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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 2/2013

Kinesiotape mit oder ohne kinesiologische Aspekte?

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2013-02-Kinesio1Es ist schon Mode geworden, dass wir gängige Worte mit Dingen assoziieren, die gar nichts mit dem Grundbegriff zu tun haben. So heißt vieles Bio, was kein Bio ist. Genauso ist es mit Kinesio, womit zwar Bewegung gemeint ist, aber welche genau, wird nicht hinterfragt. Kinesiotape wird direkt mit Sport in Verbindung gebracht, also liegt es doch nahe, auch diese Tapes mit der körperlichen Bewegung in Verbindung zu bringen. Wir sprechen auch von Bewegungstapes und meinen, dass dieses Tape „mitgeht“, wenn wir uns bewegen. Nur Kinesio heißt die energetische Bewegung, also die, die den Fluss unserer Energetik verbessert.

2013-02-Kinesio2Und jetzt sind wir schon in der Traditionellen Chinesischen Medizin. Kinesiologie kommt aus der Naturbeobachtung der Indianer, genauso haben die Chinesen die Natur beobachtet. Es ist die gleiche Natur. Und ebenso haben sich bei uns Sprichwörter entwickelt, die auch aus dieser einen Natur gekommen sind wie „Der hat sein Herz auf der Zunge“ (Organ des Herzmeridians) oder „Dem ist eine Laus über die Leber gelaufen“ (Wut wird dem Lebermeridian zugeordnet). Da viele Protagonisten aber von Kinesiologie nichts wissen, werden schnell andere Schlagwörter gefunden, wie Energy-Taping, Power-Taping, Meditaping, Physio-Taping usw. Meist haben alle die Klebebänder die gleichen Farben, Pink, Hellblau oder Schwarz.

2013-02-Kinesio3Es wäre also ehrlicher, wenn man sie einfach Physiotapes oder sonst wie nennen würde, denn ich meine, wo Kinesio draufsteht, sollte auch Kinesio drin sein.

Wenn wir über Kinesiologie und Farben sprechen, befinden wir uns vor allem im „Touch for Health“, welches eng mit der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) verknüpft ist. Hier haben wir mit den Kennmuskeln aus den einzelnen Meridianen zu tun, die sich wiederum in den Elementen befinden. Die Meridiane stehen im sogenannten Meridianumlauf in Verbindung (Abb. 1).

2013-02-Kinesio5Die Elemente haben sogenannte Entsprechungen wie Emotionen, (Abb. 2), Jahres- und Uhrzeiten, Alter, Organe und eben auch Farben. Wir wissen aber auch, dass wenn wir bestimmte Farben anschauen, die Kennmuskeln aus diesem Meridian oder Element besser trainieren können. So spricht beim Training des Brustmuskels die Farbe Grün besser an (Abb. 3). Genauso kann man die Emotion „Wut und Zorn“ aus dem Element Holz und damit den Lebermeridian besser ansprechen. Butterfly-Fitnessgeräte sind deswegen gut geeignet bei Ärger, wieder emotional „runter zu kommen“.

2013-02-Kinesio6Der Oberarmbeuger (M. bizeps) gehört zum Erde-Element aus dem Milz-Pankreasmeridian und wird deshalb mit Gelb getapt (Abb. 4 – ein Lymphtape). Natürlich sind bei dieser Therapie Kenntnisse in der Anatomie des einzelnen Muskels notwendig. Dringend erforderlich ist aber auch das Wissen, wie viele Gelenke dieser Muskel überspannt und wo seine maximale Kraft entwickelt wird.

Die üblichen Tapes haben die Farbe Hellblau zum Zwecke der Kühlung, Schwarz für den verbesserten Lymphfluss und Pink für die Mehrdurchblutung. Das kann man so sehen, aber mit Kinesiologie hat das nichts zu tun. Hinzu kommen noch die verschiedenen Therapieformen wie Muskeltapes, Lymphtapes, Nerventapes, Narbentechnik, Faszientechnik, Energietechnik und funktionelle Tapes. Dabei berücksichtigt werden soll noch die Verlaufsrichtung der Anlage (Ursprung/Ansatz der Muskeln), die Spannung der Tapes und die Kombination der einzelnen Farben. Aber wo sind hier die kinesiologischen Aspekte?

