy techniques. International Endodontic Journal 2009 October; Vol. 42(10): 908-21

5) Siqueira, J. F./et. al.: Bacteria in the apical root canal of teeth with primary apical periodontitis. Oral Surgery, Oral

zurück zur Übersicht dieser Ausgabe
Paracelsus SchulenWir beraten Sie gerne
Hier geht's zur Paracelsus Schule Ihrer Wahl.
Menü