aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/2000
Anorektaler Symptomenkomplex beim geriatrischen Patienten
Der anorektale Symptomenkomplex – ein häufig gestellter Befund in der geriatrischen Praxis – erfordert eine eingehende Untersuchung, deren Umfang vom Hämorrhoidalknoten bis zum Rektumkarzinom reicht. Behandlungspflichtig ist jede Ursache. Selbst eine akute oder chronische Hämorrhoidenblutung (vor allem, wenn blutverdünnende Medikamente genommen werden müssen), kann für den gealterten Organismus direkt in die Katastrophe führen.
SUBJEKTIVE BESCHWERDEN
Pruritus ani, Brenne, Nässen, Stiche und Druck, Drang und Völlegefühl in der Analgegend, Knotenbildung, kürzer oder länger anhaltender Schmerz, Defäkationsanomalien oder Schwierigkeiten, sowie Blut- und Schleimbeimengungen im Stuhl.
ÄUSSERE HÄMORRHOIDEN
meist keine auffälligen Beschwerden, Füllung beim Pressen, Entleerung auf Fingerdruck. Bei mechanischer Reizung und bei Entzündung Absonderung eines serösen Sekrets. In diesem Stadium werden meist Klagen über verunreinigte Wäsche und Brennen in der Analgegend geäussert, auch quält den Patienten lästiger Analpruritus.
Kommt es zu einer akuten entzündung (Thrombophlebitis haemorrhoidales) treten erhebliche Schmerzen auf, der Patient gibt an, er habe einen dicken Knoten getastet, der ihm Schmerzen bereitet.
INNERE HÄMORRHOIDEN
der Verdacht wird häufig vom Patienten selbst geäussert, wenn er beim Stuhlgang oder auf dem Toilettenpapier Blutspuren feststellt. Verschmutzte Wäsche, bei Defäkation, zunehmende Schmerzen (manchmal auch ein prolabierter innerer Hämorrhoidalknoten) erhärten den Verdacht.
ANALFISSUR
typisch sind fast alle Beschwerden des anorektalen Symptomenkomplex, insbesondere starke Schmerzen n a c h dem Stuhlgang. Spasmen der Perinealmuskulatur mit Ausstrahlung in die Rückenreflexzone.
PROKTITIS
Besonders auffällig ist der häufige Stuhldrang, der jedoch nur zum Abgang von Gas und Schleim führt, Blutbeimengungen im Stuhl sind möglich, sowie Tenesmen nach versuchter Defäkation.
ANALFISTEL
Sie bleibt oft unbemerkt und ist weitgehend symptomarm. Schmerzen können in einzelnen Fällen auftreten, Austritt von Stuhl und Eiter wird bisweilen beobachtet.
OBJEKTIVER BEFUND:
ÄUSSERE HÄMORRHOIDEN
Lokalisation: Außerhalb des Sphinkter ani, von äußerer Haut umgebene blutgefüllte, bläulich schimmernde Knoten von etwa Erbsengrösse, die sich beim Pressen füllen. Oft beobachtet man in der Umgebung Exzemationen oder Kratz und Sekretspuren.
INNERE HÄMORRHOIDEN
Lokalisation: Innerhalb des Sphinkters an der Haut-Schleimhautgrenze, bedeckt mit Mucosa. Wenn kein Prolaps vorliegt, sind die inneren Hämorrhoiden nur durch das Rektoskop sichtbar und nur bei starker Knotenbildung tastbar. Die Knoten sind weich und elastisch und unter gut verschiebbarer Schleimhaut eindrückbar. Beim Stuhl kann man hellrote, streifenförmige Blutbeimengungen feststellen.
ANALFISSUR
Sichtbarer Befund
ANALFISTEL
Fistelöffnung in der Analwand
REKTUMKARZINOM
Rektoskopischer Befund, evtl. Tastbefund bei rektaler Untersuchung
THERAPIE:
ÄUSSERE HÄMORRHOIDEN
Im akuten schmerzhaften Stadium ist eine Inzision des Knotens in Lokalanästhesie und Ausdrücken des Thrombus angezeigt. Allgemein zu beachten: Sorgfältige Analhygiene, nach jeder Defäkation den Anus mit Schwamm abwaschen, keine Seife verwenden, sondern nur Kamillentee oder Wasser, ev. unter Zusatz von 1 Messerspitze Alaun auf 1/2 Liter Wasser.
Diät: Reizende und scharfe Gewürze meiden, ebenso Kaffee, Schwarztee, Käse, Rotwein, Schokolade. Günstig ist es, täglich 1 Joghurt zu essen, sowie Gemüse, Salate und kleienreiches Brot. Unbedingt für regelmäßigen Stuhlgang sorgen! ggf. mildes Abführmittel nehmen; z.B. Karlsbader Salz, 1 Teel. in 1 Glas Wasser gelöst. Keine scharfen Abführmittel nehmen.
Physikalisch: Therapieziel: Adstringierende Wirkung. Sitzbäder mit Kamille oder Eichenrichenbäder (36 – 37 Grad). Bei Schmerzen: Bettruhe und kalte Umschläge mit Essigsaurer Tonerde. Viel Bewegung, Gymnastik und Schwimmen. Salbenanwendung: Haemo-Exhirud- Salbe (Fa. Sanofi Winthrop). Die Salbe kann mit dem Aufsatzstück c. 6 cm tief eingeführt werden, außerdem sollte man damit eine Analringmassage durchführen.