2013-02-Kinesio4Es ist schon imposant, wenn kreuzweise (Sterntape) auf die Lendenwirbelsäulengegend ein hellblaues Pflaster gegeben wird. Ist es wirklich wahr, dass die oberste Schicht auf der Haut noch irgendwas bewirkt? Im Biathlon sehen wir Sportler, die ein hellblaues Tape auf der Wange haben (Kühlung trotz Kälte?), und der Verfolger gibt der Farbe Pink den Vorzug. Ist die Verlaufsrichtung Tonisierung– Detonisierung wirklich so wichtig, wenn die meisten Anwender gar nicht wissen, wo ein Muskel beginnt und wo er aufhört? Kann man den M. iliopsoas in der Tiefe des Beckens wirklich tapen (s. Abb. li), wenn dieser schon physiotherapeutisch kaum manuell angegangen werden kann? Und deswegen sollten wir uns fragen, was diese Tapes wirklich machen und wo sie wirklich helfen.

Sie haben in etwa die Dicke der Haut und die Fähigkeit, bei der richtigen Anlage die Haut in der Bewegung vom Unterhautfettgewebe etwas anzuheben. Dadurch entsteht eine Sogwirkung, die wiederum den Lymphfluss anregt. Dies als Bewegung zu beschreiben und deswegen von Kinesio zu sprechen, halte ich für kühn. Es resultiert ein positiver Effekt auf die Neuropropriozeptoren der Haut, was manchmal zu einer sofortigen Beschwerdeminderung führt. Die Beweglichkeit wird besser und es entsteht ein Gesundungsempfinden.

Überall dort, wo sich ein Körperareal „ärgert“, gleich ob es Muskeln, Lymphwege oder Faszien sind, kommt es zu einem energetischen Stau, welcher sich morphologisch in einem Anquellen der Zelle zeigt. In der TCM sprechen wir von Qi-Stau. Das heißt, wir haben hier ein Ödem, welches wir zum Abschwellen bewegen wollen. Und das geht mit den Tapes auch richtig gut. Wenn wir nun die dem Meridian zugehörige Farbe anwenden, haben wir einen zusätzlichen positiven Effekt. Erst dann sind wir in der eigentlichen Kinesiologie angekommen und dann sollten wir erst von einer Behandlung mit Kinesiotapes sprechen.

2013-02-Kinesio7Deswegen bin ich Verfechter der wirklichen kinesiologischen Grundlage, wenn Tapes angelegt werden. Beim Muskeltape denken wir darüber nach, zu welchem Meridian der Kennmuskel gehört. Der Meridian ist in einem Element und dieses hat als Entsprechung eine Farbe. Wenn wir ein Lymphtape nutzen wollen, wenden wir die Trabekeltechnik an und nehmen die Farbe Schwarz (Farbe des Elementes Wasser = Lymphe) (Abb. 5). Kenntnisse der Lymphwege sind hier aber unbedingt erforderlich. Wenn wir eine Mehrdurchblutung anstreben, nehmen wir die Farbe Rot.

Beispiel eines Muskeltapes

2013-02-Kinesio8Der typische Rückenschmerz entsteht aus der Wirbelsäulenmuskulatur (Schwarz, Blasenmeridian, Wasserelement) und zieht in die Gesäßbacken (Rot, Kreislauf-Sexus-Meridian, Feuerelement). Diese Tapes werden vornüber gebeugt angelegt, um im aufrechten Stand die Haut anzuheben (Abb. 6).

Wenn zusätzlich noch die neurolymphatischen Punkte, evtl. auch Triggerpunkte oder Akupressurpunkte, mit einbezogen werden, dann haben wir die perfekte Behandlung. Ich kombiniere es häufig mit Akupunktur.

Vor allem sollten wir uns bewusst werden, was Tapes wirklich können und womit auch das beste Tape überfordert ist. Wenn aber die Kenntnisse aus der Kinesiologie hinzugenommen werden, dann wird der Einsatzbereich vergrößert. Gezielte Tapes, Grundkenntnisse in Touch for Health und Anatomie sowie die richtigen Anlegetechniken bringen mehr – dazu muss man aber auch wissen, was Kinesio(logie) bedeutet.

Dr. med. Werner Klingelhöffer Dr. med. Werner Klingelhöffer
Facharzt für Sportorthopädie, Akupunktur und Sportkinesiologie

info@kinsporth.de

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