Oder: Hametum-Salbe bzw. Venoplant comp.-Salbe (Fa. Schwabe), vor allem nach Sitzbädern. Intern haben sich Adjuvans Hämovonnad Kautabletten (Fa. Bastian) bewährt. Oder: Perivar (Fa. intersan) mit dem man auch bei Venenerkrankungen allgemein gute Erfolge erzielt. Majorana Liquidum (Fa. Madaus) 3 mal täglich 15 – 20 Tropfen in Wasser geben. Allgemein sollten innerlich Vene- und Lebermittel verordnet werden.
Phytotherapie: Hämorrhoidaltee (nach Vogt)
Rp.:
Cort. Condurango
Cort Frangulae aa 25.0
FolSennae 20.0
Fol.Melisse
FolMillefolii
Fol.Arnicae aa 10.0
M.f.spec.D.S. tägl. 2 – 3 Tassen von 1 Teel.Tee in Tasse Wasser warm angiessen. Kurz aufkochen. Günstig ist es bei eingeklemmten Knoten 1 – 2 Blutegel zu setzen und die Knoten danach mit einem antiseptischen Pulver zu bestreuen. Homöopathisch können wir Sulfur Tabl. D6 bei Afterjucken Acidum sulf.Dil. D3 bei Brennschmerz Nux Vomica Dil D4 bei Alkoholmissbrauch Millefolium Dil D3 bei Blutungen verordnen. Sehr bewährt haben sich die Hämorrhoidal- Zäpfchen Poikiven von der Firma Lomapharm.
INNERE HÄMORRHOIDEN
Veno-Tebonin Drag. (Fa. Schwabe) 3 mal 2 Dragees über längere Zeit , Hametum Supp. oder, wie oben Haemo Exhirud tief einführen und Hämovannad Kautabletten. Vorhandener starker Husten (Raucherhusten) muss kalmiert werden, da sich sonst der abdominale Druck erhöhen könnte. Bei häufig rezidivierenden Beschwerden wird eine Operation nicht zu umgehen sein.
ANALFISSUR
Im Frühstadium Ruhigstellung des Anus (Laxantien), da sie meist durch zu harten Stuhl entstehen. Bei stärkeren Schmerzen verordnen wir lauwarme Sitzbäder mit Zinnkraut oder Kaliumpermanganat, danach eincremen mit einer anaesthesierenden Hametum-Schwefel-Salbe z.B. Anaestesin Bals.peruvian.aa.3.0 Sulfuris praecipitati 5.0 Ung. Hamamalid. ad.35.0 M.f.ung. D.S. nach dem Stuhl auftragen. Neuraltherapie: Unterspritzung mit 18 Nadel (Lidocain), ca. 2 mm Stichtiefe. Bei hartem Grund wird an 2 Stellen 0,1 ml 96%iger steriler Alkohol injiziert, ebenfalls mit einer 18er Nadel . Intern verordnen wir Paeonia Oplx. Liquid von Madaus. S 3 mal 15 Tr. v.d. Essen.
PROKTITIS
Behandelt muss die Grundkrankheit werden, ggf. ist Bettruhe einzuhalten und die Anwendung feuchter Wärme zu empfehlen. Sehr oft kann eine Nahrungsmittelallergie oder ein psychisches Problem dahinterstehen, wobei der Patient mit einer sehr ausgiebigen Symptomendarstellung seine Beschwerden vorträgt (Analneurotiker) In diesem Fall ist Gesprächstherapie angezeigt. Mit Kaffeekohle oder Kartoffelstäbchen, die man einführt, kann man durchaus erfolgreich sein, oder man verordnet Naranotox Tr. (Fa. Pflüger) als Umstimmungsmittel Lympholact N Pflüger und zur Ausleitung Derivatio H Tabletten (ebenfalls Fa. Pflüger). Bei allen fieberhaften Entzündungen des Magen- Darmtraktes hat sich Pfz. Bryonia 311 (Fa. Pflüger) bewährt, oder wir versuchen Basilikum-Complex Tr. von Weber&Weber 3 mal 20 Tropfen plus Belladonna Weliplex Tropf. 3 mal tägl. 15 Tropfen.
ANALFISTEL
Wegen seiner hervorragenden Wirkstoffe soll hier apo-Häm (Fa. Pekana) nicht vergessen werden, sowohl in Tropfen wie auch in Salbenform. Dazu apo-Hepat spag. Tr. und zur Ausleitung Toxex spag. Tropfen. Oder Aescorin N Fluidextrakt/ Filmtabletten (3mal 20 Tropfen oder 1 Tablette) und Aescorin N Salbe (Fa. Steigerwald). Abschließend soll gerade beim geriatrischen Patienten darauf hingewiesen werden, dass Darmleiden diesen ganz besonders belasten. Nicht nur der Beschwerden wegen, sondern weil er besonders bei diesen Krankheiten sehr auf das Verständnis und die Hilfe des Pflegepersonals angewiesen ist und auf dessen besondere geriatrische fachliche Pflege-und Behandlungskompetenz.
R. M. Schischegg
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